Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.11.2016, Az.: 3 W 19/16

Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Anordnung der Bekanntmachung eines Musterverfahrensantrags im Klageregister

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
11.11.2016
Aktenzeichen
3 W 19/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 29599
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2016:1111.3W19.16.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 15.09.2016 - AZ: 5 O 2605/15

Fundstellen

  • AG 2017, 405-407
  • BKR 2017, 173-176
  • DStR 2016, 14
  • NJW 2017, 9
  • NJW-RR 2017, 302-304
  • NZG 2018, 383
  • ZIP 2017, 590-592

Amtlicher Leitsatz

1. Der Beschluss des Prozessgerichts nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG zur Bekanntmachung eines Musterverfahrensantrags im Klageregister ist auch dann nicht gem. § 252 ZPO analog anfechtbar, wenn das zugrundliegende Verfahren nicht in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes nach § 1 Abs. 1 KapMuG fällt. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke.

2. Die Beteiligten können den Aussetzungsbeschluss gem. § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG auch mit der Begründung anfechten, dass der Anwendungsbereich des KapMuG nicht eröffnet ist.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Streithelferin gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 15.09.2016 wird als unzulässig verworfen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.578,07 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen einer angeblichen fehlerhaften Anlageberatung im Hinblick auf die Beteiligung an sog. Flottenfonds in Anspruch.

Im Laufe des Rechtsstreits hat der Kläger zwei Musterverfahrensanträge unter dem 08.06.2016 mit mehreren Feststellungszielen gestellt, die Verkaufsprospekte über die Beteiligung am L. Fonds S. und L. Fonds S. II sowie eine Kurzinformation zu der Beteiligung an dem L. Fonds S. betreffen.

Die Beklagte hat der Streithelferin mit Schriftsatz vom 27.06.2016 den Streit verkündet. Die Streithelferin ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Das Landgericht Braunschweig hat unter dem 15.09.2016 beschlossen, einen Teil des Musterverfahrensantrags betreffend den Emissionsprospekt und die Kurzinformation für die Beteiligung an dem L. Fonds S. öffentlich bekannt zu machen, und den Antrag im Übrigen als unzulässig verworfen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 15.09.2016 Bezug genommen.

Der Beschluss ist der Beklagten am 26.09.2016 zugestellt worden. Gegen den Beschluss vom 15.09.2016 hat die Streithelferin am 30.09.2016 beim Oberlandesgericht sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 570 Abs. 3 ZPO die Vollziehung des Bekanntmachungsbeschlusses durch Veröffentlichung im Klageregister nach lit. A) des Beschlusses des Landgerichts Braunschweig vom 15.09.2016 auszusetzen sowie die Veröffentlichung im Klageregister rückgängig zu machen.

Die Streithelferin hat zur Zulässigkeit ihrer sofortigen Beschwerde vorgetragen, dass diese statthaft sei, weil der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG) weder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 noch Nr. 2 KapMuG eröffnet sei. Sei ein Gesetz nicht anzuwenden, könne auch eine in diesem Gesetz enthaltene Bestimmung über die Unanfechtbarkeit von Entscheidungen keine Wirkung entfalten. Eine sofortige Beschwerde sei daher gegen die einen Stillstand des Verfahrens herbeiführende Entscheidung des Landgerichts im Hinblick auf die Vorschrift des § 252 ZPO statthaft, wenn das zugrunde liegende Verfahren nicht musterverfahrensfähig sei, weil es dann nicht in den Anwendungsbereich gemäß § 1 Abs. 1 KapMuG falle und somit auch der Rechtsmittelausschluss nach § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG nicht eingreife. Der Kläger stütze seine Klage gerade darauf, fehlerhaft beraten worden zu sein, weil ihm der Prospekt nicht rechtzeitig übergeben und ihm die öffentlichen Kapitalmarktinformationen auch nicht durch den Berater zur Verfügung gestellt worden seien. Die Anwendbarkeit des KapMuG würde nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG voraussetzen, dass ein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation geltend gemacht werde. An einem solchen konkreten Bezug und somit an einer Verwendung fehle es, wenn der Kläger nicht substantiiert vortrage, dass die beanstandeten Prospektangaben Gegenstand des Vermittlungsgesprächs gewesen seien. Der Kläger stütze vorliegend seine Klage gerade darauf, dass ihm die öffentlichen Kapitalmarktinformationen nicht zur Verfügung gestellt worden seien. Der Kläger berufe sich auf eine nicht rechtzeitige Prospektübergabe. Er habe noch nicht einmal im Ansatz behauptet, dass die für die angeblichen Prospektfehler maßgeblichen Prospektpassagen im Gespräch mit dem Berater V. erörtert worden seien. Vielmehr bringe der Kläger explizit vor, dass die Inhalte des Prospekts, wie Weichkosten und Risiken, nicht besprochen worden seien. Der Kläger behaupte lediglich abstrakt, dass Herr V. sich mittels des Prospekts auf die Beratung des Klägers "vorbereitet" habe. Entsprechendes gelte für die Kurzinformation. Der Kläger trage gerade nicht vor, dass die Kurzinformation ihm übergeben worden sei bzw. in der Beratung zur Verwendung gekommen oder die in ihr enthaltenen Informationen Gegenstand des Gesprächs mit Herrn V. gewesen seien. Der Kläger erwähne lediglich abstrakt und losgelöst vom konkreten Fall, dass die Kurzinformation generell "auch zur Beratung begleitend zum Prospekt genutzt" worden sei. Der Kläger berufe sich höchstens auf eine (nicht bestehende) Verwendungsfiktion. Das KapMuG sei in solchen Fällen nicht anwendbar, weil es nicht dazu diene, dem Anleger abstrakt und völlig losgelöst vom konkreten Beratungssachverhalt eine Überprüfung angeblicher Prospektfehler zu ermöglichen. Den fehlenden Bezug der Klage zu öffentlichen Kapitalmarktinformationen könne der Kläger nicht dadurch beheben, dass er sich hilfsweise den Vortrag der Beklagten, der Prospekt sei rechtzeitig übergeben worden, zu Eigen mache. Die klägerische Hilfsbegründung müsse wegen eines Verstoßes gegen die prozessuale Wahrheitspflicht unberücksichtigt bleiben. Soweit der Kläger einerseits behaupte, der Prospekt sei ihm nicht (rechtzeitig) übergeben worden und sich andererseits den gegnerischen Vortrag hilfsweise zu eigen mache, der Prospekt sei ihm rechtzeitig übergeben worden, handele es sich um miteinander logisch und empirisch unvereinbares Vorbringen. Die Klage sei zudem im Umfang der Hilfsbegründung unzulässig, weil die Beklagte dieser Klageänderung nicht zugestimmt habe. Selbst wenn man annähme, dass der Kläger seinen Schadensersatzanspruch auf die Verwendung öffentlicher Kapitalmarktinformationen stütze, wäre das Verfahren insgesamt nicht musterverfahrensfähig, weil er dann jedenfalls auch gleichzeitig Ansprüche aus originärem Beratungsverschulden geltend mache. Ein Verfahren sei insgesamt nicht musterverfahrensfähig, wenn die Klage zumindest auch auf einen Anspruch gestützt werde, der nicht musterverfahrensfähig sei. Es werde insofern auf die Entscheidung des BGH vom 30.11.2010 (Az.: XI ZB 23/10) verwiesen. Diese Rechtsprechung habe, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergebe, der Gesetzgeber auch der Reform des KapMuG zu Grunde gelegt und damit bestätigt. Im Hinblick auf die Argumentation des BGH in der vorgenannten Entscheidung könne die durch § 5 KapMuG ausgelöste Unterbrechung des gesamten Rechtsstreits nicht anders behandelt werden als die Aussetzung nach § 8 KapMuG. Die sofortige Beschwerde sei auch begründet, weil der Anwendungsbereich des KapMuG nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Streithelferin im Schriftsatz vom 30.09.2016 Bezug genommen.

Die Streithelferin beantragt,

1. den Bekanntmachungsbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 15.09.2016 - Az. 5 O 2605/15 - aufzuheben, soweit dieser unter lit. A) den Musterverfahrensantrag des Klägers vom 08. Juni 2016 zum L. Fonds S. im Klageregister öffentlich bekannt macht, und den Musterverfahrensantrag des Klägers vom 08. Juni 2016 zum L. Fonds S. als unzulässig zu verwerfen, und

2. im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung des Bekanntmachungsbeschlusses durch Veröffentlichung im Klageregister nach lit. A) des Beschlusses des Landgerichts Braunschweig vom 15. September 2016 - Az. 5 O 2605/15- auszusetzen, sowie die Veröffentlichung im Klageregister rückgängig zu machen, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung.

Mit Beschluss vom 11.10.2016 (Bl. 425 ff. d. A.) hat das Oberlandesgericht Braunschweig den Antrag der Streithelferin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 570 Abs. 3 ZPO als zurzeit unzulässig verworfen und zur Begründung auf seine zu diesem Zeitpunkt nicht bestehende Zuständigkeit verwiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in dem vorgenannten Beschluss verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 07.10.2016 hat die Streithelferin eine Gehörsrüge gem. § 321 a ZPO erhoben und die einstweilige Einstellung der Ausführung des Beschlusses vom 15.09.2016, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung, beantragt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 07.10.2016 Bezug genommen.

Das Landgericht Braunschweig hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 18.10.2016 (vgl. Bl. 476 ff. d. A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die sofortige Beschwerde gem. § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG unzulässig sei, weil der Anwendungsbereich des KapMuG gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 KapMuG eröffnet sei.

Mit Beschluss vom 19.10.2016 (Bl. 499 ff d. A.) hat das Landgericht die Gehörsrüge der Streithelferin zurückgewiesen und eine einstweilige Einstellung der Ausführung des Bekanntmachungsbeschlusses abgelehnt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 19.10.2016 verwiesen.

II.

1. a.) Die sofortige Beschwerde der Streithelferin war gem. § 572 Abs. 2 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Der Bekanntmachungsbeschluss des Landgerichts Braunschweig ist gem. § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG unanfechtbar, so dass auch die sofortige Beschwerde von vornherein nicht eröffnet ist.

In der Literatur und Rechtsprechung wird teilweise vertreten, dass eine sofortige Beschwerde gegen die Anordnung der Bekanntmachung des Antrags statthaft sei, wenn das zugrunde liegende Verfahren nicht musterverfahrensfähig sei, weil es dann nicht in den Anwendungsbereich gem. § 1 Abs. 1 KapMuG falle und somit auch nicht der Rechtsmittelausschluss nach § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG eingreife (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 23.12.2014 - 4 Kap 1/14 -, juris; Kruis, in: Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. A., § 3, Rdnr. 122 ff.),

Nach anderer Ansicht besteht dagegen kein Anlass, die Unanfechtbarkeit des Bekanntgabebeschlusses im Hinblick auf die Neufassung des § 8 KapMuG in Frage zu stellen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 05.01.2015 - 20 Kap 1/14 -, juris; KG Berlin, Beschluss vom 16.01.2015 - 28 Kap 1/14 -, juris; OLG München, Beschluss vom 29.07.2013 - 5 W 1384/13 -, juris).

Der Bundesgerichtshof hat die Frage bislang offen gelassen (vgl. BGH, Beschluss vom 05.11.2015 - III ZB 69/14 -, juris Rdnr. 9).

Der Senat schließt sich der Auffassung an, wonach die Entscheidung des Gesetzgebers zur Unanfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses zu respektieren ist.

Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG macht das Prozessgericht einen zulässigen Musterverfahrensantrag unter der Rubrik "Klageregister nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz" (Klageregister) durch unanfechtbaren Beschluss öffentlich bekannt. Eine Einschränkung dahingehend, dass die Frage der Eröffnung des Anwendungsbereichs durch eine sofortige Beschwerde überprüfbar sein soll, enthält die Vorschrift nicht, obwohl das Prozessgericht gerade die Zulässigkeit des Musterverfahrensantrags zu prüfen und bei Verneinung der Zulässigkeitsvoraussetzungen den Antrag zu verwerfen hat.

Auch unter systematischen Gesichtspunkten ist eine Überprüfung des Bekanntmachungsbeschlusses nicht geboten. Die Zivilprozessordnung sieht für den Stillstand eines Verfahrens aus rechtlichen Gründen zwei Formen vor: Die kraft Gesetzes eintretende Unterbrechung und die vom Gericht anzuordnende Aussetzung (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 31. A., Vorbem. zu §§ 239-252, Rdnr. 1). Die Bekanntmachung führt nicht zu einer Aussetzung des Verfahrens, sondern gem. § 5 KapMuG wird mit der Bekanntmachung des Musterverfahrensantrages im Klageregister das Verfahren unterbrochen. Gegen Aussetzungsentscheidungen kann gem. § 252 ZPO sofortige Beschwerde eingelegt werden. Bei Fällen, in denen das Gericht fehlerhaft eine Unterbrechung annimmt, wird zwar nach einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht die sofortige Beschwerde als zulässiger Rechtsbehelf in analoger Anwendung von § 252 ZPO angesehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.07.2009 - 13 U 3/09 -, juris; a. A. Anders, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 7. A., Bemerkungen vor §§ 239 ff ZPO, Rdnr. 7; Greger, in: Zöller, ZPO, 31. A., Vorbem zu §§ 239 ff., Rdnr. 3, wonach durch Zwischenurteil über die Unterbrechung zu entscheiden ist). Eine Analogie setzt jedoch eine planwidrige Regelungslücke voraus (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2014 - VI ZR 345/13 -, juris Rdnr.14).

Eine solche planwidrige Regelungslücke liegt hier nicht vor.

Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 16.06.2009 (Az.: XI ZB 33/08) und vom 30.11.2010 (Az.: XI ZB 23/10) den Aussetzungsbeschluss gem. § 7 Abs. 1 S. 1 KapMuG in der Fassung bis zum 31.10.2012 gem. §§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO als anfechtbar angesehen, weil diese Vorschrift nur Verfahren erfasse, in denen ein Musterverfahrensantrag zulässigerweise gestellt werden könne. Es sei einem Kläger nicht zuzumuten, dass sein wegen fehlerhafter Anlageberatung geführter Prozess ausgesetzt werde und er unabsehbare Zeit auf das Ergebnis des Musterverfahrens warten müsse, wenn nicht feststehe, dass es auf den Ausgang des Musterverfahrens in seinem Prozess tatsächlich ankomme. Hinzu komme, dass der Anleger durch die Aussetzung erhebliche Rechtsnachteile, z. B. bei der Beweisführung, erleiden könne und kein sachlicher Grund ersichtlich sei, dass sich ein Kläger an den Kosten des Musterverfahrens zu beteiligen habe, das für seinen Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich sei.

Der Gesetzgeber hat auf diese Kritik reagiert und den Ausschluss der Anfechtbarkeit des Aussetzungsbeschlusses bei der Neufassung des § 8 KapMuG entfallen lassen. Der Gesetzgeber hat dabei in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.06.2009 (Az.: XI ZB 33/08) hingewiesen und ausgeführt, dass künftig gegen die Aussetzungsentscheidung gem. § 252 ZPO die sofortige Beschwerde stattfinde (vgl. BT-Drucksache 17/8799 S. 21). In Kenntnis dieser Rechtsprechung des BGH hat der Gesetzgeber jedoch bei der Neufassung des KapMuG an der Unanfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses festgehalten und darüber hinaus festgelegt, dass auch der Verwerfungsbeschluss zukünftig unanfechtbar sein soll. Zur Begründung hat der Gesetzgeber darauf verwiesen, dass auf diese Weise verfahrensverzögernde Zwischenstreitigkeiten über die Zulässigkeit eines Musterverfahrensantrags vermieden werden würden (vgl. BT-Drucksachen 17/8799 S. 17). Da der Gesetzgeber somit in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zur Anfechtbarkeit von Aussetzungsentscheidungen an der Unanfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses festgehalten hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass insoweit eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die durch die entsprechende Anwendung von § 252 ZPO zu schließen ist.

Auch aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes ist eine Zulassung der sofortigen Beschwerde gegen den Bekanntmachungsbeschluss nicht erforderlich.

Durch den Bekanntmachungsbeschluss wird das Verfahren nicht auf unabsehbare Zeit ohne weitere Rechtsschutzmöglichkeiten für die Beteiligten unterbrochen.

Gem. § 6 Abs. 5 KapMuG hat das Prozessgericht, den Musterverfahrensantrag durch Beschluss zurückzuweisen und das Verfahren fortzusetzen, wenn nicht seit der Bekanntmachung des jeweiligen Musterverfahrensantrags innerhalb von sechs Monaten neun weitere gleichgerichtete Anträge bekannt gemacht worden sind. Ist es zu solchen Bekanntmachungen gekommen, hat das Prozessgericht einen Vorlagebeschluss zu erlassen (§ 6 Abs. 1 S. 1 KapMuG) und nach dessen Bekanntmachung alle anhängigen oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsziele im Musterverfahren noch anhängig werdenden Verfahren auszusetzen, wenn die Entscheidung des Rechtstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt. Dieser Aussetzungsbeschluss kann - wie oben bereits dargelegt - mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, wobei die sofortige Beschwerde auch damit begründet werden kann, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes nicht eröffnet und damit das Verfahren schon gar nicht musterverfahrensfähig ist (vgl. Kruis, in: Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. A., § 8, Rdnr. 68). Ist eine sofortige Beschwerde erfolgreich, und wird der Aussetzungsbeschluss aufgehoben, trifft die Parteien dieses Verfahren gemäß § 24 Abs. 1. S. 1 KapMuG analog keine Haftung für die Kosten des Musterverfahrens (vgl. Kruis, in: Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. A., § 8, Rdnr. 69). Darüber hinaus kann bei unanfechtbaren Entscheidungen eine Gehörsrüge - wie im vorliegenden Fall - gem. § 321 a ZPO erhoben werden.

Weder der Kläger noch sonst einer der Beteiligten muss daher bis zum Ausgang des Musterverfahrens warten, um Gewissheit darüber zu erlangen, ob der Anwendungsbereich des KapMuG eröffnet ist oder nicht. Auch wird er keinen ungerechtfertigten Kostenrisiken ausgesetzt. Dagegen würde die Zulassung einer sofortigen Beschwerde gegen den Bekanntmachungsbeschluss dem auch für das Verfahren nach dem KapMuG geltenden Beschleunigungsgrundsatz zuwiderlaufen. Eine Zulassung der sofortigen Beschwerde kommt daher nicht in Betracht.

b.) Selbst wenn man jedoch die sofortige Beschwerde im vorliegenden Fall für zulässig erachten sollte, wäre die sofortige Beschwerde nicht begründet.

aa.) Der Anwendungsbereich des KapMuG ist im vorliegenden Fall eröffnet.

Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG ist das KapMuG anwendbar in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen ein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, ob eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, geltend gemacht wird. Verwendung findet eine Emissionsprospekt schon dann, wenn er den Anlagevermittlern oder -beratern als Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche dient (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 13.12.2012 - III ZR 70/12 -, juris Rdnr. 11). Erfolgt die Beratung des Anlegers auf der Basis einer solchen Unterlage, fließen etwaige Fehler des Prospekts in den Inhalt des Gesprächs mit dem Anleger ein und können so für dessen Entscheidung für die empfohlene InV.ition ursächlich werden (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 13.12.2012, a. a. O.). Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 02.06.2008 - II ZR 121/07 -, juris Rdnr. 2). Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 02.06.2008, a. a. O.).

Ausgehend von diesen Vorgaben hat der Kläger im vorliegenden Fall hinreichend zu einer Verwendung öffentlicher Kapitalmarktinformationen vorgetragen. Bei den Angaben in dem Verkaufsprospekt für den L. Fonds S. handelt es sich um öffentliche Kapitalmarktinformationen i. S. v. § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KapMuG. Auch die Informationen in der streitgegenständlichen Kurzinformation (Anlage K 15), soweit sie Gegenstand des Bekanntmachungsbeschlusses sind, sind als öffentliche Kapitalmarktinformationen i. S. v. § 1 Abs. 2 KapMuG zu werten, weil es sich um Informationen der dort genannten Art handelt, die einen Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Zu der Verwendung von diesem Prospekt hat der Kläger vorgetragen, dass der Berater Herr V. sich anhand von diesem Prospekt auf die Beratung vorbereitet und bei seiner Beratung - insbesondere zu vermeintlichen Vorteilen - Inhalte aus dem Prospekt zusammengefasst und mit eigenen Worten erläutert habe. Zu den ihm mitgeteilten Vorteilen hat der Kläger vereinzelt auf S. 7 der Klageschrift vorgetragen. Der Kläger hat ferner mit Schriftsatz vom 08.06.2016 mitgeteilt, dass sich Herr V. den Inhalt des Verkaufsprospektes in dem Beratungsgespräch am 17.01.2006 zu Eigen gemacht habe. Herr V. habe daher auch auf etwaige Prospektfehler hinweisen müssen, was er jedoch unterlassen habe. Im Hinblick auf die Kurzinformation hat der Kläger auf S. 58 seines Musterverfahrensantrages darauf hingewiesen, dass diese zur Beratung begleitend zum Prospekt benutzt worden sei. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Beschluss des Landgerichts vom 18.10.2016 Bezug genommen. Der Kläger hat damit die Tatsachen vorgetragen, die - als wahr unterstellt - als Verwendung des Emissionsprospekts zu werten sind. Der Anwendungsbereich des KapMuG ist damit eröffnet.

bb). Selbst wenn man jedoch das Vorbringen des Klägers als unsubstantiiert ansehen wollte, hat der Kläger sich hilfsweise den Vortrag zu Eigen gemacht, dass ihm der Prospekt zum L. Fonds S. rechtzeitig übergeben worden sei.

Dieser Hilfsvortrag des Klägers ist entgegen der Auffassung der Streithelferin nicht wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 ZPO als unbeachtlich anzusehen.

Im Grundsatz darf sich eine Partei gegnerischen Vortrag auch dann hilfsweise zu eigen machen, wenn dieser dem eigenen Vortrag widerspricht, solange das Verhältnis der Behauptungen zueinander klargestellt ist und nicht (objektiv) feststeht, dass die Hilfsdarstellung bewusst wahrheitswidrig abgegeben worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2015 - V ZR 63/13 - juris Rdnr. 11).

Eine bewusste Wahrheitswidrigkeit steht hier jedoch nicht fest. Der Kläger hat zwar vorgetragen, dass ihm der Emissionsprospekt erst nach dem Beratungsgespräch übergeben worden sei. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass das Hilfsvorbringen, wonach der Prospekt rechtzeitig übergeben worden sei, von dem Kläger bewusst wahrheitswidrig abgegeben worden ist. Der Kläger selbst hat insoweit auf die von ihm unterzeichnete Empfangsbestätigung verwiesen, die für eine rechtzeitige Prospektübergabe sprechen könnte. Ein bewusst unrichtiger Vortrag kann daher insoweit nicht angenommen werden, zumal die Beklagte selbst von einer Übergabe des Prospekts ausgeht und die Streithelferin sich zu dem Vorbringen der von ihr unterstützen Hautpartei nicht in Widerspruch bringen darf (§ 67 ZPO).

In diesem Hilfsvorbringen ist auch keine Klageänderung i. S. v. § 263 ZPO, sondern lediglich eine Ergänzung/Berichtigung der tatsächlichen Ausführungen gem. § 264 Nr. 1 ZPO zu sehen. Der Klagegrund wird durch das Hilfsvorbringen nicht verändert.

cc.) Soweit die Streithelferin darüber hinaus geltend gemacht hat, dass das Verfahren insgesamt nicht musterverfahrensfähig sei, weil der Kläger gleichzeitig auch Ansprüche aus originärem Beratungsverschulden geltend mache, ist die sofortige Beschwerde nicht begründet, weil das entsprechende Vorbringen des Klägers nicht Gegenstand der angefochtenen Bekanntmachung des Musterverfahrensantrages ist. Die Streithelferin hat insoweit vorgetragen, dass der Kläger u. a. geltend mache, das der Anlageberater ihn nicht über die Risiken der Anlage aufgeklärt habe und das Produkt nicht für ihn geeignet gewesen sei. Dieses Vorbringen des Klägers ist jedoch nicht Gegenstand des Bekanntmachungsbeschlusses.

Auch führt der Umstand, dass der Kläger seinen Anspruch auch auf einen Sachverhalt stützt, dem keine in einem Musterverfahren festzustellenden Tatsachen oder Rechtsfragen zugrunde liegen, nicht dazu, dass der Klageanspruch insgesamt aus dem Anwendungsbereich des KapMuG fällt (vgl. BGH, Beschluss vom 24.03.2016 - III ZB 75/15, juris Rdnr. 12; BGH, Beschluss vom 05.11.2015 - III ZB 69/14 -; juris Rdnr. 24). Die Geltendmachung einer nicht musterverfahrensfähigen Anspruchsbegründung hindert nicht die Bekanntmachung des Musterverfahrensantrags, soweit sich dieser auf eine zugleich geltend gemachte musterverfahrensfähige Anspruchsbegründung (hier: Prospektangaben) bezieht (vgl. Beschluss des BGH vom 05.11.2015, a. a. O.).

2. Mangels Zulässigkeit bzw. Begründetheit der von der Streithelferin eingelegten sofortigen Beschwerde kam auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 570 Abs. 3 ZPO nicht in Betracht.

3. Eine Kostentscheidung war nicht veranlasst, weil die Kosten des Beschwerdeverfahrens einen Teil der Kosten des Ausgangsrechtsstreits bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 05.11.2015 - III ZB 69/14 -, juris Rdnr. 25 zum Rechtsbeschwerdeverfahren).

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren war entsprechend dem gem. § 3 ZPO zu schätzenden wirtschaftlichen Interesse der Streithelferin an einer Aufhebung des Bekanntmachungsbeschlusses mit 1/5 des Ausgangsverfahrens zu bemessen (vgl. BGH, Beschluss vom 05.11.2015 - III ZB 69/14 -, juris Rdnr. 26).