Oberlandesgericht Braunschweig
v. 03.11.2016, Az.: 9 U 134/15

Deutlichkeitsgebot; finanzierte Geschäfte; NORD/LB; Norddeutsche Landesbank; Sammelbelehrung; Widerruf; Widerrufsbelehrung

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
03.11.2016
Aktenzeichen
9 U 134/15
Entscheidungsform
Teilurteil
Referenz
WKRS 2016, 43134
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 10.07.2018 - AZ: XI ZR 652/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die im Jahre 2009 in Widerrufsbelehrungen zu im Fernabsatz von Verbrauchern mit der NORD/LB geschlossenen Darlehensverträgen unter "Finanzierte Geschäfte" enthaltene Sammelbelehrung verstößt gegen das Deutlichkeitsgebot nach § 355 Abs. 2 BGB a. F. (vom erkennenden Senat inzwischen aufgegeben).

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 17.11.2015 - 5 O 599/15 - teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass sich die Darlehensverträge Nr. 321560513, 3215605029, 3215605035 und 3215605041 durch wirksamen Widerruf der auf ihren Abschluss gerichteten Erklärungen der Klägerin vom 19.8.2009 in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt haben und der Beklagten aus diesen Verträgen keine Ansprüche mehr zustehen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs von vier durch Grundschuld gesicherten Verbraucherdarlehensverträgen sowie über die daran anknüpfenden Rechtsfolgen.

Zur Finanzierung einer privat genutzten Immobilie schloss die Klägerin im Jahr 2009 im Wege des Fernabsatzes mit der Beklagten vier Darlehensverträge (Nr. 3215605013, 3215605029, 3215605035 und 3215605041, Anlagen K1 - K4) mit Darlehensnominalbeträgen von insgesamt 313.000,00 €.

Die Vertragsformulare, die von der Beklagten unterschrieben und an die Klägerin per Post übersandt worden waren, wurden von der Klägerin am 19.08.2009 unterzeichnet und zurückgesandt (Anlagen B 2- B5). Zu den Darlehensverträgen übersandte die Beklagte vier gleichlautende, von der Musterwiderrufsbelehrung der BGB-InfoV in der damals gültigen Fassung abweichende Widerrufsbelehrungen, die von der Klägerin am 21. bzw. 26.8.2009 unterschrieben und zurückgesandt wurden. Wegen der konkreten Abweichungen der Widerrufsbelehrungen zu der Musterwiderrufsbelehrung der BGB-InfoV wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 120-121 d.A. und Bl. 3 der Anlage K1, Anlagenband „Klag.“) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 14.7.2014 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Widerruf sämtlicher Vertragserklärungen (Anlage K 7).

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie zum Widerruf berechtigt sei, weil die Widerrufsbelehrungen nicht den gesetzlichen Formvorschriften entsprochen hätten und sie nicht geeignet gewesen seien, die Klägerin über das Bestehen und den Umfang ihres Widerrufsrechts ausreichend zu informieren. Die Klägerin habe der Widerrufsbelehrung nicht entnehmen können, dass der Lauf der Frist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung den Empfang einer ihre eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde voraussetzt. Nach der Widerrufserklärung sei denkbar, dass die Widerrufsfrist mit dem Erhalt des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots zu laufen beginnt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Widerrufsbelehrung zu früh erfolgt ist. Der in den Widerrufsbelehrungen enthaltene Zusatz „Finanzierte Geschäfte“ sei fehlerhaft und unzulässig, weil er geeignet sei, den Verbraucher abzulenken. Die Beklagte könne sich nicht auf den Schutz der BGB-InfoV berufen, weil die Widerrufsbelehrungen von dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV abwichen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Darlehensverträge deshalb wirksam widerrufen worden und nach §§ 357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 1 i.V.m. 495 Abs. 1, 355 Abs. 1  S. 1 BGB a.F. rückabzuwickeln seien. Sie hat zunächst einen Anspruch auf Wertersatz für die durch die Beklagte gezogenen Kapitalnutzungen aus den der Beklagten zugeflossenen Zins- und Tilgungsleistungen der Klägerin i.H.v. 13.014,03 € und einen Anspruch auf Rückzahlung der nach dem Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen i.H.v. 16.699,69 € geltend gemacht. Sie macht einen Anspruch auf Löschung der die Darlehen besichernden Grundschuld i.H.v. 313.000,00 € sowie einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 3.880,47 € geltend und hat außerdem zunächst die Feststellung begehrt, dass die Darlehensverträge wirksam widerrufen worden seien.

Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (S. 5f. LGU = Bl. 123f. d.A.).

Die Beklagte ist der Auffassung, zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung sei die Widerrufsfrist abgelaufen. Sie habe keine inhaltliche Bearbeitung der Musterwiderrufsbelehrung vorgenommen. Die Widerrufsbelehrungen unterlägen der Gesetzlichkeitsfiktion der BGB-InfoV. Sie meint, selbst wenn die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sein sollte, wäre die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich.

Die Beklagte hat die Hilfsaufrechnung mit ihren Ansprüchen gegen die Klägerin auf Rückzahlung der offenen Darlehensvaluta zuzüglich Nutzungsersatzes erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 119-125 d.A.) Bezug genommen.

In seinem die Klage abweisenden Urteil vom 17.11.2015 (Bl. 119 ff. d.A.) hat das Landgericht zur Begründung ausgeführt:

Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB a.F. Am 14.7.2014 habe der Klägerin kein Widerrufsrecht mehr zugestanden.

Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die Widerrufsfrist wegen einer fehlerhaften oder verfrühten Belehrung nicht zu laufen begonnen habe. Die Beklagte habe keine eigene inhaltliche Bearbeitung der Musterwiderrufsbelehrung in der Fassung von 29.7.2009 vorgenommen und könne sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 BGB-InfoV a.F. berufen.

Zu den einzelnen Zusätzen führt das Landgericht aus: Der Zusatz „zum Kredit-/ Darlehensvertrag…“, „Kredit-/Darlehenskonto Nr. ...“ sei eine unerlässliche Zuordnung der Widerrufsbelehrung zum jeweiligen Vertrag, auf den sie sich beziehen soll. Der Zusatz „Kredit-/“ trage allein dem allgemeinen Sprachgebrauch des Verbrauchers Rechnung. Die Aufnahme eines Abschnitts über „Finanzierte Geschäfte“ lasse die Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung nicht entfallen, selbst wenn dieser überflüssig sein sollte. Bei den Änderungen im Satz 3 des Absatzes über „Finanzierte Geschäfte“ handele es sich ausschließlich um eine redaktionelle Änderung. Der Zusatz über „§ 312c Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV“ sei aufzunehmen gewesen, da die Parteien Fernabsatzverträge über die Erbringung von Finanzleistungen geschlossen haben.

Der Klägerin seien die Widerrufsbelehrungen nicht zu früh erteilt worden. Sie habe sie wenige Tage nach Abschluss der Darlehensverträge bei der Unterzeichnung zur Kenntnis genommen. Für den Verbraucher sei aus der streitgegenständlichen Belehrung klar ersichtlich, dass die Widerrufsfrist erst beginnt, wenn er neben der Widerrufsbelehrung im Besitz einer Urkunde mit seiner eigenen Vertragserklärung ist.

Da der Widerruf nicht wirksam und die Darlehensverträge nicht rückabzuwickeln seien, bestehe kein Anspruch auf Löschung der diese absichernden Grundschuld.

Der Antrag aus Ziff. 3 auf Feststellung, dass die Darlehensverträge sich durch Widerruf in Abwicklungsverhältnisse umgewandelt haben, sei mangels Feststellungsinteresse unzulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 125-128 d.A.).

Gegen dieses Urteil des Landgerichts, welches der Klägerin am 24. November 2015 zugestellt worden ist, richtet sich deren Berufung, die sie am 22. Dezember 2015 eingelegt und innerhalb der entsprechend rechtzeitigem Antrag verlängerten Frist mit einer am 22. Februar 2016 eingegangenen Begründung versehen hat. Die Klägerin beanstandet materielle Rechtsfehler.

Der Klägerin stehe ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsbelehrung entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen und sei nicht geeignet gewesen, die Klägerin über ihr Widerrufsrecht zu informieren.

Die Beklagte habe die Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV a.F. unstreitig nicht unverändert übernommen. Sie könne sich deshalb nicht auf die mit der Gesetzlichkeitsfiktion der BGB-InfoV verbundene Schutzwirkung berufen. Allein die vollständige Übernahme des Musters ermögliche die Schutzwirkung des gesetzlichen Musters.

Die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft, weil die vorgenommene Bearbeitung des Abschnitts „Finanzierte Geschäfte“ eine rechtlich erhebliche eigene inhaltliche Bearbeitung darstelle. Der spezielle Satz 2 der Musterbelehrung sei entgegen der Gestaltungshinweise nicht als Ersatz für den allgemeinen Satz, sondern als zusätzlicher Einschub aufgenommen worden. Ein Unternehmer könne sich nicht auf die Schutzwirkung der BGB-InfoV berufen, wenn er eine für den Verbraucher nicht relevante Information in seine Widerrufsbelehrung aufnimmt und überarbeitet.

Fehlerhaft sei die erfolgte „Sammelbelehrung“, ohne den Text an die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles anzupassen. Das Landgericht gehe unzutreffend davon aus, dass darauf abzustellen sei, ob der Verbraucher selbst dazu in der Lage ist zu beurteilen, welcher Passus der Widerrufsbelehrung für ihn maßgeblich ist und welcher nicht.

Die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung ergebe sich auch bereits aus einer unzureichenden Belehrung über den Fristbeginn.

Die Ausübung des Widerrufsrechts stelle kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin dar. Innere Motive seien für die Wirksamkeit der Widerrufserklärung unerheblich. Die Beklagte könne sich auch nicht auf Verwirkung berufen. Eine Beschränkung des Widerrufsrechts sei vom Gesetzgeber nicht gewollt. Der Beklagten sei die Berufung auf § 242 BGB aufgrund der Verletzung ihrer Belehrungspflicht gegenüber der Klägerin verwehrt.

Unzutreffend gehe das Landgericht davon aus, dass der mit Ziffer 3 erhobenen Zwischenfeststellungsklage das Feststellungsinteresse fehle, weil im Rahmen der Leistungsklage bereits alle Ansprüche genau beziffert worden seien.

Im Übrigen bezieht sich die Klägerin auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin hat unter auf Hinweis des Senats erfolgter Neufassung des bislang nach dem Wortlaut nur auf Wirksamkeit des Widerrufs gerichteten Feststellungsantrages in der Berufungsverhandlung vom 11.8.2016 beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Braunschweig vom 17.11.2015 - 5 O 599/15 -

1.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 13.014,03 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.7.2014 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluta aus den Darlehensverträgen Nr. 3215605013, 3215605029, 3215605041 und 3215605035,

2.

festzustellen, dass sich die Darlehensverträge Nr. 321560513, 3215605029, 3215605035 und 3215605041 durch wirksamen Widerruf der auf ihren Abschluss gerichteten Erklärungen der Klägerin vom 19.8.2009 in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt haben und der Beklagten aus diesen Verträgen keine Ansprüche mehr zustehen,

3.

die Beklagte zu verurteilen, der Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschuld in Höhe von 313.000,00 € gemäß Grundschuldbestellungsurkunde URNr. S 2314/2009 des Notars W. S. vom 30.7.2009 zuzustimmen,

4.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der anwaltlichen Vertretung in Höhe von 3.880,47 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie erachtet den Widerruf für unwirksam. Die Widerrufsbelehrungen sein nicht fehlerhaft. Sie unterfielen jedenfalls der Gesetzlichkeitsfiktion der BGB-Info-Verordnung. Der Widerruf sei zudem treuwidrig, weil rechtsmissbräuchlich. Das Recht zu Widerruf sei außerdem verwirkt. Der Feststellungsantrag sei mangels eines über das Leistungsinteresse hinausgehenden Feststellungsinteresses unzulässig.

Der Senat hat mit Verfügung vom 25.5.2016 (Bl. 386f. d.A.) Hinweis erteilt, dass unabhängig vom Ausgang die Revisionszulassung in Betracht komme.

Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 1.8.2016 nochmals Stellung genommen. Sie meint, selbst wenn durch Abweichung von der BGB-Info-VO die Gesetzlichkeitsfiktion nicht eingreife, führe das nicht automatisch zur Fehlerhaftigkeit der Belehrung. Es liege keiner der sog. „Frühestens-Fälle“ vor. Soweit die Klägerin meine, die streitgegenständlichen Erklärungen machten nicht hinreichend deutlich, dass die Widerrufsfrist erst zu laufen beginne, wenn der Verbraucher seine eigene Erklärung abgegeben habe, greife das nicht durch. Das Urteil des BGH vom 10.3.2009 - XI ZR 33/08 - sei nicht einschlägig, wie die Klägerin meine. Das gelte schon deshalb, weil vorliegend - anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall - die Widerrufsbelehrung nicht mit dem Angebot begleitet worden. Sie - die Beklagte - habe die Klägerin vielmehr erst nach Abschluss der Darlehensverträge über ihre Widerrufsrechte belehrt. In der hiesigen Erklärung heiße es außerdem „Ihr“ schriftlicher Darlehensantrag und nicht wie in der BGH-Entscheidung „der“ schriftliche Antrag. Daher habe hier bei der Klägerin auch nicht die Gefahr eines Irrtums bestanden, schon durch ein Bankangebot werde die der Lauf der Widerrufsfrist in Gang gesetzt. Dieser Auffassung seien auch zahlreiche Oberlandesgerichte. Der Auffassung, die Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft, weil auch über die Rechtsfolgen eines Verbundgeschäfts belehrt worden sei, obwohl unstreitig keines vorgelegen habe, seien zahlreiche Oberlandgerichte entgegengetreten.

Der Senat hat in der Berufungsverhandlung vom 11.8.2016, wegen deren Einzelheiten auf den Inhalt des Protokolls (Bl. 399-401 d.A.) verwiesen wird, neben dem bereits dargestellten Hinweis zur Auslegung und Fassung des Feststellungsbegehrens die Klägerin auf Zulässigkeitsbedenken bezüglich des bisherigen Zahlungsantrages zu 1.) mit der Begründung hingewiesen, dass darin die Gegenleistung des Zug-um-Zug-Bestandteils nicht hinreichend bestimmt sei (Prot. S. 2 = Bl. 400 d.A.) und der Klägerin insoweit einen Schriftsatz bis zum 6.9.2016 und der Beklagten eine Antwort darauf nachgelassen (Prot. S. 3 = Bl. 401 d.A.), letztere in antragsgemäß verlängerter Frist bis 4.10.2016 (Vfg. v. 26.9.2016 = Bl. 431 d.A.). Mit ihrem daraufhin eingegangenen Schriftsatz vom 6.9.2016 - klarstellend berichtigt durch Schriftsatz vom 14.10.2016 (Bl. 499f. d.A.) - hat die Klägerin erklärt, der ursprüngliche Zahlungsantrag zu 1.) werde „ausdrücklich nicht weiter verfolgt“ und kündigt „entsprechend den Hinweisen des Gerichts“ unter Austausch der Bezifferung der Anträge zu 1.) und 2.) neben dem insoweit bereits gestellten Antrag zu [jetzt] 1.) folgende Anträge an:

1.

Es wird festgestellt, dass sich die Darlehensverträge Nr. 321560513, 3215605029, 3215605035 und 3215605041 durch wirksamen Widerruf der auf ihren Abschluss gerichteten Erklärungen der Klägerin vom 19.8.2009 in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt haben und der Beklagten aus diesen Verträgen keine Ansprüche mehr zustehen.

2.

Es wird festgestellt, dass aufgrund des wirksam erklärten Widerruf die Beklagte von der Klägerpartei (unter Berücksichtigung aller Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis)

aus dem Darlehen Nr. 3215605013 einem Betrag in Höhe von 115.483,86 €

aus dem Darlehen Nr. 3215605029 einen Betrag in Höhe von 34.452,06 €

aus dem Darlehen Nr. 3215605041 einem Betrag in Höhe von 37.524,93 € und

aus dem Darlehen Nr. 3215605035 einen Betrag in Höhe von 86.636,71 €

verlangen kann.

3.

Die Beklagte wird verurteilt, der Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschuld in Höhe von 313.000,00 € gemäß Grundschuldbestellungsurkunde UR-Nr. S 2314/2009 des Notars W. S. vom 30.7.2009 zuzustimmen.

4.

Die Beklagte wird verurteilt, die außergerichtlichen Kosten der anwaltlichen Vertretung in Höhe von 3.880,47 € an die Klägerin zu bezahlen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 4.10.2016 einer etwaigen Klagerücknahme oder Teilerledigung nicht zugestimmt und angekündigt, auch hinsichtlich der vorgenannten angekündigten Anträge zu beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen vertieft die Beklagte in dem Schriftsatz vom 4.10.2016 ihr bisheriges Vorbringen, auch unter Anführung weiterer, ihrer Ansicht nach einschlägiger Rechtsprechung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 22.2.2016 (Bl. 192-211 d.A.), auf die Berufungserwiderung vom 11.5.2016 nebst Anlagen (Bl. 371-385 d.A.) sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 1.8.2016 (Bl. 391-394 d.A.), der Klägerin vom 6.9.2016 (Bl. 410-427 d.A.) der Beklagten vom 4.10.2016 (Bl. 455ff. d.A.) - jeweils nebst Anlagen - und der Klägerin vom 14.10.2016 (Bl. 499f. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die insoweit zulässige Klage und Berufung ist im zuerkannten Umfang als Zwischenfeststellungsklage zur Entscheidung durch Teilurteil (vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.1956 - VI ZR 150/55) reif.

A.

Der in der Berufungsverhandlung vom 11.8.2016 gestellte Feststellungsantrag ist als Zwischenfeststellungsantrag zulässig.

1.

Die Klägerin hat diesen Antrag nicht durch den Schriftsatz vom 6.9.2016 teilweise zurückgenommen. Dass in diesem Schriftsatz die Worte und der Beklagten aus diesen Verträgen keine Ansprüche mehr zustehen in dem Antrag nicht genannt waren, beruhte, wie sich bereits aus dem Kontext des Schriftsatzes vom 6.9.2016 und auch aus der Klarstellung im Schriftsatz vom 14.10.2016 ergibt, auf einem bloßen Schreibversehen. Unabhängig davon hätte insoweit schon deshalb keine wirksame Klageteilrücknahme vorliegen können, weil die Zustimmung der Gegenseite fehlt. Eine zustimmungsfreie Berufungsteilrücknahme hätte alternativ nicht in Betracht kommen können, weil über den in der Berufungsverhandlung vom 11.8.2016 gestellten Antrag in I. Instanz nicht entschieden worden ist.

2.

Die antragsgemäß erfolgte Feststellung ist vorgreiflich für den nunmehr angekündigten Antrag zu 2.). Für das Merkmal der Vorgreiflichkeit ist es unschädlich, dass darüber noch nicht verhandelt worden ist. Es genügt, dass die auch er als Hauptklage anhängig ist. Dass dieser neue Hauptklageantrag mangels Verhandlung über diesen noch nicht zur Entscheidung reif ist und ferner, ob es insoweit noch etwaiger weiterer gerichtlicher Hinweise bedarf, ist für die Zulässigkeit als Zwischenfeststellungsantrag ebenfalls unerheblich (vgl. Schneider, NJW 1973, 270 mwNw). Die Entscheidungsreife des neuen Hauptklageantrages zu 2.). unterstellt, ist jedenfalls die Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag mit dem Ziel der Feststellung eines Rückabwicklungsverhältnisses vorgreiflich, weil die Berechnung der darin saldierten Beträge auf der Feststellung eines Rückabwicklungsverhältnisses beruhen; ob die dabei errechneten Beträge bereits schlüssig/zutreffend berechnet sind oder nicht, hat keinen Einfluss auf die Frage der Zulässigkeit.

Die Vorgreiflichkeit besteht unabhängig davon hinsichtlich des Klageantrages zu 3.). Das gilt jedenfalls, soweit man der Ansicht folgt, dass bei einem wirksam widerrufenen, aber – wie hier – noch nicht zuvor vollständig abgewickelten Darlehensvertrag ein fälliger Anspruch auf Zustimmung zur Löschung von Sicherungsrechten ggf. Zug um Zug gegen vollständige Befriedigung des Gläubigers besteht (vgl. OLG Rostock, Urt. v. 10.6.2010 – 3 U 154/09, Rn. 4 und 6f., zit. n. juris; KG Berlin, Urt. v. 22.12.2014 – 24 U 169/13, Rn. 53, zit. n. juris; Staudinger/Hans Wolfsteiner, a. A. OLG Köln, Beschl. v. 9.12.2015 – 13 U 127/15, Rn. 7, zit. n. juris: einschränkend nur bei Annahmeverzug des Darlehensgebers und Sicherungsnehmers).

Es liegt auch nicht etwa eine Unzulässigkeit als Zwischenfeststellungsantrag vor, weil die Entscheidung über den angekündigten neuen Antrag zu 2.) etwa keine Fragen für die Hauptklage offenlasse. Das gilt schon deshalb, weil es sich bei diesem Antrag nicht um den einzigen mit Hauptklage geltend gemachten Anspruch handelt (vgl. Schneider a.a.O. S. 271, li. Sp. unten), wie sich aus dem weiteren Hauptklageantrag zu 3.) ergibt. Durch eine dem neuen Antrag zu 2.) entsprechende Feststellungsentscheidung, wonach der Beklagten bestimmte Beträge zustehen, wäre unabhängig davon nicht rechtskräftig auszuschließen, dass dieser nicht weitere Ansprüche zustehen. So, wie in dem bereits gestellten Feststellungsantrag das Rechtsverhältnis gefasst ist, ist dieser zudem weitergehend als der nunmehr angekündigte Feststellungsantrag zu 2.). Er umfasst auch die negative Feststellungskomponente, wonach der Beklagten kein Anspruch aus der Fortgeltung der widerrufenen Verträge zusteht. Auch das ist zulässig. Das diesbezüglich Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO liegt darin, dass die Beklagte sich unstreitig solcher Ansprüche berühmt. Selbst eine für die Klägerin positive Entscheidung über die übrigen aktualisierten Anträge in deren jetzigen Fassung könnte der Geltendmachung solcher Ansprüche durch die Beklagte nicht mit Rechtskraftwirkung entgegengehalten werden. Vor allem aber wird - weil nur inzidenter als Vorfrage relevant - insoweit nicht das Rechtsverhältnis bindend für die Klage insgesamt geklärt.

Eine Gefahr der Widersprüchlichkeit im Verhältnis des vorliegenden (Zwischenfeststellungs-)Teilurteils zum Schlussurteil stellt sich nicht, weil die für jedes von ihnen maßgebliche Frage des Rechtsverhältnisses durch das Zwischenfeststellungsurteil gemäß § 256 Abs. 2 ZPO gerade geklärt wird (vgl. entsprechend auch sogar zu Zwischenfeststellungsurteil, Klage und Widerklage und: BGH, Urt. v. 7.3.2013 - VII ZR 223/11, Rn. 20).

B.

Der zuerkannte (Zwischen-) Feststellungsanspruch ist auch begründet.

Die Darlehensverträge Nr. 321560513, 3215605029, 3215605035 und 3215605041 haben sich durch wirksamen Widerruf der auf ihren Abschluss gerichteten Erklärungen der Klägerin vom 19.8.2009 in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt, sodass der Beklagten aus diesen Verträgen – außerhalb der Rückabwicklungsansprüche – keine Ansprüche mehr zustehen.

1.

Der Widerruf ist wirksam

a)

Der Klägerin stand nach § 495 Abs. 1 BGB a.F. ein Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. zu.

Bei den streitgegenständlichen, im August 2009 geschlossenen Darlehensverträgen handelt es sich um Verbraucherdarlehensverträge i.S.v. § 491 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat die Darlehen als Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB geschlossen. Die Beklagte ist Unternehmerin i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB.

b)

Die Klägerin hat den Widerruf mit Schreiben vom 14.7.2014 in Textform gemäß § 355 Abs. S. 1 BGB a.F. erklärt (Anlage K 7).

c)

Der Widerruf der Klägerin ist nicht verfristet. Das Widerrufsrecht ist zum Zeitpunkt der Ausübung am 14.7.2014 nicht ausgeschlossen gewesen.

Mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung ist der Widerruf als rechtzeitig erfolgt anzusehen, weil der Lauf der gesetzlichen Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. nicht in Gang gesetzt wurde.

Gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. beträgt die Widerrufsfrist - abweichend von § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. - einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung nach Vertragsschluss mitgeteilt wurde. Nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. beginnt diese Widerrufsfrist zu dem Zeitpunkt zu laufen, „zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB enthält“. Weder ist diese Frist in Gang gesetzt worden, noch ist das Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. sechs Monate nach Vertragsschluss erloschen. Denn die Klägerin ist von der Beklagten nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden (§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB).

Die der Klägerin nach §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 2 BGB a.F. erteilten, von ihr am 21. bzw. 26.8.2009 unterzeichneten Widerrufsbelehrungen der Beklagten erfüllen nicht die Voraussetzungen, unter denen sich der Verwender einer Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F. und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB InfoV a.F. berufen
kann (aa). Sie genügen auch nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. und dem darin enthaltenen Deutlichkeitsgebot (bb).

aa)

Die Beklagte kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen.

Die Beklagte hat - entgegen der Auffassung des Landgerichts - gegenüber der Klägerin kein Formular für die Widerrufsbelehrung verwendet, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damals geltenden Fassung der BGB-InfoV gemäß Verordnung vom 4. März 2008 (BGBl. I, S. 292) sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht.

Gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. genügt eine Widerrufsbelehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. und den diesen ergänzenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird. Demnach besteht bei Verwendung dieses Musters eine Gesetzlichkeitsfiktion. Mithin kann sich ein Verwender, der das Muster verwendet, auf die Gesetzmäßigkeit seiner Widerrufsbelehrung sogar dann berufen, wenn sie fehlerhaft ist und den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht genügt (BGH, Urteil vom 18.3.2014 - II ZR 109/13, Rn. 15 m.w.N., juris).

Voraussetzung für den Eintritt dieser Gesetzlichkeitsfiktion ist, dass das Muster unverändert, vollständig und entsprechend den Gestaltungshinweisen vom Unternehmer ausgefüllt und verwandt wird (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., BGB-InfoV 14, Rn. 3).

Die Berufung auf das Vertrauen in die Musterbelehrung schließt die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. ausnahmsweise aus. Die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. ist deshalb - wie bei jedem Regel-Ausnahme-Verhältnis - restriktiv zu behandeln. Vor diesem Hintergrund ist auch die Vorschrift des § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. zu verstehen. Danach darf der Unternehmer, der für seine Belehrung das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV verwendet, zwar „in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anbringen". Es sind allerdings auch nur die in § 14 Abs. 3 BGB-InfoV vorgesehenen und nicht andere Änderungen oder Ergänzungen zulässig.

Ein Unternehmer kann sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet, das diesem Muster in der jeweils maßgeblichen Fassung in jeder Hinsicht - sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung - vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 18.3.2014 - II ZR 109/13, Rn. 15 m.w.N., juris; BGH, Urteil vom 28.6.2011 - XI ZR 349/10, Rn. 37f. m.w.N., juris). Dies gilt unabhängig von der Frage, welche inhaltliche Relevanz und welchen konkreten Umfang die vorgenommenen Änderungen haben (BGH, Urteil vom 1.3.2012 - III ZR 83/11, Rn. 17 m.w.N., juris; LG Hamburg, Urteil vom 16.4.2014 - 302 O 159/13, Rn. 25 m.w.N., juris).

Eine Abweichung vom Muster ist auch nicht deshalb unerheblich, weil der Verwender nur weitere zutreffende Zusatzinformationen aufnimmt und nur
ggf. zugunsten des Belehrungsempfängers vom Muster abweicht (BGH, Urteil vom 18.03.2014 - II ZR 109/13, Rn. 17, juris). Ebenfalls kann es für die Gesetzlichkeitsfiktion nicht auf die Frage ankommen, ob die Abweichungen von der Musterbelehrung sich zu Lasten des Verbrauchers auswirken, etwa das Verständnis des Verbrauchers durch diese erschwert wird (OLG Köln, Urteil vom 23.1.2013 - 13 U 218/11, Rn. 23 m.w.N., juris; a.A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.6.2009 - 9 U 111/08, Rn. 11, juris).

Nicht zu folgen ist daher der Ansicht, dass die Gesetzlichkeitsfiktion erhalten bleibt, wenn die verwendete Widerrufsbelehrung zwar nicht vollständig wortgleich mit dem Mustertext ist, die Abweichungen jedoch inhaltlich nicht wesentlich sind und nicht zu einer Verwirrung beim Verbraucher führen können (so LG Berlin, Urteil vom 4.2.2013 - 38 O 317/12, Leitsatz, juris) oder es sich nur um punktuelle Abweichungen handelt (so OLG Bamberg, Urteil vom 25.6.2012 - 4 U 262/11 - Rn. 48, juris). Der Verwender kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn er nicht mehr den Mustertext zitiert, sondern sich ihn durch eigene Zusätze redaktionell zu eigen macht (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 11.4.2014 - 4 O 395/13, Rn. 30, juris).

Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet eine andere Beurteilung. Mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters lässt sich keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH, Urteil vom 18.3.2014 - II ZR 109/13, Rn. 18 m.w.N., juris).

Maßgebend ist deshalb allein, ob der Verwender sich erkennbar inhaltlich mit der Widerrufsbelehrung selbst auseinandergesetzt und den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung seiner Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift der Verwender in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb nicht mehr auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen (BGH, Urteil vom 1.3.2012 - III ZR 83/11, Rn. 17, juris; BGH, Urteil vom 28.6.2011 - XI ZR 349/10, Rn. 39, juris) und er trägt selbst das Risiko der Fehlerhaftigkeit der gesamten Erklärung (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.9.2014 - 6 O 2273/14, Rn. 42, juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen entspricht die Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F. Bei dem Vergleich der erteilten Widerrufsbelehrung mit dem Muster zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV a.F. ist festzustellen, dass die Beklagte in den Mustertext eingegriffen und diesen einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat.

Die von der Beklagten an die Klägerin im Zusammenhang mit den Darlehensverträgen erteilten formularmäßigen Widerrufsbelehrungen enthalten Änderungen bzw. Anpassungen und weichen in mehreren Punkten von der Musterbelehrung ab.

Schon der Wortlaut der von der Beklagten erteilten Widerrufsbelehrung entspricht - über die in § 14 Abs. 3 BGB-InfoVO a.F. gestatteten Abweichungen hinaus - nicht in jeder Hinsicht vollständig dem Text der Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F.

Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits in der Überschrift "Widerrufsbelehrung zum Kredit-/Darlehensvertrag vom … Kredit-/Darlehenskonto-Nr. …" anstelle der Überschrift "Widerrufsbelehrung" eine beachtliche Abweichung vom Mustertext zu sehen ist. Jedenfalls steht der Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F. entgegen, dass vor dem Wort „Darlehensvertrag" der Zusatz "Kredit", der in der hier maßgeblichen Fassung der Musterbelehrung nicht vorhanden war, aufgenommen worden ist. Gerade in dem Bestreben, durch den Zusatz „Kredit“ dem allgemeinen Sprachgebrauch des Verbrauchers Rechnung zu tragen (vgl. LGU S. 8, Bl. 126 d.A.), ist ein Eingriff in den Mustertext und eine eigene inhaltliche Bearbeitung erkennbar.

Ein weiterer inhaltlicher Eingriff betrifft die unter der Zwischenüberschrift „Finanzierte Geschäfte“ wiedergegebene Textpassage. Zwar sieht der Gestaltungshinweis (10) der Musterbelehrung vor, dass die entsprechenden Hinweise für finanzierte Geschäfte entfallen können, wenn ein verbundenes Geschäft nicht vorliegt. Es ist deshalb hinsichtlich der Frage der Gesetzlichkeitsfiktion zulässig, diese Hinweise auch dann zu erteilen, wenn ein entsprechend verbundenes Geschäft nicht vorliegt und es ist vorliegend, wie das Landgericht zutreffend feststellt, ohne Belang, ob es sich bei dem von der Klägerin aufgenommenen Darlehen um ein verbundenes Geschäft handelt. Die Gesetzlichkeitsfiktion scheitert jedoch daran, dass die Beklagte die entsprechenden Hinweise der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen und Änderungen vorgenommen hat, die über eine lediglich sprachliche Redaktion hinausgehen.

Die Beklagte hat ihre Belehrung gegen die zwingende Vorgabe des Gestaltungshinweises (10) der Musterbelehrung - „Satz 2 wird durch den folgenden Satz ersetzt“ - gestaltet. Die Musterbelehrung sieht unterschiedliche Textbausteine vor, die als Hinweise für finanzierte Geschäfte je nach Fallgestaltung verwendet werden können. Der erste der drei Textbausteine soll für die Belehrung für das finanzierte Geschäft und der zweite für die Belehrung für den Darlehensvertrag gelten. Der dritte Baustein ist beim finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts anzuwenden. In diesem Fall ist der zweite Satz des zweiten Bausteines durch einen anderen Satz zu ersetzen. Dieser Gestaltungshinweis ist von der Beklagten nicht befolgt worden. Vielmehr hat sie den speziellen, für finanzierte Grundstücksgeschäfte vorgesehenen Satz hinter den für allgemeine finanzierte Geschäfte vorgesehenen zweiten Satz eingegliedert. Dadurch sind beide Möglichkeiten verknüpft und ein komplexeres Satzgefüge geschaffen worden. Die beiden Sätze sind in einen systematischen Zusammenhang gestellt worden, der ihnen nach den von der Musterbelehrung angebotenen Textbausteinen nicht zukommt. Dies stellt eine rechtlich erhebliche, eigene Bearbeitung der Musterbelehrung dar (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 27.1.2016 - 17 U 16/15, Rn. 29, juris; OLG Köln, Urteil vom 23.1.2013 - 13 U 69/12, Rn. 29 ff., juris; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.9.2014 - 6 O 2273/14, Rn. 40, juris; LG Karlsruhe, Urteil vom 11.4.2014 - 4 O 395/13, Rn. 27 u. 28, juris; a.A. OLG Bamberg, Urteil vom 25.6.2012 - 4 U 262/11, Rn. 52).

Darüber hinaus hat die Beklagte eine sprachliche Umformulierung zur Verknüpfung dieser beiden Sätze sowie weitere redaktionelle Änderungen der Musterbelehrung in dem mit "Finanzierte Geschäfte" überschriebenen Teil vorgenommen. Es handelt sich dabei entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nur um eine lediglich zur Verständlichkeit dienende „redaktionelle Änderung“ in Form eines Perspektivwechsels vom Begriff „Darlehensgeber“ zu „wir“ (vgl. LGU S. 8, Bl. 126 d.A.).

Der nach der Musterbelehrung als Ersatz für den zweiten Satz vorgesehene Satz sollte eigentlich lauten:

 „Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.“

In der von der Beklagten verwendeten Belehrung lautet er:

„Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Krediten/Darlehen hinaus Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen.“

Somit sind folgenden Abweichungen festzustellen, wobei kursiv in Klammern die weggelassenen Wörter und in Fettdruck die durch die Beklagte hinzugefügten Angaben dargestellt sind:

Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist (dies) eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch ihr (die) Vertragspartner (in beiden Verträgen identisch) im Rahmen des anderen Vertrags sind oder wenn (der Darlehensgeber) wir über die Zurverfügungstellung von Krediten/Darlehen hinaus(geht und) Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem (er) wir (sich) uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen.“

Es liegt damit keine „in jeder Hinsicht vollständige Entsprechung“ der von der Beklagten verwendeten Belehrung mit dem Muster vor (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23.1.2013 - 13 U 218/11, Rn. 22, juris). Die Beklagte hat die Klägerin nicht entsprechend dem damals gültigen Muster belehrt und kann sich nicht auf die Schutzwirkung der BGB-InfoV a.F. berufen.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die inhaltlichen Bearbeitungen für sich genommen zutreffend sind oder ob der unbefangene durchschnittliche Verbraucher die geänderte Belehrung versteht.

Ob weitere erhebliche Abweichungen zu den Gestaltungshinweisen und der sonstigen Musterbelehrung nach der BGB-InfoV a.F. gegeben sind, bedarf keiner Entscheidung, da die Gesetzlichkeitsfiktion bereits aufgrund der vorstehenden Erwägungen entfällt.

bb)

Die Widerrufsbelehrungen der Beklagten entsprechen nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.

Eine veränderte Belehrung ist nicht schon wegen ihrer Abweichung von den Mustern, sondern erst bei Verstoß gegen § 355 Abs. 2 BGB a.F. oder sonstige gesetzliche Anforderungen unwirksam.

Nach dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. muss die Belehrung nicht nur umfassend, inhaltlich richtig, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein, sondern dem Verbraucher die Rechtslage auch unübersehbar zur Kenntnis bringen (BGH, Urteil vom 23.6.2009 - XI ZR 156/08, Rn. 24, juris). Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (BGH, Urteil vom 28.6.2011 - XI ZR 349/10, Rn. 31 m.w.N., juris).

Gemessen an diesen Anforderungen konnten die streitgegenständlichen Belehrungen der Klägerin ihre Rechte nicht deutlich machen.

Zutreffend weist das Landgericht auf die Wahlmöglichkeit des Verwenders hin, die unter Gestaltungshinweis (10) der Musterbelehrung aufgeführten Hinweise für finanzierte Geschäfte entfallen zu lassen (s.o.). Diese Wahlmöglichkeit betrifft indes allein die Frage, ob eine Widerrufsbelehrung die Voraussetzungen der Gesetzlichkeitsfiktion (noch) erfüllt. Das Bestehen der Wahlmöglichkeit nach der Musterverordnung kann daher nicht dahin ausgelegt werden, dass in keinem Fall – also auch nicht außerhalb der Gesetzlichkeitsfiktion – es Aufgabe des Belehrenden sei, vor der Belehrung zu ermitteln, was für ein Geschäft vorliegt, und dass die Klärung der Rechtsfrage, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt, dem durchschnittlichen Verbraucher selbst zugemutet werden könne.

Durch gegenteilige Auffassung (vgl. OLG München, Urt. v. 9.11.2015 – 19 U 4833/14, Rn. 41, zit. n. juris) werden – mindestens im Ergebnis – zwei verschiedene Fragen in unzulässiger Weise vermengt: 1. Ist es unschädlich für die Gesetzlichkeitsfiktion, den (überflüssigen) Hinweis auf „Finanzierte Geschäfte“ in die Belehrung aufzunehmen? 2. Wie wirkt es sich - gemessen am Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. - auf das Widerrufsrecht aus, wenn dieser Hinweis aufgenommen wird, obwohl er nicht erforderlich gewesen wäre?

Es ist unerheblich, ob die Beklagte zu einer Belehrung der Klägerin über die Rechtsfolgen der §§ 358 ff. BGB a.F. nicht verpflichtet war. Da sich die Beklagte für diese Art der Belehrung entschieden hat, musste diese jedenfalls ordnungsgemäß und unmissverständlich sein, um dem Schutzzweck der §§ 355 ff. BGB Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 23.6.2009 - XI ZR 156/08, Rn. 17, juris).

Dem werden die von der Beklagten erteilten Widerrufsbelehrungen nicht gerecht. Die erteilten Belehrungen sind zumindest missverständlich, in ihrem Gesamtgefüge unklar und waren deshalb objektiv geeignet, die Klägerin von der Ausübung ihres gegen die Darlehensverträge gerichteten Widerrufsrechts abzuhalten. Auf eine individuelle Kausalität kommt es nicht an (BGH, Urt. v. 23.6.2009 - XI ZR 156/08, Rn. 25 = WM 2009, 1497).

Nach der gesetzlichen Regelung der verbundenen Verträge in § 358 BGB ist der Verbraucher bei der Verbindung des Verbraucherdarlehensvertrages mit einem anderen Vertrag durch den wirksamen Widerruf des einen Vertrags auch nicht an den anderen Vertrag gebunden. Die Widerrufsbelehrungen der Beklagten belehren vorliegend nicht unmissverständlich darüber, dass im Gegensatz dazu mangels Vorliegens eines verbundenen Vertrages durch einen wirksamen Widerruf des Darlehens nur die Bindung an den Darlehensvertrag entfällt. Aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Verbrauchers - auf den abzustellen ist (BGH, Urteil vom 9.12.2009 - VIII ZR 219/08, Rn. 14, juris) - konnten die Belehrungen dadurch den unzutreffenden Eindruck erwecken, man könne sich nur von beiden Verträgen gemeinsam lösen. Das aber kann objektiv einen Darlehensnehmer, der sein finanziertes Geschäft erhalten möchte, in dieser Weise irrtumsbedingt davon abhalten, sein Widerrufsrecht in Bezug auf den Darlehensvertrag auszuüben.

Um die - zutreffenden - Rechtsfolgen seines Handelns abwägen zu können, müsste der Verbraucher, bevor er sein Widerrufsrecht ausübt, in der Widerrufsbelehrung wissen, ob es sich bei dem betreffenden Darlehen um ein verbundenes Geschäft handelt. Diese Rechtsfrage, die der durchschnittliche Verbraucher wohl regelmäßig nur „unter Zuhilfenahme juristischen Sachverstandes“ (vgl. LGU S. 8, Bl. 126 d.A.) klären könnte, kann ihm deshalb die Ausübung seines Widerrufsrechts erschweren. Das läuft der gesetzlichen Wertung zuwider, wonach den Verwender die Pflicht zur Deutlichkeit der Belehrung trifft. Wird für den Verbraucher erst nach zutreffender und insbesondere aus der maßgeblichen juristischen Laiensicht Subsumtion deutlich, welcher Belehrungsteil für ihn mit welchen Konsequenzen und Voraussetzungen gilt, fehlt es von vornherein an der vom Unternehmer geschuldeten Deutlichkeit. Dabei geht es nicht darum, dass dem Verbraucher – was zutreffend ist – nicht jede Subsumtionsarbeit abgenommen werden muss, um dem Deutlichkeitsgebot entsprechen zu können. Werden einem Verbraucher zutreffend die ihn betreffenden Voraussetzungen und Folgen des Widerrufs deutlich genannt, ist es Sache des Verbrauchers, diese zu subsumieren. Das gewährt aber dem Belehrungspflichten nicht die Freiheit, beliebig viele überflüssige – weil nicht einschlägige – Belehrungen und/oder beliebigen Umfangs zusätzlich zu erteilen. Dass diese zusätzlichen Belehrungen vorliegend „nur“ nicht einschlägig, aber richtig sind, falls sie einschlägig wären, ändert daran nichts. Denn die Deutlichkeit der zutreffenden – einschlägigen – Belehrung leidet hier schon durch ein erhebliches „Zuviel“ an nicht einschlägiger Zusatzbelehrungen. Wären diese auch noch in sich unzutreffend, wäre die Deutlichkeit dann nur erst recht nicht gegeben.

Das „Zuviel“ an nicht einschlägigen Belehrungen ist vorliegend auch erheblich. Das gilt sowohl inhaltlich (1) als auch gestalterisch (2):

(1)

Der Verbraucher muss hier aufgrund der in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung überflüssigen Hinweise zur finanzierten Verbundgeschäften in zumindest aus seiner Sicht komplexer Abfolge bestimmen, welche Art von Geschäft in seinem speziellen Fall vorliegt und welche Regelung damit für ihn einschlägig ist. Die Verbindung der Hinweise für allgemein finanzierte Geschäfte und den finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen mit Verbindung des zweiten und dritten Textbausteins des Gestaltungshinweises (10) hat zur Folge, dass der Verbraucher gleich mehrere eigene Subsumtionsleistung erbringen muss. Hinzukommt, dass die Sätze 1 und 2 in dem Abschnitt „Finanzierte Geschäfte“ den Geltungsbereich für alle finanzierten Geschäfte zunächst einmal weit fassen, um diesen dann in Satz 3 wieder einzuschränken.

Es kann auch nicht erwartet werden, dass der durchschnittliche Verbraucher den Abschnitt „Finanzierte Geschäfte“ erst gar nicht liest und daher auch nicht abgelenkt werden kann. Das gilt schon deshalb, weil Darlehen regelmäßig - wenn nicht ganz überwiegend - überhaupt nur aufgenommen werden, um etwas zu finanzieren. Es besteht die Gefahr, dass der durchschnittliche Verbraucher annimmt, er könne das finanzierte Geschäft verlieren, widerruft er den Darlehensvertrag. Insbesondere ob ein „Fördern durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer“ des Darlehensgebers im dort beschriebenen Sinne als Merkmal des Verbundgeschäfts vorliegt, wird der durchschnittlicher Verbraucher kaum beurteilen können. Allein über die dafür jeweils erforderliche Tatsachenkenntnis wird regelmäßig eher der Darlehensgeber als der Darlehensnehmer verfügen, geht es doch insoweit um sein Zusammenwirken mit dem Veräußerer und nicht um das des Darlehensnehmers. Dem kann nicht entgegengehalten werden, diese Komplexität folge nicht aus der Belehrung, sondern aus Gesetzestext, dem sie entspreche, sowie aus „der Rechtslage“. Denn alldem ist der Verbraucher nur aufgrund des Entschlusses des Verwenders zur Sammelbelehrung mit komplexen, nicht einschlägigen Teilen ausgesetzt und damit durch die vom Verwender gewählte Art und Weise der Belehrung. Die fehlende Deutlichkeit ist damit der Widerrufsbelehrung selbst zuzurechnen. Insbesondere ist sie nicht „der Rechtslage“ zuzurechnen, soweit sich der Verbraucher tatsächlich nicht in ihr befindet. In Bezug auf eine Sammelbelehrung, die - wie hier - auch Teile enthält, die nicht nebeneinander gelten, kann es keine dem entsprechende „Sammel-Rechtslage“ für einen bestimmten Verbraucher geben, da dieser sich eben immer nur in einer bestimmten - einschlägigen - Rechtslage befindet.

Eine dem entgegenstehende Wertung des Gesetzgebers ist nicht ersichtlich. Sie kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass dieser mit Gesetzeswirkung ab 24.7.2010 bei Verbraucherdarlehensverträgen mit Anlage 7 zu Art. 247, §§ 6, 12 EGBGB zu seinem Widerrufsinformationsmuster für Verbraucherdarlehens-verträge die Auffassung vertreten hat, dass der Darlehensgeber sich zunächst festlegen müsse, ob im konkreten Fall ein verbundener Vertrag gemäß § 358 BGB vorliege (vgl. BT-Drs. 17/1394 S. 27). Die dafür angeführte gesetzgeberische Begründung entspricht den o. g. Erwägungen. Sie lauten wie folgt (a.a.O.): „Dies erscheint sachgerecht, denn er muss wissen, ob das finanzierte Geschäft mit ihm selbst abgeschlossen wurde oder ob er sich als Drittfinanzierer bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages der Mitwirkung des Vertragspartners des finanzierten Geschäfts bedient hat (§ 358 Absatz 3 BGB).“ Der Begründung ist hingegen nicht zu entnehmen, dass diese Erwägungen etwa aufgrund neuer Umstände gerade erst ab 24.7.2010 gelten sollten und für die Beurteilung inhaltlicher Deutlichkeit von Widerrufsbelehrungen im Einzelfall nicht auch schon immer Gültigkeit hatten. Es ist daher nicht zulässig, vom Geltungsdatum ausgehend zu schließen, der Gesetzgeber des § 355 Abs. 2 BGB in der hier maßgeblichen Fassung habe vor dem 24.7.2010 bei Sammelbelehrungen die Subsumtionspflicht für das Vorliegen eines Verbundgeschäftes noch abweichend und stets dem Verbraucher zuweisen wollen (so aber im Ergebnis die Auffassung des OLG München, a.a.O., Rn. 42, juris).

Anderes lässt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.9.2003 - XI ZR 135/02 – ableiten (so aber OLG München, a.a.O., Rn. 43, juris). Das darin enthaltene Begründungselement („..., daß die in dem Kreditvertrag enthaltene Widerrufsbelehrung eine Belehrung über verbundene Geschäfte enthält, genügt hierfür [Anm. des Senats: Für die Bejahung eines Verbundgeschäfts] schon deshalb nicht, weil es sich um einen Formularvertrag handelt, der für unterschiedliche Vertragsgestaltungen offen sein muß“) ist dort nur für die Frage, ob dort ein verbundenes Geschäft im Einzelfall, vorlag angeführt worden (BGH, a.a.O., Rn. 24). Daraus lässt sich nicht ableiten, wer im Verhältnis zum Verbraucher im Einzelfall für eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung die Subsumtion zu dem Umstand zu erbringen hat, ob ein Verbundgeschäft vorliegt. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts München (a.a.O.) findet dessen Auffassung, eine vorsorgliche Belehrung sei zulässig, solange sie nur nicht missverständlich sei, in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.6.2009 – XI ZR 156/08 – keine Stütze. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs, dass in Fällen, in denen das finanzierte Geschäft nicht widerrufbar sei, keineswegs unerheblich sei, wenn das Finanzierungsinstitut missverständlich über die Rechtsfolgen eines gegenüber dem Unternehmer nicht bestehenden Widerrufsrechts informiert habe, entscheidend sei vielmehr, ob die erteilte Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet sei, den Verbraucher von der Ausübung seines gegen den Darlehensvertrag gerichteten Widerrufsrechts abzuhalten, bezogen sich auf den dortigen konkreten Fall. In dem konkreten Fall stand indes jeweils fest, dass ein Verbundgeschäft vorlag, hingegen (nur) das finanzierte Geschäft selbst nicht widerrufbar war (BGH a.a.O., Rn. 13). Über die Frage, ob eine nicht einschlägige, ansonsten für sich genommen richtige Widerrufbelehrung über ein Verbundgeschäft die Deutlichkeit stets unberührt lässt, hatte der Bundgerichtshof nicht zu entscheiden und hat dies auch nicht andeutungsweise getan. Aus der Entscheidung lässt sich allenfalls ableiten, dass Missverständliches, das zum Abhalten vom Widerruf geeignet ist, stets die Deutlichkeit beeinträchtigt, also auch dann, wenn sich das Unrichtige der Belehrung auf etwas nicht Einschlägiges bezieht, es sich aber gleichwohl auf den einschlägigen Belehrungsteil missverständlich auswirkt. Darum geht es vorliegend jedoch nicht und ging es auch nicht in dem vom Oberlandesgericht München entschiedenen Fall.

Schließlich ist auch kein Argument (so aber OLG München, a.a.O., Rn. 45), dass gewerbliche Darlehensgeber wie Banken schon aus praktischen Gründen für eine Vielzahl von Darlehensvertragsvarianten entsprechend viele Widerrufsbelehrungen vorhalten müssten, weshalb es ihnen nicht zumutbar sei, diese jeweils für jede Variante anzupassen. Dem ist nicht zu folgen. Jedenfalls die streitentscheidende Festlegung, ob ein Verbundgeschäft vorliegt, ist aus den o. g. Gründen dem Darlehensgeber zur Erteilung einer hinreichend deutlichen Widerrufsbelehrung durchaus zumutbar. Er kann dafür ein Formular mit allen in Betracht kommenden Varianten entwerfen, solange er selbst die Festlegung vornimmt und diese nicht – wie im vorliegenden Umfang – dem Verbraucher überlässt. Das kann z. B. durch von ihm – dem Darlehensgeber – auszuwählende Ankreuzoptionen geschehen. Die Gestaltung von Widerrufsbelehrungen in Form der Verwendung von Ankreuzoptionen für verschiedene Fallkonstellationen als solche beeinträchtigt die Deutlichkeit nach § 355 Abs. 2 BGB nicht (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15 = WM 2016, 706, Leitsatz 2). Denn der Empfänger einer solchen Widerrufsbelehrung braucht nur den ihn betreffenden Vertragstext zu lesen, der ihm vom Verwender durch das Markieren von Textvarianten kenntlich gemacht wird. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher wird sich regelmäßig nur mit denjenigen Textvarianten befassen, die markiert sind (BGH, a.a.O., Rn. 43).

(2)

Die im Einzelfall überflüssige, weil nicht einschlägige Sammelbelehrung unter der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“ ist vorliegend auch unter gestalterischen Gesichtspunkten erheblich ablenkend. Sie nimmt mit ca. 230 Worten und 18 Zeilen im Fließtext einen klar größeren Raum ein als die darüber befindlichen einschlägigen Belehrungen (insoweit ca. 185 bzw. 13). Als zulässige Zusätze zur Belehrung über das Widerrufsrecht von Verbrauchern oder zur Unterschrift könnten im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes allenfalls nur solche Ergänzungen verstanden werden, welche die Widerrufsbelehrung in ihrem gebotenen Inhalt (vgl. BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, Rn. 18; v. 17.12.1992 - I ZR 73/91, ZIP 1993, 361 - Widerrufsbelehrung) verdeutlichen (vgl. BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, Rn. 18; BGH, Urt. v. 30.9.1992 - VIII ZR 196/91, NJW 1993, 64, 67 zu § 1 b Abs. 2 Satz 3 AbzG; vgl. hierzu auch Klauss/Ohse, Verbraucherkreditgeschäfte, 2. Aufl., Rn. 256 zu § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG). Nicht hierzu rechnen aber Erklärungen, die einen eigenen Inhalt haben und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung von Bedeutung sind und deshalb von dieser ablenken (vgl. BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, Rn. 18 für HTürGG bzw. AbzG; Urt. v. 4.7.2000 – I ZR 55/00, Rn. 16, 17 entsprechend für § 355 Abs. 2 BGB).

Die Erklärungen in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung unter der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“ sind – weil nicht einschlägig – zur Verdeutlichung der Widerrufsbelehrung in ihrem hier gebotenen Inhalt nicht erforderlich, haben einen eigenen Inhalt und sind weder für die Wirksamkeit der vorliegend gebotenen Widerrufserklärung noch für deren Verständnis erforderlich.

In der Gesamtschau die genannten Gründe waren die Belehrungen nicht geeignet, zum Wegfall des Widerrufsrechts zu führen (§ 355 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 3 BGB a.F.). Die Klägerin konnte von ihrem Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. Gebrauch machen und ihre Darlehensvertragserklärungen wirksam widerrufen. Auf die Frage, ob weitere Belehrungsmängel vorliegen, kommt es nicht mehr an.

d)

Das Widerrufsrecht der Klägerin ist nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin hat ihr Widerrufsrecht nicht verwirkt (aa). Die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Klägerin stellt sich auch nicht als unzulässige Rechtsausübung dar (bb).

aa)

Das der Klägerin zustehende Widerrufsrecht ist nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung entfallen.

Gegenstand der Verwirkung kann grundsätzlich jedes subjektive Recht sein, auch das Widerrufsrecht (BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 501/15, Rn. 39). Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass mit der Inanspruchnahme des Rechts in Zukunft nicht mehr zu rechnen sein werde (BGH, Urteil vom 19.10.2005 - XII ZR 224/03, Rn. 22, juris; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 242 Rn. 87). Die unerwartete, nach längerer Zeit „illoyale“ Geltendmachung des Rechts würde dem Vertrauenstatbestand, den der Berechtigte durch die länger dauernde Nichtausübung des Rechts erzeugt hat, widersprechen und deshalb als unzulässige Rechtsausübung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstoßen (BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 352/02, Rn. 23, juris). Voraussetzungen der Verwirkung sind, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts längere Zeit verstrichen ist - Zeitmoment - und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen
- Umstandsmoment - (OLG Frankfurt, Urteil vom 26.8.2015 - 17 U 202/14, Rn. 33, juris).

Ob vorliegend das Zeitmoment erfüllt ist, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlt es an dem zusätzlich notwendigen Umstandsmoment. Das Umstandsmoment wäre erfüllt, wenn die Beklagte aufgrund des Verhaltens der Klägerin sich darauf eingerichtet hätte, diese werde ihr Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen; ferner müsste sich die Beklagte aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestands so eingerichtet haben, dass ihr durch die verspätete Geltendmachung des Widerrufs ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 242, Rn. 95). Im vorliegend betroffenen Anwendungsbereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten sind diesbezüglich strenge Anforderungen zu stellen. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile hat grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen (BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 352/02, Rn. 23, juris).

Umstände, die gemessen an diesen Grundsätzen die Annahme einer Verwirkung rechtfertigen könnten, sind nicht festzustellen. Der bloße Zeitablauf zwischen dem Abschluss des Geschäfts und dem Widerruf reicht dafür nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 352/02, Rn. 24, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 26.8.2015 - 17 U 202/14, Rn. 34, juris). Über die über einen Zeitraum von fast fünf Jahren vertragsgemäße Bedienung des Darlehens hinaus steht kein Verhalten der Klägerin im Raum, aus dem die Beklagte bei objektiver Betrachtung den Schluss ziehen durfte, die Klägerin werde von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, Rn. 39). Insofern ist der vorliegende Fall im Hinblick auf die für eine mögliche Verwirkung maßgeblichen Umstände anders zu beurteilen, als die Fälle, in welchen die betreffenden Verträge bereits Jahre vor der Erklärung des Widerrufs vollständig abgewickelt waren (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.3.2015 – I-31 U 155/14, Rn. 16, juris; LG Hamburg, Urteil vom 16.4.2014 - 302 O 159/13, Rn. 28, juris; BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 501/15, Rn. 41).

bb)

Die Klägerin hat sich auch sonst nicht treuwidrig bzw. rechtsmissbräuchlich verhalten, indem sie ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen widerrufen hat, obwohl sie über Jahre an den Verträgen festhielt und die vertraglichen Leistungen erbrachte.

Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB bilden eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist als Rechtsüberschreitung missbräuchlich und unzulässig (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 242 Rn. 38). Die Rechtsordnung missbilligt widersprüchliches Verhalten einer Partei grundsätzlich nicht. Widersprüchliches Verhalten ist jedoch dann rechtsmissbräuchlich, wenn dadurch für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Dies ist der Fall, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 16.7.2014 - IV ZR 73/13, Rn. 33, juris; BGH, Urteil vom 15.11.2012 - IX ZR 103/11, Rn. 12, juris).

Ob das Verhalten der Klägerin vor der Erklärung des Widerrufs mit diesem „unvereinbar“ war, kann dahinstehen. Die Beklagte kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit beanspruchen. Vielmehr ist ihr Vertrauen in den Fortbestand der Darlehensverträge im Zeitpunkt des Widerrufs, in welchem diese noch nicht vollständig abgewickelt waren, sondern „noch liefen“, nicht schutzwürdig. Sie hat die Situation selbst herbeigeführt, indem sie der Klägerin keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 7.5.2014 - IV ZR 76/11, Rn. 39, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 27.1.2016 - 17 U 16/15, Rn. 34, juris; differenzierend: Homberger, EWiR 14/2015, S. 435, 436).

Es war eine bewusste Entscheidung des europäischen und des nationalen Gesetzgebers, die Widerrufsfrist nicht beginnen zu lassen, solange dem Verbraucher keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt worden ist (§ 355 Abs. 2 BGB a.F.) und das Widerrufsrecht nicht nach einem bestimmten Zeitraum erlöschen zu lassen, wenn es an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung fehlt (§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F.). Diese Wertung kann nicht unter Hinweis auf § 242 BGB unterlaufen werden (OLG Hamm, Urteil vom 25.3.2015 - I-31 U 155/14, Rn. 16, juris).

Der Unternehmer muss demnach - auch Jahre später - mit der Ausübung des Widerrufsrechts rechnen. Will er dies verhindern, kann er den Verbraucher - auch nachträglich - über das ihm zustehende Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehren (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.). Dass ein Unternehmer womöglich die Fehlerhaftigkeit der von ihm verwendeten Belehrung nicht erkannt hat, vermag ihn nicht zu entlasten, denn es geht nicht um die Haftung für etwaiges schuldhaftes Verhalten (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 16.4.2014 - 302 O 159/13, Rn. 26, juris; LG Köln, Urteil vom 17.9.2013 - 21 O 475/12, Rn. 49, juris). Nach der gesetzlichen Risikoverteilung hat der Verwender das Risiko einer fehlerhaften Belehrung zu tragen.

Die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles geben keinen Anlass, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Insbesondere sind mögliche Beweggründe für die Wirksamkeit des Widerrufs unerheblich (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, Rn. 46f.; Urt. v. 16.3.2016 - VIII ZR 146/15 = NJW 2016, 1951, 1952; OLG Frankfurt, Urteil vom 26.8.2015 - 17 U 202/14, Rn. 35, juris). Gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. muss der Widerruf keine Begründung enthalten (BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 546/15, Rn. 46). Die Ausübung des Widerrufsrechts hängt allein vom freien Willen des Widerrufsberechtigten ab; sie muss daher insbesondere nicht durch den Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts motiviert sein (BGH, a.a.O.). Darin spiegelt sich eine bewusste Entscheidung des deutschen Gesetzgebers; der Umstand, dass in der gegenwärtigen Phase von Niedrigzins und gehäuftem Scheitern darlehensfinanzierter Beteiligungskonzepte sich die Kreditwirtschaft einer massenweisen Ausübung von Widerrufsrechten ausgesetzt sieht, vermag daher keine extensive Anwendung von § 242 BGB zu rechtfertigen, um diese gesetzgeberische Entscheidung – zudem über den Einzelfall – rückgängig zu machen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 49).

Die Klägerin handelt mithin nicht missbräuchlich, wenn sie, nachdem sie von ihrem Widerrufsrecht Kenntnis erlangt hat, eine mittlerweile eingetretene Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Anlass nimmt, sich durch Widerruf von dem Vertrag zu lösen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 47). Gestaltungsrechte werden typischerweise nur dann ausgeübt, wenn sich der Berechtigte davon Vorteile, insbesondere Vermögensvorteile verspricht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 21.7.2015 - 6 U 41/15, Rn. 64, juris). Insofern ist es ohne weiteres legitim, das Widerrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen geltend zu machen (OLG Frankfurt, Urteil vom 27.01.2016 - 17 U 16/15, Rn. 35, juris).

III.

Die Kostenentscheidung war aufgrund der Entscheidung durch Teilurteil der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die für die vorliegende Entscheidung maßgebliche Rechtsfrage, ob bei Verbrauchgeschäften eine so genannte Sammelwiderrufsbelehrung über finanzierte Verbundgeschäfte und ggf. unter welchen Umständen des Einzelfalls gegen das Gebot der Deutlichkeit der Widerrufsbelehrung verstößt, wenn tatsächlich kein Verbundgeschäft vorliegt, ist, soweit es sich – wie im vorliegenden Fall – nicht um eine offen gelassene Ankreuzoption handelt, ist eine Frage, die bislang ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, die sich in zahlreichen Verfahren stellt und deren Beantwortung mit den tragenden Gründe der vorliegenden Entscheidung von den tragenden Rechtsauffassungen in Entscheidungen gegenteiliger Beantwortung durch andere Oberlandesgerichte (insbesondere im Urteil des OLG München vom 9.11.2015 – 19 U 4833/14, Rn. 39-45, zit. n. juris) abweicht.