Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 09.03.2006, Az.: 11 A 443/06
Untersagung und Schließung einer stationären Pflegeeinrichtung; Gefährdung der Gesundheit der Heimbewohner auf Grund Verletzung der Dokumentationspflichten bei knapper finanzieller Ausstattung und einem Betrieb mit einem Minimum an Fachkräften und vertretungsweisem Einsatz von Mitarbeitern von Zeitarbeitsfirmen; Abweichung der Dokumentation im Medikamentenblatt zur ärztlichen Verordnung im Hinblick auf die Dosierung eines Herzmedikamentes und die Dosierungsänderung eines Schilddrüsenhormons; Fehlen einer zeitnahen Wunddokumentation; Rückwirkende Anlage einer Wunddokumentation; Manipulation des Berichtsblattes; Zurückbleiben hinter den Anforderungen der Hygiene und des Schutzes der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen; Unfähigkeit zur Ermittlung des tatsächlichen Bedarfs an Hygieneartikeln; Mangelnde Integration des Tragens von Einmalhandschuhen und der Händedesinfektion in die Pflegeroutine; Auf das Unterlassen der Heranziehung eines Notarztes gerichtete Dienstanweisung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 09.03.2006
- Aktenzeichen
- 11 A 443/06
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 2006, 21805
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2006:0309.11A443.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 HeimG
- § 11 Abs. 1 Nr. 3 u. 9 HeimG
- § 11 Abs. 2 Nr. 1 HeimG
- § 11 Abs. 3 Nr. 1 HeimG
- § 17 Abs. 1 HeimG
- § 19 Abs. 1 HeimG
Fundstelle
- PflR 2006, 281-296 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
Verfahrensgegenstand
Untersagung und Schließung einer stationären Pflegeeinrichtung
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 11. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2006
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Niewisch-Lennartz,
die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Schlei,
den Richter am Verwaltungsgericht Peters, sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt seit dem 01.05.2003 das Alten- und Pflegeheim "Seniorenresidenz Rosengarten" in der F. Straße 18 in G.. Der Versorgungsvertrag für zunächst 20 Pflegeplätze wurde im September 2005 auf 24 Pflegeplätze erhöht. Nach der Konzeption der Einrichtung sollen vorrangig demenzkranke Bewohner betreut werden.
Anlässlich einer unangemeldeten Überwachung am 14.05.2003 wurde festgestellt, dass entgegen vorheriger Beratung durch die Heimaufsicht keine Fachkraft anwesend war und ein Rollstuhlfahrer aufgenommen worden war, obwohl die baulichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Anordnung gemäß § 17 Heimgesetz (HeimG) vom 15.05.2003 zum unverzüglichen Einbau einer Rampe ist die Klägerin nachgekommen. Mit einer weiteren bestandskräftig gewordenen Anordnung gemäß § 17 HeimG vom 15.05.2003 wurde die ständige Anwesenheit einer Fachkraft gefordert.
Anlässlich einer weiteren unangemeldeten Überwachung am 23.05.2003 wurde festgestellt, dass mehrere Nachtdienste nicht mit einer Fachkraft besetzt waren. Nach erneuter Beratung durch die Heimaufsicht wurde der Nachtdienst nachfolgend durch eine Fachkraft einer Zeitarbeitsfirma übernommen. Nachdem nach den Feststellungen einer unangemeldeten Überwachung am 09.09.2003 keine Fachkraft vorhanden war, setzte der Beklagte gegen die ursprüngliche Geschäftsführerin der Klägerin, Frau Gabriele H., mit bestandskräftig gewordenem Bußgeldbescheid vom 09.12.2003 wegen Verstößen gegen die Verordnung über personelle Anforderungen für Heime (HeimPersV) eine Geldbuße in Höhe von 1.000,00 EUR fest.
Bei einer unangemeldeten Qualitätsprüfung durch den MDK am 07.10.2003 wurden neben Unstimmigkeiten in der Personalausstattung und Pflegedokumentation sowie einer fehlenden bewohnerbezogenen Lagerung von Medikamenten weitere Mängel festgestellt und 38 Maßnahmen zur Bereinigung von Qualitätsmängeln empfohlen. Bei einer weiteren Qualitätsprüfung durch den MDK am 25.03.2004 wurden zwar zahlreiche Maßnahmen der vorangegangenen Qualitätsprüfung als umgesetzt angesehen, aber neben unzureichender Hygiene weiterhin massive Mängel im Umgang mit Medikamenten und bei der Dienstplangestaltung festgestellt und 13 Maßnahmen zur Bereinigung empfohlen.
Wegen des Fehlens einer Fachkraft beim Schichtwechsel an mehreren Tagen im Januar 2004 wurde mit bestandskräftig gewordenem weiteren Bußgeldbescheid des Beklagten vom 08.04.2004 gegen Frau H. eine weitere Geldbuße in Höhe von 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gegen Frau H. in ihrer Eigenschaft als Trägerin einer weiteren Pflegeeinrichtung in der I. 23 in J. hatte die Landeshauptstadt J. als zuständige Heimaufsichtsbehörde bereits mit Bescheid vom 24.10.2003 ein Bußgeld in Höhe von 1.000,00 EUR wegen Verstößen gegen die HeimPersV erlassen.
Nach Anhörung zur beabsichtigten Untersagung des Heimbetriebes in G. wegen der persönlichen Unzuverlässigkeit von Frau H. wurde auf der Gesellschafterversammlung am 19.11.2004 Herr Bernd H. zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt.
Weitere unangemeldete Überwachungen am 21.06.2004 und 03.11.2004 hatten nur geringfügige Mängel ergeben, die nach Beanstandung durch die Heimaufsicht abgestellt worden sind.
Nach der Beschwerde einer ehemaligen Mitarbeiterin der Klägerin erfolgte am 20.04.2005 erneut eine unangemeldete Überwachung der klägerischen Einrichtung. Wegen der Ergebnisse der Überwachung erteilte der Beklagte der Klägerin am 28.04.2005 eine bestandskräftig gewordene Anordnung gemäß § 17 HeimG, mit der neben zahlreichen Maßnahmen zur Mängelbeseitigung eine ordnungsgemäße und patientenbezogene Lagerung der Medikamente, die Durchführung von freiheitsentziehenden Maßnahmen nur bei Vorlage eines Beschlusses des zuständigen Amtsgerichts oder Einwilligung der Betroffenen, ausreichendes Vorhalten von Desinfektionsmitteln und Schonauflagen und die Schulung der Mitarbeiter zu hygienischen Maßnahmen sowie die Unterlassung der Dokumentation nicht erbrachter Leistungen gefordert wurden.
Bei weiteren unangemeldeten Überwachungen am 04.05.2005, 13.06.2005 und im Zusammenhang mit der beantragten Erhöhung der Pflegeplätze am 18.08.2005 wurde festgestellt, dass die Vorgaben der Anordnung größtenteils umgesetzt waren.
Nach Beschwerden der ehemaligen Beschäftigten Frau K. und Frau L. erfolgte am 15.12.2005 erneut eine unangemeldete Überwachung. Als Ergebnis hielt der Beklagte fest, dass der Bewohnerin Frau M. die doppelte Menge des verordneten Medikamentes zugeteilt und bei der Bewohnerin Frau N. die Dosierung ohne ärztliche Anordnung verändert worden sei, dass die Lagerung der Medikamente erneut nicht sachgerecht und bewohnerbezogen stattgefunden habe, dass die Pflegedokumentation dem Personal teilweise nicht zugänglich gewesen sei und Unstimmigkeiten zwischen Medikation und Dokumentation festzustellen gewesen seien, dass der beinamputierte und unter einem De-kubitus leidende Bewohner Herr O. entgegen der vorgelegten Dokumentation bereits am 04.08.2005 aufgenommen und außerhalb des Heimbereichs in den Privaträumen der Heimträgerin untergebracht worden sei und dass die Pflegekasse dafür Leistungen an die Klägerin erbracht habe.
Mit Verfügung vom 16.01.2006 untersagte der Beklagte der Klägerin mit sofortiger Wirkung die Fortführung ihres Alten- und Pflegeheims "Seniorenresidenz Rosengarten" und die Aufnahme neuer Heimbewohner und ordnete die anderweitige Unterbringung der Bewohner bis zum 12.02.2006 und ein jederzeitiges Betretungsrecht an. Gleichzeitig drohte er für den Fall der Nichtbefolgung Zwangsgelder in Höhe von 30.000,00 EUR und 6.000,00 EUR und hinsichtlich der anderweitigen Unterbringung der Bewohner die Ersatzvornahme an.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die zwingende Untersagung des Heimbetriebes der Klägerin sei geboten. Die vom Heimgesetz aufgestellten Anforderungen würden nicht erfüllt. Trotz mehrfacher Beratungen, Anordnungen und Bußgeldfestsetzungen zeige die Klägerin keine Bereitschaft, ernsthaft und dauerhaft für die Abhilfe der Mängel zu sorgen. Durch die neu festgestellten Mängel beim Umgang mit Medikamenten und Hygieneartikeln und die Führung eines unerlaubten, nicht angezeigten Heimbetriebes durch die Pflege eines schwerstpflegebedürftigen Menschen außerhalb der Räume der Einrichtung und der heimaufsichtlichen Überwachung würden Risiken für Leben und Gesundheit der Bewohner zumindest billigend in Kauf genommen. Die Klägerin sei nicht in der Lage, die sich aus ihrer Verhaltensweise ergebenden Risiken richtig einzuschätzen. Eine kooperative Zusammenarbeit mit der Heimaufsicht sei nicht feststellbar. Stattdessen seien erhebliche Anstrengungen unternommen worden, um eine Aufklärung des Sachverhaltes zu verhindern. Darüber hinaus lasse das Verhalten der Klägerin und die Vielzahl der kleineren Rechtsverletzungen die notwendige Zuverlässigkeit als Heimträgerin vermissen. Sie biete auch künftig keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Ausübung der Heimträgerschaft. Weitere Anordnungen seien nicht geeignet, die Mängel zu beseitigen. Mehrere Anordnungen hätten bislang nicht zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation geführt.
Andernfalls sei eine Untersagung des Heimbetriebs als Ermessensentscheidung geboten. Trotz der Anwendung der vom Heimgesetz vorgegebenen milderen Mittel der Beratung und Anordnung habe sich die Situation nicht dauerhaft verbessert. Die erneut vorgefundene Situation, dass Medikamente nicht bewohnerbezogen gelagert und in verordneter Menge verabreicht worden seien, führe zu nicht hinnehmbaren Gefährdungen für Leib und Leben der Heimbewohner. Deren körperliche Unversehrtheit sei höher zu bewerten als das Interesse der Klägerin an einem Weiterbetrieb des Heims mit möglichst geringen Personal- und Sachkosten. Auch eine mögliche Verhängung eines Beschäftigungsverbotes gegen den Heim- und Pflegedienstleiter Herrn P. und gegen seine Vertreterin Frau Gabriele A. als mildere Maßnahme lasse keine wesentliche Verbesserung erwarten. Auch als Angestellte in der Einrichtung hätte Frau H. weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsabläufe, auch wenn ihr Ehemann Bernd H. zum Geschäftsführer bestellt würde. Dieser übe als Heimträger faktisch keine Funktion aus.
Zur Gefahrenabwehr für die Bewohner und die Sicherstellung der Betriebsschließung sei das jederzeitige Betretungsrecht der Einrichtung durch die Heimaufsicht erforderlich.
Die Androhung der Zwangsmittel sei erforderlich, um die Beachtung der Verfügung durchzusetzen. Die Höhe des Zwangsgeldes sei maßgeblich durch das wirtschaftliche Interesse an der Fortsetzung des Heimbetriebes bestimmt.
Die Klägerin hat am 17.01.2006 Klage erhoben und gleichzeitig um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht (Az.: 11 B 444/05).
Sie trägt im Wesentlichen vor, die Mängel in der Gründungs- und Anlaufphase seien zwischenzeitlich behoben worden. Bei den Heimüberwachungen in den Jahren 2004 und 2005 seien keine gravierenden Mängel mehr festgestellt worden, so dass vier weitere Pflegeplätze in Betrieb genommen werden konnten. Der einwandfreie Pflegezustand der Bewohner und die ausgesprochene Zufriedenheit der Angehörigen spreche für eine gute Qualität ihrer Leistungen. Die ärztliche und gesundheitliche Betreuung sei durch Ärzte und den Notarztdienst rund um die Uhr sichergestellt. Es habe auch kein grundsätzliches Verbot gegeben, den Notarzt zu rufen. Die Entscheidung habe im Notfall die Pflegekraft oder die informierte Pflegeleitung zu treffen. Der Umgang mit Medikamenten und Dokumentation gebe keinen Anlass mehr zu Beanstandungen. Alle Bewohner hätten die ihnen verschriebenen Medikamente in der verordneten Dosis erhalten. Nur im Notfall sei ein Bewohner kurzzeitig mit dem einer anderen Bewohnerin verordneten Medikament versorgt worden. Der Aufbewahrungsort der Notfallmedikamente im Schrank mit der Aufschrift "Privat" sei allen Mitarbeitern bekannt gewesen. Sofern Dekubiti und offene Stellen festgestellt worden seien, seien diese durch angemessene Pflege beseitigt oder zumindest gebessert worden. Der eindeutig während eines Krankenhausaufenthaltes erworbene Norovirus sei nicht sofort erkannt und nach seiner Identifizierung innerhalb kurzer Zeit durch geeignete hygienische Maßnahmen beseitigt worden. Die Berechnung der Hygieneartikel durch den Beklagten sei nicht schlüssig. Für eine größere Zahl von Pflegehandlungen sei keine Benutzung von Handschuhen und zusätzliche Desinfektion der Hände geboten. Herr O. sei in einer privat angemieteten außerhalb des Heimbereichs gelegenen Wohnung ausschließlich durch Herrn P. und Frau A. in deren Freizeit gepflegt worden. Durch ein Versehen seien Erstattungen für stationäre Pflege beantragt worden. Die überzahlten Beiträge seien in allen Fällen zwischenzeitlich an die Pflegekasse zurückerstattet worden. Im Übrigen habe der Beklagte das ihm zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Er sei von unvollständig ermittelten Tatsachen ausgegangen und habe kein rechtliches Gehör gewährt.
Die Klägerin beantragt,
die Verfügung des Beklagten vom 16.01.2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, seit Aufnahme des Heimbetriebes habe es erhebliche Mängel in der Medikation und Dokumentation gegeben. So seien bei mehreren Überwachungen Medikamente für einzelne Bewohner nicht vorhanden gewesen, nicht allen Mitarbeitern sei der Lagerungsort von Bedarfsmedikamenten bekannt gewesen und das einer Bewohnerin zugeordnete Medikament sei unberechtigt einem anderen Bewohner verabreicht worden. Zudem sei die Dokumentation der Dosierung von Medikamenten einiger Heimbewohner unvollständig. Die Wunddokumentation für Frau N. und Herrn L. sei verspätet angelegt worden. Dessen schwer wiegender Dekubitus sei über einen längeren Zeitraum hinweg ohne angemessene und fachgerechte Versorgung geblieben und habe bereits zu einer Gesundheitsschädigung geführt. Auch seien die Pflegekräfte angewiesen worden, keinen Notarzt zu rufen. Zudem seien mehrfach erhebliche hygienische Mängel festgestellt worden. Der von der Klägerin ermittelte Bedarf an Hygieneartikeln verstoße gegen den eigenen Hygieneplan und den Stand der pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Klägerin sei trotz der heimaufsichtlichen Maßnahmen nicht in der Lage, zum Schutz der Gesundheit der Bewohner zwingend gebotene hygienische Maßnahmen dauerhaft und zuverlässig umzusetzen. Immer wieder seien die Dienste zudem unzureichend mit Fachkräften besetzt gewesen. Im Jahre 2003 sei für die Einrichtung ein "Zweiter Dienstplan" geführt worden. Für April 2005 seien voneinander abweichende Dienstpläne vorgelegt worden. Bei der Dienstplanung im Dezember 2005 sei für die erkrankte Fachkraft kein Ersatz eingeplant gewesen. Bei der Überwachung am 23.02.2006 sei in den Räumlichkeiten der Klägerin wiederum keine Fachpflegekraft vorhanden gewesen. Zur angemessenen Qualität der Betreuung und Pflege gehöre auch eine ordnungsgemäße Dienstplanung. Herr O. sei ohne Zulassung für die ambulante Pflege mit Pflegekräften der Klägerin gepflegt und die Pflege zunächst als stationäre Pflege abgerechnet worden. Durch falsche Abrechnungen würde keine ausreichende Vorsorge getroffen, die Bewohner vor Beeinträchtigungen durch überhöhte Entgelte zu schützen. Ferner habe die Klägerin bereits im Juni 2005 insgesamt 22 Bewohner aufgenommen, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt lediglich über 20 zugelassene Plätze zur vollstationären Pflege verfügte. Die Klägerin besitze auch nicht die erforderliche Zuverlässigkeit. Beratungen und Anordnungen hätten zu keiner erkennbaren Verbesserung geführt. Auch dem neuen Geschäftsführer Herrn H. sei es bis heute nicht gelungen, die Mängel dauerhaft abzustellen. In dem vor der Schließung von Frau H. und Herrn P. als GbR in J. betrieben Pflegeheim seien in erheblichem Umfang vergleichbare Mängel festgestellt worden.
Seit Dezember 2005 ist unter dem Az. 51 Js 35478/05 bei der Staatsanwaltschaft Hildesheim ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen und Körperverletzung in einem Fall anhängig.
Das Gericht hat mit Zwischenbeschluss vom 17.02.2006 im Verfahren 11 B 444/06 die aufschiebende Wirkung der Klage der Klägerin vom 17.01.2006 bis zur Entscheidung der Kammer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wieder hergestellt und mit Beschluss vom 09.03.2006 den Antrag abgelehnt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Hans-Werner Q., Bettina K., Sylvia R., Wolfgang-Reinhard P. und Monika S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.03.2006 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und in dem Verfahren 11 B 444/06 sowie auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Verfügung des Beklagten vom 16.01.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung des Beklagten, der Klägerin die Fortführung ihres Alten- und Pflegeheims "Seniorenresidenz Rosengarten" und die Aufnahme neuer Heimbewohner zu untersagen (I.), die anderweitige Unterbringung der Bewohner (II.) und ein jederzeitiges Be-tretungsrecht (III.) anzuordnen, und der Klägerin für den Fall der Nichtbefolgung Zwangsgelder und hinsichtlich der anderweitigen Unterbringung der Bewohner die Ersatzvornahme anzudrohen (IV.), ist rechtlich nicht zu beanstanden.
I.
Ermächtigungsgrundlage für die von dem Beklagten verfügte Untersagung des Heimbetriebes der Klägerin ist § 19 Abs. 1 des Heimgesetzes (HeimG) in der ab 01.01.2002 geltenden Neufassung (BGBl. I 2001, S. 2970), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 23.03.2005 (BGBl. I S. 818). Gemäß § 19 Abs. 1 HeimG ist der Betrieb eines Heimes zu untersagen, wenn die Anforderungen des § 11 HeimG nicht erfüllt sind und Anordnungen nicht ausreichen.
Nach § 11 Abs. 1 HeimG darf ein Heim u.a. nur betrieben werden, wenn der Träger und die Leitung die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen schützen (Nr. 1), die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen und Bewohner wahren und fördern, insbesondere bei Pflegebedürftigen eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde gewährleisten (Nr. 2), eine angemessene Qualität der Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner einschließlich der Pflege nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse sowie die ärztliche und gesundheitliche Betreuung sichern (Nr. 3), sicherstellen, dass für pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner Pflegeplanungen aufgestellt und deren Umsetzung aufgezeichnet werden (Nr. 7), einen ausreichenden Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen gewährleisten und sicherstellen, dass von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene eingehalten werden (Nr. 9) und sicherstellen, dass die Arzneimittel bewohnerbezogen und ordnungsgemäß aufbewahrt und die in der Pflege tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens einmal im Jahr über den sachgerechten Umgang mit Arzneimitteln beraten werden (Nr. 10).
Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 HeimG darf ein Heim nur betrieben werden, wenn der Träger die notwendige Zuverlässigkeit, insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Betrieb des Heims, besitzt.
In § 11 Abs. 3 Nr. 1 HeimG ist bestimmt, dass ein Heim nur betrieben werden darf, wenn die Einhaltung der in den Rechtsverordnungen nach § 3 HeimG, insbesondere der Heimpersonalverordnung und der Heimmindestbauverordnung, enthaltenen Regelungen gewährleistet ist.
Diesen Anforderungen genügt die Einrichtung der Klägerin nicht.
Der Beklage hat den Betrieb dieses Alten- und Pflegeheimes gemäß § 19 HeimG zu Recht untersagt, da die aufgeführten Anforderungen des § 11 HeimG nicht erfüllt werden und Anordnungen nicht ausreichen.
Die Klägerin ist insbesondere den Anforderungen der Dokumentation der Pflege (1.), der Hygiene (2.), der ärztlichen und gesundheitlichen Betreuung (3.) und der ordnungsgemäßen Aufbewahrung von Arzneimitteln (4.) nicht in ausreichendem Maße nachgekommen und hat bei der Dienstplanung die Anwesenheit von Fachkräften nicht sichergestellt (5.). Darüber hinaus fehlt dem Heimträger die erforderliche Zuverlässigkeit (6.). Die Untersagungsverfügung ist auch verhältnismäßig (7.).
1.
Die Klägerin hat bereits den von § 11 Abs.1 Nr. 7 HeimG geforderten Dokumentationspflichten nicht genügt und damit die Gesundheit der Heimbewohner gefährdet.
Die Verpflichtung zur Aufstellung individueller Pflegeplanungen und zur Dokumentation der Pflege soll zum einen die Kontrolle einer ordnungsgemäßen Pflege erleichtern und zum anderen die gesundheitliche Betreuung der Heimbewohner sichern und die erforderlichen Nachweise ermöglichen (vgl. Kunz/Butz/Wiedemann, Heimgesetz, 9. Aufl. 2003, § 11 Rdnr. 10). Eine ordentliche Dokumentation ist zum Schutz der Gesundheit der Heimbewohner von großer Bedeutung. Das gilt in besonderem Maße, wenn - wie im vorliegenden Fall - bei knapper finanzieller Ausstattung und einem Betrieb mit einem Minimum an Fachkräften in Krankheitsfällen Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen die Pflege übernehmen. Diese müssen sich auf die Richtigkeit, insbesondere die Vollständigkeit der Eintragungen verlassen können.
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass das Medikamentenblatt (a), die Wunddokumentation (b) und das Berichtsblatt (c) der Klägerin erhebliche Mängel aufweist.
Die Kammer stützt ihre Entscheidung insbesondere auf die unvollständige bzw. widersprüchliche Dokumentation im Medikamentenblatt (a) von Frau M. (aa) und Frau N. (bb), die verspätet angelegte Wunddokumentation (b) bei Frau N. (aa) und Herrn L. (bb) und Manipulationen im Berichtsblatt bei der Dokumentation von Rötungen und Druckstellen (c)
a)
Die Klägerin hat die sich aus den Akten und den vorgelegten Verwaltungsvorgängen ergebenden Unstimmigkeiten der Dokumentation in ihrem Medikamentenblatt nicht zur Überzeugung der Kammer zu widerlegen vermocht.
aa)
Bei der Bewohnerin Frau M. widerspricht jedenfalls die Dokumentation im Medikamentenblatt der Klägerin der ärztlichen Verordnung.
Für die Bewohnerin Frau M. war unstreitig das Herzmedikament Lanitop mite verordnet worden. Die Apotheke hatte ersatzweise das Medikament Lanitop mit dem doppelten Wirkstoffgehalt geliefert und die Packung dahingehend beschriftet, dass die Dosierung auf die Hälfte zu reduzieren ist. In den Tagesdosetten wurde bei der Überwachung am 15.12.2005 jeweils eine Vz Tablette oder 2/4 Tabletten gefunden. Dabei stellte der Amtsarzt Dr. T. fest, das Herzmedikament Lanitop mite mit der Dosierung einer Vz Tablette angegeben war. Auf den Vorfall angesprochen, berichtigte der Pflegedienstleiter Herr P. nach telefonischer Rücksprache mit dem Hausarzt Dr. U. das ärztliche Verordnungsblatt von Frau Kreisel in Anwesenheit der Mitarbeiter der Heimaufsicht mit dem Hinweis, Dr. U. werde die Erhöhung der Dosis beim nächsten Besuch abzeichnen. Die Klägerin bestreitet das Vorbringen des Beklagten, wegen der Lieferung des höher dosierten Lanitop habe Frau M. eine Überdosis des Medikaments bekommen. Sie trägt vor, Frau M. sei im Juni 2005 ursprünglich das Medikament Lanitop mite in der Dosierung 1-0-0-0 verordnet worden. Diese Darstellung entspricht der nachträglich vorgelegten ärztlichen Bescheinigung von Dr. U. vom 23.01.2006, steht aber im Widerspruch zu dem von der Klägerin vorgelegten Medikamentenblatt. Dort findet sich unter einem nicht zu entziffernden Datum die Verordnung für "Lanitop(mite 0,05) V2-O-O-O". Zu einem ebenfalls nicht lesbaren Datum eventuell 15.12. - wurde das Medikament abgesetzt. Nach dem vorgelegten Medikamentenblatt ist der Klammerzusatz "mite 0,05"und "V2" gestrichen. Eine der ärztlichen Bescheinigung vom 23.01.2006 entsprechende Verordnung ist dem vorgelegten Medikamentenblatt jedenfalls nicht zu entnehmen. Ob diese ärztliche Bescheinigung - wie vom Beklagten vorgetragen - als Gefälligkeitsattest anzusehen ist oder ob das von der Apotheke gelieferte Medikament Lanitop tatsächlich in falscher Dosierung verabreicht worden ist, kann die Kammer nach den vorgelegten Unterlagen nicht beurteilen. Jedenfalls wird die Dosierung Lanitop mite von einer Tablette, die einer halben Tablette Lanitop entspricht, aus ärztlicher Sicht für vertretbar gehalten. Dann entspricht aber die Dokumentation im Medikamentenblatt nicht der ärztlichen Verordnung. Bei einem Herzmedikament, das nach der Stellungnahme des Amtsarztes Dr. T. bei falscher Dosierung lebensbedrohliche Auswirkungen haben kann, wäre eine solche Abweichung als schwerer Pflegefehler zu bewerten.
bb)
Darüber hinaus hält die Kammer die Dokumentation bezüglich des der Bewohnerin Frau N. verordneten Schilddrüsenhormons L-Thyroxin im Medikamentenblatt der Klägerin für unvollständig.
In dem angegriffenen Bescheid hält der Beklagte der Klägerin vor, gesundheitliche Beeinträchtigungen der Bewohnerin Frau N. seien zu befürchten, weil eine ärztliche Anordnung der Dosierungsänderung des Schilddrüsenhormons L-Thyroxin 75 nicht ersichtlich sei. Die Feststellungen des Beklagten beruhen auf einem Vermerk des Amtsarztes Dr. T., der bei der Besichtigung am 15.12.2005 das Dokumentationsblatt über die Medikation eingesehen hatte.
Zu der aufgrund der Feststellungen bei der Überwachung am 15.12.2005 gerügten Dosierungsänderung des Medikaments L-Thyroxin 75 mg trägt die Klägerin vor, seit Oktober 2005 erhalte Frau N. auf Verordnung ihres Hausarztes an Stelle des vorher verordneten Schilddrüsenmedikaments L-Thyroxin 50 mg das Medikament L-Thyroxin 75 mg. Dazu heißt es in der von ihr nachträglich vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des Dr. U. vom 23.01.2006:
"Frau N. erhält seit Oktober 2005 L-Thyroxin 75 mg, davor wurde L-Thyroxin 50 mg verordnet."
In dem von der Klägerin in Fotokopie vorgelegten Medikamentenblatt ist in Zeile 4 unter dem 31.05. das unter einem nicht lesbaren Datum abgesetzte "L-Thyroxin 50/75 1-0-0-0" und in der letzten Zeile unter dem "21.1." oder "2.11" "L-Thyroxin 75 mg 1-0-0-0" aufgeführt. Aus der später vorgelegten Pflegedokumentation ist unter dem 06.10., 8.30 Uhr, u.a. L-Thyroxin 75 mg vermerkt. Der Amtsarzt Dr. T. führt dazu in seinem Vermerk vom 03.02.2006 aus:
"Die (in sich nicht nachvollziehbare) Eintragung "L-Thyroxin 50/75 1-0-0-0" in Zeile 4 war nicht als abgesetzt gekennzeichnet, die Eintragung "L-Thyroxin 75 mg 1-0-0-0" noch nicht vorhanden. Unter welchem Datum die Änderungen vorgenommen wurden, ist infolge Markierung nicht erkennbar...".
Ob insofern die Dokumentation nachträglich durch die Klägerin ergänzt worden ist und ob die Zweifel des Beklagten an der Eintragung unter dem 06.10. berechtigt sind, kann das Gericht anhand der vorgelegten Unterlagen nicht beurteilen. Es bleibt jedoch der nicht ausgeräumte Widerspruch der ärztlich bescheinigten Dosierungsänderung im Oktober 2005 zu dem im Medikamentenblatt eingetragenen Datum 21.01. oder 02.11. Zudem fehlt die Dokumentation der ärztlichen Verordnung.
b)
Auch die Wunddokumentation der Klägerin entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
aa)
Frau N. hatte bei ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus am 21.01.2006 um 9.30 Uhr eine ca. 1 cm große Wunde am Steiß. Während der Überwachung am 25.01.2006 wurde bei Einsicht in die Pflegedokumentation festgestellt, dass im Berichtsblatt am 21.01.2006 eine offene Stelle am Steiß, hingegen keine von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen dokumentiert waren. Die Klägerin legt dazu nachträglich das Wunddokumentationsblatt vom 22.01.2006 vor. Danach ist die Wunde mehrfach gespült und verbunden worden. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Berichtsblatt befindet sich unter dem 21.01.2006 kein Hinweis auf die offene Stelle. Die erste Eintragung ist durch die Nachtwache unter dem 21 ./22.01. um 6.30 Uhr dokumentiert. Auch die von der Klägerin vorgelegte Wunddokumentation beginnt erst am 22.01.2006. Danach fehlt es zumindest an einer zeitnahen Wunddokumentation. Ob die Wunddokumentation - wie vom Beklagten vorgetragen - erst nachträglich erstellt worden ist und am 25.01.2006 noch nicht existiert hat, kann nach den vorgelegten Vorgängen nicht festgestellt werden.
bb)
Demgegenüber steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass die von der Klägerin unter dem Datum vom 03.11.2005 angelegte Wunddokumentation für Herrn L. nachträglich angelegt worden ist.
Die examinierte Altenpflegerin Bettina K. hat als Zeugin nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit ihren Angaben gegenüber dem Beklagten bei der Besprechung am 16.11. und 17.11.2005 angegeben, dass sie aufgefordert worden sei, für vier Wochen rückwirkend eine Wunddokumentation für Herrn L. anzulegen. Nachdem sie und eine weitere Kollegin sich geweigert hätten, hätte eine dritte Fachkraft die rückwirkende Dokumentation übernommen. Dem steht auch nicht die Aussage des Zeugen Wolfgang-Reinhard P. entgegen. Er beschreibt nur allgemein, dass Dekubiti und ihre Vorstufen dokumentiert werden.
c)
Des Weiteren ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass das von der Klägerin geführte Berichtsblatt hinsichtlich der Eintragung von Rötungen und Druckstellen manipuliert worden ist.
Der Krankenpfleger Hans-Werner Q., die examinierte Altenpflegerin Bettina K. und die Krankenschwester Sylvia R. haben übereinstimmend als Zeugen ausgesagt, dass wiederholt von ihnen im Berichtsblatt eingetragene Rötungen und Druckstellen von der nächsten Schicht nicht mehr aufgezeichnet wurden, obwohl sie noch vorhanden waren.
Die Zeugin R. berichtet ferner, dass es wegen der Dokumentation von Rötungen und Druckstellen von Seiten der Pflegedienstleitung mehrfach Ärger gegeben habe, weil es sich um Pflegefehler handele. Darüber hinaus bekundet sie anschaulich und nachvollziehbar, dass das von ihr am 26.04.2005 angelegte neue Berichtsblatt, auf dem sie eine Rötung und Entzündung im Afterbereich von Frau V. dokumentiert habe, zu Beginn ihrer nächsten Schicht nicht mehr vorhanden und durch ein von einer anderen Mitarbeiterin gefertigtes Berichtsblatt ausgetauscht worden sei. Bei der Augenscheineinnahme der bei der Gerichtsakte befindlichen Kopie des unter dem 26.04.2005 angelegten Berichtsblatts ist zu erkennen, dass die fortlaufende Nummer mit einer 4 überschrieben worden ist und keine entsprechende Eintragung der Zeugin R. enthält. Die Korrektur der Blattzahl spricht im Zusammenhang mit der im übrigen plausiblen Darstellung der Situation dafür, dass die Zeugin R. in diesem Punkt die Wahrheit sagt. Auch zu diesem Vorfall sind die allgemein gehaltenen Bekundungen des Zeugen P. zur Dokumentation von Dekubiti und ihrer Vorstufen unergiebig. Seine in der Aussage als Zeuge zum Ausdruck gebrachte Haltung, gegenüber den Mitarbeiten ärgerlich zu werden, wenn diese Rötungen feststellen, lässt vielmehr darauf schließen, dass er die Situation verkennt und unberechtigt Druck auf die Mitarbeiter ausübt, tatsächliche Feststellungen aus Angst vor Vorwürfen nicht zu dokumentieren. Rötungen und Druckstellen können auch bei fachgerechter Pflege der Heimbewohner jederzeit auftreten. Zum Pflegefehler können sie erst werden, wenn sie nicht angemessen dokumentiert und zeitnah behandelt werden.
Im Ergebnis wird die Klägerin den an eine ordnungsgemäße Dokumentation gestellten Anforderungen nicht gerecht. Mängel in der Dokumentation waren mehrfach Gegenstand von Beratungen und der Qualitätsprüfung durch den MDK, ohne dass es zu einer dauerhaften Verbesserung der Situation gekommen ist.
2.
Die Kammer ist bereits aufgrund des schriftlichen Verfahrens zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin den von § 11 Nr. 3 und 9 HeimG geforderten Anforderungen der Hygiene und des Schutzes der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen nicht genügt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob in dem von der Klägerin betriebenen Alten- und Pflegeheim ausreichend Inkontinenzartikel vorhanden sind und ob im Jahre 2005 weitere 10 Packungen Einmalhandschuhe und zusätzlich 2,5 l Desinfektionsmittel bezogen worden sind. Die Klägerin hat bereits durch die Bevorratung von Einmalhandschuhen und Händedesinfektionsmitteln und ihre zur Handhabung dieser Hygieneartikel bekundete Einstellung zu erkennen gegeben, dass es ihr an der erforderlichen Kenntnis und am Bewusstsein für die Notwendigkeit der Hygienemaßnahmen beim Heimbetrieb fehlt und dass die Hygienemaßnahmen nicht in ausreichendem Maße in die Pflegeroutine integriert sind.
Der Beklagte rügt in der angefochtenen Verfügung vom 16.01.2006, dass die Klägerin nach den Feststellungen der Hygiene-Aufsicht im Jahre 2005 nur einen Bruchteil der erforderlichen Hygieneartikel wie Einmalhandschuhe und Händedesinfektionsmittel eingekauft habe und damit den Hygieneanforderungen nicht genüge. Für den betrachteten Zeitraum vom 22.02.2005 bis zum 15.12.2005, mithin 296 Pflegetage, waren bei der Überwachung am 04.01.2006 Belege über den Kauf von 49 Packungen Einmalhandschuhe je 100 Stück - davon 30 Packungen erst am 25.11.2005 - und für 10,4 l Händedesinfektionsmittel vorgelegt worden. Am 19.04.2005 war ein Norovirus in der Einrichtung der Klägerin gemeldet worden. Der Kauf von drei Mal 100ml Sterillium Virugard war erst am 10.05.2005 ersichtlich.
Demgegenüber ist der Bedarf für die Einrichtung der Klägerin von der Hygiene-Aufsicht Frau W. an Einmalhandschuhen mit 450 Packungen je 100 Stück und an Händedesinfektionsmitteln mit 107, 4 l für den genannten Zeitraum ermittelt worden. Bei 17 Bewohnern wurden für zwei Inkontinezversorgungen und zwei Mal täglich eine Wäsche jeweils 34 Handschuhpaare pro Tag ermittelt. Für die Versorgung von Wunden wurden weitere zwei Handschuhpaare und für die Versorgung von drei Bewohnern über Sonde insgesamt sechs Handschuhpaare pro Tag angenommen. Das ergibt einen Bedarf von 76 Paar Einmalhandschuhen pro Tag, mithin bei 152 Einzelhandschuhen pro Tag und 296 Pflegetagen einen Bedarf von insgesamt 44.992 Einzelhandschuhen. Bei der Händedesinfektion wurde bei 76 Anwendungen nach jedem Handschuhtragen und 45 überschlägig berechneten Anwendungen für die übrigen Pflegehandlungen mit je 3 ml Desinfektionslösung ein Bedarf von 363 ml Desinfektionslösung pro Tag und bei 296 Pflegetagen ein Verbrauch von insgesamt 107,4 l ermittelt.
Die Klägerin legte Rechnungen über den Erwerb von weiteren 7500 Einmalhandschuhen und maximal 62,5 l Händedesinfektionsmitteln vor und macht geltend, der vom Beklagten ermittelte Bedarf sei nicht nachzuvollziehen. Nach den Berechnungen des Beklagten müssten pro Tag und Bewohner mehr als 8 Einmalhandschuhe verbraucht und 7 Händedesinfektionen vorgenommen werden. Das sei bei weitem nicht erforderlich. Vom Pflegepersonal werde entweder nur mit Handschuhen oder ohne Handschuhe mit Desinfektion gearbeitet. Handschuhe würden in der Regel nur in bestimmten Situationen wie Keiminfektionen oder bei bestimmten Regelhandlungen und dann meist nur einseitig verwendet. Herr X. sei am 19.04.2005 mit einer Norovirusinfektion aus dem Krankenhaus in ihre Einrichtung entlassen worden, das Vorliegen des Virus sei aber erst am 02.05.2005 durch Laborbefunde festgestellt worden. Durch die sofort eingeleiteten Hygienemaßnahmen sei die Infektion innerhalb kurzer Zeit unter Kontrolle gebracht worden, wie dem Laborbefund vom 20.05.2005 zu entnehmen sei. Der verbrauchte Notvorrat an Handdesinfektionsmitteln sei durch den Nachkauf von Sterillium Virugard ersetzt worden.
Zu dem Vorbringen führt der Amtsarzt Dr. T. in seiner Stellungnahme vom 03.02.2006 aus:
"... Doch selbst wenn ... weitere 7.500 Handschuhe erworben wurden, deckt dies bei weitem nicht den von hier überschlägig berechneten Bedarf. Dieser ergibt sich aus der am 06.01.2006 überreichten Tabelle. Die Zahl der inkontinenten und zu waschenden Bewohner ergab sich aus den Meldungen des Heimes an die Heimaufsicht; die Annahme von zweimaligem Waschen bzw. zweimaligem Windelnwechseln täglich dürfte nicht übertrieben sein und bei diesen aufgeführten Tätigkeiten sind nach den pflegehygienischen Standards grundsätzlich (und natürlich an beiden Händen) Einmalhandschuhe zu tragen, woraus sich die errechnete Menge von ca. 45.000 Einmalhandschuhen in 10 Monaten als eher konservative Schätzung ergibt.
Hinsichtlich des Verbrauchs von Händedesinfektionsmitteln gehen die Entgegnungen der Antragstellerseite ebenfalls fehl. Insbesondere gibt es die Alternative zwischen Handschuhtragen und Händedesinfektion nicht: Nach jedem Tragen von Einmalhandschuhen ist grundsätzlich eine hygienische Handedesinfektion mit drei ml der Lösung ... durchzuführen, zusätzlich auch vor zahlreichen Pflegehandlungen und bei zahlreichen sonstigen Gelegenheiten (z.B. vor Dienstbeginn, bei Arbeitsende, Wäsche sortieren, Küche etc.). ...
Hier liegen Labormeldungen ... über Norovirus-Nachweise nicht nur bei Herrn X., sondern zusätzlich bei 5 anderen Bewohnerinnen und einer Pflegekraft vor, ... Bei einem Norovirus-Ausbruch ist zur Vermeidung einer Weiterverbreitung der Infektion auch durch in der Inkubationszeit befindliche schon infektiöse, aber noch nicht erkrankte Bewohner in der ganzen Einrichtung ein gegen Noroviren wirksames Händedesinfektionsmittel zu verwenden. Deshalb ist aus hiesiger Sicht die bezogene Menge des entsprechenden Mittels (Sterillium Virugard) 300 ml am 10.05.2005 + 1600 ml am 19.06.2005 .... für die Dauer des Ausbruchs als zu gering anzusehen.
Die Angaben über zusätzliche Bezugsmengen von Desinfektionsmitteln sind hier kaum nachvollziehbar. Erkennbar sind neben dem erwähnten Sterillium Virugard noch vier 5-Liter-Kanister Sterillium, d.h. 20 l zusätzlich, die als Arzneimittel allerdings ausschließlich von Apotheken in kleine Behälter hätten umgefüllt werden dürfen. Es liegt nahe, dass Frau W. aus diesem Grunde diese Rechnung nicht vorgelegt wurde.
Es bleibt bei der hiesigen Einschätzung, dass ein pflegehygienischen Ansprüchen genügender Umgang mit Handschuhtragen und Händedesinfektion nicht erkennbar ist."
Das Gericht hat keinen Anlass, aufgrund des Vorbringens der Klägerin die fachkundigen Ermittlungen der Hygiene-Aufsicht Frau W. und die Stellungnahme des Amtsarztes Dr. T. zum Bedarf an Hygieneartikeln in der Einrichtung der Klägerin anzuzweifeln. Die Ausführungen sind in sich nachvollziehbar, frei von Widersprüchen und entsprechen dem von der Klägerin selbst vorgelegten Hygieneplan und den vom Beklagten vorgelegten "Richtlinien Krankenhaushygiene". Die Klägerin hat nicht substantiiert dargetan und belegt, dass für ihre Einrichtung ausnahmsweise der durch Rechnungen belegte Erwerb von Hygieneartikeln ausreicht. Mit ihrem Vorbringen, die nachgewiesenen Mengen entsprächen den Anforderungen der Hygiene, gibt sie vielmehr zu erkennen, dass sie nicht in der Lage ist, den tatsächlichen Bedarf zutreffend zu ermitteln.
Auch die Ausbreitung des zunächst nicht erkannten Norovirus in der Einrichtung der Klägerin auf eine Pflegekraft und fünf Bewohnerinnen legt entgegen dem Vorbringen der Klägerin nahe, dass Hygienemaßnahmen im täglichen Umgang nicht in ausreichendem Maße in die Pflegeroutine integriert waren. Die erforderlichen hygienischen Maßnahmen wurden erst eingeleitet, nachdem die Erkrankung bekannt geworden ist.
Die Klägerin kann auch nicht einwenden, in ihrer Funktion als Hygienebeauftragte sei es Aufgabe der Zeugin R. gewesen, die benötigte Menge an Hygieneartikeln festzustellen, einen konkreten Hygieneplan zu erstellen und dessen Durchführung zu überwachen. Die Verantwortung für die Erfüllung der heimrechtlichen Anforderungen nach § 11 HeimG tragen letztlich der Träger und die Leitung der Einrichtung.
Darüber hinaus bestätigen die Zeuginnen R. und K. in der mündlichen Verhandlung, dass Einmalartikel bei den Pflegeleistungen mehrmals verwendet werden.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass das Tragen von Einmalhandschuhen und die Händedesinfektion in der klägerischen Einrichtung nicht in ausreichendem Maße in die Pflegeroutine integriert sind. Das Vorbringen der Klägerin lässt darauf schließen, dass sie nicht einmal über die erforderliche Kenntnis und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Hygienemaßnahmen beim Heimbetrieb verfügt, obwohl sie wiederholt vom Beklagten dahingehend beraten worden ist und die Hygienemaßnahmen bereits Gegenstand der heimrechtlichen Anordnung vom 28.04.2005 waren. Die Leitung der Einrichtung hat durch ihr Verhalten - auch im Umgang mit der Norovirusinfektion - zu erkennen gegeben, dass sie trotz der heimaufsichtlichen Maßnahmen nicht in der Lage ist, zum Schutz der Gesundheit der Bewohner zwingend gebotene hygienische Maßnahmen dauerhaft und zuverlässig umzusetzen.
3.
Eine schwer wiegende Verletzung der Anforderungen des § 11 Abs. 1 Nr. 3 HeimG an die ärztliche und gesundheitliche Betreuung sieht die Kammer in der Dienstanweisung des Zeugen P. an den Zeugen Q., im Fall der am 21.10.2005 in der Einrichtung der Klägerin verstorbenen Bewohnerin Frau X. keinen Notarzt zu rufen. Die Kammer ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass eine solche Dienstanweisung ausgesprochen worden ist.
Der Zeuge Q. räumt zwar nur ein, er sei erstmals im Falle von Frau X. angewiesen worden, die Bewohnerin nicht in ein Krankenhaus einzuweisen, sondern zunächst den Hausarzt Dr. U. heranzuziehen, der dann gegebenenfalls über eine Krankenhauseinweisung entscheiden sollte. Eine Anweisung, auf keinen Fall den Notarzt zu rufen, stellt er hingegen in Abrede. Dieser Widerspruch zu seinen gegenüber dem Beklagten getätigten Äußerungen und zu den Aussagen der Zeuginnen K. und Y. ist nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen Q. in Frage zu stellen. Ausweislich des Protokolls über das Gespräch mit dem Zeugen Q. am 09.02.2006 hat dieser gegenüber dem Beklagten noch angegeben, bei der Übername der Nachtschicht am 21.10.2005 habe die Dienstanweisung des Zeugen P. bestanden, im Fall von Frau X. keine Krankenhauseinweisung vorzunehmen und keinen Notarzt zu rufen. Unabhängig voneinander bekunden auch die Zeuginnen K. und R. bei ihrer Vorsprache beim Beklagten und bei ihrer Vernehmung als Zeugen in der mündlichen Verhandlung, dass es um die Anweisung ging, nicht den Notarzt zu rufen. Beide sind zwar nur Zeuginnen vom Hörensagen. Sie schildern allerdings den Inhalt ihrer jeweiligen Gespräche mit dem Zeugen Q. zu dem Vorfall im übrigen anschaulich und in Übereinstimmung mit der Darstellung des unmittelbaren Zeugen Q.. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund sie die Darstellung verfälschen sollten. Zumindest die Zeugin R. war bis zu ihrer Vorsprache beim Beklagten über die Missstände in der klägerischen Einrichtung am 06.02.2006 bei der Klägerin als Pflegefachkraft beschäftigt und musste mit ihrer Kündigung rechnen, die dann umgehend erfolgte. Es ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, warum der Zeuge Q. nunmehr durch Verschweigen der Anweisung die Klägerin und insbesondere den Pflegedienstleiter Z. in Schutz nehmen sollte, nachdem er nach eigenem Vorbringen von diesem erheblich unter Druck gesetzt und schließlich von der Klägerin fristlos gekündigt und mit erheblichen Schadensersatzforderungen überzogen worden ist. Hätte der Zeuge Q. mit seiner Aussage im Hinblick auf das von der Staatsanwaltschaft Hildesheim wegen des Todesfalles von Frau X. eingeleitete Ermittlungsverfahren einen eigenen Pflegefehler verharmlosen wollen, hätte es näher gelegen, an der Darstellung von der Anweisung, keinen Notarzt zu rufen, festzuhalten, und damit die Verantwortung auf den Pflegedienstleiter der Klägerin abzuwälzen. Stattdessen stellt er mit der Aussage als Zeuge seine eigenen Interessen in den Hintergrund. Dieses Verhalten stimmt mit dem Eindruck der Kammer von der Persönlichkeit des Zeugen Q. überein. Die Verunsicherung und die Verpflichtung dem ursprünglichen Arbeitgeber gegenüber wiegen stärker als die übrigen Interessen. Die detailreichen Schilderungen des weiteren Verlaufs der Todesnacht von Frau X. durch die Zeugen Q., K. und R. erwecken den Eindruck, dass der Zeuge Q. sich der Anordnung des Zeugen Z., keinen Notarzt zu rufen, stärker verpflichtet fühlte als seiner eigenen Intuition und dem Ratschlag der erfahrenen Kollegin K., an seiner Stelle trotzdem den Notarzt zu rufen. Das hätte jedenfalls nahe gelegen, nachdem der Zeuge Q. mehrmals vergeblich den Hausarzt Dr. U. gerufen und schließlich nach dem vierten bis fünften Anruf den Allgemeinzustand von Frau X. für lebensbedrohlich angesehen hat und immer noch nicht mit einem Erscheinen von Dr. U. rechnen konnte. Es ist zudem auffällig, dass der Zeuge Q. sich nicht einmal getraut hat, in dieser Situation den Pflegedienstleiter P. oder seine Vertretung selbst anzurufen, sondern sich telefonisch an eine andere Fachkraft gewandt und schließlich lieber Dr. U. im Zehn-Minuten-Takt angerufen hat, obwohl dieser sein Erscheinen nach der Darstellung des Zeuge Q. mehrfach verweigerte. Auch sein Zögern trotz der zahlreichen erfolglosen Versuche, das Kommen des Hausarztes zu erreichen, lässt darauf schließen, dass im Fall von Frau X. eine Dienstanweisung des Zeugen P. bestanden hat, nicht den Notarzt, sondern ausschließlich den Hausarzt Dr. U. zu rufen. Die im Übrigen auch in den Details mit dem Protokoll vom 09.02.2006 übereinstimmende Aussage als Zeuge zu dem weiteren Verlauf in der Todesnacht von Frau X. spricht zudem für die Glaubwürdigkeit des Zeugen Q..
Demgegenüber hält die Kammer den Pflegedienstleiter und ehemaligen Heimleiter Wolfgang-Reinhard P. als Zeugen für unglaubwürdig. Während er im schriftlichen Verfahren mehrfach ausdrücklich betonte, Herr O. sei in einer privat angemieteten, außerhalb des Heimbereichs gelegenen Wohnung ausschließlich durch ihn und Frau A. in ihrer Freizeit gepflegt worden, sagt er in der mündlichen Verhandlung als Zeuge aus, alle im klägerischen Betrieb tätigen Fachkräfte seien in die Pflege von Herrn B. einbezogen worden. Darüber hinaus tritt der Zeuge P. nach außen gegenüber Mitarbeitern, Angehörigen der Heimbewohner und insbesondere gegenüber der Presse auch nach dem Wechsel des Geschäftsführers der Klägerin am 19.11.2004 als Heimleiter auf und zeigt damit ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens. Seine Haltung zeigt in erster Linie ein Interesse an dem wirtschaftlichen Ergebnis der Klägerin. Er scheint deshalb bestrebt, nachgewiesene Pflegefehler und Mängel im klägerischen Betrieb, für die er als Pflegedienstleiter die Verantwortung trägt, zu verdecken.
Auch die Aussage der noch im klägerischen Heimbetrieb beschäftigten Altenpflegehelferin Monika S. als Zeugin rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Erst kann sie sich an die Dienstübergabe am 21.10.2005 zur Nachtschicht nicht mehr erinnern. Dann räumt sie ein, dass sie zeitweise nicht anwesend war. Schließlich kann sie sich nicht vorstellen, dass Herr P. die Anweisung gegeben hat, auf keinen Fall einen Notarzt hinzuzuziehen oder dass eine Krankenhauseinweisung auf jeden Fall unterbleiben soll. Insofern gibt sie lediglich Vermutungen, hingegen keine eigene Wahrnehmungen wieder. Auch ihre Eidesstattliche Versicherung ist insoweit unergiebig. Sie bestätigt lediglich, dass sie nicht gehört habe, dass der Zeuge P. dem Zeugen Q. untersagt habe, einen Notarzt zu rufen. Sie hat als Zeugin bereits eingeräumt, dass sie dazu über keine eigene Wahrnehmung verfügt, hat aber auf Vorhalt des Gerichts auch nicht nachvollziehbar erklären können, aus welchem Anlass sie die Eidesstattliche Versicherung erst fast vier Monate nach dem Vorfall gegenüber dem Zeugen Z. abgegeben hat.
Nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin gab es auch keine Vereinbarung mit Frau X. oder deren Angehörigen, auf die Zuziehung eines Notarztes oder auf eine Krankenhauseinweisung zu verzichten, weil der Sterbeprozess bereits eingesetzt hat.
Mit der abweichenden Anweisung durch den Zeugen P. sind die Anforderungen des § 11 Abs. 1 Nr. 3 HeimG in erheblichem Maße verletzt worden.
4.
Darüber hinaus hat die Klägerin nicht ausreichend sichergestellt, dass die Arzneimittel bewohnerbezogenen und ordnungsgemäß aufbewahrt werden und hat damit den Anforderungen des § 11 Abs.1 Nr. 10 und Nr. 3 HeimG nicht entsprochen.
Bei den von dem Beklagten durchgeführten Überwachungen waren einige Medikamente nicht vorhanden (a), bei anderen war der Lagerungsort unbekannt (b) und in einem Fall wurde ein Medikament anderweitig verwendet, ohne dass ein Notfall vorlag (c).
a)
Bei der Überwachung am 10.02.2006 wurde unstreitig festgestellt, dass das Frau AA. zur täglichen Gabe verordnete Medikament Bifiteral nicht vorhanden war und bei der Überwachung am 23.02.2006, dass das für Frau AB. am 10.01.2006 als Bedarfsmedikament eingetragene Effortil-Plus fehlte.
b)
Bei einer weiteren Überwachung stellte der Beklagte fest, dass das Bedarfsmedikament Dulcolax für Frau N. nicht vorhanden war. Die letzen Zäpfchen seien nach dem eingesehenen Berichtsblatt am 28.1. und 29.01.2006 verabreicht worden. Wenn die Klägerin nunmehr ausführt, die angebrochene Packung mit Zäpfchen sei im Kühlschrank aufbewahrt worden, so ist ihr zumindest vorzuhalten, dass der Lagerungsort den Pflegekräften nicht bekannt und damit eine bewohnerbezogene Medikation nicht sichergestellt war. Anhaltspunkte für eine abweichende Bewertung sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.
Darüber hinaus war der Lagerungsort für die Bedarfsmedikation für Frau AC. über einen längeren Zeitraum nicht allgemein bekannt. Die Bedarfsmedikation, Nitrospray für asthmatische Anfälle und Korodin-Tropfen für Ohnmachtsanfälle, waren im Dienstzimmer der Einrichtung der Klägerin in einem mit "Privat" gekennzeichneten Schrank mit dem Namen von Frau AC. gekennzeichnet aufgefunden worden. Ein Hinweis war lediglich der Dokumentation vom 20.04.2005 zu entnehmen. Dazu trägt die Klägerin vor, die Bedarfsmedikation für Frau AC. werde absichtlich in dem mit "Privat" gekennzeichneten, allen Mitarbeitern zugänglichen Medikamentenschrank aufbewahrt, damit im Notfall auch die nicht mit Erste-Hilfe-Maßnahmen beschäftigten und nicht über einen Schlüssel zu den verschlossenen Medikamentenschränken verfügenden Hilfskräfte das Medikament holen könnten. Eine solche schnelle Verfügbarkeit der Notfallmedikamente ist nach dem Vermerk des Amtsarztes Dr. T. vom 03.02.2006 nur gegeben, wenn der Lagerungsort allen Mitarbeitern bekannt ist. Das ist nach Auffassung der Kammer über einen längeren Zeitraum nicht gewährleistet gewesen, obwohl der Beklagte die Klägerin ausweislich des vorgelegten Verwaltungsvorgangs immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte. So hat die Zeugin R. bei der persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 06.02.2006 erklärt, dass sie keine Kenntnis von dem Aufbewahrungsort für das Notfallmedikament für Frau AC. gehabt habe. Auch der Zeuge Q. hat bei der persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 09.02.2006 bestätigt, dass ihm der Aufenthaltsort für das Notfallmedikament nicht bekannt gewesen und er erst am 07.02.2006 von Frau AD. darüber informiert worden sei. Mit der von der Klägerin vorgelegten Eidesstattlichen Versicherung der examinierten Altenpflegerin Frau AD. vom 13.02.2006, dass bei einer Personalbefragung am 07./08.02.2006 jeder in der Pflege tätige Mitarbeiter genau wusste, wo die Bedarfsmedikation für Frau AC. aufbewahrt werde, ist lediglich der Nachweis erbracht, dass erst zu diesem Zeitpunkt alle Mitarbeiter entsprechend unterrichtet waren.
c)
Im Fall von Frau AE. ist das Bedarfsmedikament Eunerpan für einen anderen Bewohner verwendet worden, obwohl nach Auffassung der Kammer kein Notfall vorlag.
Hinsichtlich der Bedarfsmedikation von Frau AE. hatte der Amtsarzt Dr. T. bei der Überwachung am 15.12.2005 festgestellt, dass das Psychopharmakon Eunerpan, das Melperon entspricht, als Bedarfsmedikation angeordnet war, und dass die Frau C. zugeordnete Flasche mit dem Präparat zu etwa 1/3 geleert war, obwohl keine bedarfsweise Gabe des Präparates vermerkt war. Dazu führt die Klägerin aus, aus der Bedarfsmedikation von Frau AE. seien kurzfristig für Herrn X. mehrere Dosen für insgesamt 4 Tage entnommen worden, weil am 14.10.2005 die Flasche mit seinem inhaltsgleichen Medikament Melperon durch Unachtsamkeit zerbrochen sei und nach der Bestellung vom 15.10.2005 eine Lieferung erst am 17.10.2005 erfolgt sei. Ihr sei früher vom MDK und Beklagten bestätigt worden, dass in derartigen Ausnahmefällen das gleiche Medikament eines anderen Bewohners zur Vermeidung von Notfallsituationen vorübergehend bis zur Nachlieferung genutzt werden dürfe.
Ob solche Hinweise tatsächlich gegeben worden sind, kann dahinstehen. Jedenfalls hat die Klägerin einen entsprechenden Notfall nicht belegen können. Aus der von ihr vorgelegten Medikamentenbestellung vom 15.11.2005 ist ersichtlich, dass Melperon für Herrn X. erst am 15.11.2005 bestellt und am 17.11.2005 geliefert worden ist. Bei einer zeitlichen Differenz vom 14.10.2005 bis zum 17.11.2005 von mehr als einem Monat kann nicht mehr von einem derartigen Notfall ausgegangen werden. Eine andere Bewertung gebieten auch nicht die von der Klägerin vorgelegten Übergabeberichte vom 14.10. 2005 und vom 17.10.2005. Dem Übergabeprotokoll vom Nachtdienst zum Frühdienst am 14.10.2005 lässt sich unter der Rubrik "noch zu erledigen" entnehmen, dass Herr X. die Melperon-Flasche zerbrochen hat mit dem Zusatz "Entnahme von Frau AE. bis Lieferung". Im Übergabeprotokoll vom 17.10.2005 ist unter der Rubrik "noch zu erledigen" vermerkt: "Hr. X. -AE. Melperon für Hr. X. geliefert, wieder Eigenentnahme". Dieser Vermerk ist missverständlich und steht in Widerspruch zum Vorbringen der Klägerin.
Wenn die Klägerin nunmehr vorträgt, aufgrund eines Versehens sei die Bestellung vom 15.11.2005 vorgelegt worden; am 14.10.2005 sei die neue Flasche Melperon wegen der Dringlichkeit - anders als sonst üblich - telefonisch bestellt worden, so sind dafür keine Nachweise erbracht. Auch die Lieferung am 17.10.2005 ist nicht belegt worden. Den Widerspruch zu der zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegten Medikamentenbestellung vom 15.11.2005 hat die Klägerin damit nicht zur Überzeugung des Gerichts zu widerlegen vermocht. Darüber hinaus ist mit den Vermerken im Übergabeprotokoll den Anforderungen an eine ordnungsgemäße und vollständige Dokumentation nicht genüge getan.
Der sachgerechte Umgang mit Medikamenten und die patientenbezogene Lagerung der Medikamente war bereits Gegenstand der Qualitätsprüfungen des MDK und der bestandskräftig gewordenen Anordnung des Beklagten vom 28.04.2005.
5.
Ferner hat die Klägerin bei ihrer Dienstplanung die Anwesenheit von Fachkräften nicht sichergestellt.
Zum einen fehlt es bei der Dienstplangestaltung der Klägerin am Dokumentencharakter (a). Ferner war zeitweise keine Fachkraft im klägerischen Heimbetrieb vorhanden (b).
a)
Sofern der Beklagte der Klägerin vorhält, der für April 2005 im Klage- und Antragsverfahren vorgelegte Dienstplan sei verfälscht, weil er in mehreren im einzelnen aufgeführten Punkten von dem ihm am 06.04.2005 per Telefax vorgelegten Dienstplan abweiche, geht auch die Kammer von einer unzureichenden Dienstplanführung aus. Die eigentliche Dienstplanung erfolgt in Zeile 1 und muss vor Beginn des jeweiligen Monats abgeschlossen sein. Die sich im jeweiligen Monat kurzfristig ergebenden Änderungen sind in Zeile 2 des Dienstplans einzutragen. Für weitere Abweichungen davon ist Zeile 3 des Dienstplans vorgesehen. Damit müssen sich alle Planungen, geplanten Änderungen und Abweichungen aus einem Einzigen für den jeweiligen Monat erstellten Plan ergeben. Ein Abgleich der beiden Dienstpläne für April 2005 ergibt, dass die Dienstplanung der Klägerin diesen Anforderungen nicht genügt. So hätten z.B. in Zeile 1 von der Klägerin keine Änderungen mehr vorgenommen werden dürfen. Wenn die Klägerin vorträgt, im April 2005 sei möglicherweise eine Kopie gezogen worden, bevor ihr Stempel auf den Dienstplan gesetzt worden sei, so kann dies nicht zutreffen, weil sich dann auf dem Original des Dienstplanes zumindest die handschriftlichen Zusätze "Enk" und "Aushilfe" bei den Mitarbeiterinnen K. und AF. hätten finden müssen. Die Klägerin muss demnach nach Beginn des Monats April 2005 einen neuen Dienstplan erstellt haben, so dass der Dokumentencharakter der Dienstplanung nicht gewahrt ist.
b)
Bei der Überwachung am 23.02.2006 wurde unstreitig festgestellt, dass in den Räumlichkeiten der Klägerin keine Pflegefachkraft vorhanden war. Der für den Frühdienst eingetragene Pflegedienstleiter P. befand sich gemeinsam mit Frau H. in Räumlichkeiten außerhalb des Heimbereichs.
Insofern sind die Anforderungen des § 11 Abs. 3 Nr. 1 und § 3 Abs. 2 Nr. 2 HeimG i.V.m. § 5 Abs. 1 HeimPersG nicht erfüllt. Danach dürfen betreuende Tätigkeiten nur durch Fachkräfte oder unter angemessener Beteiligung von Fachkräften wahrgenommen werden. In Heimen mit pflegebedürftigen Bewohnern muss auch bei Nachtwachen mindestens eine Fachkraft ständig anwesend sein.
Diese Anforderungen hat die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch mehrfach bei der Pflege von Herrn O. außerhalb ihres Heimbereichs in der Zeit vom 04.08.2005 bis zum 31.08.2005 verletzt. Die Zeugen R., K., AG. und P. haben übereinstimmend ausgesagt, dass sie in sämtlichen Schichten in die Pflege von Herrn O. einbezogen waren. Dabei gaben die Zeugen D., K., und Q. den zeitlichen Pflegeaufwand mit ein bis zwei Stunden pro Schicht an. Dazu führt die Zeugin R. aus, dass in dieser Zeit für die übrigen Bewohner im Heimbereich keine Fachkraft anwesend war. Damit stand in den Früh- und Spätschichten allenfalls eine Hilfskraft, in den Nachtschichten jedoch niemand während der Pflege von Herrn O. für die Betreuung der Heimbewohner zur Verfügung.
Auf die Frage, ob bei einer Einrichtung mit örtlich oder räumlich getrennten Teileinrichtungen oder Außenstellen, für die Nachtwache eine Fachkraft genügt, kommt es vorliegend nicht an, da es sich bei der angemieteten, eigentlich vom Zeugen P. privat genutzten Wohnung im vierten Stock nicht um Teile des Heimbereichs handelt und die Kapazität der Einrichtung der Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen im August 2005 mit 20 Pflegeplätzen ohnehin voll ausgelastet war. Eine ausreichende pflegerische Versorgung der übrigen Heimbewohner durch Fachkräfte war in der Zeit nicht mehr gewährleistet.
Die unzureichende Besetzung von Diensten mit Fachkräften ist immer wieder Gegenstand heimrechtlicher Überprüfungen, Beratungen, bestandskräftiger heimrechtlicher Anordnungen sowie bestandskräftiger Bußgeldbescheide gewesen, ohne dass dieser Mangel dauerhaft abgestellt werden konnte.
6.
Darüber hinaus fehlt dem Heimträger die notwendige Zuverlässigkeit im Sinne des § 11 Abs. 2 HeimG. Danach darf ein Heim nur betrieben werden, wenn der Träger die notwendige Zuverlässigkeit, insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Betrieb des Heims, besitzt.
Die Zuverlässigkeit des Heimträgers, vorliegend des Vertretungsberechtigten der Klägerin als juristischer Person, hat sich auf das Gesamtbild seiner Persönlichkeit und auf die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsausübung zu beziehen. Die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsausübung ist nicht gegeben, wenn der Heimträger bzw. der Vertretungsberechtigte nicht willens oder in der Lage ist, die einwandfreie Führung der Einrichtung zu gewährleisten (vgl. Kunz/Butz/Wiedemann, HeimG, 9. Aufl. 2003, § 11 Rdnr. 16, 18). Dabei sind an die Zuverlässigkeit des Heimleiters bzw. des Vertretungsberechtigten hohe Anforderungen zu stellen, da unmittelbar Einfluss auf die Lebensverhältnisse der pflegebedürftigen Heimbewohner ausgeübt wird und ihre Interessen und Bedürfnisse zu schützen sind (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 14.04.1983 - OVG 1 S 59.82 -). Im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs durch eine Untersagung des Heimbetriebs müssen die ihm zur Last gelegten Verstöße von erheblichem Gewicht sein. Kleinere Verstöße rechtfertigen die Annahme der Unzuverlässigkeit und damit die Untersagung des Heimbetriebs nur, wenn sie in einer Vielzahl vorliegen und aus ihnen ein Hang zur Missachtung der Berufspflichten ersichtlich ist (Kunz/Butz/Wiedemann, a.a.O., § 11 Rdnr. 20).
Die Klägerin bietet keine Gewähr, dass sie im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit der überwiegend demenzkranken und schwer pflegebedürftigen Bewohner in Zukunft den Heimbetrieb ordnungsgemäß ausüben wird.
Die Kammer stützt ihre Entscheidung insbesondere auf die Pflege von Herrn O. außerhalb des Heimbereichs mit Fachkräften der Klägerin (a), die Abrechnung dieser Pflegeleistungen gegenüber der Pflegekasse (b) die ärztliche und gesundheitliche Betreuung von Frau X. und das Auftreten gegenüber dem Zeugen Q. (c) sowie das Gesamtbild der Betriebsführung hinsichtlich der übrigen Verstöße (d).
a)
Als besonders schwer wiegenden Verstoß bewertet die Kammer die Pflege von Herrn O. außerhalb des Heimbereichs mit Fachkräften der Klägerin.
Der am 01.12.2005 verstorbene Herr O. wurde nach einer Beinamputation mit Dekubitus und als ORSA-Patient nach Krankenhausaufenthalt und Reha in einem Zeitraum von fast einem Monat außerhalb des Heimbereichs der Klägerin und damit der Heimaufsicht des Beklagten mit unzureichenden Mitteln von Fachkräften der Klägerin gepflegt. Damit hat der Vertretungsberechtigte der Klägerin die schutzwürdigen Belange des Herrn O. und der übrigen Heimbewohner in erheblichem Maße verletzt.
In den nicht zum klägerischen Heimbetrieb gehörenden Räumlichkeiten im vierten Ober-geschoss wurde in der Zeit vom 04.08.2005 bis zum 31.08.2005 ein nicht angezeigter und damit der heimaufsichtsrechtlichen Überwachung entzogener illegaler Heimbetrieb geführt.
Die Klägerin hat dabei auch nicht gewährleistet, dass dem schwerst pflegebedürftigen Herrn O. eine den Anforderungen des § 11 HeimG entsprechende Pflege und Betreuung zuteil wurde.
Die ständige Anwesenheit einer Fachkraft war nicht gesichert. Nach den Aussagen der Zeugen R., K. und AG. wurden die aufwändigen Pflegehandlungen von allen Fachkräften in der jeweiligen Dienstschicht miterledigt. Dabei war nicht einmal die Erreichbarkeit der Fachkraft gewährleistet. Die Zeugen R., K. und AG. haben übereinstimmend ausgesagt, dass der bettlägerige Herr O. nicht über eine Notrufklingel verfügte. Dem steht nicht die Aussage des unglaubwürdigen Zeugen P. entgegen. Angesichts des Gesundheitszustandes und der Lage des Herrn O. führte bereits die fehlende Notrufeinrichtung zu einer erheblichen Gefährdung seines Lebens und seiner Gesundheit.
Darüber hinaus waren nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen R., K. und AG. die Dokumentation und hygienischen Maßnahmen unzureichend.
Die Zeugin K. ist zwar wenige Tage vor Einzug von Herrn O. in den vierten Stock aufgefordert worden, für ihn eine neue Akte komplett anzulegen, räumt aber übereinstimmend mit dem Zeugen Q. ein, dass eine Dokumentation nicht durchgängig erfolgen konnte, weil sich die Akte nach Auskunft der Heimleitung in dem für die Zeugen nicht zugänglichen Büro befunden habe. Auch die Zeugin R. konnte ihre Pflegeleistungen nicht dokumentieren.
Hinsichtlich der hygienischen Maßnahmen waren nach den Aussagen der Zeugen R., K. und E. zwar ausreichend Hygieneartikel in der Wohnung im vierten Stock vorhanden. Diese wurden aber auf Anweisung der Pflegedienstleitung wieder verwendet oder von dieser nicht durchgängig verwendet. So sind auf den von der Zeugin R. gefertigten Fotos in der Wohnung von Herrn O. an einer Garderobe mehrere gebrauchte Einmalschürzen zu erkennen. Dazu führt die Zeugin K. anschaulich aus, sie selbst habe sich bemüht, die Schürzen hygienisch zu verwenden. Die von ihr benutzte Schürze habe sie gekennzeichnet, so dass sie diese immer mit derselben Seite zum Körper getragen habe. Dass es sich lediglich um Besucherschürzen gehandelt haben soll, wie der Zeuge P. bekundet, ist nicht nachvollziehbar. Ferner beschreibt die Zeugin K. glaubhaft, wie sie die stellvertretende Pflegedienstleiterin Frau H. darauf angesprochen habe, dass sie Herrn O. ohne den notwendigen Schutz versorge, und lediglich von ihr die Antwort bekommen habe, "der habe doch keine Krätze".
Neben der unzureichenden Pflege und Betreuung des Herrn O. wurden auch die schützenswürdigen Interessen der sich seinerzeit im Heimbereich versorgten 20 Heimbewohner in erheblichem Maße beeinträchtigt. Wie bereits dargelegt, stand in der Zeit, in der die einzige Fachkraft Herrn O. in der Wohnung im vierten Stock pflegte, im Heimbereich keine Fachkraft zur Verfügung. Angesichts der Tatsache, dass die seinerzeit vom Versorgungsvertrag umfassten 20 Heimplätze belegt waren und damit die Kapazität ausgeschöpft war und sich die Pflege des rückwirkend in die Pflegestufe III eingestuften Herrn O. nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen R., K. und AG. als besonders aufwändig erwies, führte die Beschäftigung von Pflegekräften der Klägerin außerhalb des Heimbetriebs bei der ohnehin knappen und in der Vergangenheit für den Normalbetrieb nicht ausreichenden personellen Besetzung zu einer Unterversorgung und damit zu einer Gefährdung der Belange der übrigen Heimbewohner.
Ein schwer wiegender Verstoß liegt nach Auffassung der Kammer darin begründet, dass die Pflegedienst- und Heimleitung einen solchen gesetzwidrigen, gewichtige Interessen und Bedürfnisse des Herrn O. und der übrigen Heimbewohner verletzenden Zustand nicht nur geduldet, sondern vorsätzlich herbeigeführt hat. Dabei ist rechtlich unerheblich, dass nach Aussage des Zeugen P. ursprünglich eine Pflege und Betreuung von Herrn O. ausschließlich durch ihn, die stellvertretende Pflegedienstleiterin H. und Frau O. geplant war.
b)
Die Zuverlässigkeit des Vertretungsberechtigten der Klägerin ist weiterhin durch die Abrechnung der für Herrn O. erbrachten Pflegeleistungen nicht gewährleistet.
Die Abrechnung für Herrn O. als stationäre Pflege erfolgte für einen Zeitraum, zu dem Herr O. nicht Heimbewohner war und damit den Anforderungen des Heimgesetzes nicht unterlag. Ob die Klägerin zunächst versehentlich die außerhalb ihrer Einrichtung erbrachten Pflegeleistungen für Herrn O. im August 2005 als stationäre Pflege gegenüber der Pflegekasse abgerechnet hat, kann dahingestellt bleiben. Die Klägerin hat die Abrechnung insoweit nur auf ambulante Pflege umgestellt und den Differenzbetrag der TK-Pflegekasse zurückerstattet. Da die Klägerin jedoch keine zugelassene Leistungserbringerin für ambulante Leistungen im Sinne des SGB V bzw. SGB XI ist und nicht über die dafür erforderlichen Verträge verfügt, war sie auch nicht berechtigt, gegenüber der Pflegekasse Vergütungen über ambulante Leistungen abzurechnen.
Die unzulässige Abrechnung gegenüber der Pflegekasse berührt zugleich auch öffentliche Interessen.
c)
Auch die Anweisung der Pflegedienstleitung an den Zeugen Q., im Falle von Frau X. keinen Notarzt zu rufen, und die ihm bei der Abfassung des Berichtes gemachten Vorgaben stellen die Zuverlässigkeit der Heimleitung der Klägerin in Frage.
Durch die bewiesene Anweisung der Pflegedienstleitung an den Zeugen Q., keinen Notarzt zu rufen, sind die Interessen der am 21.10.2005 vor Eintreffen des Hausarztes Dr. U. in der Einrichtung der Klägerin verstorbenen Bewohnerin Frau X. in erheblichem Maße verletzt worden. Der Heimträger hat durch diesen erheblichen Verstoß erkennen lassen, dass er nicht in der Lage ist, den Anforderungen an die ärztliche und gesundheitliche Betreuung der Heimbewohner ordnungsgemäß Rechnung zu tragen.
Dass der Pflegedienstleiter etwa vier Monate später nach Einleitung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Todesfalls von Frau X. den Zeugen Q. angehalten hat, in seinem Bericht die Anweisung in der Todesnacht von Frau X. und das Telefonat mit der Zeugin K. zu verschweigen, lässt darüber hinaus auf die fehlende Einsicht des Heimträgers schließen, die Verhaltensweisen zu ändern. Er versucht stattdessen, schwer wiegende Missstände zu verschleiern.
Der Zeuge Q. hat übereinstimmend mit dem Protokoll vom 09.02.2006 in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, wie ihn der Zeuge P. zu dem unvollständigen Bericht über die Todesnacht von Frau X. angehalten und unter Druck gesetzt hat. Demgegenüber verdient der Zeuge P. keinen Glauben. Er hat ein Interesse, hinsichtlich der vorangegangenen Vorfälle in der Todesnacht von Frau X. seine Glaubwürdigkeit nicht in Frage zu stellen.
d)
Die Vielzahl der dem Vertretungsberechtigten der Klägerin zuzurechnenden aufgezeigten Verstöße gegen das HeimG lässt darauf schließen, dass er trotz mehrfacher Beratungen, Anordnungen und Bußgeldfestsetzungen nicht bereit und in der Lage ist, die sich aus seiner Verhaltensweise ergebenden Risiken richtig einzuschätzen und ernsthaft und dauerhaft für die Abhilfe der Mängel zu sorgen. Damit bietet er nach Auffassung der Kammer auch künftig keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Ausübung der Heimträgerschaft.
7.
Im Ergebnis sind die im Einzelnen aufgeführten Anforderungen des § 11 HeimG nicht erfüllt.
Die Untersagungsverfügung ist auch verhältnismäßig.
Dass Anordnungen im Vorfeld einer Betriebsuntersagung nicht ausgereicht haben, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der im Einzelnen den Akten zu entnehmenden Vorgeschichte. Dem Beklagten blieb kein anderes Mittel als die Betriebsuntersagung, um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Auch nach der Bestellung von Herrn Bernd H. zum Geschäftsführer der Klägerin auf der Gesellschafterversammlung vom 19.11.2004 hat sich die Situation nicht dauerhaft verbessert. Dass die Bewohner und deren Angehörige mit der klägerischen Einrichtung zufrieden sind, ist rechtlich unerheblich. Der Zweck des Heimgesetzes, durch die Aufstellung von personellen und sachlichen Mindestanforderungen und eine weit reichende und durchgreifende Heimaufsicht einen Personenkreis zu schützen, der in seiner geistigen und körperlichen Beweglichkeit eingeschränkt ist und weitgehend hilflose alte Menschen umfasst, verbietet es, eine den wesentlichen Anforderungen des Heimgesetzes nicht genügende Einrichtung jedenfalls dann zu dulden, wenn zu den Bewohnerinnen und Bewohnern - wie vorliegend - schwer bzw. schwerst pflegebedürftige Personen gehören. Der Beklagte darf nicht einmal zuwarten, bis es tatsächlich zu einer Beeinträchtigung des Wohles der Heimbewohnerinnen und -Bewohner kommt (vgl. VG Stutttgart, Urt. v. 08.11.2002 - 10 K 1340/02 - , PflR 2003, 264 ff.).
Auch das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die vorübergehende Fortführung des Heimbetriebes sei wegen zwei Kaufinteressenten geboten, bleibt rechtlich ohne Bedeutung. Potenzielle Käufer mit konkreter Kaufabsicht hat die Klägerin nicht hinreichend substanttiert präsentiert.
Rechtsgrundlage für das von dem Beklagten in der Verfügung vom 16.01.2006 ausgesprochene Verbot, neue Heimbewohner in der klägerischen Einrichtung aufzunehmen, ist § 17 Abs. 1 HeimG. Das Verbot ergibt sich als notwendige Folge der Betriebsuntersagung.
II.
Der mit Verfügung des Beklagten vom 16.01.2006 auf den 12.02.2006 festgesetzte Termin zur anderweitigen Unterbringung der in der klägerischen Einrichtung befindlichen Bewohner ist durch Zeitablauf überholt und damit erledigt. Das Gericht geht davon aus, dass eine Frist von weiteren zwei Wochen nach Vollstreckbarkeit ausreichend ist, um die angemessene Unterbringung der Heimbewohner als weitere notwendige Folge der Betriebsuntersagung zu gewährleisten.
III.
Die Anordnung des jederzeitigen Betretungsrechts hat der Beklagte in seiner Verfügung vom 16.01.2006 zutreffend auf § 15 HeimG gestützt. Danach können die Heime von den zuständigen Behörden jederzeit angemeldet oder unangemeldet überwacht werden. Nach § 15 Abs. 3 HeimG können die Räumlichkeiten zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden. Der Beklagte hat seine Entscheidung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise damit begründet, dass das jederzeitige Betretungsrecht zur Sicherstellung der Betriebsschließung und zur Gefahrenabwehr für die Heimbewohner in Bezug auf die pflegerische Grundversorgung bis zur Schließung des Heimbetriebes notwendig ist.
IV.
Auch die Androhung des Zwangsgeldes und der Ersatzvornahme ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die Androhung der Zwangsmittel zutreffend auf §§ 64 ff. Nds.SOG gestützt, deren Erforderlichkeit in ausreichendem Maße begründet und die Höhe des Zwangsgeldes nachvollziehbar nach dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an der Fortsetzung ihres Heimbetriebes und die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme nach den Umzugskosten für die einzelnen Bewohner bemessen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Verfügung des Beklagten vom 16.01.2006 Bezug genommen.
Die Klage ist mit der Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGo-in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Gründe, die Berufung gemäß § 124 a VwGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 36.000,00 EURO festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG (n.F.) in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (GewArch. 2005, S. 67). Den Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns hat die Klägerin mit 36.000,00 Euro angegeben.
Peters
Dr. Schlei