Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 11.12.1991, Az.: 3 A 3196/91
Voraussetzungen für die Erhebung einer Mahngebühr ; Abgrenzung zwischen den privatrechtlichen Schuldverhältnissen und dem öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnis
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 11.12.1991
- Aktenzeichen
- 3 A 3196/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 21157
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1991:1211.3A3196.91.0A
Rechtsgrundlagen
- § 67 NVwVG
- § 27 Abs. 3 GrStG
Verfahrensgegenstand
Erhebung der Mahngebühr
Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat
unter Mitwirkung
der Vorsitzenden Richterin am Verwaltungsgericht Zschachlitz,
des Richters am Verwaltungsgericht Lichtenfeld und
des Richters Jelit sowie
der ehrenamtlichen Richter Bartlog und Boese
ohne mündliche Verhandlung
am 11. Dezember 1991
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5,- DM festgesetzt:
Gründe
I.
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in der Gemarkung Münden (Flur ..., Flurstück ...). Mit Bescheid der Beklagten vom 28.02.1990 wurde er zur Grundsteuer B für das Jahr 1990 herangezogen. Die Höhe der Grundsteuer betrug 61,85 DM. Der Betrag war nach dem Bescheid in vier Raten zahlbar, in dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, daß er gemäß § 27 des Grundsteuergesetzes bis zum Erlaß eines Änderungsbescheides gültig bleibt und daß bei. Zahlungsverzug Mahngebühren entstehen. Außerdem war dem Bescheid ein Merkblatt beigefügt, aus dem sich ergibt, daß die Beklagte gemäß § 27 Abs. 3 GrStG die Grundbesitzabgaben für jedes Jahr durch öffentliche Bekanntmachung festsetzt und nur dann noch Abgabenbescheide versendet, wenn sich die Besteuerungsgrundlagen ändern.
Mit öffentlicher Bekanntmachung vom 01.02.1991 setzte die Beklagte die Grundbesitzabgaben wie im Vorjahr fest und wies darauf hin, daß Grundsteuern über 60,- DM in vier Raten am 15.02., 15.05., 15.08. und 15.11. zu zahlen seien.
Der Kläger, der seinen Wohnsitz in Hessen hat, vergaß die Rate zum 15.02. zu zahlen. Er wurde daraufhin von der Beklagten mit Schreiben vom 11.03.1991 gemahnt, wobei zugleich eine Mahngebühr von 5,- DM angefordert wurde. Gegen diese Gebührenforderung legte der Kläger mit Schreiben vom 15.03.1991 Widerspruch mit der Begründung ein, es sei unzulässig, für die erste Mahnung Mahngebühren zu erheben. Dies sei ihm als Gewerbetreibenden nicht gestattet. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, wenn hier mit zweierlei Maß gemessen werde.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.1991 zurück und berief sich zur Begründung darauf, daß sie nach den von ihr einzuhaltenden gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet gewesen sei, die Mahngebühr anzufordern.
Mit der am 13.06.1991 erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen, die Erhebung der Mahngebühr. Er ist der Ansicht, daß - da die Fälligkeiten im Jahre 1991 dem Bescheid vom 28.02.1990 nicht zu entnehmen gewesen seien - eine Mahngebühr nicht in Betracht komme. Da er in Hessen wohne, seien ihm etwaige veröffentlichte Aufforderungen nicht bekannt. Für eine erste Mahnung oder Zahlungsaufforderung dürften keine Gebühren erhoben werden. Dabei handele es sich um Bestimmungen zum Schutz des Verbrauchers, die auch für die Beklagte gelten müßten.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Bescheid vom 11.03.1991 über die Anforderung einer Mahngebühr i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 28.05.1991 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzureisen.
Sie beruft sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides und tritt den Ausführungen des Klägers im einzelnen entgegen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Beratung waren.
II.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Mahngebühr ist § 67 des Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetzes - NVwVG - vom 02. Juni 1982 (Nds. GVBl. S. 139), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 22. März 1990 (Nds. GVBl. S. 101) i.V.m. den §§ 1, 1 a der Verordnung über die Kosten des Verwaltungszwangsverfahrens zur Vollstreckung von Leistungsbescheiden und von Geldforderungen i.d.F. vom 14. September 1988 (Nds. GVBl. S. 160). Danach werden im Verwaltungszwangsverfahren Mahngebühren erhoben, wobei die Mindestgebühr für eine Mahnung 5,- DM beträgt.
Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Mahngebühr nach diesen Vorschriften sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Kläger befand mit der zum 15.02.1991 zu zahlenden Grundsteuerrate in Verzug. Es lag auch ein Leistungsbescheid im Sinne des § 3 Abs. 1 NVwVG vor, mit welchem der Kläger zur Zahlung der fälligen Steuer aufgefordert worden ist. Gemäß § 27 Abs. 3 GrStG kann für diejenigen Steuerschuldner, die für das Kalenderjahr die gleichen Grundsteuern wie im Vorjahr zu entrichten haben, die Grundsteuer durch öffentliche Bekanntmachung festgesetzt werden. Für die Steuerschuldner treten, mit dem Tage der Bekanntmachung die gleichen Rechtswirkungen ein, wie wenn ihnen an diesem Tage ein schriftlicher Steuerbescheid zugegangen wäre. Die Beklagte hat von der Möglichkeit, die Steuern durch öffentliche Bekanntmachung festzusetzen, zulässigerweise Gebrauch gemacht, worauf sie den Kläger in dem dem Steuerbescheid vom 28.02.1990 beigefügten Merkblatt auch hingewiesen hatte. Darauf, daß der Kläger seinen Wohnsitz nicht in der beklagten Gemeinde hat, und darum weniger leicht Kenntnis von öffentlichen Bekanntmachungen erhalten kann, kommt es danach nicht an. Der Kläger muß gegebenenfalls dafür Sorge tragen, daß ihm öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinde, in der sich sein Grundstück befindet, zur Kenntnis gebracht werden.
Soweit sich der Kläger darauf beruft, daß aus dem Steuerbescheid vom 28.02.1990 die Fälligkeiten des Jahres 1991 nicht ersichtlich seien, so ist dem entgegenzuhalten, daß sich die Fälligkeitsdaten für 1991 aus der öffentlichen Bekanntmachung vom 01.02.1991 ergeben. Im übrigen ist in § 28 Abs. 1 GrStG geregelt, daß die Grundsteuer zu je einem Viertel ihres Jahresbetrages am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November fällig wird. Es handelt sich damit um eine allgemeine gesetzliche Regelung, die von den Gemeinden und damit auch von der Beklagten zu beachten ist. Auf die Unkenntnis entsprechender gesetzlicher Regelungen kann sich der Kläger nicht berufen.
Die Mahnung vom 11.03.1991 genügt auch im übrigen den gesetzlichen Anforderungen. Sie gewährt eine Zahlungsfrist von einer Woche (§ 4 Abs. 1 NVwVG) und ist erst nach Ablauf einer Woche nach Fälligkeit der Leistung erfolgt (§ 4 Abs. 2 NVwVG). Damit stellt die erfolgte Mahnung eine Amtshandlung dar, für die gemäß § 67 Abs. 1 NVwVG Kosten (Gebühren und Auslagen) zu erheben sind.
Der Kläger kann sich gegenüber diesen gesetzlichen Bestimmungen auch nicht erfolgreich auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes berufen. Daß im Privatrecht der Gläubiger die Kosten der den Schuldnerverzug erst begründenden Erstmahnung nach herrschender Meinung (vgl. BGH, NJW 85, 324 [BGH 31.10.1984 - VIII ZR 226/83]) nicht ersetzt verlangen kann, ergibt sich aus den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über die Voraussetzungen und Folgen des Schuldnerverzuges, die auf das öffentlich-rechtliche Steuerschuldverhältnis nicht anwendbar und übertragbar sind, da insoweit gleichrangige gesetzliche Sonderregelungen des öffentlichen Rechts bestehen. Die zwischen privatrechtlichen Schuldverhältnissen und dem öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnis bestehenden Unterschiede rechtfertigen auch eine unterschiedliche Behandlung. Im übrigen sind aber auch im Bürgerlichen Recht die Kosten von Mahnschreiben zu ersetzen, wenn die Mahnung nach Eintritt des Verzuges erfolgt (vgl. Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 50. Aufl., § 286 Rdnr. 7). Auch im Bürgerlichen Recht tritt Verzug unter Umständen ohne ein erstes Mahnschreiben ein, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war (§ 264 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Hinweis der Beklagten, daß die erfolgte Mahnung nicht mit einem ersten Mahnschreiben, welches im Privatrecht grundsätzlich erst den Verzug begründet, zu vergleichen sei, trifft darum zu. Denn im vorliegenden Fall war die Steuer bis zu einem bestimmten Kalendertag, dem 15.02.1991, zu bezahlen, und in dem grundsätzlich fortgeltenden Bescheid vom 28.02.1990 war darauf hingewiesen worden, daß bei Zahlungsverzug Mahngebühren entstehen.
Die Klage ist darum mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil hierfür die Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 VwGO i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO nicht vorliegen.
Die Streitwertfestzetzung folgs aus § 13 Nr. 2 GKG.