Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.05.2015, Az.: L 7 AS 643/13

Aufhebung und Erstattung von SGB-II-Leistungen; Berücksichtigung von Einnahmen; Umfang der Erstattungsbeschränkung; Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem SGB II; Umfang der Erstattungsbeschränkung gemäß § 40 Abs. 4 S. 1 SGB II

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.05.2015
Aktenzeichen
L 7 AS 643/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 25477
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2015:0526.L7AS643.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 22.02.2013 - AZ: S 51 AS 3499/10

Fundstelle

  • NZS 2015, 759

Redaktioneller Leitsatz

1. Die gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfolgende Berücksichtigung von nach Leistungsbewilligung zugeflossenen Einnahmen ist verschuldensunabhängig und daher auch nicht von einer positiven Kenntnis oder einer verletzten Anzeigepflicht des Leistungsempfängers abhängig.

2. Der Gesetzgeber ist im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bei grundlegenden Schnittstellen und Systembegrenzungen auf dem Gebiert der sozialen Sicherung befugt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zutreffen, ohne dass zwischen den Vergleichsgrößen Deckungsgleichheit bestehen muss.

3. Die klärungsbedürftige und klärungsfähige sowie mit Bedeutung über den Einzelfall hinaus versehene Rechtsfrage des Umfangs der gesetzlich vorgesehenen Erstattungsbeschränkung in § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F. hat grundsätzliche Bedeutung aufgrund einer fehlenden höchstrichterlichen Entscheidung.

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. Februar 2013 sowie der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 23. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2010 aufgehoben, soweit für die Klägerin zu 2. eine Erstattungsforderung und für die Klägerin zu 3. eine über monatlich EUR 34,26 hinausgehende Erstattungsforderung festgesetzt wird.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin zu 2. weitere EUR 88,46 und der Klägerin zu 3. weitere EUR 62,22 zu erstatten.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin zu 2. die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten sowie der Klägerin zu 3. 65% der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen.

Weitere außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum September und Oktober 2009.

Die 1978 geborene Klägerin zu 1. bewohnte mit ihren am 1. August 2003 und am 2. September 2006 geborenen minderjährigen Kindern, den Klägern zu 2. und 3., seit Mai 2009 die aktuelle Wohnung in Wedemark mit einer Monatskaltmiete in Höhe von EUR 410,00 zzgl. Nebenkosten in Höhe von EUR 70,00 und Heizkosten in Höhe von EUR 90,00 und stand im Leistungsbezug beim Beklagten.

Mit Folgeantrag vom 9. Juni 2009 beantragten die Kläger Leistungen für den Zeitraum ab Juli 2009 unter Angabe monatlicher Kindergeld- und Unterhaltszahlungen für die Klägerin zu 2. in Höhe von jeweils EUR 164,00 bzw. EUR 193,00 sowie für die Klägerin zu 3. in Höhe von jeweils EUR 164,00 bzw. EUR 117,00.

Mit Bescheid vom 11. Juni 2009 bewilligte der Beklagte unter Berücksichtigung der Kindergeld- und Unterhaltszahlungen Leistungen für den Zeitraum Juli bis Dezember 2009, für die Monate September und Oktober 2009 in Höhe von monatlich EUR 677,66 für die Klägerin zu 1., in Höhe von EUR 83,67 für die Klägerin zu 2. und in Höhe von monatlich EUR 123,67 für die Klägerin zu 3. Der Beklagte setzte dabei als monatliche Bedarfe Regelleistungen an in Höhe von EUR 359,00 für die Klägerin zu 1., EUR 251,00 für die Klägerin zu 2. und EUR 215,00 für die Klägerin zu 3., einen monatlichen Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von EUR 129,00 sowie Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von EUR 569,00.

Nach Ablauf der Elternzeit zum 31. August 2009 erhielt die Klägerin zu 1. im Zeitraum September und Oktober 2009 Gehaltszahlungen der Volkswagen OT-Logistik GmbH & Co. KG in Höhe von EUR 1.337,52 am 28. September 2009 und in Höhe von EUR 1.382,34 am 27. Oktober 2009. Nach einer betriebsbedingt mit Wirkung zum 30. November 2009 erfolgten Kündigung mit einer Abfindung von EUR 5.800,00 brutto erfolgte am 23. November 2009 eine Gesamtrestzahlung von EUR 7.167,83.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2009 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin zu 1. Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für den Zeitraum Dezember 2009 bis November 2010 in Höhe von kalendertäglich EUR 13,68 mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von EUR 410,40.

Nach einer Anhörung mit Schreiben vom 11. November 2009 unter Verweis auf § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hob der Beklagte mit Bescheid vom 23. November 2009 den Bescheid vom 11. Juni 2009 für die Monate September und Oktober 2009 auf unter gleichzeitiger Festsetzung einer Erstattungsverpflichtung in Höhe von monatlich EUR 415,41 bzw. insgesamt EUR 830,82 hinsichtlich der Klägerin zu 1. sowie in Höhe von jeweils monatlich EUR 100,41 bzw. insgesamt EUR 200,82 hinsichtlich der Kläger zu 2. und 3. Mit den monatlichen Einkünften habe eine Hilfebedürftigkeit nicht bestanden. Bei der Berechnung der aus der Bewilligungsaufhebung resultierenden Erstattungsverpflichtung nach § 50 SGB X sei die Erstattungsbeschränkung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei der Berechnung berücksichtigt worden.

Mit nachfolgendem Bescheid vom 7. Dezember 2009 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 11. Juni 2009 auch mit Wirkung ab Dezember 2009 auf.

Bereits unter dem 23. und dem 27. November 2009 versandte die Bundesagentur für Arbeit - Forderungsmanagement - unter Angabe von drei unterschiedlichen Kassenzeichen an die Klägerin zu 1. insgesamt drei Zahlungsaufforderungen, mit Datum vom 23. November 2009 über insgesamt EUR 837,06, aufgeschlüsselt in Einzelforderungen über EUR 630,00 und EUR 200,82 unter Bezugnahme auf den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2009 sowie über EUR 0,88 und EUR 5,36 unter Bezugnahme auf einen Bescheid des Beklagten vom 21. November 2007, und mit Datum vom 27. November 2009 zweimal jeweils über insgesamt EUR 200,82 nur unter Bezugnahme auf den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2009.

Am 10. Dezember 2009 überwies die Klägerin zu 1. an die Bundesagentur für Arbeit - Forderungsmanagement - unter Angabe der in den Zahlungsaufforderungen angegebenen drei Kassenzeichen einmal EUR 837,06 und zweimal EUR 200,82. Die Zahlungen wurden ausweislich der Kontoausdrucke der Bundesagentur für Arbeit zu den jeweiligen Bescheiden des Beklagten vom November 2009 und vom November 2007 verbucht.

Einen Folgeantrag der Kläger für den Zeitraum ab Januar 2010 lehnte der Beklagte mit Bescheiden vom 18. Dezember 2009 und vom 29. März 2010 in Gestalt eines Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2010 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. Dezember 2009 legten die Kläger gegen die beiden Bescheide vom 23. November 2009 und vom 7. Dezember 2009 Widerspruch ein. Die Erstattungsbeträge seien falsch berechnet. Von der Klägerin zu 2. würden monatlich EUR 100,41 zurückgefordert bei lediglich bewilligten EUR 83,67. Für die Klägerin zu 3. ergebe sich bei monatlich bewilligten Unterkunftskosten von EUR 123,67 und einem Erstattungssatz von 56% ein Erstattungsbetrag von EUR 69,26. Zudem sei insgesamt die Einkommensberechnung nicht nachvollziehbar. Jedenfalls seien für den Zeitraum ab September 2009 Ansprüche auf Kinderzuschläge nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) sowie auf Mietzuschüsse nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) zu prüfen, was hilfsweise beantragt werde, auch rückwirkend im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Vor dem Aufhebungsbescheid vom 7. Dezember 2009 sei keine Anhörung erfolgt.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2009 bewilligte die Gemeinde Wedemark für den Zeitraum Dezember 2009 bis November 2011 ein monatliches Wohngeld in Höhe von EUR 254,00. Ein Wohngeldantrag für den Zeitraum September bis November 2009 wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. August 2010 abgelehnt, mit der Begründung eines fehlenden Anspruchs unter Berücksichtigung von Miethöhe und Monatseinkommen.

Die Familienkasse Celle lehnte mit Bescheid vom 17. März 2010 einen Antrag auf Kinderzuschlag vom 25. Februar 2010 ab, für den Zeitraum Februar bis Mai 2010 wegen bedarfsübersteigenden Einkommens und für den Zeitraum ab Juni 2010 wegen einer nicht zu vermeidenden Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 15. April 2010 hob der Beklagte unter gleichzeitiger Festsetzung einer entsprechenden Erstattungsverpflichtung den Bescheid vom 11. Juni 2009 für die Monate September und Oktober 2009 ganz auf in Höhe von monatlich EUR 588,25 hinsichtlich der Klägerin zu 1., in Höhe von monatlich EUR 44,23 hinsichtlich der Klägerin zu 2. und in Höhe von monatlich EUR 65,37 hinsichtlich der Klägerin zu 3. Mit den monatlichen Einkünften habe eine Hilfebedürftigkeit nicht bestanden. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II seien nur 56% der berücksichtigen Unterkunftskosten zu erstatten.

Unter dem 4. Mai 2010 trugen die Kläger vor, von einer Einbeziehung des Bescheids vom 15. April 2010 in das laufende Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 23. November 2009 sei auszugehen. Hinsichtlich der Klägerin zu 1. sei eine Verschlechterung durch Erhöhung der Rückforderung erfolgt, weshalb eine nicht erfolgte Anhörung erforderlich gewesen sei. Hinsichtlich der Kläger zu 2. und 3. sei eine Reduzierung der Rückforderung erfolgt, weshalb insoweit eine Teilrückzahlung zu erfolgen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2010 hob der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. April 2010 auf und wies den Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23. November 2009 zurück. Dieser sei aufgrund des ab September 2009 erzielten Einkommens rechtmäßig und lebe nach der Aufhebung des Bescheids vom 15. April 2010 wieder auf.

Hiergegen erhoben die Kläger am 26. August 2010 Klage beim Sozialgericht Hannover (SG), gerichtet auf die Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 23. November 2009 in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2010 sowie gerichtet auf eine Rückzahlung von EUR 1.238,70 an die Klägerin zu 1. und auf die Herstellung des Zustands nach rechtzeitigen Anträgen auf Leistungen anderer Sozialleistungsträger nach dem BKGG und dem WoGG. Der Beklagte sei aufgrund konkreten Anlasses zur Beratung der Kläger über Ansprüche gegenüber anderen Sozialleistungsträgern verpflichtet gewesen sowie zu einer nachfolgenden Rückabwicklung im Innenverhältnis. Es habe eine gesetzliche Beratungspflicht gemäß § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bestanden. Der Gegenüberstellung des Gesamteinkommens und eines Gesamtbedarfs werde widersprochen. Bedarfe und Leistungsansprüche seien zu individualisieren. Hierbei ergebe sich, dass der Restbedarf der Kläger zu 2. und 3. durch das berücksichtigungsfähige Einkommen der Klägerin zu 1. gedeckt werde. Aus der damit fehlenden Hilfebedürftigkeit habe sich aus dem Meistbegünstigungsprinzip die Verpflichtung zur fiktiven Berechnung vorrangiger sonstiger Leistungsansprüche ergeben. Der Beklagte habe zudem vom Einkommen der Kläger nicht alle Abzüge zutreffend berechnet und ein überhöhtes monatliches bereinigtes Nettoeinkommen angesetzt. Für September 2009 seien EUR 19,09 abzusetzen für den Beitrag bei der VHV Versicherung, EUR 21,62 für den Beitrag bei der Debeka Versicherung, EUR 30,39 für den Beitrag bei der Aspecta Lebensversicherung, EUR 28,10 für den Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung, EUR 14,79 für den Beitrag zur Rechtsschutzversicherung und EUR 15,33 als Werbungskostenpauschale. Nach Abzug des Freibetrags nach den §§ 11, 30 SGB II in Höhe von monatlich EUR 310,00 verbleibe vom Nettolohn der Klägerin zu 1. in Höhe von EUR 1.377,40 nur noch ein anrechenbarer Betrag in Höhe von EUR 928,08. Für Oktober 2009 seien EUR 19,09 abzusetzen für den Beitrag bei der VHV Versicherung, EUR 30,86 und EUR 15,66 für Beiträge bei der Debeka Versicherung, EUR 30,39 für den Beitrag bei der Aspecta Lebensversicherung, EUR 28,10 für den Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung, EUR 14,79 für den Beitrag zur Rechtsschutzversicherung und EUR 15,33 als Werbungskostenpauschale. Nach Abzug des Freibetrags nach den §§ 11, 30 SGB II in Höhe von monatlich EUR 310,00 verbleibe vom Nettolohn der Klägerin zu 1. in Höhe von EUR 1.382,34 nur noch ein anrechenbarer Betrag in Höhe von EUR 918,12. Von den Kindergeld- und Unterhaltseinkommen der Kläger zu 2. und 3. seien monatlich jeweils die Versicherungspauschalen in Höhe von EUR 30,00 abzuziehen. Bzgl. der Kläger zu 2. und 3. sei auch die Berechnung der Erstattungsbeträge überhöht, weil § 40 Abs. 2 SGB II nicht zutreffend berücksichtigt worden sei. Die streitgegenständlichen Bescheide seien auch formell rechtswidrig, weil keine Ermittlung der Erstattungsbeträge ersichtlich sei. Bei einer etwaigen Heilung über § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X seien jedenfalls die Kosten der Kläger zu erstatten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. Februar 2013 abgewiesen. Hinsichtlich des angegriffenen Bescheids vom 15. April 2010 bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil dieser Bescheid im Widerspruchsbescheid bereits aufgehoben worden sei. Ein Beratungsanspruch der Kläger hinsichtlich sonstiger in Betracht kommender Leistungen nach dem BKGG oder dem WoGG habe gegenüber dem Beklagten nicht bestanden, weil diese Leistungen nicht in dessen Verantwortungsbereich fielen. Es seien insoweit auch keine entstandenen Nachteile ersichtlich. Die erfolgte Leistungsaufhebung sei im Umfang des Bescheids vom 23. November 2009 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgrund der nach dem Bewilligungsbescheid vom 11. Juni 2009 eingetretenen Änderungen rechtmäßig. Für die Monate September und Oktober 2009 errechne sich unter Berücksichtigung der bereinigten Einkommen kein verbleibender ungedeckter Bedarf. Für September 2009 seien vom Nettoeinkommen der Klägerin zu 1. in Höhe von EUR 1.337.52 die Versicherungsbeiträge in Höhe von EUR 19,09, EUR 21,62, EUR 30,39 und EUR 28,10 abzusetzen sowie eine Versicherungspauschale in Höhe von EUR 30,00 und EUR 15,33 als Werbungskostenpauschale. Der Beitrag zur Rechtsschutzversicherung sei nicht absetzbar. Als Freibetrag seien EUR 210,00 zu berücksichtigen, weshalb ein anrechenbarer Betrag von EUR 982,99 verbleibe. Zusammen mit den Kindergeld- und Unterhaltszahlungen an die Kläger zu 2. und 3. in Höhe von insgesamt EUR 328,00 und EUR 310,00 sei insgesamt ein Betrag von EUR 1.620,99 verfügbar gewesen. Beiträge zur Rechtsschutzversicherung seien nicht abzuziehen. Gleiches gelte für Versicherungspauschbeträge für die Kläger zu 2. und 3., weil der Abschluss entsprechender Versicherungen nicht nachgewiesen sei. Für Oktober 2009 seien vom Nettoeinkommen der Klägerin zu 1. in Höhe von EUR 1.382,34 neben den bereits im September 2009 abgesetzten Versicherungsbeiträgen weitere EUR 15,66 für eine Versicherung bei der Debeka abzusetzen. Nach Abzug des Freibetrags seien daher zusammen mit den Kindergeld- und Unterhalszahlungen an die Kläger zu 2. und 3. insgesamt EUR 1.650,15 verfügbar gewesen. In beiden Monaten sei damit der monatliche Bedarf der Kläger in Höhe von insgesamt jeweils EUR 1.523,00 gedeckt gewesen. Hinsichtlich der nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung lediglich im Umfang von 44% zu berücksichtigenden reinen Unterkunftskosten habe sich der Beklagte lediglich fehlerhaft zu Gunsten der Kläger verrechnet. Die von der Klägerin zu 1. gezahlten EUR 1.238,70, die noch zusätzliche Mahnkosten der Forderungsstelle der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von EUR 6,24 beinhalten dürften, seien daher auch nicht zu erstatten. Der Bescheid vom 23. November 2009 sei auch weder wegen Unbestimmtheit gemäß § 33 Abs. 1 SGB X noch wegen fehlender Begründung gemäß § 35 SGB X rechtswidrig. Der Verfügungssatz sei hinreichend bestimmt. Das Begründungserfordernis sei auch ohne einzelne Berechnungsschritte gewahrt.

Gegen das am 25. April 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. Mai 2013 eingegangene Berufung der Kläger. Die Klägerin zu 1. habe versehentlich auf den ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23. November 2009 EUR 6,24 zuviel gezahlt, weshalb insoweit eine Erstattung fällig sei. Ein Rechtsgrund für die Zahlung bestehe auch im Übrigen nicht, weil kein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid mehr existiere. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23. November 2009 sei durch den zweiten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. April 2010 ersetzt worden, der wiederum mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2010 aufgehoben worden sei. Hierdurch habe aber der gar nicht mehr existente erste Bescheid nicht wieder aufleben können. Dieser erste Bescheid vom 23. November 2009 sei zudem auch materiell rechtswidrig gewesen, weil Leistungen aufgehoben worden seien, die vorher gar nicht bewilligt worden seien. Der Klägerin zu 2. seien ursprünglich monatlich nur EUR 83,67 bewilligt worden, weshalb nicht monatlich EUR 100,41 zurückgefordert werden könnten. Die vom SG für die Monate September und Oktober 2009 angesetzten Einkommen würden unstreitig gestellt. Zu den vorgetragenen weiteren Sozialleistungsansprüchen könne nichts weiter vorgetragen und nur auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen werden.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. Februar 2015 ein Teilanerkenntnis abgegeben, soweit die Aufhebung und Rückforderung im Bescheid vom 23. November 2009 die Beträge überschreiten von monatlich EUR 415,25 bzw. insgesamt EUR 830,50 für die Klägerin zu 1., von monatlich EUR 44,23 bzw. insgesamt EUR 88,46 für die Klägerin zu 2. und von monatlich EUR 65,37 bzw. insgesamt EUR 130,74 für die Klägerin zu 3. Die Kläger haben das Teilanerkenntnis mit Schriftsatz vom 17. April 2015 angenommen. In der mündlichen Verhandlung am 26. Mai 2015 hat der Beklagte hierzu klargestellt, dass sich aus dem angenommenen Teilanerkenntnis ein Nachzahlungsanspruch zugunsten der Kläger in Höhe von EUR 182,76 errechnet. Insoweit erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. Februar 2013 sowie den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 23. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger weitere EUR 1.049,70 nebst gesetzlicher Zinsen zurückzuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es werde auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen. Das Teilanerkenntnis resultiere aus einer Neuberechnung unter Berücksichtigung der tatsächlich bewilligten Beträge sowie nach den Vorgaben in § 40 Abs. 4 SGB II. Maßgeblich seien insoweit die tatsächlich erbrachten Anteile des Bedarfs der Unterkunft und nicht der rechnerisch berücksichtigte angemessene Bedarf. Für das Kalenderjahr 2005 sei lediglich ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. Juni 2006 erlassen worden. Bei der Übermittlung an das Forderungsmanagement der Bundesagentur für Arbeit sei als Bescheiddatum versehentlich der 21. Juli 2007 als Tagesdatum der Übermittlung angegeben worden. Der Bescheid sei nach Aktenlage bestandskräftig geworden und die Forderung vollständig getilgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und den Inhalt der Leistungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143 und 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist teilweise in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet sowie im Übrigen unbegründet.

I. Der streitige Bescheid vom 23. November 2009 ist mit seinem nach dem angenommenen Teilanerkenntnis vom Februar 2015 verbliebenen Inhalt hinsichtlich der Aufhebungsverfügung insgesamt rechtmäßig nach § 40 Abse. 1 und 2 SGB II in der 2009 geltenden Fassung iVm § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X iVm § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III sowie hinsichtlich der Erstattungsverfügung gegenüber der Klägerin zu 1. nach § 40 Abse. 1 und 2 SGB II in der 2009 geltenden Fassung iVm § 50 SGB X iVm § 335 SGB III. Hinsichtlich der Erstattungsverfügung ist der streitige Bescheid vom 23. November 2009 mit seinem nach dem angenommenen Teilanerkenntnis vom Februar 2015 verbliebenen Inhalt gegenüber der Klägerin zu 2. insgesamt rechtswidrig sowie gegenüber der Klägerin zu 3. teilweise, soweit die festgesetzte Erstattungsforderung einen Betrag von monatlich EUR 34,26 überschreitet.

1. Der streitgegenständliche Bescheid vom 23. November 2009 wurde zunächst durch den im Laufe des Widerspruchsverfahrens ergangenen und gemäß § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewordenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. April 2010 ersetzt (vgl.: Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 12/07 R -; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 2. Dezember 2011 - L 16 AS 877/11 B ER) und erhielt durch die im Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2010 erfolgte Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 15. April 2010 wieder seinen ursprünglichen Regelungsinhalt, mit dem er Gegenstand des vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahrens geworden ist. Für die Rechtsauffassung der Kläger, wonach ein im Laufe eines Widerspruchsverfahrens ergangener ersetzender Bescheid zum endgültigen und vom Ausgang des Widerspruchsverfahrens unabhängigen Wegfall des Ausgangsbescheids führen soll, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Vielmehr bleibt der Bescheid vom 23. November 2009 mangels eines seine Wirksamkeit beendenden Ereignisses (§ 39 Abs. 2 SGB X) weiterhin existent.

2. Der Bescheid vom 23. November 2009 beinhaltet nach der gebotenen Auslegung unter Berücksichtigung der Begründung und des objektiven Sinngehalts nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. Engelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 33 Rn 6 ff und § 31 Rn 24 ff) eine vollständige Bewilligungsaufhebung und eine teilweise Erstattungsverfügung. Dieser objektive Regelungsgehalt ergibt sich aus der im Begründungsteil des Bescheids angeführten Annahme einer vollständig fehlenden Hilfebedürftigkeit im Streitzeitraum sowie insbesondere aus dem ausdrücklichen Abstellen auf die Erstattungsbeschränkung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der 2009 geltenden Fassung (a.F.), die nach dem eindeutigen Wortlaut von § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F. nur bei einer vollständigen Bewilligungsaufhebung Anwendung findet. Entsprechend stellt auch der Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2010 auf eine Bewilligungsaufhebung wegen vollständigen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit ab. Der damit nach dem objektiven Sinngehalt anzunehmende Regelungsinhalt einer vollständigen Bewilligungsaufhebung mit Beschränkung der Erstattungssumme entspricht auch dem aus der gesamten Verfahrensführung ersichtlichen Verständnis der Beteiligten und insbesondere der Kläger.

3. Der Bescheid vom 23. November 2009 ist insgesamt formell rechtmäßig.

Die Kläger wurden nach § 24 SGB X angehört.

Der streitige Bescheid ist aufgrund der eindeutigen Zuordnungen und Benennungen der Leistungsaufhebungen auch hinreichend bestimmt gemäß § 33 Abs. 1 SGB X, weil für einen verständigen Adressaten erkennbar ist, dass und in welchem Umfang sowie für welchen Zeitraum für welchen der Bescheidadressaten die Leistungsbewilligung aufgehoben werden sollte (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 2015 - B 14 AS 1/14 R - und Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 2/13 R). Vollständiger weiterer Differenzierungen, z.B. bezüglich der Leistungsarten (Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Heizung), bedarf es bei klarer Erkennbarkeit der Aufhebungszeiträume und -umfänge insoweit nicht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 89/12 R).

4. Der Bescheid vom 23. November 2009 ist hinsichtlich der erfolgten vollständigen Bewilligungsaufhebung auch insgesamt materiell rechtmäßig gemäß §§ 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II a.F. iVm § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X iVm § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), weil die im Juni 2009 erfolgte Leistungsbewilligung bei Erlass rechtmäßig war und erst nachträglich durch den Einkommenszufluss im September und Oktober 2009 und die dadurch eingetretene vollständige Bedarfsdeckung der Kläger rechtswidrig geworden ist.

Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine bestehende Bedürftigkeit iSv § 9 Abs. 1 SGB II, also die Unfähigkeit, den eigenen Lebensunterhalt durch vorhandenes Einkommen oder Vermögen zu bestreiten, wobei bei minderjährigen Personen innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft auch das Einkommen und Vermögen der Eltern zu berücksichtigen ist. Die im streitgegenständlichen Zeitraum zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 11. Juni 2009 nach Berücksichtigung der unstreitigen monatlichen Einnahmen aus Kindergeld- und Unterhaltszahlungen, für die Klägerin zu 2. in Höhe von EUR 357,00 und für die Klägerin zu 3. in Höhe von EUR 281,00, verbliebenen monatlichen Gesamtbedarfe der Kläger, in Höhe von EUR 677,66 für die Klägerin zu 1. (Regelleistung EUR 359,00 zzgl. Mehrbedarf EUR 129,00 gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung zzgl. Unterkunfts- und Heizkosten EUR 189,66), in Höhe von EUR 440,66 für die Klägerin zu 2. (Sozialgeld EUR 251,00 gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (a.F.) iVm § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelsatzverordnung) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung zzgl. Unterkunfts- und Heizkosten EUR 189,66) und in Höhe von EUR 404,66 für die Klägerin zu 3. (Sozialgeld EUR 215,00 gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB II a.F. zzgl. zzgl. Unterkunfts- und Heizkosten EUR 189,66), wurden durch das nach der Leistungsbewilligung unstreitig zugeflossene Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1. in Höhe von EUR 1.337,52 im September 2009 und in Höhe von EUR 1.382,34 im Oktober 2009 vollständig gedeckt. Selbst nach der eigenen Berechnung der Kläger ist der monatliche Bedarf der Klägerin zu 1. durch die angesetzten bereinigten Einkommen in Höhe von EUR 928,08 bzw. EUR 918,12 gedeckt mit überschießenden und gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II bei den Klägern zu 2. und 3. anzurechnenden monatlichen Beträgen in Höhe von EUR 250,42 bzw. EUR 240,54. Diese Beträge decken zudem vollständig die verbleibenden monatlichen Bedarfe der Klägerin zu 2. in Höhe von EUR 83,66 (EUR 440,66 abzgl. Einkommen EUR 357,00) und der Klägerin zu 3. in Höhe von EUR 123,66 (EUR 404,66 abzgl. Einkommen EUR 281,00), weil die für die vorgetragenen ergänzenden Einkommensbereinigungen um Versicherungspauschalen in Höhe von jeweils monatlich EUR 30,00 gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG-II-V) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung erforderlichen abgeschlossenen berücksichtigungsfähigen Versicherungen für die minderjährigen Kläger zu 2. und 3. trotz der insoweit erstinstanzlich bereits ergangenen Entscheidung auch im Berufungsverfahren weder substantiiert vorgetragen noch belegt wurden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 139/10 R). Es kann vor diesem Hintergrund dahinstehen, dass die von der Klägern eingereichte Berechnung der Einkommensbereinigung jedenfalls insoweit fehlerhaft ist, als dass neben den nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II iVm § 3 ALG-II-V in der im Streitzeitraum geltenden Fassung konkret berechneten Abzügen in Höhe von EUR 129,32 für September 2009 bzw. EUR 154,22 für Oktober 2009 zusätzlich auch noch der monatliche Pauschbetrag in Höhe von EUR 100,00 gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II iVm § 3 ALG-II-V in der im Streitzeitraum geltenden Fassung abgezogen wurde, im Ergebnis also ein unzulässiger doppelter Kostenabzug erfolgte.

Die gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfolgende Berücksichtigung von nach Leistungsbewilligung zugeflossenen Einnahmen ist auch verschuldensunabhängig und daher auch nicht von einer positiven Kenntnis oder einer verletzten Anzeigepflicht der Kläger als Leistungsempfänger abhängig.

5. Hinsichtlich der Erstattungsforderung ist der streitige Bescheid vom 23. November 2009 mit seinem nach dem angenommenen Teilanerkenntnis vom Februar 2015 verbliebenen Inhalt gegenüber der Klägerin zu 2. rechtswidrig sowie gegenüber der Klägerin zu 1. ganz und gegenüber der Klägerin zu 3. teilweise rechtmäßig.

Gegenüber der Klägerin zu 2. ist der Erstattungsanteil insgesamt rechtswidrig, weil unter Berücksichtigung der nach § 40 Abs. 2 SGB II in der 2009 geltenden Fassung vorgesehenen Erstattungsfreiheit von 56% der nach § 28 SGB II in der 2009 geltenden Fassung berücksichtigten Unterkunftskosten ohne Heiz- und Warmwasserkosten kein nach § 50 SGB X zu erstattender Betrag verbleibt.

Maßgeblich für die im Streitzeitraum gesetzlich vorgesehene Erstattungsbeschränkung sind nach der unmissverständlichen Formulierung in § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F. die im Rahmen der Leistungsberechnung rechnerisch berücksichtigten Unterkunftskosten und nicht lediglich der letztlich, ggf. nach Abzug der berücksichtigungsfähigen Einnahmen, ermittelte Auszahlungsbetrag (so auch: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. August 2013 - L 20 AS 678/10 -; Conradis in LPK, 3. Aufl. 2010, § 40 Rn 21). Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber weder auf tatsächlich "gewährte" Leistungen abgestellt hat noch auf als angemessen zu erbringende Unterkunftskosten nach § 22 SGB II. Bezug genommen wird vielmehr auf den im Rahmen der Bedarfsberechnung eingestellten Kostenbetrag vor Anrechnung von Einkommen und Vermögen. Nur dieser Regelungsgehalt führt zu dem aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucksache 15/1516, Seite 63 zu Art. 1 § 40) zu entnehmenden Regelungsziel. Hintergrund des teilweisen Rückforderungsausschlusses war danach die gewollte pauschalierte Gleichstellung der Empfänger von Leistungen nach dem SGB II mit den Empfängern von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG). Dieses unterliege grundsätzlich auch bei nachträglicher Feststellung fehlender Leistungsvoraussetzungen nicht der Rückforderung, weshalb auch die vom Wohngeldbezug ausgeschlossenen Leistungsempfänger nach dem SGB II von einer entsprechenden Rückforderungshöhe freigestellt werden sollten. Diese normative Zielsetzung ist für die Gesetzesauslegung und -anwendung bindend, auch wenn zwischenzeitlich wohngeldrechtlich die Privilegierung beim nachträglichen Einkommenszufluss für abgeschlossene Bewilligungszeiträume auf Fälle einer Einkommensänderung bis maximal 15% beschränkt wird (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 WoGG). Der Gesetzgeber ist nämlich im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bei grundlegenden Schnittstellen und Systembegrenzungen auf dem Gebiert der sozialen Sicherung befugt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne dass zwischen den Vergleichsgrößen Deckungsgleichheit bestehen muss (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvL 3/98 - BVerfGE 111, 115 und Beschluss vom 14. Oktober 1997 - 1 BvL 5/93 - BVerfGE 96, 330, 344 f. [BVerfG 14.10.1997 - 1 BvL 5/93]). Der Satz von 56% der Unterkunftskosten orientiert sich insoweit am tatsächlichen Subventionssatz auf der Basis der empirischen Werte der Wohngeldstatistik 2001. Bei einer demgegenüber jeweiligen Berechnung des anteiligen Rückforderungsausschlusses anhand der tatsächlichen Auszahlungen bliebe im Ergebnis nicht der vom Gesetzgeber gewollte vollständige fiktive "Wohngeldanteil" erstattungsfrei, sondern nur ein jeweils geringerer prozentualer Anteil am Auszahlungsbetrag. Soweit in der Literatur unter Bezugnahme auf diese Gesetzbegründung aus dem Jahr 2003 für die mit Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (Bundesgesetzblatt vom 29. März 2011, Teil I Nr. 12, Seite 453) mit Wirkung zum 1. April 2011 neu gefasste Regelung in § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II ein Abstellen auf den im Rahmen der Bedarfsberechnung eingestellten Kostenbetrag vor Anrechnung von Einkommen und Vermögen angenommen wird mit der Folge eines vollständigen Erstattungsausschlusses bei Leistungsbewilligungen im Umfang von weniger als 56% der berücksichtigen Unterkunftskosten (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 47. Erg.-Lief. Juni 2012, § 40 Rn 720; Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 40 Rn 155), kann für die im Streitzeitraum geltende Fassung des § 40 Abs. 2 SGB II a.F. nichts anderes gelten. Ein abweichender Auslegungsansatz kann auch nicht aus den ersichtlich auf die tatsächlich gewährten Leistungen abstellenden erstinstanzlichen Entscheidungen entnommen werden (vgl. Sozialgericht Neuruppin, Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2011 - S 26 AS 5/10 - und Sozialgericht Dresden, Urteil vom 22. Dezember 2009 - S 40 AS 2408/08), weil insoweit gar keine Problemerkenntnis und keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Regelungsgehalt des § 40 Abs. 2 SGB II a.F. ersichtlich ist, sondern lediglich ohne Begründung erfolgende Feststellungen.

Bei im Rahmen der Leistungsberechnung für die Klägerin zu 2. vor Anrechnung von Einkommen berücksichtigten reinen Unterkunftskosten von monatlich jeweils EUR 159,67 (479,00 / 3) errechnet sich danach ein rückzahlungsfreier Anteil von jeweils monatlich EUR 89,41 (159,67 / 100 * 56) und entsprechend bei im Zeitraum September und Oktober 2009 monatlich jeweils bewilligten EUR 83,67 kein rechtmäßiger monatlicher Rückforderungsbetrag.

Gegenüber der Klägerin zu 3. ergibt sich aus den Ausführungen zum Regelungsgehalt von § 40 Abs. 2 SGB II a.F. bei im Rahmen der Leistungsberechnung vor Anrechnung von Einkommen berücksichtigten reinen Unterkunftskosten von monatlich jeweils EUR 159,67 (479,00 / 3) ein rückzahlungsfreier Anteil von jeweils monatlich EUR 89,41 (159,67 / 100 * 56) und daraus bei im Zeitraum September und Oktober 2009 monatlich bewilligten EUR 123,67 ein rechtmäßiger monatlicher Rückforderungsbetrag von lediglich EUR 34,26.

Gegenüber der Klägerin zu 1. rechtfertigt sich der nach dem angenommenen Teilanerkenntnis vom Februar 2015 verbliebene Erstattungsanteil aus § 40 Abs. 2 SGB II in der 2009 geltenden Fassung iVm § 50 SGB X. Die nach § 40 Abs. 2 SGB II in der 2009 geltenden Fassung vorgesehene Erstattungsfreiheit von 56% der nach § 19 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II in der 2009 geltenden Fassung berücksichtigten Unterkunftskosten ohne Heiz- und Warmwasserkosten ist in Höhe von monatlich EUR 89,41 zutreffend berücksichtigt.

6. Der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung gegenüber den Klägern zu 1. und 3. steht auch keine Erfüllungswirkung gemäß § 107 SGB X entgegen, weil - unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen gemäß §§ 102 ff SGB X - für den streitigen Zeitraum jedenfalls keine gegenüber anderen Leistungsträgern bestehenden Sozialleistungsansprüche ersichtlich sind. Ein Wohngeldantrag für den Zeitraum September bis November 2009 wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. August 2010 abgelehnt, mit der Begründung eines fehlenden Anspruchs unter Berücksichtigung von Miethöhe und Monatseinkommen. Eine erfolgte Bewilligung eines Kinderzuschlags nach § 6a BKGG haben die Kläger weder substantiiert vorgetragen noch belegt. Einem derartigen Anspruch steht insbesondere auch entgegen, dass die in § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG normierte Voraussetzung einer durch den Zuschlag vermiedenen Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht erfüllt ist, weil die Bedarfsdeckung bereits durch die Einkommen der Kläger eingetreten ist.

Der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung kann vor diesem Hintergrund auch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein gerügtes Beratungsverschulden entgegen stehen, weil es - unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen sowie unabhängig von den überhaupt insoweit möglichen Rechtsfolgen - für einen so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, gerichtet auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn die Behörde die ihr obliegenden Pflichten, insbesondere zur Betreuung und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (ständige Rechtsprechung: vgl. z.B. Bundessozialgericht, Urteil vom 25. August 1993 - 13 RJ 43/92 -SozR 3-5750 Art. 2 § 6 Nr. 7; Bundessozialgericht, Urteil vom 12. November 1980 - 1 RA 45/79 - SozR 1200, § 14 Nr. 9; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. März 2007 - L 9 U 25/05), jedenfalls an einem ersichtlichen rechtlichen Nachteil oder Schaden fehlt, der aus einem Verhalten des Beklagten resultieren könnte (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Juni 1992 - 11 RAr 65/91 - SozR 3-4100, § 103 Nr. 8; Bundessozialgericht, Urteil vom 23. Juli 1986 - 1 RA 31/85 - SozR 1300, § 44 Nr. 23). Für den Streitzeitraum schieden für die Kläger Ansprüche auf Wohngeld oder Kinderzuschuss nämlich bereits aufgrund der Einkommenshöhe aus, unabhängig von etwaigen Beratungen oder Antragszeitpunkten.

II. Die über die bereits vom Beklagten im Rahmen des Teilanerkenntnisses anerkannte Summe hinausgehende weiter tenorierte Rückzahlungsverpflichtung ergibt sich unter Berücksichtigung der teilweisen Rechtswidrigkeit des Erstattungsanteils im streitigen Bescheid vom 23. November 2009 gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 SGG aus dem Folgenbeseitigungsanspruch aufgrund der teilweisen Bescheidaufhebung. Die Möglichkeit des Ausspruchs der Rückgängigmachung eines bereits vollzogenen Bescheids erfasst auch die Rückabwicklung von Zahlungen, die aufgrund eines später aufgehobenen Erstattungsbescheids zur Vermeidung der Vollziehung freiwillig erbracht worden sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. August 1996 - 13 RJ 9/95; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 131 Rn 4). Für die Klägerin zu 2. errechnen sich nach Abzug des teilweise anerkannten Betrags noch EUR 44,23 monatlich, also insgesamt EUR 88,46, und für die Klägerin zu 3. noch EUR 31,11 monatlich (EUR 65,37 abzgl. EUR 34,26), also insgesamt EUR 62,22.

Hinsichtlich der anteilig für den Aufhebungs- und Erstattungszeitraum 2005 geleisteten Zahlungen in Höhe von EUR 0,88 und EUR 5,36 besteht ein Folgenbeseitigungsanspruch mangels ersichtlicher Bescheidaufhebung nicht.

Ein Anspruch auf Verzinsung besteht nicht, weil es hierfür in der Konstellation einer erfolgten Zahlung auf einen später aufgehobenen Bescheid nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl.: Urteil vom 10. August 1995 - 11 RAr 91/94), der sich der Senat anschließt, an einer Rechtsgrundlage fehlt: Eine entsprechende Heranziehung der §§ 717 Abs. 2, 945 Zivilprozessordnung (ZPO) scheidet danach mangels einer planwidrigen Regelungslücke im Sozialrecht aus. Über den Folgenbeseitigungsanspruch sind nur die unmittelbaren Folgen einer rechtswidrigen Amtshandlung zu beseitigen, nicht aber nur mittelbar verursachte Zinsschäden. § 44 SGB I findet nur auf Sozialleistungen iSv § 11 SGB I Anwendung, nicht aber auf Rückzahlungsansprüche bzgl. Erstattungsbeträge. § 27 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bezieht sich lediglich auf die Erstattung von zu Unrecht entrichteten Beiträgen. Einer analogen Anwendung steht das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Die Kostenquote für die Klägerin zu 3. ergibt sich dabei aus dem Verhältnis der ursprünglichen Erstattungsforderung in Höhe von monatlich EUR 100,41 zum rechtmäßigen Erstattungsanteil von monatlich EUR 34,26. Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin zu 1. ergibt sich aufgrund des ihr gegenüber vollständig rechtmäßigen Bescheids vom 23. November 2009 mit seinem nach dem angenommenen Teilanerkenntnis vom Februar 2015 verbliebenen Inhalt auch nicht aus dem geringfügigen Teilanerkenntnis im Umfang von lediglich EUR 0,32 bzw. 0,038% der Streitforderung.

IV. Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die klärungsbedürftige und klärungsfähige sowie mit Bedeutung über den Einzelfall hinaus versehene Rechtsfrage des Umfangs der gesetzlich vorgesehenen Erstattungsbeschränkung in § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F. hat grundsätzliche Bedeutung aufgrund einer fehlenden höchstrichterlichen Entscheidung. Unabhängig von der Anzahl der noch zur Entscheidung anstehenden Fälle zu § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F. steht die mit Wirkung zum 1. April 2011 erfolgte Neuregelung in § 40 Abs. 4 SGB II der grundsätzlichen Bedeutung nicht entgegen, weil sich die zu klärende Rechtsfrage nach geltendem Recht in gleicher Weise stellt.