Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 21.11.1991, Az.: 1 A 1106/90
Untersagung der Ausbildung zum Buchhändler; Eignung einer Buchhandlung als Ausbildungsstätte; Ausbildungsberufsbild und Ausbildungsrahmenplan für den Beruf des Buchhändlers; Umfang und Aktualität des Bücherangebotes einer Buchhandlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 21.11.1991
- Aktenzeichen
- 1 A 1106/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 20963
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1991:1121.1A1106.90.0A
Rechtsgrundlagen
- § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBiG
- § 24 Abs. 2 BBiG
- § 3 Nr. 6 Buchst. b BuchhdlAusbV
Fundstelle
- NVwZ-RR 1992, 478-479 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Untersagung des Einstellens und Ausbildens
In der Verwaltungsrechtssache
hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Harms als Vorsitzenden,
die Richter am Verwaltungsgericht Gatz und Bartsch sowie
die ehrenamtlichen Richter Giere und Glockzin
am 21. November 1991
ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 01. Januar 1991 Inhaber des ... ... Buchladens in Braunschweig. Sein Vorgänger war der Buchhändler ....
Auf Anregung der Industrie- und Handelskammer Braunschweig untersagte die Beklagte Herrn ... mit Bescheid vom 16. Mai 1988 unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 DM, Auszubildende einzustellen und in seinem Betrieb auszubilden. Zur Begründung gab die Beklagte an, daß der Betrieb als Ausbildungsstätte ungeeignet sei. Der von Herrn ... selbst angegebene Umsatz in Höhe von 128.200,00 DM für das Geschäftsjahr 1987, der einem Tagesumsatz von ca. 400,00 DM entspreche, lasse den Schluß zu, daß nur relativ wenige Verkaufsgespräche pro Tag durchgeführt würden und auch die Anzahl der Vorgänge im Bestellwesen, Lagerwesen und in der Buchführung entsprechend gering sei. Nach Erfahrungswerten der IHK Braunschweig sei eine ordnungsgemäße Ausbildung erst ab einem Jahresumsatz von mindestens 350.000,00 DM gewährleistet. Die Einschätzung der IHK, daß eine ordnungsgemäße Ausbildung im Guten Morgen Buchladen nicht gewähr leistet sei, werde von Herrn ... geteilt, der als Mitglied und Arbeitnehmervertreter des Prüfungsausschusses "Buchhändler" der IHK Hannover den Betrieb besichtigt habe. Er habe festgestellt, daß vorrangig "alternative" Literatur vertrieben werde und eine berufliche Weiterverwendung eines Auszubildenden nach Abschluß seiner Ausbildung durch die einseitige Struktur des Buchlagers in Frage gestellt sei. Da zu befürchten sei, daß Herr ... in seinem Betrieb tatsächlich ausbilde, sei die Untersagung geboten.
Mit seinem fristgerecht eingelegten Widerspruch machte Herr ... geltend, daß der Jahresumsatz 1988 auf etwa 145.000,00 DM habe gesteigert werden können. Des weiteren sei darauf hinzuweisen, daß der Frauenbuch Laden Braunschweig ebenfalls über eine Ausbildungserlaubnis verfüge, obwohl die Umsatzzahlen und das Warensortiment durchaus ähnlich liegen dürften. Mit Schreiben vom 28. September 1989 stellte die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides für den Fall in Aussicht, daß Herr ... nachweise, die festgestellten Mängel durch eine einjährige Ausbildungsmaßnahme außerhalb seiner Ausbildungsstätte beheben zu können. Nachdem Herr ... den Vorschlag der Beklagten, einen Teil der Ausbildung zum Buchhändler extern durchführen zu lassen, abgelehnt hatte, beauftragte die Beklagte die Buchhändlerin ... aus Thomasburg mit der Begutachtung des ... ... Frau ... besichtigte die Geschäftsräume am 09. Januar 1990 und befand am 31. Januar 1990, daß der Betrieb für eine Ausbildung im Ausbildungsberuf "Buchhändler/Buchhändlerin" für den Fachbereich "Sortimentsbuchhandlung" nicht geeignet sei. Die Bezirksregierung Braunschweig, der der Vorgang daraufhin vorgelegt wurde, wies den Widerspruch des Herrn Bellmer unter dem 30. April 1990 mit der Begründung zurück, der Fignung des Guten Morgen Buchladens als Ausbildungsstätte ständen folgende Mängel entgegen:
Es fehle eine nach heutigen Anforderungen gestaltete Schaufensteranlage, die es dem Ausbildungsbetrieb ermögliche, die Schaufenster durch Auszubildende nach Anleitung zeitgemäß zu gestalten;
Die einfache innere Ausstattung des Geschäftslokales mit Einfachregalen in beengten und zudem verwinkelten Räumen sei nicht geeignet. Auszubildenden die Anordnung der Bücher im Laden nach heutigen Gesichtspunkten ordnungsgemäß zu vermitteln;
Die beengten räumlichen Verhältnissen ließe keine Werbung im heute üblichen Rahmen zu;
Offensichtlich sei kein Lager vorhanden, so daß Lagerarbeiten im Sinne des Ausbildungsrahmenplanes nicht durchgeführt werden könnten;
Die Ausbildung werde wegen des fehlenden Lagers auf die Verwaltung der Auslagen beschränkt;
Das Geschäft werde überwiegend in der Art einer "Buchverkaufsstelle" betrieben, bei der in der Regel der Schwerpunkt durch das Beschaffungsgeschäft (Bestellung von Einzelexemplaren als Kundenwunsch) getätigt, werde, wodurch u.a. die Ausbildungsinhalte Einkauf und Einkaufsplanung nicht in ausreichendem Maße vermittelt werden könnten;
Die Ausbildung könne nicht anhand der Fachpublikationen und Informationen des Buchhandels, insbesondere des Börsenblattes, erfolgen, weil das Unternehmen nicht Mitglied des Börsenvereins sei und somit das Lerngebiet buchhändlerische Information nicht in ausreichendem Maße abgedeckt werde;
Aufgrund der beengten Verkaufsfläche und der beschränkten Aufnahmekapazität der Regale sei eine angemessene Präsentation von Büchern nicht möglich, was eine angemessene Unterweisung in der Verkaufstechnik problematisch erscheinen lasse;
Im Bereich Buchführung könnten keine ausreichenden Kenntnisse vermittelt werden, da die Buchführung anhand eines betrieblichen Kontenplanes, wie das ausdrücklich gefordert werde, nicht habe nachgewiesen werden können;
Im Bereich Personalwesen könnten die Ausbildungsziele nicht erreicht werden, weil nach eigener Aussage des Ausbilders nur eine untertarifliche Entlohnung erfolge;
Alle buchhändlerischen Ausbildungsziele litten daran, daß das Sortiment nach Art und Umfang nur dem einer Buchverkaufsstelle entspreche (vertreten seien überwiegend Taschenbücher; gebundene Werke würden nicht in dem Maße angeboten, wie das üblicherweise im Buchhandel der Fall sei. Da Werke in der Form des Taschenbuches in der Regel erst zwei Jahre nach ihrem Erscheinen als gebundenes Buch geliefert würden, fehle es insoweit an einer ausreichenden aktuellen Angebotsstruktur, so daß sich der Auszubildende im Betrieb über Neuerscheinungen nicht unterrichten könne.);
Wichtige Verlage wie Droemer und Knaur, Econ, Ullstein, Deutsche Verlagsanstalt, Hoffmann & Campe, Bertelsmann, Knaus, Siedler, Beck, Herbig und v.a. fehlten im Angebot, und damit fehle eine wichtige Anschauungsgrundlage für die buchtechnische Warenkunde;
Das übergewicht von Buchproduktionen aus der DDR sei ausbildungsungeeignet, weil die kaufmännische Handhabung besonders in bezug auf Preisbindung im Buchhandel von dem üblichen Verfahren abweiche, so daß der Auszubildende allenfalls eine Ausnahme, nicht jedoch das Regelverfahren erlernen könne;
Das Warenangebot insgesamt im Hinblick auf die zu vermittelnden Ausbildungsinhalte sei zu einseitig.
Herr ... hat am 31. Mai 1990 fristgerecht Klage erhoben. Er meint, daß die behördlichen Entscheidungen nicht auf die Gutachten Werner und Goedtke hätten gestützt werden dürfen; denn diese Gutachten seien, wie im einzelnen dargelegt, mangelhaft und tendenziell. Ein vom Gericht einzuholendes weiteres Gutachten werde ergeben, daß der Guten Morgen Buchladen als Ausbildungsstätte geeignet sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 17. September 1991 ist der Kläger mit Zustimmung der Beklagten für Herrn ... in den Prozeß eingetreten. Er weist darauf hin, zwischenzeitlich Mitglied des Landesverbandes der Buchhändler geworden zu sein. Auch sehe er nicht ein, warum der Kinder- und Jugendbuchladen "Bücherwurm" und der Frauenbuch laden - diese Läden seien mit dem Guten Morgen Buchladen vergleichbar - ausbilden dürften, er aber nicht.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 1988 i.d.G. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 30. April 1990 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Bezirksregierung Braunschweig Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig. Der Kläger war berechtigt, mit Zustimmung der Beklagten den Prozeß als Hauptpartei anstelle seines Rechtsvorgängers Bellmer zu übernehmen (§ 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO); denn er ist seit der Übernahme des ... Buchladens Adressat des umstrittenen Untersagungsbescheides. Die Kammer teilt die in der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.01.1971, NJW 1971, 1624 f. [BVerwG 22.01.1971 - BVerwG IV C 62.66]; OVG Münster, Urteil vom 18.10.1972, DVBl. 1973, S. 226 f.) und einem Teil des Schrifttums (Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl., S. 99; Wolff/Bachof, VwR III, § 127 Rdnr. 28) vertretene Auffassung, daß ein Verwaltungsakt, dessen Regelung an die Beschaffenheit einer Sache anknüpft, im Falle der Rechtsnachfolge kraft "Dinglichkeit" gegen den Rechtsnachfolger wirkt. Fin solcher Verwaltungsakt ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die von der Beklagten getroffene Maßnahme ist betriebsbezogen. Sie stützt sich nämlich (nur noch) auf § 24 Abs. 2 i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBiG. Danach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde für eine bestimmte Ausbildungsstätte das Einstellen und Ausbilden untersagen, wenn die Ausbildungsstätte nach Art und Einrichtung für die Berufsausbildung nicht (mehr) geeignet ist.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 30. April 1990 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht untersagt, Auszubildende einzustellen und auszubilden. Der ... Buchladen ist nach Art und Einrichtung für die Berufsausbildung zum Sortimentsbuchhändler nicht geeignet. In ihm können einem Auszubildenden die für die spätere Ausübung seines Berufs erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse nicht in vollem Umfang vermittelt werden (vgl. hierzu Beschluß des BVerwG vom 13.07.1982, GewArch 1983, S. 67, 68 [BVerwG 13.07.1982 - BVerwG 5 C 118.81]).
Die Voraussetzungen, unter denen eine Ausbildungsstätte nach Art und Einrichtung für die Berufsausbildung geeignet ist, lassen sich unmittelbar dem Ausbildungsberufsbild und dem Ausbildungsrahmenplan entnehmen (VG Arnsberg, Urteil vom 20.05.1976, GewArch 1980, S. 16 zu § 24 BBiG/HwO Nr. 2). Das Ausbildungsberufsbild für den Beruf des Buchhändlers ergibt sich aus § 3 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Buchhändler/zur Buchhändlerin vom 11. Dezember 1979 (BGBl. I S. 2138), der Ausbildungsrahmenplan aus der Anlage zu § 4 der genannten Verordnung.
Die Kammer kann offenlassen, ob eine Buchhandlung unbeschadet des § 22 Abs. 2 BBiG schon dann als Ausbildungssttätte ungeeignet ist, wenn in ihr Ausbildungsberufsbild und Ausbildungsrahmenplan nicht in jeder Beziehung verwirklicht werden können. Jedenfalls ist die Vermittlung derjenigen Kenntnisse und Fertigkeiten unverzichtbar, deren Beherrschung für die Ausübung des Buchhändlerberufs von zentraler Bedeutung sind. Einen der Schwerpunkte der beruflichen Tätigkeit eines Buchhändlers bildet die Beratung von Kunden (vgl. § 3 Nr. 6 lit. b der Verordnung über die Berufsausbildung zum Buchhändler/zur Buchhändlerin i.V.m. der lfd. Nr. 6.2 des Ausbildungsrahmenplans). Die Ausbildung auf diesem Sektor erfordert ein Buchangebot, das nach Sortiment und Verlagen (vgl. § 4 der Berufsbildverordnung) breitgefächert ist; denn nur dann ist gewährleistet, daß der Auszubildende möglichst viele Titel kennenlernt und sich darin üben kann, Kunden mit ihren unterschiedlichen Interessen fachgerecht zu betreuen.
Die Eignung einer Buchhandlung als Ausbildungsstätte setzt danach voraus, daß sie - erstens - in den Bereichen Belletristik, Kinder- und Jugendbücher, Fachbücher Naturwissenschaften, Fachbücher Geisteswissenschaften, Schulbücher, Taschenbücher, Hobby-Freizeit-Reiseliteratur, Sachbücher und Antiquariat/Modernes Antiquariat (siehe hierzu "Buch und Buchhandel in Zahlen", S. 65) vertreten ist und - zweitens -in jeder Sparte wenigstens eine durchschnittliche Anzahl von Publikationen im Bestand hat. Jedenfalls die zweite Voraussetzung ist beim ... Buchladen nicht erfüllt. Die Kammer macht sich insoweit die Feststellungen des Gutachters Werner vom 28. März 1988 und der Gutachter in ... vom 31. Januar 1990 zu eigen. Herr ... hat ermittelt, daß belletristische Literatur in einem geringeren Maße und nur durch wenige Verlage vertreten sei Z.B. fehlten die Verlage Droemer/Knaur, Econ, Ullstein, Deutsche Verlagsanstalt, Hoffmann & Campe, Bertelsmann, Knaus, Siedler, Winkler (München), Beck, Herbig, Löbbe, Scherz u.a. Frau Goedtke hat diese Feststellung bestätigt. Der Schwerpunkt des Warenangebots liegt bei den Fach- und Sachbüchern. Nach Einschätzung der Gutachterin ... ist das vorrätige Warensortiment im Vergleich zu den üblicherweise in anderen Buchhandlungen vorhandenen Beständen aber ebenfalls gering. Damit stimmt überein, daß wesentliche Warenbewegungen durch das Beschaffungsgeschäft (Bestellung von Einzelexemplaren auf Kundenwunsch) getätigt werden. Die Kammer folgt Frau ... in ihrer Wertung, daß eine qualifizierte Beratungstätigkeit dabei nicht eingeübt werden kann.
Eine angemessene Kundenberatung ist darüber hinaus nur möglich, wenn ein aktuelles Bücherangebot präsentiert werden kann. Frau ... bemängelt in diesem Zusammenhang, daß der Kläger überwiegend Taschenbücher vertreibe und sich gebundene Werke nicht in einem Maße in der Auslage befänden, wie das heute üblicherweise im Buchhandel der Fall sei. Da Werke in der Form des Taschenbuches in der Regel erst zwei Jahre nach ihrem Erscheinen in gebundener Form geliefert würden fehle es insoweit an einer ausreichend aktuellen Angebotsstruktur des ... Buchladens, so daß sich ein Auszubildender im Betrieb über die Neuerscheinungen nicht unterrichten könne. Dem ist aus Sicht der Kammer nichts hinzuzufügen.
Die Angriffe und Einwendungen des Klägers gegen die Gutachten ... und ... sind unbegründet. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger die Unbefangenheit von Frau ... anzweifelt. Sein Hinweis, daß Frau ... mit dem früheren Inhaber des ... Buchladens in Geschäftsbeziehungen stand, ist für sich allein nicht geeignet, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit der Gutachterin zu rechtfertigen. Zwar behauptet der Kläger - stillschweigend -, daß die Geschäftsbeziehungen unerfreulich endeten. Diese Behauptung ist jedoch unsubstantiiert. Ohne Kenntnis der Einzelheiten, die vorzutragen Sache des Klägers gewesen wäre, ist die Feststellung, Frau ... sei bei der Anfertigung ihres Gutachtens voreingenommen gewesen, nicht möglich.
Die Kammer folgt dem Kläger des weiteren auch nicht in seinem Vorbringen, die von den Gutachtern mitgeteilten Fakten entsprächen teilweise nicht der Wahrheit. Dies gilt jedenfalls, soweit die Fakten für die gerichtliche Entscheidung erheblich sind. Der übereinstimmenden Aussage der Gutachter ... und ... die belletristische Literatur sei durch bestimmte, im einzelnen genannte Verlage nicht vertreten, ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat im Gegenteil bei der Aufzählung der mit ihm in Geschäftsbeziehung stehenden Verlage keinen derjenigen genannt, auf deren Fehlen die Gutachter hingewiesen haben. Die im einzelnen konkretisierte Behauptung von Frau Goedtke, das vorrätige Sortiment an Fach- und Sachbüchern sei gegenüber den üblichen Buchhandlungen gering, hat der Kläger nur pauschal bestritten. Davon abgesehen sprechen auch die äußeren Umstände für die Richtigkeit der von Frau ... getroffenen Feststellung. Der Kläger hat selbst angegeben, daß die Verkaufsfläche des ... Buchladens zur Zeit 47. m2 beträgt, und eingeräumt, daß es sich bei dem Geschäft um einen kleinen Betrieb handelt. Es versteht sich von selbst, daß ein Kleinbetrieb auch nur ein beschränktes Warenangebot präsentieren kann. -Zwischen den Beteiligten unumstritten ist, daß der Kläger überwiegend Taschenbücher im Bestand hat. Die gutachterliche Feststellung, daß Werke in der Form des Taschenbuches in der Regel erst zwei Jahre nach ihrem Erscheinen in gebundener Form geliefert werden und es deshalb an einer ausreichend aktuellen Angebotsstruktur des klägerischen Betriebes fehlt, hat der Kläger nicht erschüttert.
Für die Einholung eines weiteren Gutachtens, wie vom Kläger beantragt, sieht die Kammer keinen Anlaß. Die Entscheidung, ob zusätzliche Gutachten eingeholt werden, steht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (§ 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO). Dieses Ermessen wird nur dann fehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung eines weiteren Gutachtens absieht, obwohl die Notwendigkeit dieser Beweisaufnahme sich ihm hätte aufdrängen müssen (Beschluß des BVerwG vom 23.03.1988 - 9 B 37.88 -). Das ist hier nicht der Fall. Die Gutachten ... und ... sind geeignet, der Kammer die Überzeugung zu vermitteln, daß die Buchhandlung des Klägers als Ausbildungsstätte nicht geeignet ist.
Die Beklagte und die Bezirksregierung Braunschweig als Widerspruchsbehörde haben noch weitere Gründe angeführt, aus denen sich die mangelnde Eignung des ... Buchladens als Ausbildungsstätte ergeben soll. Inwieweit diese Gründe im einzelnen stichhaltig sind, kann dahinstehen. Der Kammer genügt die Erkenntnis, daß ein Auszubildender im Betrieb des Klägers wegen des nur beschränkten Buchangebots in der Kundenberatung nicht ausreichend geschult werden kann.
Die Entscheidung nach § 24 Abs. 2 i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBiG ist in das pflichtgemäße Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. Die Beklagte hat dies erkannt. Ihre Ermessensbetätigung, die nach § 114 VwGO gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann, ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat dem Rechtsvorgänger des Klägers in Übereinstimmung mit § 22 Abs. 2 BBiG vorgeschlagen, einen Teil der Ausbildung in einer Vollbuchhandlung durchführen zu lassen, um den Mangel der Eignung seiner Buchhandlung als Ausbildungsstätte zu beheben. Nach der Ablehnung dieses Vorschlages durfte die Beklagte das Verbot aussprechen, Auszubildende einzustellen und im ... Buchladen auszubilden.
Der Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG, aus dem sich eine Ermessensschranke ergibt (vgl. Kopp, VwVfG, 4. Aufl., § 40 Rdnr. 23), ist nicht verletzt. Der Vortrag des Klägers, er würde im Vergleich zum Frauenbuchladen willkürlich schlechter behandelt, trifft nicht zu. Auch im Frauenbuchladen darf nur ausgebildet werden, wenn Kenntnisse der Literatur - Belletristik/Fachbücher/Sachbücher - zusätzlich in einem anderen anerkannten Ausbildungsbetrieb mit angemessener Zeit vermittelt werden. Das ist inzwischen geklärt. Nicht nachzugehen brauchte die Kammer der in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 1991 aufgestellten Behauptung des Klägers, der mit seiner Buchhandlung vergleichbare Kinder- und Jugendbuchladen "Bücherwurm" dürfe unbeanstandet ausbilden. Für die Rechtmäßigkeit von Ermessensentscheidungen kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an (vgl. Kopp, VwGO, 8. Aufl., § 113 Rdnr. 23). Da der Vorgänger des Klägers vor Erlaß des Widerspruchsbescheides den "Bücherwurm" nicht ins Gespräch gebracht hatte und die Beklagte und die Widerspruchsbehörde nicht gehalten waren, von sich aus nach möglichen Vergleichsfällen zu suchen, halten ihre Entscheidungen auch im Ermessensbereich der Kritik des Klägers stand.
Die Zwangsgeldandrohung ist ebenfalls rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 42 ff, NdsSOG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO und [...].
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000,00 DM festgesetzt.
[D]ie Streitwertentscheidung [beruht] auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.