Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 12.12.1991, Az.: 9 A 9004/91
Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Stillegungsverfügung ; Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb; Abgrenzung zwischen Entladung und Vorratshaltung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 12.12.1991
- Aktenzeichen
- 9 A 9004/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 21161
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1991:1212.9A9004.91.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG
- § 20 Abs. 2 S. 1 BImSchG
- § 38 Abs. 1 S. 2 BImSchG
Verfahrensgegenstand
Stillegungsverfügung gem. §20 Abs. 2 BImSchG
Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 1991
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. van Nieuwland,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Richtberg,
den Richter Geiger,
die ehrenamtliche Richterin ... und
den ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid des beklagten Amtes vom 25. Januar 1990 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 21. Juni 1990 wird aufgehoben.
Das beklagte Amt trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,- DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Stillegungsverfügung.
Die Klägerin betreibt seit Herbst 1986 auf dem Bahnhofsgelände der Osthannoverschen Eisenbahn AG in Tülau-Fahrenhorst eine Umfüllstelle für Flüssiggas (Propan und Butan) aus Eisenbahnkesselwagen in Straßentankwagen. Diesem Betrieb liegt ein Gestattungsvertrag zugrunde, dessen §2 folgendes bestimmt: "Für den Umfüllbetrieb und für dessen Sicherung gilt die vom obersten Betriebsleiter der OHE aufgestellte Anweisung für das Bereitstellen und Entleeren von Eisenbahn-Druckgaskesselwagen an der Umfüllstelle im Gleis 3 des Bahnhofs Tülau-Fahrenhorst in der jeweils gültigen Fassung. Außer dem für den Bereich der gewerblichen Wirtschaft geltenden Bestimmungen - technische Druckgase TRG 401 (Errichtung von Füllanlagen), TRG 2 (Betrieb von Füllanlagen) und VBG 61 (Gase) ist das Merkblatt für das Füllen und Entleeren von Druckgaskesselwagen auf Bundesbahngelände zu beachten. Das Merkblatt gilt als Bestandteil dieses Vertrages."
Die Umfüllstelle wird wie folgt betrieben:
Die Osthannoversche Eisenbahn AG transportiert seitens der Klägerin angemietete Kesselwagen mit einem Fassungsvermögen von ca. 38 bis 45 t zu einem Ladegleis auf dem betreffenden Bahnhofsgelände, wo die Kesselwagen nach Sperrung des Gleises örtlich gesichert werden. Durch Personal der Klägerin wird dann nach Ausweisung von Sicherheitszonen mittels beweglicher Anschlußleitungen das Flüssiggas aus dem Eisenbahnkesselwagen in Straßentankwagen mit einem Fassungsvermögen von ca. 6 bis 9 t umgefüllt. Hierbei sind sicherheitstechnische Vorgaben der Osthannoverschen Eisenbahn AG gemäß den der Regelungen im Gestattungsvertrag zu beachten und einzuhalten. So darf nach Abschnitt B Ziffer 1 der "Anweisung für das Bereitstellen und Entleeren von Eisenbahn-Druckgaskesselwagen" nur ein Eisenbahn-Druckgaskesselwagen gleichzeitig bereitgestellt werden. Beim Vorliegen ausreichender Aufträge für das Versorgungsgebiet fordert die Klägerin einen Eisenbahnkesselwagen an. Mit einem ausschließlich für die Umfüllstelle abgestellten Straßentankwagen entleert die Klägerin diesen Eisenbahnkesselwagen und bringt das Flüssiggas zu den Verbrauchern.
Nachdem seit Mitte 1982 die Frage der Zuständigkeit für die überwachung und eventuelle Genehmigung von Umfüllstellen der vorliegenden Art zwischen den Beteiligten unter Einschaltung des Niedersächsischen Sozialministers und des Niedersächsischen Ministers für Bundesangelegenheiten sowie der Deutschen Bundesbahn kontrovers beurteilt wurde (im Vordergrund standen Umfüllstellen auf Bundesbahngelände) und das beklagte Amt ausweislich seines Verwalturigsvorganges Anfang 1990 Kenntnis von der klägerischen Umfüllstelle in Tülau-Fahrenhorst erlangt hatte, ordnete das beklagte Amt mit Bescheiden vom 25. Januar 1990 sowohl gegenüber der Klägerin als auch gegenüber der Osthannoverschen Eisenbahn AG die Einstellung des Flüssiggaslagers in Form eines Eisenbahnkesselwagens zum Umfüllen von Flüssiggas in Straßentankwagen an. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß vorliegend eine nach Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieben werde und eine Genehmigungserteilung nur in Betracht komme, wenn erhebliche Sicherheitsmaßnahmen getroffen würden.
Während die Osthannoversche Eisenbahn AG den entsprechenden Bescheid bestandskräftig werden ließ, legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein und berief sich zur Begründung im wesentlichen darauf, daß sie kein genehmigungspflichtiges Flüssiggaslager betreibe. Ihre Tätigkeit beschränke sich vielmehr ausschließlich auf den Umschlag des in Eisenbahnkesselwagen angelieferten Flüssiggases in Straßentankfahrzeuge. Dieser Umschlag sei dem Beförderungsvorgang zuzurechnen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 1990 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch zurück und ordnete unter Abänderung des Bescheides vom 25. Januar 1990 an, daß die ungenehmigte klägerische Anlage zum Lagern von Flüssiggas in Eisenbahnkesselwagen innerhalb eines Monats nach Vollziehbarkeit dieser Anordnung stillzulegen sei, da der Sachverhalt des Lagerns in Abgrenzung zum Begriff des Abschlusses des Transportvorganges als gegeben anzusehen sei, wenn der jeweilige Eisenbahnkesselwagen länger als 24 Stunden oder noch am Ende des auf die Ankunft folgenden Werktages auch nur noch teilweise mit Flüssiggas gefüllt an der Abfüllstelle stehe. Zur Begründung führte die Bezirksregierung Braunschweig aus, daß die klägerische Anlage als Anlage zum Lagern von brennbaren Gasen nach §4 BImSchG i.V.m. §1 Abs. 1 der 4. BImSchVO und Ziffer 9.1 des Anhanges genehmigungsbedürftig sei, da die Eisenbahnkesselwagen länger als über den vorerwähnten Zeitraum abgestellt und entleert würden. §38 BImSchG greife nicht ein, da die abgestellten Eisenbahnkesselwagen nicht mehr im Rahmen der Teilnahme am Verkehr, sondern zum Lagern von brennbaren Flüssigkeiten eingesetzt würden. Ebensowenig sei die Umfüllstelle gemäß §3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG vom Anlagenbegriff ausgenommen, da unter die Ausnahmeregelung der Emissionen von öffentlichen Verkehrswegen nur typischerweise mit dem Verkehrsbetrieb anfallende zu rechnen seien (z.B. Rangiergeräusche), nicht jedoch solche im Zusammenhang mit dem Verkehr vor- und nachgelagerten Arbeiten (wie etwa das Lagern).
Am 28. Juni 1990 hat die Klägerin Klage erhoben und ihr bisheriges Vorbringen unter Bezugnahme auf das Vorbringen in den Parallelverfahren 9 A 9002/91 und 9 A 9003/91 vertieft. Sie sei schon aus Eigeninteresse bemüht, die Umfüllung des Flüssiggases in einem möglichst kurzen Zeitraum zu bewerkstelligen. Insbesondere wegen der unterschiedlichen Ladekapazitäten von Eisenbahnkesselwagen und Straßentankwagen verfahre sie in der Weise, daß nicht länger als 3-5 Tage entladen werde.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des beklagten Amtes vom 25. Januar 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 21. Juni 1990 aufzuheben.
Das beklagte Amt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, die Verfahrensakten 9 A 9002/91, 9 A 9005/91, 2 VG D 30/88 sowie den Verwaltungsvorgang des beklagten Amtes Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet, da die Stillegungsanordnung des beklagten Amtes in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig rechtswidrig und dadurch die Klägerin in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt ist.
Nach der Bestimmung des §20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG, auf die das beklagte Amt seine Anordnung stützt, soll die zuständige Behörde anordnen, daß eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist.
Die Eingriffsvoraussetzungen dieser Regelung liegen nicht vor, da es sich bei der klägerischen Umfüllstelle um den Betrieb eines Schienenfahrzeuges nach §38 Abs. 1 Satz 2 BImSchG handelt, der vom immissionsschutzrechtlichen Anlagenbegriff gemäß §3 Abs. 5 Nr. 2 letzter Halbsatz BImSchG ausgenommen ist und dessen überwachung der zuständigen Verkehrsbehörde obliegt.
Anlagen nach §§20 Abs. 2 Satz 1, 3 Abs. 5 BImSchG sind nämlich nur
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
- 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen, soweit sie nicht der Vorschrift des §38 BImSchG zu unterliegen, und
- 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert werden oder Arbeiten durchgeführt werden, die Immissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
Maßgeblich für die Beurteilung des Anlagenbegriffes ist vorliegend, worauf das beklagte Amt auch zutreffend abgestellt hat, der Eisenbahnkesselwagen, aus dem die Klägerin das Flüssiggas in ihren Straßentankwagen umfüllt. Bei diesem Eisenbahnkesselwagen handelt es sich unzweifelhaft um ein Schienenfahrzeug, das der Vorschrift des §38 Abs. 1 BImSchG unterfällt und damit gemäß §3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG vom immissionsschutzrechtlichen Anlagenbegriff ausgenommen ist.
§38 Abs. 1 BImSchG bestimmt, daß Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge sowie Schwimmkörper und schwimmende Anlagen so beschaffen sein müssen, daß ihre durch die Teilnahme am Verkehr verursachten Emissionen bei bestimmungsgemäßem Betrieb die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenen Grenzwerte nicht überschreiten. Sie müssen so betrieben werden, daß vermeidbare Emissionen verhindert und vermeidbare Emissionen auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben.
Diese Vorschrift bezieht sich auf die durch die Teilnahme am Verkehr verursachten Emissionen und dient von ihrer Zweckbestimmung her der Verminderung der Emissionen aus dem Bereich des Verkehrs. Durch technische Anforderungen an die Beschaffenheit der Fahrzeuge und durch Vorschriften über ihren Betrieb sollen die durch den modernen Verkehr verursachten schädlichen Umwelteinwirkungen vermindert werden. Dabei geht es nicht nur darum, akute Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen abzuwehren, sondern §38 BImSchG dient auch der Vorsorge (vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 1 A, §38 Anm. 2 und 3 sowie Hansmann, in: Landmann-Rohmer, Gewerbeordnung, Band III Umweltrecht, §38 BImSchG Rdnr. 1 und 4). §38 Abs. 1 Satz 2 BImSchG regelt allgemein die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an den Betrieb von Fahrzeugen. Dem Betrieb sind dabei nicht nur der Fahrvorgang, sondern auch alle ihn vorbereitenden, ihn begleitenden und ihm nachfolgenden Tätigkeiten wie das Einsteigen der Fahrgäste, das Anlassen des Motors, das Laufenlassen des Motors bei Fahrtunterbrechungen, das Aussteigen und das Be- und Entladen zuzurechnen (vgl. Hansmann, a.a.O. §38 BImSchG Rdnr. 18). Ein Entladevorgang fällt dann unter §38 Abs. 1 S. 2 BImSchG, wenn die Entladung noch einen räumlichen, zeitlichen und funktionalen Bezug zum Fahrzeug als Transportmittel besitzt. Bei §38 Abs. 1 Satz 2 BImSchG verbietet sich eine isolierte Betrachtung des reinen Fahrvorganges, da gerade bei der Befüllung und Entladung von Transportfahrzeugen mit gefährlichen Gütern die sicherheitstechnischen Anforderungen an den Betrieb der Fahrzeuge in den Vordergrund rücken. Insbesondere beim Transport von gefährlichen Gütern wie Flüssiggas sind die sicherheitstechnischen Anforderungen beim Be- und Entladen der Fahrzeuge besonders hoch und untrennbar mit der Beschaffenheit und dem Betrieb des Fahrzeuges verbunden. In diesem Zusammenhang ist es nicht ohne Bedeutung, daß auch das einschlägige Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter vom 6. August 1975 (BGBl. I S. 2121) in seinem §2 Abs. 2 auf eine entsprechende Betrachtungsweise abstellt. Hiernach umfaßt die Beförderung im Sinne dieses Gesetzes (von gefährlichen Gütern mit Eisenbahn-, Straßen-, Wasser- und Luftfahrzeugen) nicht nur den Vorgang der Ortsveränderung, sondern auch die übernahme und die Ablieferung des Gutes sowie zeitliche Aufenthalte im Verlauf der Beförderung, Vorbereitungs- und Abschlußhandlungen (Verpacken und Auspacken der Güter, Be- und Entladen), auch wenn diese Handlungen nicht vom Beförderer ausgeführt werden.
Ausgehend von diesen maßgeblichen Beurteilungskriterien erfolgt seitens der Klägerin noch eine von §38 Abs. 1 Satz 2 BImSchG umfaßte Entladung der Eisenbahnkesselwagen. Das Umfüllen des Flüssiggases stellt für sich gesehen unzweifelhaft ein Entladen der Eisenbahnkesselwagen dar, das dem Betrieb des Eisenbahnkesselwagens zuzurechnen ist. Hierbei sind sicherheitstechnische Vorgaben durch den Betreiber bei jeder Entladung zu beachten und einzuhalten, die untrennbar mit der eisenbahnspezifischen Beschaffenheit und Ausgestaltung des Eisenbahnkesselwagens selbst und seiner Einbindung in den allgemeinen Eisenbahnbetrieb zusammenhängen. Von einem selbständigen Arbeitsvorgang kann bei dem Umfüllen des Flüssiggases wegen des zwingenden funktionalen Bezuges zu dem Eisenbahnkesselwagen als Transportmittel im Eisenbahnbetrieb nicht die Rede sein.
Der räumliche und zeitliche Bezug der klägerischen Umfülltätigkeit zum Transportfahrzeug Eisenbahnkesselwagen im Sinne einer Entladung ist ebenfalls gegeben. Die Entleerung erfolgt auf einem Ladegleis unter Benutzung einer Ladestraße und weist damit den typischen räumlichen Bezug zum Transportmittel eines Eisenbahnwagens im Eisenbahnbetrieb auf. Auch zeitlich hat sich die Umfülltätigkeit nicht so weit vom Fahrzeugbetrieb entfernt, daß von einem Entladen nicht mehr gesprochen werden könnte. Eine vom Fahrzeugbetrieb nicht mehr umfaßte Vorratshaltung im Sinne einer Lagerung liegt hier nicht vor. Die seitens der Bezirksregierung Braunschweig im Widerspruchsbescheid unter Hinweis auf Ziffer 2.2 der technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) vorgenommene zeitliche Abgrenzung zwischen Beförderungsvorgang und Lagerung, wonach ein Lagern dann gegeben sei, wenn die Entladung des Eisenbahnkesselwagens nicht binnen 24 Stunden bzw. am darauffolgenden Werktag erfolge und damit der erforderliche Bezug zum Beförderungsvorgang fehle, teilt die Kammer nicht. Eine so starre zeitliche Grenzziehung, die zudem eine von der Dauer des Abfüllvorganges abhängige Zuständigkeit der Eisenbahnaufsicht einerseits und des beklagten Amtes andererseits für die streitbefangene Umfüllstelle begründen würde, kann bei der Frage, ob ein Fahrzeugbetrieb nach §38 BImSchG vorliegt, nicht das maßgebliche Unterscheidungskriterium sein. Im Bereich des Eisenbahnbetriebes dauern Be- und Entladevorgänge sowie die Bereitstellung von Eisenbahnwagen für diese Zwecke durchaus länger als 24 Stunden bzw. bis zum Ende des nachfolgenden Werktages. Eisenbahnunternehmen verfügen nämlich über hohe Beförderungskapazitäten, so daß sich die Arbeiten im Be- und Entladebetrieb keinesfalls auf derart kurze Zeitspannen beschränken lassen. Dies zeigt auch der vorliegende Fall, da die Transportkapazität des Straßentankwagens mit 6-9 t geringer ist als als die des Eisenbahnkesselwagens mit 38-45 t und damit zeitliche Unterbrechungen beim Entladevorgang unvermeindlich sind.
Soweit das beklagte Amt meint, der gesamte Entladevorgang könne binnen 24 Stunden abgeschlossen sein, erscheint der Kammer auch diese Betrachungsweise praxis- und realitätsfremd; selbst beim Einsatz mehrerer Straßenfahrzeuge, der der Klägerin ohnehin kaumf vorgeschrieben werden könnte, können zeitliche Verzögerungen verschiedenster Art eintreten, die zum überschreiten der vorerwähnten Zeitspanne führen können. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß das Eisenbahnunternehmen etwa wegen Gleisarbeiten oder Zugbewegungen auf Nachbargleisen das Ladegleis über längere Zeit sperrt und damit der Entladevorgang unterbrochen und verzögert wird, ohne daß der die Entladung Vornehmende Einfluß hierauf hat.
Für die zeitliche Abgrenzung zwischen Entladung und Vorratshaltung kommt es vielmehr darauf an, ob die Klägerin entsprechend ihrem Betriebskonzept und seiner praktischen Umsetzung mit dem jeweils abgestellten Eisenbahnkesselwagen eine vom Transportvorgang losgelöste, selbständige Vorrats- und Lagerhaltung vornimmt. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Klägerin läßt unter Beachtung der verkehrspolitischen Zielsetzung einer Verlagerung der Gefahrguttransporte auf die Schiene (vgl. §7 Gefahrgutverordnung Straße - GGVS -) bei entsprechendem Bedarf das Flüssiggas mit einem Eisenbahnkesselwagen in das Zielgebiet bringen, um es dort - nicht zuletzt aus finanziellem Eigeninteresse - in möglichst kurzer Zeit mittels eines Straßentankwagens zu den Verbrauchern zu transportieren. Ihre Tätigkeit ist also auf eine zügige Entladung des jeweiligen Eisenbahnkesselwagens und nicht auf eine Vorrats- und Lagerhaltung ausgerichtet. Daß es hierbei wegen der unterschiedlichen Ladekapazitäten der benutzten Fahrzeuge zu zeitlichen Verzögerungen bis zu 5 Tagen kommt, ist Folge des nicht zu beanstandenden Betriebskonzeptes der Klägerin, das seine Ursache und seine Rechtfertigung in der verkehrspolitischen Zielsetzung einer Verringerung des Gefährdungspotentiales beim Straßentransport hat. Soweit es ausweislich eines Telefonvermerkes vom 19. April 1990 zu Standzeiten der Eisenbahnkesselwagen von 2 Tagen bis zu 2 Wochen gekommen ist, kann dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn bei diesen Angaben handelt es sich um die Zeitspannen von der Aufstellung bis zur Abholung der Eisenbahnkesselwagen, denen keine Aussagekraft über die maßgebliche jeweilige Entladezeit zukommen kann. Im übrigen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und unwidersprochen dargelegt, daß sie ihr Betriebskonzept geändert und die Entladezeit auf 3 bis 5 Tage verkürzt habe.
Nach alledem handelt es sich bei der Umfüllstelle der Klägerin um einen Fahrzeugbetrieb nach §38 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, der vom Anlagenbegriff des §3 BImSchG ausgenommen ist. Daher war es dem beklagten Amt verwehrt, die streitbefangene Maßnahme auf der Grundlage des BImSchG gegenüber der Klägerin zu erlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §167 VwGO i.V.m. §709 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft.
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Geiger
Dr. Richtberg