Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.09.2011, Az.: 322 SsRs 328/11
Anforderungen an die Darstellung eines standardisierten Messverfahrens in einem Urteil bei Verurteilung zu einer Geldbuße wegen Geschwindigkeitsüberschreitung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.09.2011
- Aktenzeichen
- 322 SsRs 328/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 25069
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0921.322SSRS328.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- StA Bückeburg - AZ: 509 Js 1190/11
- AG Rinteln - 05.07.2011
Rechtsgrundlagen
- § 46 Abs. 1 OWiG
- § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG
- § 267 Abs. 1 StPO
Fundstellen
- SVR 2012, 190
- VRA 2011, 207
- VRR 2012, 72
Verfahrensgegenstand
Verkehrsordnungswidrigkeit
Redaktioneller Leitsatz
1.
Damit das Rechtsbeschwerdegericht das sachlichen Rechts richtig anwendenkann, muss das angefochtene Urteil das angewandte Messverfahren, den berücksichtigten Toleranzabzug sowie die Mitteilung enthalten, dass die Bedingungen des Messverfahrens eingehalten wurden.
2.
Die Bezeichnung eines Messgerätes als "Starenkasten" und die Beschreibung der Funktionsweise schließt eine Vielzahl von Geräten ein, u.U. auch solche, die über keine Bauartzulassung der PTB verfügen.
In der Bußgeldsache
...
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle
auf die mit einem Zulassungsantrag verbundene Rechtsbeschwerde des Betroffenen
gegen das Urteil des Amtsgerichts Rinteln vom 5. Juli 2011
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht,
die Richterin am Oberlandesgericht und
den Richter am Oberlandesgericht
dieser zu Ziff.1 und 2 als Einzelrichter -
am 21. September 2011
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
- 2.
Die Sache wird auf den Senat übertragen.
- 3.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
- 4.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Rinteln zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 150 EURO verurteilt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 3. November 2010 um 10.29 Uhr mit einem Pkw in Rinteln die Bundesstraße 83 in Fahrtrichtung Hameln mit einer - nach Toleranzabzug vorwertbaren - Geschwindigkeit von 84 km/h bei einer zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.
Gegen dieses Urteil wendet sic h der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er begehrt und mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig und hat in der Sache mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts jedenfalls vorläufig Erfolg.
1.
Die Rechtsbeschwerde war nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil eine Wiederholung des Fehlers in der Urteilsdarstellung zur Überzeugungsbildung von der gefahrenen Geschwindigkeit bei einer Messung mit einem standardisierten Messverfahren (hierzu unten Ziff. 2) nicht auszuschließen ist. Nach den Urteilsgründen handelt es sich bei dem Messgerät um eine stationäre Anlage in Rinteln. Es steht zu erwarten, dass auch in Zukunft vergleichbare Verfahren vor dem Amtsgericht Rinteln verhandelt werden.
2.
Das Urteil genügt nicht den Anforderungen an die Darstellung eines standardisierten Messverfahrens. Der BGH hat in der Grundsatzentscheidung vom 19. August 1993 (BGHSt 39, 291) zwar den Umfang der Darstellung der Überzeugungsbildung des Tatrichters bei sog. standardisierten Messverfahren (also solchen durch Regelungen vereinheitlichten technischen Verfahren, bei denen die Bedingungen ihrer Anwendbarkeit und ihres Ablaufs so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind; vgl. z.B. OLG Koblenz, Beschluss v. 16.10.2009, 1 SsRs 71/09, [...]online) verringert. Um dem Rechtsbeschwerdegericht die richtige Anwendung des sachlichen Rechts zu ermöglichen, muss das angefochtene Urteil in diesen Fällen jedoch zumindest das angewandte Messverfahren, den berücksichtigten Toleranzabzug sowie die Mitteilung enthalten, dass die Bedingungen des Messverfahrens eingehalten wurden, also insbesondere die Beachtung der Bedienungsvorschriften sowie die erforderliche Eichung des Geräts (vgl. nur Senat, Beschl. vom 10. Juli 2003, 222 Ss 120/03).
Daran fehlt es hier. Im Urteil wird insbesondere nicht mitgeteilt, welches Gerät überhaupt zur Anwendung gekommen ist. Die Bezeichnung als "Starenkasten" und die Beschreibung der Funktionsweise schließt eine Vielzahl von Geräten ein, u.a. möglicherweise auch solche, die über keine Bauartzulassung der PTB verfügen. Ebenso fehlen Ausführungen dazu, ob das Gerät ordnungsgemäß geeicht und ggf. gewartet war.
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine ordnungsgemäße Inbezugnahme des Messfotos gemäߧ§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 StPO die genaue Benennung der Fundstelle in den Akten voraussetzt, weil die Inbezugnahme das Foto zum Gegenstand der Feststellungen des Urteils macht und deswegen eindeutig sein muss.
Dass das Amtsgericht trotz der Annahme vorsätzlichen Verhaltens entgegen § 3 Abs. 4a BKatV i.V.m. Nr. 11.3.6 BKat nicht die vorgesehene Regelgeldbuße von 240,- EURO verhängt hat, beschwert den Betroffenen nicht.