Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 16.11.2016, Az.: 3 U 31/16

Haftung der Gemeinde für Schäden durch einen Abwasserrückstau aufgrund einer Verwurzelung des Regenwasserkanalrohrs

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
16.11.2016
Aktenzeichen
3 U 31/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 29601
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2016:1116.3U31.16.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 24.08.2017 - AZ: III ZR 574/16

Fundstellen

  • Gemeindehaushalt 2017, 20
  • NordÖR 2017, 155-156

Amtlicher Leitsatz

1. Verpflichtet die gemeindliche Satzung die Grundstückseigentümer, Vorkehrungen gegen einen Abwasserrückstau zu treffen, sind auch Rückstauschäden, die auf die Verwurzelung eines Regenwasserkanalrohrs zurückzuführen sind, nicht vom Schutzzweck der Amtspflicht der Gemeinde zur Verhinderung solcher Verstopfungen umfasst, wenn die Grundstückseigentümerin keine Vorkehrungen gegen einen Rückstau ergriffen hat und ein solcher Rückstau beim Einbau einer Rückstausicherung vermieden worden wäre.

2. Die Gemeinde haftet auch nicht wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gem. § 823 Abs. 1 BGB, wenn die Grundstückseigentümerin durch die gemeindliche Satzung gehalten ist, sich gegen Rückstauschäden zu sichern und es zu einem Rückstauschaden durch den Wurzeleinwuchs eines auf einem kommunalen Grundstück wachsenden Baums in die Regenwasserkanalisation kommt, der bei Einbau einer solchen Rückstausicherung vermieden worden wäre (entgegen OLG Nürnberg, Urteil vom 25.07.2007 - Az.: 4 U 67/07).

3. Der Eigentümer eines mit Bäumen bewachsenen Grundstücks ist ohne konkrete Anhaltspunkte nicht verpflichtet, zu untersuchen, ob die Wurzeln der auf seinem Grundstück wachsenden Bäume in die Kanalisation eingedrungen sind oder einzudringen drohen.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 08.04.2016 teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.

Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 08.04.2016, soweit es aufrechterhalten bleibt, und dieses Urteil sind für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.315,06 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz eines ihr infolge eines Rückstaus in der Regenwasserkanalisation entstandenen Schadens in Anspruch.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hauses auf dem Grundstück B...-ring 57 in K.. Das Hausgrundstück ist an die städtische Schmutz- und Regenwasserkanalisation angeschlossen.

Nach der Abwassersatzung der Beklagten ist der Grundstückseigentümer verpflichtet, sich selbst gegen den Rückstau des Abwassers aus den öffentlichen Abwasseranlagen zu schützen.

Das Hausgrundstück der Klägerin verfügt unstreitig über keine Rückstausicherung für den Regenwasserkanalanschluss.

Durch Einwüchse von Wurzeln eines Kastanienbaums kam es zu einer starken Einschränkung der hydraulischen Leistungsfähigkeit des Regenwasserkanals der Beklagten.

Der Kastanienbaum befindet sich auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden und an das Grundstück der Klägerin angrenzenden Wendeplatz.

In der Nacht vom 05.07.2012 auf den 06.07.2012 traten starke Regenfälle auf, die die Regenwasserkanalisation infolge ihrer eingeschränkten hydraulischen Leistungsfähigkeit nicht mehr aufnehmen und ableiten konnte. Als Folge kam es zu einem Rückstau in der öffentlichen Regenwasserkanalisation und in der Kanalisation der Klägerin. Durch diesen Rückstau trat Wasser aus dem Bodenlauf der Außentreppe zum Keller aus und der Keller der Klägerin wurde überflutet.

Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Ersatz der ihr angeblich durch den Rückstau entstandenen Schäden in Anspruch.

Das Landgericht Braunschweig hat die Beklagte mit Urteil vom 08.04.2016 (Bl. 389 ff. d. A.) verurteilt, an die Klägerin 15.315,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.08.2012 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 15.315,06 EUR aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht eines Grundstückseigentümers habe.

Die Beklagte sei Grundstückseigentümerin der Fläche, auf dem sich die Kastanie befinde, deren Wurzeln den Niederschlagsanschlusskanal unstreitig so verstopft hätten, dass die hydraulische Leistungsfähigkeit eingeschränkt gewesen und der streitgegenständliche Rückstau entstanden sei. Die Beklagte sei daher wie jeder Grundstückseigentümer verpflichtet, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und zumutbar seien, um eine vom Grundstück ausgehende Schädigung Dritter möglichst zu verhindern.

Die Beklagte habe diese Verkehrssicherungspflichten schuldhaft verletzt. Denn sie habe es unterlassen, sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter das Kanalsystem im Bereich von Bäumen so regelmäßig überprüften, dass die hydraulische Leistungsfähigkeit des Kanalsystems an dieser Stelle nicht durch Wurzelwerk derart eingeschränkt sei, dass das anfallende und zu erwartende Niederschlagswasser nicht mehr abfließen könne. Derart regelmäßige Kontrollen seien auch möglich und zumutbar. Der Einwand der Beklagten in diesem Zusammenhang, dass auch jährliche Kontrollen eine Einwurzelung in dieser Größenordnung nicht hätten verhindern können, verfange nicht. Denn zum einen hätte die Beklagte, um Schaden von Dritten durch die Verwurzelung abzuwenden, diese noch häufiger kontrollieren und bei Verwurzelung freifräsen müssen. Dies sei der Beklagten auch zumutbar, weil eine entsprechende Kontrolldichte nur in den Bereichen erforderlich sei, in denen sich Bäume derart auf den Grundstücken der Beklagten befinden würden, dass sie bekanntermaßen in das Kanalsystem einwurzeln würden. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die Beklagte bessergestellt sein solle, als andere Grundstückseigentümer, die auch verpflichtet seien, einen Schaden an fremden Rechtsgütern durch Wurzeln der auf ihrem Grundstück stehenden Bäume durch regelmäßige Kontrollen in Bezug auf bekannte Gefahrenquellen zu verhindern. Zum anderen hätte die Beklagte auch die Möglichkeit gehabt, Bäume in diesem Bereich zu entfernen, um einer entsprechenden Verwurzelung vorzubeugen. Die Spül- und Fräsearbeiten am streitgegenständlichen Kanalstück im Dezember 2013 und August 2014 hätten gezeigt, dass bei einer Kontrolle in diesen Abständen die Verwurzelung des Kanalstücks nicht so stark gewesen sei wie am 06.07.2012. Da sich trotz des Abstandes von 17 Monaten zwischen den Fräsearbeiten am streitgegenständlichen Kanalstück keine derartige Verwurzelung gebildet habe, wie sie noch am 06.07.2012 vorgelegen habe, sei davon auszugehen, dass die Beklagte das Kanalstück nicht jährlich in ausreichender Gründlichkeit überprüft habe. Die von der Beklagten vorgetragenen jährlichen Rattenbekämpfungsmaßnahmen unter Öffnung des Kanals hätten demnach nicht ausgereicht, um starke Verwurzelungen auszumachen. Es könne daher auch dahinstehen, ob es technische Vorgaben dazu gebe, wie oft ein Kanalsystem zu überprüfen sei. Es sei jedenfalls so regelmäßig auf Verwurzelung zu überprüfen, wie es erforderlich sei, um Schaden von Dritten abzuwenden, sofern diese Kontrolldichte zumutbar sei, was vorliegend der Fall gewesen sei.

Wegen des Rückstaus und des Umstandes, dass die Verwurzelung hierfür unstreitig die Ursache gewesen sei, stehe fest, dass die Beklagte das streitgegenständliche Kanalstück nicht mit der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt durch ihre Mitarbeiter habe überprüfen lassen.

Die Rechtsgutverletzungen bei der Klägerin seien auch kausal durch die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten verursacht worden. Bei einer pflichtgemäßen Kontrolle durch die Beklagte wäre die starke Verwurzelung im streitgegenständlichen Kanalstück rechtzeitig entdeckt und beseitigt worden. Der Haftung der Beklagten stehe auch der Schutzzweck der Norm nicht entgegen. Zwar werde eine Haftung von Gemeinden für einen Rückstau trotz Vorliegens einer objektiven Pflichtverletzung dann verneint, wenn die gegen einen Rückstau zu treffenden Maßnahmen von Hauseigentümern - wie vorliegend - auch in unzureichender Form vorgenommen werden würden. Diese Fälle seien jedoch insofern anders gelagert, als dass der Vorwurf gegenüber den Gemeinden unmittelbar aus dem auf dem Kanalanschluss beruhenden öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis herrühre. Vorliegend würden der Beklagten aber nicht eine Unterdimensionierung der Kanalisation und auch keine eklatante Verringerung der bis dahin vorhandenen Kapazität des Kanalnetzes vorgeworfen. Vielmehr sei hier von der Beklagten eine außerhalb dieses öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnisses liegende Gefahrerhöhung durch Belassen der Kastanie und nicht ausreichende Wurzelbeseitigung bei derselben geschaffen worden. Es sei kein Grund ersichtlich, die Beklagte im Hinblick auf ihre Pflichten als Grundstückseigentümerin besser zu stellen als andere nicht öffentlich-rechtliche Grundstückseigentümer, die auch verpflichtet seien, Gefahren durch Verwurzelungen, die von in ihrem Eigentum stehenden Bäumen ausgehen würden, zu beseitigen.

Ausweislich der Rechnungsaufstellung in der Anlage K 14 habe die Klägerin für die zur Beseitigung der Schäden an der Bausubstanz erforderlichen Materialien von insgesamt 2.566,69 € aufgewandt. Nach den Rechnungen im Anlagenkonvolut K6 seien im Zusammenhang mit der Entsorgung der beschädigten/zerstörten Materialien sowie durch das Neutapezieren, Malern, Sanieren und Herrichten der Kellerräume entsprechend dem Zustand vor dem Schadensereignis sowie Trocknungsmaßnahmen weitere Kosten in Höhe von insgesamt 30.520,57 € entstanden. Die Beklagte bestreite die Erforderlichkeit dieser Aufwendungen mit Nichtwissen. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin zu der Schadensaufstellung jeweils Rechnungen, Quittungen und das Schadensgutachten der Hausratversicherung sowie Lichtbilder zu den Schäden im Keller vorgelegt und den Zustand des Kellers vor dem Schadensereignis durch Lichtbilder belegt und zu der Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten in Bezug auf die Beseitigungsmaßnahmen weiter vorgetragen habe, reiche ein einfaches Bestreiten mit Nichtwissen nicht mehr aus. Denn anhand der Lichtbilder sei erkennbar, wie der Zustand der Kellerräume vor dem Schadensereignis gewesen sei und wie er nach dem Wassereintritt ausgesehen habe. Aufgrund des Konvoluts der eingereichten Rechnungen, Gutachten und Lichtbilder sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die geltend gemachten Maßnahmen und Materialien sämtlich zur Beseitigung der durch das aus der Kanalisation hochgestiegene Wasser verursachten Schäden erforderlich gewesen seien.

Bei den Schäden der Klägerin seien allerdings bei den Maßnahmen, die das Inventar im Keller erneuert hätten, noch Abzüge "neu für alt" aufgrund des nunmehr neuen Kellerausbaus gegenüber des alten, bereits abgenutzten Zustands vorzunehmen. Diese sogenannten "neu für alt"-Abzüge nehme das Gericht im Rahmen der Schadensschätzung mit 10 % vor, sodass sich diesbezüglich eine Schadenssumme von 22.114,28 € ergebe.

Für die anderen Schadenspositionen sei ein solcher Abzug nicht vorzunehmen, weil es sich bei diesen Maßnahmen um Schadensbeseitigungsmaßnahmen handele, die sich nicht werterhöhend auswirken würden. Der Klägerin seien damit ersatzfähige Schäden in Höhe von 30.630,12 € entstanden.

Die Klägerin müsse sich ein hälftiges Mitverschulden gemäß § 254 BGB anrechnen lassen. Denn die insoweit beweisbelastete Beklagte habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beweisen können, dass der Einbau einer Rückstausicherung, wie sie auch in der Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten vorgeschrieben sei, den Schaden verhindert hätte. Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Sch. habe der Bodenablauf im Tiefpunkt des außen liegenden Treppenabgangs in den Keller unter der Rückstauebene gelegen. Nach den nachvollziehbaren und plausiblen Berechnungen und Ausführungen des Sachverständigen, denen sich das Gericht vollumfänglich anschließe, hätte eine den Regeln der Technik entsprechende Rückstausicherung das Einlaufen des Wassers in den Keller der Klägerin verhindert. Wenn aber die Klägerin durch zumutbare Vorkehrungen im Rahmen ihrer ohnehin bestehenden Obliegenheit den Schadenseintritt hätte verhindern können, so sei die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts in gleichem Umfang für den Schadenseintritt verantwortlich wie die Beklagte.

Auch die sonstigen Einwände der Klägerin, dass sie zu dem Einbau einer solchen Rückstausicherung nach dem aktuellen Stand der Technik im Zeitpunkt des Einbaus nicht verpflichtet gewesen sei, griffen nicht durch.

Der Anspruch aus § 823 BGB könne als allgemeiner Schadensersatzanspruch auch nicht einseitig durch einen einfachen Haftungsausschluss in einem öffentlich-rechtlichen Anschlussverhältnis durch § 12 Abs. 1 der Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten mit ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Urteil des Landgerichts Braunschweig ist der Beklagten am 12.04.2016 zugestellt worden. Gegen das Urteil hat die Beklagte am 26.04.2016 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 20.07.2016 begründet.

Zur Berufungsbegründung hat die Beklagte zunächst auf ihren erstinstanzlichen Vortrag einschließlich der dortigen Beweisantritte Bezug genommen.

Des Weiteren hat die Beklagte vorgetragen, dass das Urteil insoweit angegriffen werde, als das Landgericht seine Entscheidung auf nicht unstreitigen Sachvortrag bzw. auf nicht belegbare Annahmen bezüglich einer Verletzung der der Beklagten obliegenden Kontrollpflichten bezüglich des streitgegenständlichen Kanalstücks und der Kausalität der angeblichen Pflichtverletzungen stütze. Bezüglich einer Haftung der Beklagten wegen Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten weise das Landgericht zur Begründung seiner Entscheidung darauf hin, dass es unterlassen worden sei, im gebotenen Umfang regelmäßig das Kanalsystem daraufhin zu überprüfen, ob die hydraulische Leistungsfähigkeit des Kanals nicht durch Wurzelwerk eingeschränkt sei. Derartige Kontrollen seien möglich und zumutbar. In diesem Zusammenhang übergehe das Landgericht den Vortrag der Beklagten, wonach bestimmte Kontrollmaßnahmen routinemäßig durchgeführt und wonach weitergehende Kontrollen als die, die vorgetragen und unter Beweis gestellt worden seien, auch aufgrund technischer Vorgaben nicht erforderlich gewesen seien. Diesem Vortrag und den Beweisantritten, die auch in 2. Instanz ausdrücklich von der Beklagten aufrechterhalten werden würden, hätte das erstinstanzliche Gericht nachgehen müssen. Wenn das Landgericht postuliere, dass regelmäßige Kontrollen auch möglich und zumutbar gewesen seien, bleibe es eine ausreichende Begründung für diese Annahme schuldig. Welche Kontrollmaßnahmen konkret von der Beklagten bezogen auf die spezielle Situation vor dem Grundstück der Klägerin erforderlich gewesen seien, werde weder von der Klägerin noch von der Beklagten dargelegt. Die Forderung des Landgerichts laufe im Ergebnis darauf hinaus, dass derartige Kontrollen so gestaltet sein müssten, dass das Kanalsystem nicht durch Wurzelwerk eingeschränkt werden könne, so dass das anfallende Niederschlagswasser nicht mehr abfließen könne. Ein solches "Anforderungsprofil" sei in keiner Weise hinreichend konkret und könne daher nicht zur Definition des der Beklagten obliegenden Pflichtenkreises dienen. Da das Landgericht insoweit nicht über die entsprechende technische und fachliche Sachkunde verfüge, hätte es anhand eines Sachverständigengutachtens feststellen und ermitteln müssen, welche konkreten Pflichten, insbesondere hinsichtlich der Kontrolldichte, die Beklagte grundsätzlich bezogen auf die spezielle Situation vor Ort getroffen hätten, um dann anhand des so ermittelten einzelnen Standards feststellen zu können, ob eine Unterschreitung desselben und damit eine Pflichtverletzung gegeben sein könnte.

Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass allein der Umstand, dass sich Bäume auf den Grundstücken der Beklagten befinden würden, nicht zur Definition des Pflichtenkreises herangezogen werden könne. Das Einwuchsverhalten von Baumwurzeln in Kanalisationen sei von verschiedenen Faktoren, die auch von Baumart zu Baumart unterschiedlich sein könnten, abhängig. Allein der Umstand, dass Baumbestand vorhanden sei, rechtfertige nicht die Forderung nach einer erhöhten Kontrolldichte. Nicht hinreichend begründet sei auch die Annahme des Gerichts, Kontrollen - wenn sie denn durchgeführt worden wären - hätten Handlungsbedarf ergeben. Auch für eine solche Annahme habe dem Landgericht die hinreichende Sachkunde gefehlt, so dass auch dies durch Einholung eines Gutachtens weiter hätte aufgeklärt werden müssen.

Auch die Auffassung des Landgerichts, dass die Erwägungen, die wegen des Fehlens der Rückstausicherung zu Recht bezüglich möglicher Ansprüche aus § 2 Abs. 1 S. 1 Haftpflichtgesetz, aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG bzw. aus dem öffentlich-rechtlich Nutzungsverhältnis zu einem Anspruchsausschluss geführt hätten, nicht auf die Ansprüche wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung zu übertragen seien, sei nicht haltbar. Das Landgericht stelle lediglich auf den Aspekt ab, dass kein Grund ersichtlich sei, die Beklagte besser zu stellen als andere Grundstückseigentümer. Mit diesem Argument den nach der Rechtsprechung des BGH bei fehlender Rückstausicherung gegebenen Wegfall einer Haftung nur für die vorgenannten Ansprüche anzunehmen, diesen aber für den konkurrierenden Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 BGB zu verneinen, sei nicht tragfähig. Insoweit verkenne das Landgericht, dass es nicht auf die Person des vermeintlichen Schädigers ankommen könne, sondern dass die Bewertung, die nach der Rechtsprechung des BGH zum Wegfall der Haftung wegen fehlender Rückstausicherung führe, darin ihre Rechtfertigung finde, dass sich der Anschlussnehmer vorwerfbar nicht ausreichend gegen die sich aus dem Kanalnetz ergebende Rückstaugefahr sichere. Genauso wie eine Kommune als Betreiber eines Kanalisationsnetzes würde auch ein Privater als Betreiber eines solchen bei fehlender Rückstausicherung wegen des damit begründeten Anspruchswegfalls nicht haften. Die Differenzierung zwischen privater und öffentlicher Hand könne daher kein belastbares Entscheidungskriterium sein. Darüber hinaus lasse das Landgericht außer Betracht, dass nicht der Umstand, dass auf dem Grundstück der Beklagten Baumbestand vorhanden gewesen sei, zu dem Rückstau geführt habe, sondern dass das Haus der Klägerin mit dem Kanalnetz verbunden gewesen sei. Vorsorglich werde beantragt, bezüglich dieser Frage die Revision zuzulassen.

Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 08.04.2016 - 7 O 2424/12 - teilweise abzuändern und die Klage vollends abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen;

die Revision zuzulassen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1. Wie das Landgericht bereits in seiner Entscheidung vom 08.04.2016 zutreffend festgestellt hat, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Leistung von Schadensersatz in Höhe von 15.315,06 EUR gegen die Beklagte gem. § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG.

Die Wirkungshaftung gem. § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG greift bei Rückstauschäden nicht ein.

Gem. § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG ist der Inhaber einer Anlage, wenn durch die Wirkungen von Elektrizität, Gasen, Dämpfen oder Flüssigkeiten, die von einer Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der bezeichneten Energien oder Stoffe ausgehen, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Zu den Anlagen im Sinne dieser Vorschrift gehört auch das aus einem Rohrleitungssystem bestehende städtische Kanalisationsnetz mit den Rohren zu den angeschlossenen Grundstücken (vgl. Urteil des BGH vom 07.07.1983, Az.: III ZR 119/82). Die Vorschrift normiert im Bereich der Wasserrohrleitungen eine verschuldensunabhängige Haftung aber nur für Schäden, die auf die Wirkungen des von der Anlage ausgehenden Wassers zurückzuführen sind, nicht auch für Schäden, die ihren Grund darin haben, dass in der Anlage einer Rückstau entsteht, der sich innerhalb des Rohrsystems fortsetzt und durch die Anlage in ein Haus hineinwirkt (vgl. Urteil des BGH, a. a. O.; Beschluss des BGH vom 30.07.1998, Az.: III ZR 263/98). Haftungsvoraussetzung gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG ist, dass sich gerade die mit dem konzentrierten Transport des Wassers in einer Rohrleitung oder mit der Abgabe des Wassers typischerweise verbundene besondere Betriebsgefahr verwirklicht, die den gesetzgeberischen Grund für die Einbeziehung auch solcher Anlagen in den Tatbestand des früheren § 1 a HaftPflG bildete (vgl. Urteil des BGH vom 06.06.1991, Az.: III ZR 149/90).

Eine solche typische Gefahr hat sich im vorliegenden Fall nicht verwirklicht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es aufgrund der Verwurzelung des Regenwasserkanalrohrs zu einem Rückstau und einer Überschwemmung des Kellers der Klägerin gekommen ist. Die Überschwemmung ist demnach nicht auf den konzentrierten Transport von Wasser durch den Regenwasserkanal zurückzuführen, sondern darauf, dass die Leitung infolge der Verstopfung das Wasser nicht mehr aufgenommen und sich ein Rückstau gebildet hat.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG oder aus dem auf dem Kanalanschluss beruhenden öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis gegen die Beklagte.

Die Sammlung und Beseitigung der Abwässer in einer Gemeinde ist eine öffentliche Einrichtung und obliegt der Gemeinde als hoheitliche Aufgabe (vgl. Wöstmann, in: Staudinger, BGB, 2013, § 839, Rdnr. 711). Für Fehler bei der Planung, der Herstellung und dem Betrieb einer solchen Anlage hat die Gemeinde daher nach Amtshaftungsgrundsätzen einzustehen (vgl. Wöstmann, a. a. O.). Trotz Vorliegens einer objektiven Pflichtverletzung der Gemeinde in Form der Unterdimensionierung des Kanalnetzes kommt ein Amtshaftungsanspruch bzw. Schadensersatzanspruch aus dem auf dem Kanalanschluss beruhenden öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis des Hauseigentümers wegen eines Rückstauschadens jedoch nicht in Betracht, wenn die vom Hauseigentümer gegen einen möglichen Rückstauschaden nach der gemeindlichen Satzung zu treffenden Vorkehrungen unzureichend waren und der eingetretene Schaden insoweit außerhalb des Schutzbereichs der von der Gemeinde verletzten Pflichten liegt (vgl. Beschluss des BGH vom 30.07.1998, Az.: III ZR 263/96). Die sich daraus ergebende Haftungsbegrenzung gilt nicht nur für Schäden, die auf eine mangelhafte Dimensionierung des Kanalsystems zurückzuführen sind (vgl. Urteil des OLG Köln vom 30.08.2001, Az.: 7 U 29/01; Urteil des OLG Köln vom 21.01.2015, Az.: I-16 U 99/14; Urteil des OLG Celle vom 08.07.2004, Az.: 14 U 3/04). Denn die Satzungsnorm, die den Anschlussnehmern den Einbau einer Rückstausicherung zur Pflicht macht, soll sie gerade vor allen Schäden bewahren, nicht vor einem Rückstau aus bestimmter Ursache (vgl. Urteil des BGH vom 30.09.1982, Az.: III ZR 110/81; Urteil des OLG Köln vom 30.08.2001, a. a. O.; Urteil des OLG Köln vom 21.01.2015, a. a. O.). Daher werden auch Rückstauschäden durch fehlerhafte Kanalarbeiten nicht vom Schutzzweck der Amtspflicht einer Gemeinde umfasst, denn im Grundsatz ist der Grundstückseigentümer selbst verpflichtet, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sein Anwesen gegen einen Rückstau bis zur Rückstauebene zu sichern (vgl. Urteil des OLG Köln vom 21.01.2015, a. a. O.).

Soweit vereinzelt die Auffassung vertreten worden ist, dass eine Einschränkung des durch die Amtshaftung gewährten Vermögensschutzes nur bei Schadensersatzansprüchen in Betracht komme, die allein auf einer unzureichenden Herstellung oder Wartung der Kanalisationsanlage beruhen würden (vgl. Urteil des OLG Saarbrücken vom 21.06.2005, Az.: 4 U 197/04), überzeugt diese Auffassung nicht. Denn eine Differenzierung nach Art der Ursache des Rückstaus sieht die hier einschlägige Satzungsnorm nicht vor. Der Anschlussnehmer ist daher auch bei einem Rückstau aufgrund anderer Ursachen nicht als schutzwürdig anzusehen, weil er aufgrund der Satzungsnorm unschwer zu erkennen vermag, dass er sich gegen jeden Rückstau bis zur Rückstauebene zu sichern hat, die durch den Regeln der Technik entsprechende Sicherungseinrichtungen vermieden werden können.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin unstreitig keine Rückstausicherung in den Regenwasserkanal einbauen lassen und damit gegen ihre sich aus der Satzung der Beklagten ergebende Verpflichtung zur Sicherung ihres Grundstücks vor einem Rückstau von Abwässern verstoßen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Rückstauschäden der Klägerin nicht von dem Schutzbereich der von der Beklagten bei Betrieb der Abwasseranlage zu beachtenden Amtspflichten umfasst werden.

3. a.) Ein Anspruch der Klägerin besteht entgegen der Auffassung des Landgerichts Braunschweig auch nicht gem. § 823 Abs. 1 BGB.

Derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. Urteil des BGH vom 02.10.2012, Az.: VI ZR 311/11). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. Urteil des BGH vom 02.10.2012, Az.: VI ZR 311/11). Voraussetzung ist daher, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl. Urteil des BGH vom 03.02.2004, Az.: VI ZR 95/03). Der Eigentümer eines Grundstücks hat im Rahmen des Möglichen dafür zu sorgen, dass von den dort stehenden Bäumen keine Gefahr für andere ausgeht, der Baumbestand vielmehr so angelegt ist, dass er im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch und Windwurf, insbesondere auch gegen Umstürzen aufgrund fehlender Standfestigkeit gesichert ist (vgl. Urteil des BGH vom 08.10.2004, Az.: V ZR 84/04). Zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht ist grundsätzlich eine in regelmäßigen Abständen durchzuführende äußere Sichtprüfung ausreichend, wenn keine Umstände vorliegen, die der Erfahrung nach auf eine besondere Gefährdung hindeuten (vgl. Urteil des OLG Brandenburg vom 18.10.2007, Az.: 5 U 174/06; Urteil des OLG Koblenz vom 14.02.2001, Az.: 1 U 1161/99). Der Verkehrssicherungspflichtige haftet daher z. B. nicht für die durch einen umstürzenden Baum verursachten Schäden, wenn die Ursache des Umsturzes, etwa eine Wurzelfäule, im Rahmen einer Sichtkontrolle in belaubtem und unbelaubtem Zustand nicht erkennbar war, und Defektsymptome wie geringe Kronenbelaubung, Totholz und fehlende Zuwachsstreifen noch nicht auf eine Erkrankung des Baumes schließen ließen und Anlass zu einer näheren Untersuchung gaben (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 15.04.2010, Az.: 6 U 160/09). Auch bei einer eintretenden Verstopfung des Regenabflussrohres durch von dem Nachbargrundstück eingedrungene Baumwurzeln liegt keine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Baumhalters vor, weil ein Wurzeleinwuchs nur bei entsprechender Vorschädigung der Rohrleitung möglich ist, so dass ein etwaiger Rohrschaden für den Baumhalter ohne konkrete, dahingehende Anhaltspunkte nicht vorhersehbar ist (vgl. Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.06.2007, Az.: I-22 U 6/07).

Da im vorliegenden Fall nicht vorgetragen worden ist, dass die Beklagte bei den ihr als Eigentümerin der streitgegenständlichen Kastanie obliegenden Sichtkontrollen oder aufgrund sonstiger konkreter Anhaltspunkte hätte feststellen können und müssen, dass die Wurzeln der Kastanie in die Regenwasserkanalisation eingedrungen waren bzw. einzudringen drohten, liegt keine Verkehrssicherungspflichtverletzung vor. Die Beklagte war im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht für den streitgegenständlichen Baum auch nicht gehalten, den Regenwasserkanal auf Wurzeleinwuchs zu untersuchen, weil Baumwurzeln nicht zwangsläufig zu einer Beschädigung von Abwasserkanälen führen.

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass Bäume, wenn sie eine bestimmte Größe überschreiten würden, den im Erdreich gelegenen Kanalanlagen gefährlich werden können, reicht diese bloße Möglichkeit einer Gefährdung nicht aus, um von einer naheliegenden Gefahr für den Regenwasserkanal auszugehen. Die Beklagte war daher nicht zu besonderen Kontrollen verpflichtet. Die Beklagte hat daher ihre Verkehrssicherungspflichten im Hinblick auf die auf ihrem Grundstück befindliche Kastanie nicht verletzt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der der Beklagten obliegenden Kontrollpflicht für den Regenwasserkanal. Denn diese Kontrollpflicht oblag der Beklagten nicht im Rahmen ihrer Pflichten als Baumeigentümerin, sondern Betreiberin der Abwasseranlage. Die Verletzung dieser Kontrollpflicht kann daher nicht zu einer erweiterten Haftung der Beklagten führen.

b.) Selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, dass die Beklagte im Rahmen ihrer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht den Regenwasserkanal auf eindringende Wurzeln der auf ihrem Grundstück befindliche Kastanie hätte untersuchen müssen, könnte die Klägerin keinen Ersatz der ihr durch den Rückstau entstandenen Schäden verlangen.

Ein Verkehrssicherungspflichtiger hat in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. Urteil des BGH vom 24.07.2014, Az.: III ZR 550/03). Die Eigenverantwortlichkeit des Geschädigten gebietet es u. a. auch, dass zumutbare Vorkehrungen gegen Rückstau von Wasser durch den Eigentümer eines Grundstücks zu treffen sind (vgl. Hager, in: Staudinger, BGB, 2009, § 823, E 32). So gilt der Ausschluss der Haftung für Rückstauschäden z. B. auch gegenüber der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht eines privaten Bauunternehmers, der im Auftrag der Gemeinde Kanalarbeiten durchführt (vgl. Urteil des OLG Köln vom 21.01.2015, Az.: I-16 U 99/14; Urteil des OLG Karlsruhe vom 16.03.2000, Az.: 19 U 231/98).

Da die Klägerin hier nach der gemeindlichen Satzung gehalten war, sich gegen Rückstauschäden durch Einbau einer Rückstausicherung zu schützen, hätte sie sich rechtzeitig auf die mit einem Rückstau der hier vorliegenden Art verbundenen Gefahren einrichten können. Die Satzung differenziert insoweit auch nicht danach, worauf der Rückstau zurückzuführen ist. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung liegt daher nicht vor.

Soweit das OLG Nürnberg in seinem Urteil vom 25.07.2007 (Az.: 4 U 67/07) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gemeinde wegen der außerhalb des Nutzungsverhältnisses liegenden Gefahrerhöhung in Form des Setzens oder Belassens eines Baumes für den Schaden durch Verstopfung eines Abwasserkanals durch Wurzelwerk eines auf der Gemeindegrenze stehenden Baumes verantwortlich zu machen sei, weil sie nicht bessergestellt werden dürfe als andere Grundstückseigentümer, überzeugt dieses Ergebnis nicht. Denn das OLG Nürnberg setzt sich bereits nicht mit der Frage auseinander, welche Verkehrssicherungspflichten einem Grundstückseigentümer im Hinblick auf das Wurzelwachstum seiner Bäume obliegen, und warum der Grundstückseigentümer, der sich nicht gegen die ihm erkennbare Gefahr eines Rückstaus im Rahmen der ihm obliegenden Pflichten schützt, von dem Schutzzweck der privaten Verkehrssicherungspflicht umfasst sein sollte. Das OLG Nürnberg berücksichtigt das Fehlen einer Rückstausicherung nur im Rahmen des Mitverschuldens, obwohl eine Verkehrssicherungspflicht nur besteht, soweit die Gefahr für den Betroffenen nicht erkennbar ist und er sich nicht rechtzeitig hierauf einzurichten vermag. Eine solche Erkennbarkeit und die Möglichkeit, sich dagegen zu schützen, waren hier jedoch aufgrund der Vorgaben der Gemeindesatzung gegeben. Es liegt daher entgegen der Auffassung des OLG Nürnberg bereits keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor.

4. Die Klägerin hat auch keinen Ausgleichsanspruch in Höhe von 15.315,06 EUR gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog.

Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (vgl. Urteil des BGH vom 12.12.2003, Az.: V ZR 180/03). Dieser Anspruch ist nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, sondern erfasst u. a. auch die Störung durch sogenannte Grobimmissionen, wie etwa Wasser (vgl. Urteil des BGH vom 12.12.2003, a. a. O.). Voraussetzung ist jedoch die Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des Grundstücks oder seines Ertrages über das zumutbare Maß hinaus (vgl. Wilhelmi, in: Erman, BGB, 14. A., § 906, Rdnr. 36). Dem Beeinträchtigten obliegt es, sein Grundstück, u. U. auch durch aufwendige Abwehrmaßnahmen zu schützen (vgl. Wilhelmi, a. a. O.).

Hier hätte die Klägerin ihr Grundstück - wie in der gemeindlichen Satzung vorgegeben - gegen Rückstauschäden durch Einbau einer Rückstausicherung schützen können. Es ist nicht erkennbar, warum ihr der Einbau einer solchen Rückstausicherung für die Regenwasserkanalisation nicht zumutbar gewesen sein sollte. Ein Ausgleich gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog kommt daher nicht in Betracht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Anders als das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung vom 25.07.2007 (Az.: 4 U 67/07) geht der Senat davon aus, dass allein das Setzen oder Belassen eines Baumes nicht dazu führen kann, dass eine Gemeinde für einen durch die Wurzeln des Baumes verursachten Rückstauschaden wegen Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht haftet. Denn den Eigentümer von Bäumen trifft keine Kontrollpflicht hinsichtlich des Umfangs und der Richtung des Wurzelwachstums, soweit keine konkreten Anhaltspunkte eine besondere Gefährdungslage nahelegen. Nach Auffassung des Senats kommt darüber hinaus eine Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht bei Rückstauschäden nicht in Betracht, die durch eine vorgeschriebene Rückstausicherung hätten vermieden werden können, weil ein Verkehrssicherungspflichtiger nur diejenigen Gefahren auszuräumen und vor ihnen zu warnen hat, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war gem. §§ 47, 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf 15.315,06 EUR festzusetzen, weil die Beklagte sich gegen die Verurteilung zur Zahlung des vorgenannten Betrages als Hauptforderung wendet.