Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 26.02.2003, Az.: 3 A 185/02
Beurlaubung; Bewerberüberhang; Examensvorbereitung; Rechtspfleger; Sonderurlaub; Urlaub ohne Bezüge; Volljuristen
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 26.02.2003
- Aktenzeichen
- 3 A 185/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48062
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 80d BG ND
- § 8 SUrlV ND
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Beurlaubung zur Examensvorbereitung auf das erste juristische Staatsexamen.
Sie ist Beamtin auf Lebenszeit und als Rechtspflegerin beim Amtsgericht D. beschäftigt. Einem Antrag der Klägerin ab November 1997 wegen des Beginns eines Studiums der Rechtswissenschaften ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der regelmäßigen zu reduzieren, gab der Beklagte statt.
Mit Antrag vom 26.02.2002 begehrte die Klägerin ihr für die Examensvorbereitung zwei Jahre Sonderurlaub zu gewähren. Der Beklagte lehnte dies unter Bezugnahme auf die äußerst angespannte Personalsituation bei den Rechtspflegern ab.
Nachdem der dagegen erhobene Widerspruch erfolglos geblieben war, hat die Klägerin mit folgender Begründung Klage erhoben: Ihr Anspruch auf Beurlaubung ergebe sich aus § 80 d NBG. Dienstlich Gründe stünden nicht entgegen. Die von dem Beklagten angeführte Personalenge beruhe im Wesentlichen auf einer verstärkten Inanspruchnahme der Altersteilzeit, unvorhergesehenen Elternzeiten und Versetzungen in den Ruhestand. Daraus ergäben sich für ihre Beurlaubung aber allenfalls die typischerweise mit jeder Beurlaubung verbundenen Anforderungen an die Organisation, die ihr nicht entgegengehalten werden dürften. Zudem sei es seit geraumer Zeit üblich - und auch in diesem Fall möglich - die vakante Stelle zeitlich befristet mit einem Volljuristen zu besetzen. Darüber hinaus habe sie den Beklagten bereits mit dem Antrag auf Teilzeitbeschäftigung über die Absicht, ein Jurastudium zu beginnen, unterrichtet. Die Fürsorgepflicht gebiete es, dass der Beklagte ihr nunmehr durch eine Beurlaubung ermögliche, dieses auch abzuschließen. Der dafür angesetzte Zeitraum von zwei Jahren zur Examensvorbereitung sei angemessen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 03.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Sonderurlaub unter Wegfall der Bezüge für den Zeitraum von zwei Jahren zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seiner Ansicht nach liegt schon der von § 80 d NBG geforderte Bewerberüberhang nicht vor. Er führt aus, dass zur Zeit 25 Rechtspflegerstellen in seinem Geschäftsbereich unbesetzt seien. Dieser Zahl, die sich durch Altersabgänge u.ä. noch erhöhen würde, stünden nur 20 Anwärter gegenüber. Auch könnten die befristet eingestellten Volljuristen - entgegen der Ansicht der Klägerin - im Rahmen dieser Betrachtung nicht den ausgebildeten Rechtspflegern gleichgestellt werden, da sie arbeitsintensiv eingewiesen und betreut werden müssten und selbst dann nur einen Bruchteil der Arbeit eines ausgebildeten Rechtspflegers übernehmen könnten. Ebenso wenig könne die Klägerin aus der Bewilligung der Teilzeittätigkeit im Jahre 1997 in Kenntnis der geplanten Aufnahme eines Studiums einen Anspruch auf Beurlaubung herleiten. Sein (des Beklagten) Prüfungsmaßstab sei seinerzeit auf einer Teilzeittätigkeit entgegenstehende dienstliche Belange begrenzt gewesen. Die Frage, ob es der Klägerin auch ermöglicht werden könne im Beamtenstatus das Studium zu beenden, habe er nicht zu beurteilen gehabt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Gewährung der von ihr beantragten Beurlaubung ohne Dienstbezüge noch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag.
Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 80 d Abs. 1 NBG, wonach einem Beamten mit Dienstbezügen in Bereichen, in denen wegen der Arbeitsmarktsituation ein außergewöhnlicher Bewerberüberhang besteht, auf Antrag Urlaub ohne Dienstbezüge bis zur Dauer von sechs Jahren gewährt werden kann, wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen.
Es fehlt an den tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm. Dabei kann dahinstehen, ob hinsichtlich des geforderten außergewöhnlichen Bewerberüberhangs die Zahl der ausgebildeten Rechtspfleger bzw. der in näherer Zeit die Ausbildung abschließenden Anwärter oder die Zahl der Bewerber für die Laufbahn des gehobenen Justizdienstes in den Blick zu nehmen ist. Im ersten Fall wäre bereits der außergewöhnlichen Bewerberüberhang nicht festzustellen, da nur die ausgebildeten Rechtspflegern und nicht die befristet - zur Überbrückung der Personalenge - beschäftigten Volljuristen in die Betrachtung einzubeziehen wären. Letztere sind schon deshalb nicht als Bewerber für eine Rechtspflegerstelle einzustufen, weil sie trotz Studium ohne einen 6-monatigen Vorbereitungsdienst die Laufbahnvoraussetzungen für den gehobenen Dienst nicht erfüllen (§ 27 Abs. 2 NLVO). Ein Überangebot an ausgebildeten Rechtspflegern ist erkennbar nicht vorhanden.
Selbst wenn man zugunsten der Klägerin hinsichtlich des Bewerberüberhangs auf die mutmaßlich die Zahl der Ausbildungsplätze übersteigende Anzahl der Bewerber für den Vorbereitungsdienst abstellte, würde das der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Der Gewährung der Beurlaubung stehen nämlich dienstliche Gründe entgegen. Eine angespannte Personal- und Arbeitssituation in dem betroffenen Bereich stellt - anders als die mit jeder Beurlaubung typischerweise verbundene Anforderungen an Organisation und Verwaltung - einen im Rahmen des § 80 d NBG berücksichtigungsfähigen dienstlichen Grund dar (vgl. zu dem 80 d NBG entsprechenden § 72 e BBG: Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Bd. 1, Rn. 5). Der Beklagte hat einen Personalmangel bei den Rechtspflegern substantiiert damit begründet, dass in seinem Bereich Rechtspflegerstellen zur Zeit unbesetzt seien und eine Entspannung der Situation nicht zu erwarten sei, insbesondere da auch in nächster Zeit die Zahl der Abgänge vermutlich größer sein werde als die Anzahl der die 3-jährige Ausbildung erfolgreich abschließenden Anwärter. Dieses hat die Klägerin nicht in Abrede stellen können. Das Argument, ihre Stelle könne - wie es wegen der Personalenge auch bei anderen Gerichten praktiziert werde - mit einem Volljuristen besetzt werden, ist nicht tragfähig. Dem steht nämlich der unwidersprochene, durch § 27 Abs. 2 NLVO gestützte, Einwand des Beklagten entgegen, diese verfügten nicht über die selben Fachkenntnisse, müssten deshalb arbeitsintensiv eingewiesen werden und könnten selbst dann nur einen Teil der Aufgaben eines ausgebildeten Rechtspflegers übernehmen. Selbst wenn der jetzige Dienstposten der Klägerin unter Umständen befristet von einem Volljuristen wahrgenommen werden könnte, so wäre jener - anders als die Klägerin - unstreitig nicht in der Lage, bei Bedarf vom Dienstherrn zugewiesene andere Rechtspflegeraufgaben zu übernehmen. Der Beklagte ist aber nicht verpflichtet, sich im Interesse einzelner Beamten bei deren Beurlaubung vom Dienst auf Umbesetzungen, Änderungen in der Ausbildungs- und Personalplanung oder auf sonst nicht notwendige Vertretungsregelungen verweisen zu lassen. Er darf demnach die Freistellung nicht erst dann verweigern, wenn die Leistungsfähigkeit der Verwaltung sonst ernsthaft beeinträchtigt wäre. Vielmehr genügt es, dass erkennbare Schwierigkeiten überwunden werden müssten, wie sie sich hier daraus ergeben, dass vollwertiger Ersatz nicht zur Verfügung steht.
Der Umstand, dass der Beklagte in Kenntnis der Aufnahme des Studiums der Rechtswissenschaften eine Teilzeittätigkeit der Klägerin genehmigt hat, begründet auch unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht bzw. des von der Klägerin geforderten konsequenten Handelns keinen Anspruch auf Beurlaubung. Den Antrag aus dem Jahre 1997 durfte der Beklagte nämlich - worauf er zu Recht hinweist - ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Teilzeittätigkeit entgegenstehender dienstlicher Gründe prüfen. Aus der seinerzeit getroffenen Entscheidung, dass dienstliche Gründe insoweit nicht entgegenstehen, kann - schon weil die Ermäßigung der Arbeitszeit erfahrungsgemäß auf den Dienstbetrieb andere Auswirkungen hat als ein vollständige Beurlaubung - für die nunmehr begehrte Beurlaubung nichts hergeleitet werden. Auch war der Beklagte nicht gehalten, die Klägerin bereits 1997 darauf hinzuweisen, dass eine spätere Beurlaubung nicht in Betracht käme. Zwar hat die Klägerin dem Beklagten im Rahmen des damaligen Antrages ungefragt den Grund des Begehrens - die Aufnahme eines Jurastudiums - mitgeteilt; dies begründete jedoch - unabhängig von der Frage, ob der Beklagte zu jenem Zeitpunkt die drohende Personalenge überhaupt voraussehen konnte - keine Verpflichtung zu prüfen, ob einige Jahren später eine zweijährige Freistellung der Klägerin zur Examensvorbereitung zu gewährleisten sei. Der Beklagte war nämlich nicht in der Lage abzuschätzen, wie stringent die Klägerin ihr Ziel, die Ablegung des juristischen Staatsexamens, verfolgen würde und ob dafür eine längerfristige Beurlaubung erforderlich werden könnte. Es erscheint nämlich nicht ausgeschlossen, ein Studium auch ohne komplette Freistellung zu beenden.
Die Kammer ist auch nicht zu der Auffassung gelangt, dass die Beurlaubung für die Klägerin von derart existenzieller Bedeutung ist, dass demgegenüber die dienstlichen Interessen an der Erfüllung ihrer Dienstzeitverpflichtung zurückzutreten hätten. Zwar hat ein Entlassungsantrag für die Klägerin weitreichende berufliche und unter Umständen auch finanzielle Folgen, denn ob ein Antrag auf (Wieder-)Einstellung - in den gehobenen oder in den höheren Dienst - positiv beschieden würde, lässt sich derzeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorher sagen. Sie muss sich aber entgegenhalten lassen, dass sie keinen Anspruch darauf hat, dass der Dienstherr ihr ihren derzeitigen Beamtenstatus auch während einer Ausbildung für einen anderen Beruf erhält und ihr dadurch optimale Chancen für eine spätere Rückkehr in den alten oder einen Anschlussberuf im öffentlichen Dienst verschafft. Dies ergibt sich im Gegenschluss aus § 8 SonderurlaubsVO. Danach kann nämlich Urlaub unter Wegfall der Bezüge für eine Hochschulausbildung nur dann gewährt werde, wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen und ein dienstliches Interesse für eine Beschäftigung in einer anderen Laufbahn festgestellt wird. Schon dies zeigt, dass ein genereller Vorrang der Interessen des Beamten auch unter Fürsorgepflichtgesichtspunkten nicht anzuerkennen ist.