Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 09.12.1991, Az.: 7 B 7377/91
Anspruch auf Gewährung einer beamtenrechtlichen Beförderung; Rechtsfehlerfreie Entscheidung unter Beachtung des Leistungsprinzips
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 09.12.1991
- Aktenzeichen
- 7 B 7377/91
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1991, 21156
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1991:1209.7B7377.91.0A
Rechtsgrundlage
- Art. 33 Abs. 2 GG
Verfahrensgegenstand
Stellenbesetzung
Antrag nach §123 VwGO
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig
am 09. Dezember 1991
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Gründe
I.
Der Antragsteller verfolgt mit seinem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung das Ziel, die Besetzung einer Justizamtsratsstelle im Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig insbesondere mit dem Beigeladenen bis zur Entscheidung über seinen Widerspruch zu verhindern.
Der 1940 geborene Antragsteller bestand 1963 die Rechtspflegerprüfung. 1978 wurde er zuletzt zum Justizamtmann befördert. Er ist außerdem im Rahmen der Rechtspflegeausbildung sowohl bei der praktischen Ausbildung am Arbeitsplatz als auch als Lehrbeauftragter und Mitglied des Prüfungsamtes tätig. Bis August 1990 war er als Rechtspfleger in Vormundschafts-, Pflegschafts- und Familiensachen eingesetzt, danach in der Rechtsantragsstelle für Zivil- und Vollstreckungssachen. Er wurde zuletzt am 19.11.1990 dienstlich mit der Note "sehr gut" beurteilt. In dieser Beurteilung wurde auf die Beurteilung vom 10.07.1989 verwiesen, in der es u.a. heißt:
" ... Mit besonderem Engagement widmet er sich den persönlichen Belangen und dem sozialen Umfeld der Pflegebefohlenen, indem er sich in vielen Fällen in Alten- bzw. Pflegeheime oder Wohnungen gebrechlicher Pflegebefohlener begibt, um so nähere Sachkenntnis zu erlangen und den Aufgaben des Vormundschaftsgerichtes besser nachkommen zu können. Das ist zeitaufwendig und erfordert erheblichen persönlichen Einsatz, zumal dadurch gelegentliche Arbeitsreste nicht zu vermeiden sind. Das nimmt der Rechtspfleger jedoch in Kauf, um den Anforderungen an das Amts des Vormundschaftsrechtspflegers in jeder Hinsicht gerecht zu werden. Mit viel Geschick und Interesse widmet der Beamte sich der Ausbildung der Rechtspfleger-Anwärter. ... Ich halte ihn für befähigt, jede Tätigkeit des gehobenen Dienstes in der Rechtspflege auszuüben."
In der Beurteilung vom 19.11.1990 heißt es dann weiter:
"Seit Ende August dieses Jahres verwaltet Justizamtmann ... die Rechtsantragstelle für Zivil- und Vollstreckungssachen. Die Arbeitsergebnisse lassen sich nach der kurzen Zeit ... noch nicht beurteilen. Wohl aber ist hervorzuheben, daß er sich zu dieser - bei vielen u.a. wegen des zahlreichen Publikums mit oft nicht einfachen Umgangsformen weniger beliebten - Tätigkeit bereitgefunden hat, weil ihn der Umgang mit Rechtssuchenden interessiert und er damit eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung der Aufgaben als gegeben ansieht, und daß er sich dementsprechend engagiert der neuen Aufgabe auch annimmt. Damit hat der Beamte seine von Verantwortung geprägte Einsatzbereitschhaft und soziale Kompetenz unterstrichen."
Mitte Mai 1991 bewarb sich der Antragsteller zusammen mit einer Reihe weiterer Mitbewerber um die ausgeschriebene Stelle eines Justizamtsrates (Rechtspfleger mit Funktionen gemäß §2 Nr. 2 der Verordnung vom 23.12.1971) im Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig.
Auf diese Stelle hat sich auch der Beigeladene beworben. Der 1941 geborene Beigeladene bestand 1970 seine Rechtspflegerprüfung. 1981 wurde er zuletzt zum Justizamtmann befördert. Er ist im Rahmen der Ausbildung von Rechtspflegeranwärtern sowohl als Ausbilder am Arbeitsplatz als auch als Lehrbeauftragter tätig. Er ist als Rechtspfleger in Grundbuchsachen und seit Ende 1990 zusätzlich als Rechtspfleger in Luftfahrtregistersachen eingesetzt. Anfang des Jahres 1991 wurde er kurzfristig nach Magdeburg abgeordnet.
Am 19.06.1991 wurde der Beigeladene zuletzt dienstlich mit der Note "sehr gut (oberer Bereich)" beurteilt.
In dieser Beurteilung wird auf eine vorangehende Beurteilung vom 19.12.1990, die ebenfalls auf "sehr gut" lautete, verwiesen, in der es u.a. heißt:
"Justizamtmann ... ist aufgeschlossen und vielseitig interessiert. Er faßt schnell auf und besitzt gute Kenntnisse im Grundbuchrecht und angrenzenden Rechtsgebieten. Dieses beweist er nicht nur damit, daß er die ihm übertragenen Grundbuchverfahren ebenso zügig wie gründlich und sorgfältig bearbeitet, sondern auch dadurch, daß er Ansätze für Rationalisierung von Aktenabläufen erkennt und umsetzt bzw. vereinfachende Verfahrens- oder Gesetzesänderungen anregt. ... Die Fähigkeit des Beamten, lösungsbedürftige Aufgaben zu erkennen und seine Bereitschaft, richtig Erkanntes auch angemessen zu vertreten, verleiht zugleich seiner Tätigkeit als Personalratsvorsitzender Gewicht. ... Sein beispielhafter Einsatz, der ihn noch zusätzliche Aufgaben übernehmen und bewältigen läßt, beweist nicht nur ein hohes Maß an Verantwortungs- und Pflichtbewußtsein, sondern außerdem die Fähigkeit zu planvollem und konzentrierten Arbeiten. ..."
In dieser Beurteilung vom Dezember 1990 wurde der Bei geladene ebenfalls mit "sehr gut" beurteilt. In der Beurteilung vom 19.06.1991 heißt es dann weiter:
"Der Beamte, der sein Amt als Mitglied des Personalrates im März niedergelegt hat, hat die Richtigkeit dieser Beurteilung nachdrücklich durch das während seiner vorübergehenden Abordnung an das Kreisgericht Magdeburg und in der Folgezeit gezeigte Engagement untermauert. So hat er seine Einsatzbereitschaft bewiesen, indem er sich Anfang Januar aufgrund plötzlich auftretenden Bedarfs kurzfristig abordnen ließ und sich der Grundbuchprobleme in Magdeburg entschieden und mit übergreifender Planung annahm. Der dabei von ihm entwickelte und propagierte Weg zur Bewältigung der Grundbuchsachen in den neuen Bundesländern unterstreicht zusammen mit der beharrlichen und unter persönlichem Einsatz verfolgten Umsetzung dieses Weges die Initiativkraft des Beamten. Deshalb trifft die Beurteilung voll zu, daß der förderungsdwürdige Beamte den Anforderungen in besonderem Maße entspricht. ..."
Ende Juni 1991 schlug der Präsident des Amtsgerichtes den Antragsteller zur Beförderung auf der genannten Stelle vor, ersatzweise benannte er den Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 30.10.1991 lehnte der Antragsgegner die Bewerbung des Antragstellers ab und teilte ihm mit, daß der Beigeladene ausgewählt worden sei.
Einen hiergegen mit Schreiben vom 09.11.1991 erhobenen Widerspruch begründete der Antragsteller damit, daß er als dienst- und lebensältester Bewerber Vorrang vor dem Beigeladenen habe, zumal geringfügige Abstufungen im Bereich einer Note eine Bevorzugung eines anderen Bewerbers nicht begründen würden. Weiterhin verwies der Antragsteller in dem Widerspruch auf sein außerdienstliches Engagement, wonach er außerhalb des Dienstes Vorträge u.a. in Altersheimen über die Aufgaben des Vormundschaftsgerichtes gehalten und ehrenamtliche Pfleger geschult und fortgebildet habe. Die besonderen Leistungen des Beigeladenen im Rahmen der Hilfe für die Grundbuchämter der neuen Bundesländer könnten nicht geeignet sein, seine in langjähriger Tätigkeit erworbenen besonderen Verdienste geringer einzuschätzen, zumal auf dem Gebiet des Vormundschaftsrechtes kein dringender Hilfebedarf der neuen Bundesländer vorgelegen habe. Außerdem würden soziale Aspekte für seine Beförderung sprechen. Er sei Alleinverdiener und habe drei studierende Kinder zu unterhalten. Darüberhinaus sei er auch in der Nachwuchsausbildung engagiert.
Am 11.11.1991 beantragte der Antragsteller den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, den er mit dem Vorschlag des Präsidenten des Amtsgerichtes begründete. Im übrigen nahm er auf den Inhalt seines Widerspruches Bezug.
Er beantragt sinngemäß,
dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Stelle einer Justizamtsrätin/eines Justizamtsrates (Rechtspflegerin/Rechtspfleger mit Funktionen gemäß §2 Nr. 2 der Verordnung vom 23.12.1991) im Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch nicht zu besetzen, insbesondere den Beigeladenen nicht auf dieser Stelle zum Justizamtsrat zu ernennen.
Der Antragsgegner und der Beigeladene beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgeger erwidert: Da überwiegend bei dienstlichen Beurteilungen nur noch "sehr gut" vergeben werde, müsse deshalb schon eine Abstufung innerhalb derselben Note beachtlich sein. Danach sei der Beigeladene der bessere Bewerber, weil er im oberen Bereich von "sehr gut" beurteilt worden sei, der Antragsteller hingegen nicht. Daneben habe sich der Beigeladene durch besondere dienstliche Aktivitäten hervorgetan und besondere Einsatzbereitschhaft gezeigt, weil er sich spontan nach Magdeburg habe abordnen lassen, dort das sogenannte Braunschweiger Modell zur Bewältigung der Grundbuchrückstände im Beitrittsgebiet entwickelt habe, sich durch Vorschläge zur Verbesserung und Vereinfachung der Führung des Pfandrechtsregisters für Luftfahrzeuge hervorgetan habe und im übrigen auch in einer Arbeitsgruppe für ein neues Beurteilungssystem mitarbeite. Nicht von ausschlaggebender Bedeutung sei gewesen, daß der Beigeladene langjähriger Vorsitzender des Personalrats gewesen und in der Rechtspflegerausbildung tätig gewesen sei.
Der Beigeladene unterstützt das Vorbringen des Antragsgegners.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die bei gezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen, die Gegenstand der Beratung waren.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach §123 Abs. 1 VwGO ist zulässig, aber nicht begründet.
Zwar steht dem Antragsteller der für eine Sicherungsanordnung gemäß §123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderliche Anordnungsgrund, der in der drohenden Änderung eines bestimmten Zustandes bestehenden Eilbedürftigkeit der Entscheidung zur Seite, weil ohne eine solche Anordnung die von dem Antragsteller begehrte Stelle besetzt würde und danach für ihn keine Möglichkeit mehr bestünde, die Stelle zu erhalten. Denn es würde dann keine Freistelle mehr zur Verfügung stehen, um deren Besetzung der Antragsteller im Hauptsacheverfahren streiten könnte (vgl. BVerwG, ZBR 1989, S. 291).
Dem Antragsteller steht jedoch ein Sicherungsanspruch nicht zur Seite.
Eine Sicherungsanordnung kann nur dann erlassen werden, wenn ein Antragsteller glaubhaft macht, Inhaber eines gefährdeten subjektiven Rechtes zu sein. Das ist vorliegend bei dem Antragsteller nicht der Fall.
Ein Beamter hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Beförderung. Artikel 33 Abs. 2 des GG, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat, gewährt zwar das Recht, sich zu bewerben und den Anspruch auf rechtsfehlerfreie Entscheidung unter Beachtung des Leistungsprinzips (vgl. dazu BVerwG, NJW 1989, S. 538 [BVerwG 25.08.1988 - 2 C 51/86]); die freie Auswahl unter den geeigneten Bewerbern steht im übrigen aber im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, der im Rahmen sachgerechter Beurteilung darüber entscheiden darf, welchen Gesichtspunkten er bei der beabsichtigten Stellenbesetzung das größere Gewicht beimißt und welchen Bewerber er für den geeignetsten hält.
Grundsätzlich kommt der letzten dienstlichen Beurteilung bei der Auswahlentscheidung besondere Bedeutung zu (vgl. OVG Lüneburg, Beschluß vom 11.7.1991 - 2 M 697/91 -). Ist ein Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung deutlich bessere als andere Bewerber, so muß ihm als dem Besten das höhere Amt übertragen werden. Sind alle Bewerber im Hinblick auf Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung im wesentlichen gleich beurteilt, so können das Dienst- oder Lebensalter oder andere Hilfskriterien den Ausschlag geben. Es bleibt dem Dienstherrn aber unbenommen, von der Berücksichtigung dieser Hilfskriterien abzusehen und gerade auf die möglicherweise auch geringen Differenzen bei Eignung, Leistung und Befähigung abzustellen (OVG Lüneburg, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der in Beurteilungssachen eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte ist im vorliegenden Fall eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Antragsgegners nach dem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren angebrachten summarischen überprüfung nicht festzustellen.
Aufgrund der letzten beiden Beurteilungen steht nach überzeugung der Kammer fest, daß sowohl der Beigeladene als auch der Antragsteller gleich qualifiziert sind und sich - wenn auch zum Teil auf unterschiedlichen Gebieten - durch besonderes Engagement hervorgetan haben. Sowohl der Antragsteller als auch der Beigeladene sind mit "sehr gut" beurteilt worden. Der Antragsteller zeigte insbesondere einen großen persönlichen Einsatz bei der Betreuung von Pflegebefohlenen, der Beigeladene zeigte Einsatzbereitschaft im Rahmen der Zusammenarbeit mit den neuen Bundesländern und machte durch Verbesserungsvorschläge von sich reden. Auch zeigten sowohl der Antragsteller als auch der Beigeladene im Rahmen der Ausbildung des Rechtspflegernachwuchses besondere Einsatzbereitschaft.
Damit können weder die Beurteilung des Antragstellers noch seine gezeigte Einsatzbereitschaft und sein innerdienstliches und außerdienstliches Engagement dazu führen, daß ihn der Antragsgegner zwingend vor dem Beigeladenen hätte bevorzugen müssen. Sind zwei Bewerber gleich gut, liegt es im Auswahlermessen des Dienstherrn, welchen der beiden gleich guten Beamten er befördert.
Ermessensfehler sind nicht festzustellen. Insbesondere ist der Antragsgegner nicht verpflichtet, im Rahmen seines Auswahlermessens soziale Gesichtspunkte wie die Anzahl der zu unterhaltenden Kinder oder die Eigenschaft als Alleinverdiener zwingend derart zu berücksichtigen, daß er einen der beiden gleich guten Bewerber deshalb bevorzugen muß.
Der Antragsteller kann auch keinen Anspruch aus dem Beförderungsvorschlag des Amtsgerichtspräsidenten herleiten, der den Antragsgegner verpflichten würde, ihn vor dem Beigeladenen zu bevorzugen. Der Vorschlag des Amtsgerichtspräsidenten stellt lediglich eine Empfehlung dar. Es liegt im Ermessen des Antragsgegners, ob er dieser Empfehlung folgt oder seine Entscheidung - wie hier - auf andere Gesichtspunkte stützt. Rechtsansprüche auf Beförderung kann der Antragsteller jedenfalls aus der Empfehlung des Amtsgerichtspräsidenten nicht herleiten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht dabei der Billigkeit (§162 Abs. 3 VwGO), die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen dem Antragsteller aufzuerlegen, weil der Beigeladene mit seinem Antrag erfolgreich war und sich durch die Antragstellung auch einem Kostenrisiko (vgl. §154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. ...
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