Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 21.02.2003, Az.: 1 A 123/02
Abwasserbeitragspflicht; Entstehung; Erschließungsbeitrag; Rückwirkung; Satzung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 21.02.2003
- Aktenzeichen
- 1 A 123/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 47980
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 3 KAG ND
- § 11 KAG ND
- § 169 AO
- § 170 Abs 1 AO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Abwasserbeitragspflicht entsteht nur, wenn im Zeitpunkt der Erfüllung des Beitragstatbestandes eine wirksame Satzung vorliegt. Wird eine solche später nach Ablauf des Verjährungszeitraumes mit (zulässiger) Rückwirkung erlassen, kommt die Heranziehung eines Grundstückseigentümers nur in Betracht, wenn gegen die vor Ablauf des Verjährungszeitraumes auf der Grundlage der unwirksame Satzung ein Beitragsbescheid erlassen worden war.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin des im Außenbereich belegenen Grundstücks C. Straße Nr. J. (Flurstück K. /L. der Flur der Gemarkung M.) in G.. Das Grundstück wurde 1996 an die Schmutzwasserkanalisation der Beklagten angeschlossen und der Anschluss am 16.10.1996 abgenommen.
Durch Bescheid vom 28.11.2001 zog die Beklagte die Klägerin und ihren am 17.12.2001 verstorbenen Ehemann zu einem Abwasserbeitrag von 3.048,08 DM (= 1.558,45 EUR) heran. Den unter Berufung auf eine Verjährung der Beitragsforderung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Verfügung vom 09.09.2002 mit der Begründung zurück, dass die Beitragsforderung erst mit Erlass ihrer rückwirkend zum 01.01.1994 in Kraft getretenen Änderungssatzung vom 17.10.2001 - EAS - entstanden sei. Die zuvor geltende Entwässerungsabgabensatzung vom 04.07.1994 sei, wie das Nds. Oberverwaltungsgericht festgestellt habe (Urt. v. 22.04.1998 - 9 L 1931/96) unwirksam gewesen. Infolgedessen habe unter Geltung dieser Satzung trotz des 1996 erfolgten Grundstücksanschlusses für das Grundstück der Klägerin die Abwasserbeitragspflicht nicht entstehen können. Wegen des Entstehens der Beitragsforderung erst mit Erlass der Änderungssatzung vom 17.10.2001 scheide auch eine Verjährung der Beitragsforderung wegen der vierjährigen Verjährungsfrist aus.
Dagegen ist am 30.09.2002 Klage erhoben worden. Die Klägerin hält an der Verjährung der Beitragsforderung fest und vertritt dazu die Ansicht, dass die Entstehung der Beitragsforderung nicht vom Vorliegen einer wirksamen Satzung, sondern allein vom Eintritt der Vorteilslage und bei Außenbereichsgrundstücken, wie hier, vom Anschluss des Grundstückes an die Entwässerungseinrichtung abhänge.
Sie beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 28.11.2001 und 09.09.2002 aufzuheben.
Die Beklagte vertieft die Gründe ihres Widerspruchsbescheides und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Gemäß § 6 Abs. 1 NKAG und § 2 EAS erhebt die Beklagte für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer Schmutzwasserbeseitigungsanlage Abwasserbeiträge als Abgeltung der durch die Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme gebotenen wirtschaftlichen Vorteile, soweit der Aufwand nicht durch Abwassergebühren oder auf andere Weise gedeckt wird. Gegen die Wirksamkeit der Satzung bestehen nunmehr keine Bedenken, nachdem die Beklagte in § 4 EAS geregelt hat, dass der Beitrag nach einem nutzungsbezogenen Flächenmaßstab zu ermitteln ist und bei bebauten Grundstücken im Außenbereich die Grundfläche der an die Abwasseranlage angeschlossenen Gebäude oder Gebäudeteile, soweit sie der Wohnnutzung oder einer gewerblichen Nutzung zuzuordnen sind, als Grundfläche gilt, geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2. Dagegen werden Bedenken von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Danach unterliegt auch das Grundstück der Klägerin der Abwasserbeitragspflicht. Allerdings trifft ihre Auffassung, dass die Erschließungsbeitragspflicht bereits mit dem Anschluss ihres Grundstückes im Jahre 1996 und nicht erst mit Erlass der Änderungssatzung vom 17.10.2001 begründet worden ist, zu.
Allerdings nicht aus den von ihr geltend gemachten Gründen. Vielmehr ist der Beklagten darin zu folgen, dass die Entstehung der Abwasserbeitragspflicht davon abhängt, dass die Möglichkeit gegeben ist, das Grundstück an die öffentliche Entwässerungsanlage anzuschließen oder bei Außenbereichsgrundstücken, wie hier, dass das Grundstück tatsächlich an die Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen worden ist und bei Eintritt der Vorteilslage bzw. beim Grundstücksanschluss eine wirksame Satzung vorliegt, die die Gemeinde berechtigt, den Abwasserbeitrag zu erheben. Da die Beklagte ihrer Änderungssatzung vom 17.10.2001 Rückwirkung auf den 01.01.1994 beigemessen hat, lag im Zeitpunkt des Anschlusses des Grundstücks der Klägerin im Jahr 1996 auch eine wirksame Satzung vor mit der Folge, dass zu diesem Zeitpunkt, und nicht erst mit Erlass der Änderungssatzung vom 17.10.2001, die Abwasserbeitragsforderung der Beklagten entstanden ist.
Demzufolge war diese wegen der vierjährigen Verjährungsfrist, die am 01.01.1997 zu laufen begonnen hat (§§ 11 NKAG, 169, 170 Abs. 1 AO), mit Ablauf des Jahres 2000 und damit im Zeitpunkt der Heranziehung der Klägerin erloschen. Nur in den Fällen, in denen innerhalb der Verjährungsfrist nach Eintritt der Vorteilslage bzw. des Grundstücksanschlusses eine Heranziehung auf der Grundlage einer unwirksamen Abgabensatzung erfolgt ist, eröffnet § 2 Abs. 3 NKAG den Gemeinden die Möglichkeit, nach Erlass einer wirksamen Abgabensatzung den herangezogenen Grundstückseigentümer innerhalb eines Jahres zu veranlagen, weil dann die erneute Heranziehung im Sinne der Verjährungsvorschriften als im Zeitpunkt der früheren Heranziehung vorgenommen gilt. Ist indes - wie hier - früher eine Heranziehung nicht erfolgt, verbleibt es bei der durch die Rückwirkung der späteren Satzung eingetretenen Verjährung der Abwasserbeitragsforderung.
Demgegenüber kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass spätestens mit der o.a. Entscheidung des Nds. OVG der Lauf der Verjährungsfrist bis zum Erlass der neuen Satzung als gehemmt angesehen werden müsse, weil ihr nicht zugemutet werden konnte, die Klägerin gewissermaßen “sehenden Auges“ auf der Grundlage einer unwirksamen Abgabensatzung zu Beiträgen heranzuziehen. Abgesehen davon, dass dies nicht hinreichend erklärt, warum die Beklagte diese nicht bis zum Erlass der vorgenannten Entscheidung veranlagt hat - bis zu diesem Zeitpunkt musste sie ja von der Rechtmäßigkeit ihrer damals geltenden Entwässerungsabgabensatzung überzeugt sein - ist auch nicht ersichtlich, warum es ihr nicht möglich gewesen sein soll, die erforderliche Änderungssatzung innerhalb von knapp 2 ? Jahren und damit vor Ablauf der Verjährungsfrist zu erlassen. Auch eine entsprechende Anwendung des § 171 AO kommt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht in Betracht. Die dort geregelten Tatbestände entsprechen dem vorliegenden Fall nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 ZPO.