Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 15.03.2006, Az.: 13 B 982/06

Verbot anwaltlichen Tätigwerdens eines früheren Stadtdirektors innerhalb von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden gegenüber der Kommune; Bedürfnis eines besonderen öffentlichen Interesses hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines solchen Tätigkeitsverbots; Einzelfall einer nicht ausreichend begründeten Anordnung der sofortigen Vollziehung trotz bereits vorher wahrgenommener Mandate; Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen bei verständiger Würdigung der gegenwärtig erkennbaren Umstände unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung; Stelle der Betroffenen in der Verwaltungshierarchie seines früheren Dienstherrn als erhebliches Kriterium hinsichtlich der Möglichkeit der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen; Vornahme einer an den Umständen des Einzelfalls orientierten Gefahrenprognose

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.03.2006
Aktenzeichen
13 B 982/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 21197
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2006:0315.13B982.06.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Auf der Grundlage von § 77a Abs. 2 NBG kann eine Kommune ihrem früheren Stadtdirektor grundsätzlich verbieten, ihr gegenüber innerhalb von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden anwaltlich tätig zu werden.

  2. 2.

    Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines solchen Tätigkeitsverbotes bedarf es eines besonderen öffentlichen Interesse, das über das Interesse am Erlass des Verbotes hinausgeht. Der Umstand, dass das Gesetz die zeitliche Wirkung der Verfügung auf maximal fünf Jahre begrenzt, reicht dafür nicht aus, vielmehr sind die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen.

  3. 3.

    Einzelfall einer nicht ausreichend begründeten Anordnung der sofortigen Vollziehung trotz bereits wahrgenommener Mandate

Gründe

1

Aus dem Entscheidungstext

2

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ergangene Verfügung, mit der ihm die Antragsgegnerin die Übernahme und Fortführung von Mandaten untersagt hat, die Angelegenheiten betreffen, die gegen die Antragsgegnerin gerichtet sind oder an denen die Antragsgegnerin beteiligt ist.

3

Der Antragsteller war von 1992 bis 2004 als Stadtdirektor der Hauptverwaltungsbeamte der Antragsgegnerin.

4

Da er die Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister der Antragsgegnerin gegen den zuvor ehrenamtlichen und nunmehr hauptamtlichen Bürgermeister verloren hatte, trat er nach Ablauf seiner Amtszeit zum 01.12.2004 in den Ruhestand. Danach ließ sich der Antragsteller im Stadtgebiet der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt nieder. Dieses ist der Antragsgegnerin von Beginn an bekannt gewesen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Antragsteller in seiner Eigenschaft als Stadtdirektor der Antragsgegnerin und dem jetzigen hauptamtlichen Bürgermeister in seiner Eigenschaft als ehrenamtlicher Bürgermeister und Ratsvorsitzender war, was auch in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist, nicht frei von z.T. größeren Konflikten. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt hat der Antragsteller auch Mandate angenommen in Angelegenheiten, die gegen die Antragsgegnerin gerichtet waren oder an denen die Antragsgegnerin beteiligt ist. So vertritt der Antragsteller zurzeit die Inhaberin einer von der Antragsgegnerin erteilten Gaststättenerlaubnis als Beigeladene in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem eine Nachbarin die Erlaubnis angegriffen hat. Die Übernahme dieses Mandates hatte der Antragsteller der Antragsgegnerin schriftlich angezeigt. Auf ausdrückliche Nachfrage des Berichterstatters hat die Antragsgegnerin erklärt, gegen die Führung jenes Mandates durch den Antragsteller bestünden keine Bedenken. Weiterhin vertrat der Antragsteller in einem von Juli bis September 2005 bei Gericht anhängig gewesenen Verfahren einen Bürger, der sich gegen die Heranziehung zu den Kosten eines Feuerwehreinsatzes gewendet hatte. Die Mandatsübernahme erfolgte nach Klageerhebung. In jenem Verfahren hob die Antragsgegnerin den angegriffenen Kostenbescheid auf Grund eines rechtlichen Hinweises des Gerichts wieder auf. Außerdem vertrat der Antragsteller am 05. August 2005 in einem Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht einen Angestellten der Antragsgegnerin. Dabei ging es um die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines befristeten Arbeitsvertrages, der sich an vorherige befristete Arbeitsverträge angeschlossen hatte, die der Antragsteller noch selbst als Stadtdirektor der Antragsgegnerin mit dem Angestellten abgeschlossen hatte. Die Mandatsübernahme in jenem Verfahren erfolgte nach Erhebung der Kündigungsschutzklage. Dieses hatte der Antragsteller der Antragsgegnerin nicht mitgeteilt. Vielmehr erhielt der Bürgermeister der Antragsgegnerin davon erst im Gütetermin Kenntnis, in dem er auf den Antragsteller als Bevollmächtigten des gekündigten Angestellten traf. Das Verfahren endete mit einem im Gütetermin geschlossenen Vergleich. Ob und in welchem Umfang der Antragsteller darüber hinaus seit Aufnahme seiner Rechtsanwaltstätigkeit Mandate mit Bezug auf die Verwaltungstätigkeit der Antragsgegnerin wahrgenommen hat, ist dem Gericht im Einzelnen nicht bekannt. Zurzeit nimmt der Antragsteller insoweit nur das erwähnte gaststättenrechtliche Mandat wahr.

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Mit Schreiben vom 18.08.2005 vertrat der Bürgermeister der Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber unter Bezugnahme auf die Wahrnehmung des Gütetermins sowie mit Hinweis auf die Vertretung von Bürgerinnen und Bürgern ihr gegenüber in bau- und bauordnungsrechtlichen Angelegenheiten die Auffassung, auf Grund der zwölfjährigen Amtszeit als Stadtdirektor sei eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen bei der Wahrnehmung von Mandaten gegenüber der Stadt selbstverständlich zu bejahen. Er werde den Rat über den Sachverhalt informieren und diesem empfehlen, ihm gegenüber eine Untersagungsverfügung auf der Grundlage von § 77a Abs. 2 NBG auszusprechen.

6

Mit Schreiben vom 07.10.2005 nahm der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin zu der angekündigten Untersagungsverfügung Stellung. Allein der Umstand, dass er zuvor Stadtdirektor der Antragsgegnerin gewesen sei, reiche für eine Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Belange nicht aus. Nach der Kommentarliteratur bedürfe es vielmehr eines inhaltlich - sachlichen Zusammenhangs mit der früheren dienstlichen Tätigkeit, wobei es nicht ausreiche, dass er aus seiner früheren Tätigkeit den internen Verwaltungsablauf kenne oder über persönliche Kontakte zu früheren Kollegen verfüge. Soweit an ihn Mandate herangetragen worden seien, die einen konkreten Bezug zu Angelegenheiten aufgewiesen hätten, mit denen er als Stadtdirektor befasst gewesen sei, habe er diese abgelehnt.

7

Unter dem 06.12.2005 leitete der Bürgermeister der Antragsgegnerin dem Verwaltungsausschuss eine Beschlussvorlage zu mit dem Vorschlag, dem Rat den Erlass der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu empfehlen. Nach mehrfacher Vertagung beschloss der Verwaltungsausschuss in seiner Sitzung am 24.01.2006 die Beschlussempfehlung entsprechend der Vorlage. Der Rat folgte der Beschlussempfehlung mit Beschluss vom 26.01.2006. Mit Bescheid vom 31.01.2006 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller, im Rahmen seiner Tätigkeit als niedergelassener Rechtsanwalt innerhalb von fünf Jahren seit seiner Versetzung in den Ruhestand für Mandaten tätig zu werden in Angelegenheiten, die sich gegen die Stadt B. richten bzw. richten können, und/oder in denen die Stadt B. beteiligt sein kann. Zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Zu Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt: Der Antragsteller habe in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren die Prozessvertretung gegen die Antragsgegnerin übernommen. Weiterhin habe er auch Bürgerinnen und Bürger in bau- und bauordnungsrechtlichen Angelegenheiten gegenüber der Stadt vertreten und in diesem Zusammenhang bei den Bediensteten der Stadt Akteneinsichtsrechte wahrgenommen. Damit habe er Tätigkeiten wahrgenommen, die in einem Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Stadtdirektor stünden. Dafür reiche es aus, dass er als ehemaliger Hauptverwaltungsbeamter eine herausgehobene Stellung innerhalb der Verwaltung inne gehabt habe. Angesichts dessen komme es nicht darauf an, ob er darüber hinaus mit den jeweiligen Rechtsangelegenheiten während seiner aktiven Dienstzeit konkret befasst gewesen sei. Die Beratung und Vertretung von Mandanten in gegen die Stadt gerichteten Angelegenheiten könne auch dienstliche Interessen der Stadt beeinträchtigen. Zu diesen gehöre, aktive Mitarbeiter der Verwaltung nicht einem Loyalitätskonflikt auszusetzen und das Vertrauen der Allgemeinheit in eine unvoreingenommene und unparteiische Amtsführung der Verwaltung zu schützen. Es sei aber nicht auszuschließen, dass aus der aktiven Dienstzeit des Antragstellers noch persönliche Beziehungen zu den Mitarbeitern bestünden, die diesen eine objektive Entscheidungsfindung erschwerten, wenn der Antragsteller ihnen gegenüber die Interessen seiner Mandanten vertrete. Außerdem könne nach außen der Eindruck entstehen, dass persönliche Beziehungen des Antragstellers als ehemaligen Stadtdirektors zu den Mitarbeitern der Verwaltung bestimmte Rechtsangelegenheiten in nicht sachgemäßer Weise befördern könnten. Dabei komme es nicht darauf an, ob diese Gefahren sich im Einzelfall tatsächlich bereits realisiert hätten oder ihre Verwirklichung unmittelbar bevor stehe. Vielmehr reiche bereits das Vorliegen einer typischen Gefährdungslage, um die vom Gesetz geforderte Besorgnis einer Beeinträchtigung dienstlicher Belange zu begründen. Die sofortige Vollziehung rechtfertige sich aus den Gründen, die bereits für den Erlass der Verfügung maßgebend gewesen seien. Das Gesetz stelle den Erlass der Verfügung nicht in das Ermessen der zuständigen Behörde. Die damit verfolgten Ziele könnten angesichts der vom Gesetz vorgegebenen befristeten Wirkung der Verfügung nur dann wirksam verfolgt werden, wenn die Verfügung sofort greife und nicht für die Dauer eines Rechtsschutzverfahrens suspendiert sei.

8

Der Antragsteller hat bei dem erkennenden Gericht am 09.02.2006 unter dem Az. 13 A 980/06 Klage erhoben und zugleich um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor: Die Untersagung sei schon deshalb rechtswidrig, weil sie eine Tätigkeit in allen Rechtsangelegenheiten verbiete, ohne danach zu differenzieren, ob in den konkreten Angelegenheiten eine Gefährdungslage bestehe oder nicht. Da die Untersagung in die Berufsfreiheit eingreife, dürfe sie verfassungskonform nur Einzelfall bezogen ausgesprochen werden. Nur insoweit könne der erforderliche qualitative Bezug zur früheren dienstlichen Tätigkeit begründet werden. Die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung angegebene Begründung trage diese nicht, da sie nicht geeignet sei, das erforderliche besondere Vollziehungsinteresse darzulegen.

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Der Antragsteller beantragt wörtlich,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 09.02.2006 gegen die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 31.01.2006 anzuordnen.

10

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

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Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor: Der vorliegende Sachverhalt sei vergleichbar mit dem vom OVG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 06.06.1990 entschiedenen Fall eines ehemaligen stellvertretenden Vorstehers eines Finanzamtes, dem es untersagt worden war, für Steuerpflichtige im Zuständigkeitsbereich seiner ehemaligen Dienststelle steuerberatend tätig zu werden. In jener Entscheidung habe das Gericht entscheidend darauf abgestellt, dass der dortige Kläger eine herausgehobene Stellung innerhalb des Personalkörpers inne gehabt habe, und bereits daraus die Besorgnis einer Beeinträchtigung dienstlicher Belange abgeleitet, ohne dass es auf eine Betrachtung des Einzelnen jeweils ausgeübten Mandates ankomme. Diese Überlegungen träfen auch auf den vorliegenden Sachverhalt zu.

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Mit Schriftsatz vom 06.03.2006 hat die Antragsgegnerin die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung wie folgt ergänzt: Angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller bereits Mandate gegenüber der Stadt wahrgenommen habe und wahrnehme (z.B. im Verfahren C. ./. Stadt B. vor dem VG Hannover, Az. 10 B 4878/05), habe sich die abstrakte Gefahr einer möglichen Beeinträchtigung dienstlicher Interessen konkretisiert. Darüber hinaus bestehe auch eine Wiederholungsgefahr, denn der Antragsteller nehme nach seiner Einlassung im Erörterungstermin am 01.03.2006 für sich in Anspruch, jedenfalls in Fällen, in denen die Stadt eine Entscheidung bereits getroffen habe, weiterhin Mandate übernehmen zu können. Außerdem hat die Antragsgegnerin mit Schreiben gleichen Datums gegenüber dem Antragsteller die sofortige Vollziehung unter Darlegung dieser Gründe erneut angeordnet.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der Gerichtsakte im Übrigen sowie auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsvorganges Bezug genommen.

14

II.

1.

Der zulässige Antrag, der abweichend von seinem Wortlaut nicht als Begehren auf Anordnung sondern auf

15

Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage zu verstehen ist, ist nur im tenorierten Umfang begründet.

16

Die gerichtliche Entscheidung über einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Diese Interessenabwägung fällt stets zu Gunsten des Antragstellers aus, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, weil am sofortigen Vollzug eines solchen Verwaltungsakts kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen kann. Bestehen dagegen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht, so kommt in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3, Satz 2 VwGO dem öffentlichen Vollzugsinteresse regelmäßig größeres Gewicht zu, da in diesen Fällen bereits der Gesetzgeber die sofortige Vollziehbarkeit der betreffenden Maßnahme angeordnet hat und diese gesetzgeberische Wertung grundsätzlich vorrangig zu berücksichtigen ist. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist demgegenüber zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts erforderlich, dass im Regelfall über das öffentliche Interesse an dessen Erlass hinaus gehen muss. Fehlt es in diesen Fällen an der gemäß § 80 Abs. 3 VwGO erforderlichen Begründung oder trägt die von der Behörde für die Anordnung der sofortigen Vollziehung angegebene Begründung diese Maßnahme inhaltlich nicht, so kann das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf die Aufhebung der Anordnung des Sofortvollzuges beschränken.

17

Im vorliegenden Fall bestehen an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung bei der im Verfahren des gerichtlichen Eilrechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung jedenfalls ganz überwiegend keine durchgreifenden Zweifel.

18

Nach § 77a Abs. 2 NBG ist einem Ruhestandsbeamten, der nach Beendigung des Beamtenverhältnisses innerhalb von fünf Jahren außerhalb des öffentlichen Dienstes eine Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit aufnimmt, die mit seiner dienstlichen Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Beamtenverhältnisses im Zusammenhang steht, diese Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit zu untersagen, wenn zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Die Norm eröffnet dem ehemaligen Dienstherrn auf der Rechtsfolgenseite kein Ermessen und auf der Tatbestandsseite keinen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob die Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen besteht oder nicht. Letzteres unterliegt vielmehr der vollen Überprüfung durch das Gericht. Die Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen besteht, wenn bei verständiger Würdigung der gegenwärtig erkennbaren Umstände unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen wahrscheinlich ist. Das ist dann der Fall, wenn ein vernünftiger Grund für die Annahme besteht, dass diese Entwicklung eintreten wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 24.09.1992 - 2 A 6/91-, BVerwGE 91, S. 57 ff zum insoweit wortgleichen § 20a SG), wobei stets die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen sind (vgl. Geis in GKÖD I, Teil 2b, Rn. 25 zu § 69a BBG m.w.N.). Es ist mit anderen Worten eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte Gefahrenprognose vorzunehmen. Als zu schützende dienstliche Interessen sind, wie die Antragsgegnerin insoweit zu Recht angeführt und der Antragsteller auch nicht in Abrede gestellt hat, zum Einen der Schutz der derzeitigen Bediensteten vor Loyalitätskonflikten und zum Anderen der Schutz des Ansehens der Verwaltung in der Öffentlichkeit in Betracht zu ziehen. Der frühere Dienstherr hat ein berechtigtes dienstliches Interesse daran, dass nicht auf Grund der früheren Autorität des Betroffenen insbesondere als Vorgesetzter Nachwirkungen auf die Amtsausübung der Bediensteten bestehen könnten oder in der Öffentlichkeit jedenfalls dieser Eindruck entstehen könnte.

19

Für die mit Blick auf diese Interessen des früheren Dienstherrn vorzunehmende Gefahrenprognose kommt nach Ansicht der Kammer der Frage, an welcher Stelle der Betroffene in der Verwaltungshierarchie seines früheren Dienstherrn eingeordnet war, ein ganz erhebliches Gewicht zu (vgl. OVG Rh. - Pf., Urt. vom 06.06.1990, ZBR 1992, S. 19 ff [OVG Rheinland-Pfalz 06.06.1990 - 2 A 119/89]). Je höher der Betroffene in der Verwaltungshierarchie seines früheren Dienstherrn stand, desto eher besteht bei typisierender Betrachtung die Wahrscheinlichkeit, dass die abzuwehrenden Beeinträchtigungen eintreten können, mit der Folge, dass die Grenzen eines auszusprechenden Tätigkeitsverbotes umso weiter gefasst sein müssen. Ausgehend von diesen Grundsätzen neigt die Kammer dazu, bei einem früheren Hauptverwaltungsbeamten einer Kommune im Hinblick auf dessen rechtsanwaltliche Tätigkeit in Angelegenheiten, die gegen diese Kommune als früheren Dienstherrn gerichtet sind oder an denen sie beteiligt ist, prinzipiell umfassend die Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen des früheren Dienstherrn für gegeben zu erachten und damit den Tatbestand des § 77a Abs. 2 NBG als erfüllt anzusehen. Denn bei typisierender Betrachtungsweise ist dem ehemaligen Verwaltungschef der höchste denkbare Grad an nachwirkender, die Amtsausübung der derzeitigen Bediensteten potenziell unsachgemäß beeinflussender Autorität zuzumessen.

20

An der Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Verfahren streitigen Untersagungsverfügung bestehen auf der Grundlage dieser Überlegungen zunächst jedenfalls insoweit keine Bedenken, als diese sich auf die Wahrnehmung von Mandaten in Angelegenheiten bezieht, an deren Bearbeitung der Antragsteller in seiner Funktion als Stadtdirektor der Antragsgegnerin in den letzten fünf Jahren vor seinem Ausscheiden aus deren Dienst selbst beteiligt war. Weiterhin bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung auch insoweit nicht, als sie sich auf Mandate in Rechtsangelegenheiten bezieht, in denen es darum geht, eine erstmalige Entscheidung der Verwaltung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts oder im Bereich der Fiskalverwaltung herbeizuführen. Die Kammer verweist insoweit gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zur Begründung auf die Ausführungen in dem durch Beschluss des Berichterstatters vom 09.03.2006 unterbreiteten Vergleichsvorschlag.

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Zweifelhaft kann demgegenüber - insbesondere mit Blick auf die konkreten Verhältnisse vor Ort - sein, ob eine Besorgnis der Beeinträchtigung der angesprochenen dienstlichen Interessen generell auch dann besteht, wenn sich die Rechtsangelegenheiten, in denen der Antragsteller anwaltlich tätig werden will oder ist, in einem Verfahrensstadium befinden, in dem das weitere Verhalten der Antragsgegnerin maßgebend von deren Verwaltungsspitze, also dem Bürgermeister, seinem allgemeinen Vertreter oder von den mit Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Ratsgremien (Verwaltungsausschuss, Rat), bestimmt wird. Angesichts der auch in der Öffentlichkeit hinreichend bekannten historischen Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Antragsteller und dem derzeitigen Bürgermeister der Antragsgegnerin erscheint die Annahme, letzterer könne einer unsachgemäßen Beeinflussung seitens des Antragstellers zu Gunsten der von diesem vertretenen Interessen unterliegen bzw. in der Öffentlichkeit könne ein derartiger Eindruck entstehen, fern liegend. Gleiches gilt im Ergebnis auch für den Verwaltungsschuss und den Rat der Antragsgegnerin, da in diesen Gremien die Vertreter derjenigen Parteien die Mehrheit haben, die in grundsätzlicher politischer Gegnerschaft zu derjenigen Partei stehen, für die der Antragsteller bei der Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister angetreten ist.

22

Die Kammer lässt für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes offen, ob diese Umstände im vorliegenden Verfahren geeignet sind, die - teilweise - Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung zu begründen. Im Rahmen der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung erlangen sie jedenfalls nicht ein solches Gewicht, dass sie eine - teilweise - Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung geböten. Vielmehr wird diesen Umständen hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass sie bei der Bewertung der Frage, ob die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung diese sachlich tragen, zu berücksichtigen sind. Diese Bewertung geht zu Ungunsten der Antragsgegnerin aus, da die von ihr angeführten Gründe ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung unter Berücksichtigung der oben angeführten besonderen Umstände des Einzelfalles nicht ausreichend belegen.

23

Ein besonderes Vollzugsinteresse ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht schon deshalb, weil die zeitliche Wirkung der Verfügung von Gesetzes wegen auf maximal fünf Jahre begrenzt ist und sie deshalb beim Eingreifen der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage für einen erheblichen Zeitraum ihrer vorgesehenen Wirkungsdauer nicht vollziehbar wäre. Diese Problematik liegt nicht nur im vorliegenden Fall vor. Sie betrifft vielmehr jeden Sachverhalt, der unter die Anwendung des § 77a Abs. 2 NBG fällt. Angesichts dessen kann in dem Umstand, dass Rechtsbehelfen gegen Verfügungen nach § 77a Abs. 2 NBG nicht von Gesetzes wegen die aufschiebende Wirkung abgesprochen wird, eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gesehen werden, entsprechend der in § 80 VwGO angelegten Systematik grundsätzlich vorrangig die aufschiebende Wirkung eintreten lassen zu wollen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers würde konterkariert, würde bereits das angeführte zeitliche Moment zur Begründung eines besonderen Vollzugsinteresses ausreichen (im Erg. zu § 20a SG anders: OVG Nordrhein - Westf., Besch. vom 08.02.1991, - 1 B 3117/90 -, juris; OVG Rh.-Pf.; Beschl. vom 26.10.1990, - 2 B 12027/90 -, NVwZ - RR 1991, S. 307 f).

24

Ein besonderes Vollzugsinteresse lässt sich auch nicht mit der von der Antragsgegnerin nachträglich ins Feld geführten Wiederholungsgefahr begründen. Dabei kann offen bleiben, ob ein solches Nachschieben von Gründen im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig ist oder nicht. Denn dieses Argument greift jedenfalls in der Sache nicht durch. Die Antragsgegnerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass die bisher wahrgenommenen Mandate des Antragstellers Anlass zu der Besorgnis gegeben hätten, dass ihre dienstlichen Interessen beeinträchtigt werden und deshalb zu befürchten ist, dass sich dieses bei einer weiteren Übernahme von Mandaten wiederholen würde.

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Dass die Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nicht besteht, hat die Antragsgegnerin in Bezug auf das zurzeit vom Antragsteller geführte gaststättenrechtliche Mandat sogar im Widerspruch zu ihrer obigen Argumentation ausdrücklich erklärt. Aber auch in den beiden anderen Fällen vermag die Kammer konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Besorgnis nicht zu erkennen. Bei der Wahrnehmung des Gütetermins vor dem Arbeitsgericht am 05.08.2005 durch den Antragsteller, die ein wesentlicher Anlass für die Einleitung des Verfahrens war, dürften angesichts des Umstandes, dass die Prozessvertretung der Antragsgegnerin in dem Verfahren vom Bürgermeister persönlich wahrgenommen wurde, die dienstlichen Interessen, die mit der Verfügung geschützt werden sollen - Verhinderung eines Loyalitätskonfliktes der Bediensteten und Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Objektivität der Verwaltung -, kaum ernstlich gefährdet gewesen sein. Allein darauf, dass die Antragsgegnerin in jenem Verfahren ihren Rechtsstandpunkt nicht vollständig durchsetzen konnte, kommt es nicht an. Schutzgut des § 77 a NBG ist nicht der "gute Ruf" der Verwaltung oder eine ungestörte Durchsetzung ihrer Maßnahmen als solcher. Die Regelung soll den Dienstherrn nicht davor schützen, von seinen ehemaligen Bediensteten in sachlicher Form kritisiert zu werden. Sie enthält kein nachwirkendes allgemeines Mäßigungsgebot. Vielmehr ist der "gute Ruf" bzw. die ungestörte Durchsetzung getroffener Maßnahmen nur insoweit geschützt, als es darum geht, die Möglichkeit oder den Eindruck zu verhindern, der frühere Bedienstete nutze spezifische, aus seiner früheren Amtsstellung gewonnene Einflussmöglichkeiten. Allein die im Rahmen eines Mandates erfolgte Einnahme und ggf. gerichtliche Durchsetzung des Rechtsstandpunktes, eine bestimmte Maßnahme des früheren Dienstherrn sei rechtswidrig, führt deshalb für sich genommen noch nicht zu der Besorgnis einer Beeinträchtigung dienstlicher Interessen im Sinne von § 77a NBG. Diese Überlegungen gelten auch für das von der Antragsgegnerin nachträglich benannte gebührenrechtliche Verfahren. Dort hatte die Antragsgegnerin ihre Maßnahme nach gerichtlichem Hinweis auf deren Rechtswidrigkeit aufgehoben. Eine die in § 77a NBG betroffenen Schutzgüter berührende Einflussnahme des Antragstellers ist nicht erkennbar, zumal der Antragsteller das Mandat erst nach Klageerhebung übernommen hatte.

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Die Gefahr, dass der Antragsteller in Zukunft auch Mandate übernehmen könnte, bei denen die Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen der Antragsgegnerin sich derart konkretisierte, dass dem ausgesprochenen Verbot unmittelbar Geltung verschafft werden müsste, ist demnach derzeit rein abstrakt. Sollte es zu einer weiteren Mandatsübernahme in Rechtsangelegenheiten mit Bezug zur Antragsgegnerin kommen, was der Antragsteller gemäß § 77a Abs. 1 NBG der Antragsgegnerin unverzüglich anzuzeigen hätte, wäre diese nicht gehindert, die sofortige Vollziehung der streitigen Verfügung anzuordnen, wenn die Mandatsübernahme im Einzelfall die Besorgnis der Beeinträchtigung ihrer dienstlichen Interessen begründete. Damit ist dem öffentlichen Interesse der Antragsgegnerin, der Untersagungsverfügung "im Ernstfall" sofort Geltung zu verschaffen, hinreichend Genüge getan. Im Übrigen ist angesichts der Unbedenklichkeitserklärung der Antragsgegnerin in Bezug auf das derzeit geführte gaststättenrechtliche Mandat nicht ersichtlich, warum mit der Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung die Übernahme von Mandaten in gleich gelagerten Fällen von vornherein abgewehrt werden müsste. Mit der Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung wird auf der anderen Seite das private Interesse es Antragstellers, vorläufig vom Vollzug der streitigen Verfügung verschont zu bleiben, ausreichend geschützt. Sie gibt ihm nicht nur für die Fortführung des gaststättenrechtlichen Mandates eine ausreichende Rechtssicherheit sondern ermöglicht ihm grundsätzlich auch die Annahme weiterer Mandate mit der Maßgabe, dieses unverzüglich der Antragsgegnerin - sinnvollerweise schriftlich und zu Händen des Bürgermeisters - anzuzeigen, um der Antragsgegnerin die Möglichkeit zur Prüfung der Frage zu geben, ob sie die Wahrnehmung dieses Mandates mittels einer erneuten Anordnung der sofortigen Vollziehung verhindern muss.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG n.F., wobei die Kammer für das Hauptsacheverfahren einen Wert von 5.000,00 EUR zu Grunde legt, dessen Halbierung für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigt erscheint.