Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 01.03.2017, Az.: L 2 R 476/16
Nacherhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung auf der Grundlage einer durchgeführten Betriebsprüfung; Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung; Persönlich abhängige Beschäftigung in einem fremden Betrieb; Geltendmachung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte durch den prüfenden Träger der Rentenversicherung; Nacherhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung auf der Grundlage einer Betriebsprüfung; Berücksichtigung von Angaben gegenüber der Finanzverwaltung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 01.03.2017
- Aktenzeichen
- L 2 R 476/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 14114
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2017:0301.L2R476.16.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 18.05.2016 - AZ: S 28 R 72/13
Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III
- § 7 Abs. 1 SGB IV
- § 14 Abs. 1 SGB IV
- § 14 Abs. 2 S. 1, 2 SGB IV
- § 28f Abs. 2 S. 1 SGB IV
- § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V
- § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI
- § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI
- § 14 SGB III
- § 28f SGB IV
- § 28p SGB IV
- § 7 Abs. 1 SGB III
Fundstelle
- PStR 2017, 133-134
Redaktioneller Leitsatz
1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind; daraus folgt, dass auch in solchen Fällen - wie nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV bei einer (legalen) Nettoarbeitsentgeltvereinbarung - die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach dem sog. Abtastverfahren zu ermitteln sind.
2. Als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gelten danach die Einnahmen des Beschäftigten i.S. von § 14 Abs. 1 SGB IV zuzüglich der auf sie entfallenden (direkten) Steuern und des gesetzlichen Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung.
3. Der Begriff "illegales Beschäftigungsverhältnis" ist nicht legaldefiniert worden; der Begriffsinhalt ist daher im Wege der Auslegung zu ermitteln.
4. Bei offenem Wortlaut ist unter (gesetzes-)systematischen und teleologischen Gesichtspunkten eine Auslegung des Begriffs "illegales Beschäftigungsverhältnis" geboten, die - auf der Ebene des objektiven Tatbestands - bereichsspezifisch jedenfalls auf die Verletzung solcher Pflichten zu beschränken ist, die die Beschäftigung (selbst) betreffen oder solcher Pflichten, die einen im öffentlichen Recht wurzelnden, spezifischen Bezug zu ihr haben.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 18. Mai 2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung auf der Grundlage einer nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durchgeführten Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 2003 bis 2005 in Höhe von insgesamt 108.680,86 EUR (einschließlich 40.315 EUR Säumniszuschläge).
Die Klägerin widmet sich in der Rechtsform einer GmbH dem Transport von Personen. Geschäftsführer und Gesellschafter ist der Taxiunternehmer K. L ... Dieser ging im Prüfzeitraum seinem Gewerbe auch vermittels zweier weiterer jeweils in der Rechtsform einer GmbH geführten Unternehmen, und zwar der M. GmbH und der L. Personenbeförderungs GmbH, nach.
Nach den Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts N. vom 20. Dezember 2011, mit dem K. L. wegen Einkommensteuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 190 Tagessätzen verurteilt worden ist, verfügte dieser im Prüfzeitraum über bis zu acht Taxen, die er im Rahmen der drei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (d.h. der Klägerin des vorliegenden Verfahrens und der o.g. beiden weiteren Gesellschaften) mit entsprechenden Fahrern im Taxigeschäft einsetzte. Ein Teil der dabei erzielten Einnahmen wurde nicht ordnungsgemäß verbucht und wurde dementsprechend in den Geschäftsunterlagen der drei Gesellschaften nicht ausgewiesen. Um dies zu vertuschen, wurde im Gegenzug bei den Betriebsausgaben auch ein Teil der Kraftstoffaufwendungen nicht erfasst. Entsprechend wurde auch nur ein Teil der tatsächlichen Lohnaufwendungen verbucht. Ferner ließ K. L. den Kilometerstand der Taxen jedenfalls teilweise durch seine Mitarbeiter mit der Zielrichtung manipulieren, dass nur ein Teil der tatsächlich gefahrenen Kilometer angezeigt wurde.
Nachdem die Steuerfahndung die unzureichende Erfassung der Kraftstoffausgaben und damit zugleich die unzureichende Erfassung der Einnahmen aus dem Taxigeschäft aufgedeckt hatte, trafen die Klägerin und die o.g. beiden weiteren Gesellschaften, jeweils vertreten durch K. L., mit der Finanzverwaltung Anfang 2009 eine tatsächliche Verständigung, in deren Rahmen die Gesellschaften die Erzielung von erheblichen weiteren in ihren Buchhaltungsunterlagen zuvor nicht ausgewiesenen Betriebseinnahmen einräumten.
Im Einzelnen wurden für die Klägerin nach Maßgabe der Auskunft des Finanzamtes O. vom 18. Februar 2009 (Bl. 1 Verwaltungsvorgänge) folgende zusätzliche Einnahmen anerkannt (wobei sich die nachfolgend aufgeführten Beträge rechnerisch aus den in diesem Schreiben für einzelnen Jahren ausgewiesen zusätzlichen, d.h. zuvor nicht verbuchten und versteuerten, Lohnzahlungen ergeben, die ausweislich der damaligen Verständigung jeweils 40 % der ihrerseits auch nicht verbuchten und versteuerten zusätzlichen Einnahmen ausgemacht haben): Kalenderjahr zusätzliche Einnahmen in Euro 2003 74.900 2004 96.300 2005 53.500
Im Rahmen dieser tatsächlichen Verständigung erzielten die Gesellschaften und die Finanzverwaltung zugleich Einvernehmen darüber, dass in Höhe von 40 % der zuvor verbuchten Betriebseinnahmen weitere Betriebsausgaben in Form zuvor ihrerseits auch nicht verbuchter zusätzlicher Lohnzahlungen zu berücksichtigen seien, wobei diese zusätzlichen Lohnzahlungen der Lohnsteuer unterliegen würden und mit einem Lohnsteuersatz (einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) von 20 % zu versteuern seien.
Ausgehend von diesem Ansatz ergaben sich aus dieser tatsächlichen Verständigung für die Klägerin folgende weitere bislang nicht verbuchte Lohnaufwendungen:
Kalenderjahr anerkannte zusätzliche Nettolohnausgaben 2003 29.960 2004 38.520 2005 21.400 Summe: 89.880
Ausgehend von diesen bislang nicht erfassten und dementsprechend nicht versteuerten Lohnzahlungen für die Jahre 2003 bis 2005 in einer Gesamthöhe von 89.880 EUR setzte das Finanzamt N. gegenüber der Klägerin unter Zugrundelegung des in der Verständigung festgehaltenen Steuersatzes von 20 % mit Bescheid vom 7. Juli 2008 Nachzahlungen für Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag in einer Gesamthöhe von 18.008,00 EUR fest. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Nachdem der beklagte Rentenversicherungsträger über diese Lohnsteuerhinterziehung in Kenntnis gesetzt worden war, zog er seinerseits die Klägerin für die hinterzogenen Lohnbeträge zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Jahre 2003 bis 2005 zugunsten der IKK Niedersachsen als Einzugsstelle, deren Rechtsnachfolgerin die Beigeladene zu 1. ist, heran. Nach vorheriger Anhörung der Klägerin setzte er die Höhe der zu allen Zweigen der Sozialversicherung nachzuentrichtenden Beiträge für den Prüfzeitraum 2003 bis 2005 in Höhe von insgesamt 108.680,86 EUR (einschließlich 40.315 EUR Säumniszuschläge) fest. Bei den Berechnungen war die Beklagte von den im Rahmen der zwischen den Gesellschaften und der Finanzverwaltung erzielten tatsächlichen Verständigung anerkannten (zunächst nicht verbuchten) weiteren Lohnaufwendungen in der o.g. Höhe ausgegangen und hatte diese ausgehend von der Annahme illegaler Beschäftigungsverhältnissen im Sinne des § 14 Abs. 2 SGB IV auf die mit den tatsächlich netto erbrachten Lohnzahlungen korrespondierenden Bruttolohnbezüge hochgerechnet.
Zur Begründung seines dagegen mit Schreiben vom 24. März 2010 eingelegten Widerspruchs hat der Kläger geltend gemacht, dass er aufgrund der beschriebenen Manipulationen nur aufgrund einer Hinterziehung der Einkommensteuer strafrechtlich verurteilt worden sei; ein weiteres Strafverfahren wegen des Verdachts der Lohnsteuerhinterziehung sei hingegen eingestellt worden.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 11. Januar 2013 zurück. Angesichts des bestandskräftig gewordenen Lohnsteuerhaftungsbescheides bestünden keine Zweifel an der Auszahlung zunächst nicht versteuerter und verbeitragter weiterer Lohnzahlungen in der in dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Höhe.
Zur Begründung der am 13. Februar 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin erneut geltend gemacht, dass sie im Prüfzeitraum keine Lohnsteuern hinterzogen habe. Die seinerzeit mit der Finanzverwaltung erzielte tatsächliche Verständigung dürfe nicht berücksichtigt werden. Diese binde keine Dritte wie insbesondere Sozialversicherungsträger. Im Übrigen sei seinerzeit eine Gesamtverständigung für einen großen Komplex betreffend die Hinterziehung von Einkommen- und Lohnsteuer erzielt worden, der einen Gesamtzeitraum von elf Jahren und insgesamt sieben Unternehmen betroffen habe. Eine "Umrechnung" der der Verständigung zugrunde gelegten Werte auf die Klägerin und die o.g. beiden weiteren Gesellschaften für einen Teilzeitraum von nur drei Jahren führe zu einem "völlig verzerrten Bild". Im Übrigen habe die Klägerin vor Juli 2004 überhaupt keine Taxen "geführt". Auch habe sie die nachträglich festgesetzten weiteren Beiträge bereits "abgeführt und bezahlt" (vgl. Schriftsatz vom 7. November 2013, Bl. 58 GA).
Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Mitarbeiter der Finanzverwaltung P. Q. mitgeteilt, dass im Rahmen der Betriebsprüfung die von der Beklagten zugrunde gelegten Schwarzlohnzahlungen ermittelt worden seien. Soweit im Jahr 2011 von Seiten der Finanzverwaltung eine etwas abweichende Berechnung der mit dem nicht verbuchten zusätzlichen Verbrauch an Kraftstoffen korrespondierenden zusätzlichen Einnahmen der Gesellschaften vorgenommen worden sei (vgl. Bl. 59 f. Gerichtsakte), sei diese erst nach Abschluss der eigentlichen Ermittlungen vorgenommen worden.
Mit Urteil vom 18. Mai 2016, der Beklagten zugestellt am 16. August 2016, hat das Sozialgericht Hildesheim den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2013 aufgehoben. Die Schätzungen der Beklagten seien nicht widerspruchsfrei. Die Steuerverwaltung habe ihre ursprünglichen Berechnungen 2011 partiell korrigiert. Es sei nicht nachvollziehbar, welche der unterschiedlichen Berechnungen zutreffe. Auch habe die Beklagte die Klägerin nicht mit Beitragsnachforderungen für das Jahr 2003 "überziehen" dürfen, obwohl diese erst seit Juni 2004 überhaupt über Taxen verfüge.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 30. August 2016. Die Beklagte legt im Einzelnen dar, dass der angefochtene Nachforderungsbescheid rechtmäßig erlassen worden sei. Insbesondere seien keine berechtigten Zweifel hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen ersichtlich; diese seien vielmehr klar nachvollziehbar. Namentlich habe sie von den rechtsverbindlich von Seiten der Finanzverwaltung im Zuge der Lohnsteuernacherhebung festgestellten Schwarzlohnbeträgen ausgehen dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 18. Mai 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin macht geltend, dass der tatsächlichen Verständigung mit der Steuerfahndung ein weit größerer Zeitraum zugrunde gelegen habe, als der im vorliegenden Streitverfahren maßgebliche Prüfzeitraum. Auch seien weitere Unternehmen in die Verständigung involviert gewesen. Jedenfalls habe die Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 1. Juni 2004 ohnehin noch keine Taxen gehabt. Erst nachdem sie die für Taxifahrten erforderliche Konzession im Mai 2004 käuflich erworben habe, sei ihr am 2. Juni 2004 von der Stadt N. die nach § 47 PBefG erforderliche Erlaubnis erteilt worden. Allerdings sei sie auch schon zuvor, und zwar jedenfalls bereits im Zeitraum Januar 2003 bis Juni 2004, im Bereich der Personenbeförderung tätig gewesen. Seinerzeit habe sie für die Regionalbus P. GmbH und die Verkehrsbetriebe Q. Fahrten im sog. Linientaxiverkehr durchgeführt. Jedenfalls seien alle Beschäftigten ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet gewesen. Im Zeitraum 2003 bis 2005 habe es weder Schwarzfahrten noch Schwarzfahrer in ihrem Betrieb gegeben.
Die R. Verkehrsbetriebe haben auf Nachfrage des Senates vom 14. Dezember 2016 mitgeteilt, dass von ihrer Seite der Klägerin keine Aufträge im Rahmen des sog. Linientaxiverkehrs erteilt worden seien; sie könne allerdings nicht überblicken, ob die Klägerin möglicherweise als Subunternehmerin für die von ihr beauftragte S. Taxi GmbH tätig geworden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage war abzuweisen, da der angefochtene Bescheid sich als rechtmäßig darstellt und keine Verletzung der Klägerin in ihren Rechten erkennen lässt.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen (BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R -, SGb 2011, 633).
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, U.v. 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 15).
Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, U.v. 29. August 2012 - B 12 R 14/10 R -).
Nach § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Satz 1 gilt nach Satz 2 nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese nach Satz 3 zu schätzen. Dabei ist nach Satz 4 für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mitzuberücksichtigen. Nach Satz 5 hat der prüfende Rentenversicherungsträger einen auf Grund der Sätze 1, 3 und 4 ergangenen Bescheid insoweit zu widerrufen, als nachträglich Versicherungs- oder Beitragspflicht oder Versicherungsfreiheit festgestellt und die Höhe des Arbeitsentgelts nachgewiesen werden. Die vom Arbeitgeber auf Grund dieses Bescheides geleisteten Zahlungen sind nach Satz 6 insoweit mit der Beitragsforderung zu verrechnen (BSG, Urteil vom 07. Februar 2002 - B 12 KR 12/01 R -, BSGE 89, 158).
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Daraus folgt, dass auch in solchen Fällen - wie nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV bei einer (legalen) Nettoarbeitsentgeltvereinbarung - die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach dem sog. Abtastverfahren zu ermitteln sind. Als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gelten danach die Einnahmen des Beschäftigten iS von § 14 Abs. 1 SGB IV zuzüglich der auf sie entfallenden (direkten) Steuern und des gesetzlichen Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung (BSG, Urteil vom 09. November 2011 - B 12 R 18/09 R -, BSGE 109, 254).
Der Begriff "illegales Beschäftigungsverhältnis" ist nicht legaldefiniert worden. Der Begriffsinhalt ist daher im Wege der Auslegung zu ermitteln. Bei offenem Wortlaut ist unter (gesetzes)systematischen und teleologischen Gesichtspunkten eine Auslegung des Begriffs "illegales Beschäftigungsverhältnis" geboten, die - auf der Ebene des objektiven Tatbestands - bereichsspezifisch jedenfalls auf die Verletzung solcher Pflichten zu beschränken ist, die die Beschäftigung (selbst) betreffen oder solcher Pflichten, die einen im öffentlichen Recht wurzelnden, spezifischen Bezug zu ihr haben (BSG, Urteil vom 09. November 2011 - B 12 R 18/09 R -, BSGE 109, 254).
Dafür, § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auch bei schlichten Berechnungsfehlern und bloßen (einfachen) versicherungs- und beitragsrechtlichen Fehlbeurteilungen anzuwenden, fehlt es vor allem an der Gleichheit von Normzweck und Interessenlage. In diesen Fällen muss es deshalb bei der Beitragspflicht (allein) des - bisher nicht "verbeitragten" - Arbeitsentgelts verbleiben, ohne dass auch auf hierauf entfallende Steuern und Beitragsanteile noch Beiträge erhoben werden dürfen (sog Sekundärbeiträge). Soweit mit der Einfügung des Satzes 2 in § 14 Abs 2 SGB IV der Zweck verfolgt werden sollte, Nachweisschwierigkeiten zu beseitigen, kann sich dieser letztlich nur im Rahmen der allgemeinen Zielsetzungen des SchwarzArbG 2002 (und des SchwarzArbG 2004, BT-Drucks 15/2573 S 18) entfalten, eine allgemeine Abschreckungswirkung zu erreichen (vgl Gesetzentwurf zum SchwarzArbG 2002, BT-Drucks 14/8221 S 11) bzw. das Unrechtsbewusstsein in der Bevölkerung zu stärken und damit präventiv der Ausbreitung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung entgegenzuwirken.
Für die Frage, in welchem Grade die Pflichtverstöße von einem subjektiven Element getragen sein müssen, ist in Ermangelung anderer Maßstäbe an die für die Verjährung vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge geltende Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (Verlängerung der Verjährungsfrist von vier auf dreißig Jahre) anzuknüpfen. Danach ist für den Eintritt dieser qualifizierten Folge ebenfalls (mindestens bedingter) Vorsatz erforderlich. Für die im Rahmen des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV vorzunehmende Beurteilung des (mindestens bedingten) Vorsatzes sind damit der Sache nach ähnliche Erwägungen maßgebend, wie sie für die Prüfung des Vorsatzes iS des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV heranzuziehen sind. Sofern im vorbeschriebenen Sinne die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV erfüllt sind, müssen auf der Rechtsfolgenseite die Einnahmen des Beschäftigten unter Einbeziehung des auf sie entfallenden gesetzlichen Arbeitnehmeranteils und der (direkten) Steuern auf ein hypothetisches Bruttoarbeitsentgelt "hochgerechnet" werden (BSG, Urteil vom 09. November 2011 - B 12 R 18/09 R -, BSGE 109, 254).
Im vorliegenden Verfahren steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin in den Jahren 2003 bis 2005 über die für diese Jahre zunächst ordnungsgemäß verbuchten und bei den Meldungen zur Sozialversicherung sowie bei den sich daraus ergebenden Beitragszahlungen berücksichtigten Lohnzahlungen hinaus weitere Mitarbeiter beschäftigt hat, für die sie bis zum Eingreifen der Steuerfahndung im Jahr 2008 keine Lohnsteuerzahlungen und keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat. Da die Klägerin im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren (und auch in der Folgezeit) keinen näheren Aufschluss über die Personen vermittelt hat, an die die zusätzlichen Lohnzahlungen geflossen sind, kam schon im Ausgangspunkt nur der Erlass eines Beitragssummenbescheides in Betracht.
Diese zusätzlichen nicht versteuerten und nicht verbeitragten Lohnzahlungen beliefen sich auf folgende Beträge:
Kalenderjahr Zusätzliche Nettolohnausgaben 2003 29.960 2004 38.520 2005 21.400
Die Klägerin selbst, vertreten durch ihren Geschäftsführer K. L., hat im Zuge der Anfang 2009 mit der Finanzverwaltung erzielten tatsächlichen Verständigung eingeräumt, die genannten Löhne "zusätzlich" zu den bereits in den Geschäftsunterlagen ordnungsgemäß erfassten und folgerichtig den Lohnsteuer- und Beitragsabführungen unterworfenen Lohnzahlungen an Beschäftigte ihres Unternehmens in den genannten Jahren erbracht zu haben.
Da die Klägerin selbst diese "Schwarzlohnzahlungen" eingestanden hat, hat sie folgerichtig auch davon abgesehen, gegen den auf diesen eingeräumten Zahlungen aufbauenden Haftungsbescheid des Finanzamtes N. vom 7. Juli 2008 Rechtsbehelfe einzulegen.
Das Vorbringen der Klägerin im vorliegenden Sozialrechtsstreit gibt dem Senat keinen Anlass, die Richtigkeit dieser eigenen Angaben der Klägerin zu "zusätzlichen" Lohnzahlungen im streitbetroffenen Zeitraum in Zweifel zu ziehen. Dafür ist umso weniger Anlass, als ihr Geschäftsführer R. S. auch in dem damals gegen ihn geführten Strafprozess keine durchgreifenden Zweifel gegen das von der Steuerfahndung aufgedeckte kriminelle Geschehen aufgezeigt hat, vielmehr das ihn zu einer erheblichen Geldstrafe verurteilende strafgerichtliche Urteil in Rechtskraft hat erwachsen lassen.
Bezüglich der Würdigung eines im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung von dem Steuerpflichtigen abgegebenen Eingeständnisses einer Lohnsteuerhinterziehung gelten letztlich dieselben Grundsätze wie bei einem vor dem Strafgericht abgelegten Geständnis. Ein entsprechendes Eingeständnis weist eine Indizwirkung hinsichtlich der eingeräumten Steuerhinterziehung auf. Diese Indizwirkung kann nur dadurch ausgeräumt werden, dass der Betroffene substantiiert darlegt und unter Beweis stellt, dass und weshalb sein Geständnis zu Unrecht abgelegt worden ist. Die Indizwirkung wird hingegen nicht bereits mit der pauschalen Behauptung eines strafgerichtlichen Fehlurteils bzw. mit der Behauptung der Abgabe eines inhaltlich unzutreffenden Eingeständnisses oder dem schlichten Bestreiten von Tat oder Tatumfang bestritten (BFH, Beschluss vom 30. Juli 2009 - VIII B 214/07 -, mwN).
Ein entsprechendes substantiiertes Bestreiten ist im vorliegenden Zusammenhang gerade nicht festzustellen. Dem Zeitpunkt der Erteilung einer Taxikonzession kann im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb keine Relevanz zukommen, weil die eingeräumten zusätzlichen Lohnzahlungen schon im Ansatzpunkt nicht in tatsächlicher Hinsicht das Bestehen einer Taxikonzession zur Voraussetzung hatten. Für eine solche Annahme ist umso weniger Raum, als auch die Klägerin einräumt, dass sie bereits vor Erteilung einer solchen Konzession gewerblich im Bereich der Personenbeförderung tätig war.
Die tatsächliche Verständigung mit der Finanzverwaltung, die als solche von der Klägerin auch gar nicht in Abrede gestellt wird, beinhaltete keineswegs nur pauschale Gesamtbeträge für eine Vielzahl von Firmen und Zeiträume, vielmehr sind die Beteiligten unter Einschluss der Klägerin seinerzeit übereingekommen, dass von den betroffenen Firmen jeweils gesondert für jedes betroffene Jahr konkrete Summen unversteuerter zusätzlicher Lohnzahlungen eingestanden worden ist. Entsprechend hat auch die Klägerin des vorliegenden Verfahrens, vertreten durch ihren Geschäftsführer K. L., für die Jahre 2003 bis 2005, und zwar ausdrücklich speziell bezogen auf ihr eigenes Unternehmen, die vorstehend aufgeführten Beträge an unversteuerten zusätzlichen Lohnzahlungen bezogen auf die Jahre 2003 bis 2005 anerkannt.
Da die kriminellen Pläne zur Steuerhinterziehung in erheblichem Umfang nur dann Erfolg haben konnten, wenn - ebenso wie der entsprechende Anteil der zusätzlichen Betriebseinnahmen - auch die zusätzlichen Lohnzahlungen in den Buchhaltungsunterlagen nicht zu erkennen waren, besteht auch kein Zweifel daran, dass für die eingeräumten "zusätzlichen Lohnzahlungen" ebenso wenig Beiträge zur Sozialversicherung wie Lohnsteuern entrichtet worden sind. Gegenteiliges vermag auch die Klägerin nicht nachvollziehbar aufzuzeigen. Mangels eines gegenteiligen substantiierten und möglichst belegten Vortrages auf Seiten der Klägerin ist vielmehr davon auszugehen, dass bis zum heutigen Tag die Entrichtung von Sozialbeiträgen für die selbst anerkannten "zusätzlichen Lohnzahlungen" unterblieben ist.
Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin die vorstehend genannten Beträge im Rahmen der tatsächlichen Verständigung selbst anerkannt hat, besteht schon im rechtlichen Ausgangspunkt kein Anlass, der Frage nachzugehen, welche tatsächlichen Umstände möglicherweise auch Anlass zu einer anderweitigen Abschätzung einzelner Elemente des der Beitragsnachforderung zugrunde liegenden kriminellen Handelns (mit ggfs. welchen Auswirkungen auf andere Berechnungselemente) hätten geben können und ob möglicherweise auch eine Bewertung im Sinne der von der Finanzverwaltung (erst mehr als zwei Jahre nach Erzielung der tatsächlichen Verständigung) im August 2011 vorgenommenen fiktiven Berechnung in Betracht gekommen wäre. Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass der Senat auch nur ansatzweise über verlässlichere Erkenntnisgrundlagen als der in das beschriebene kriminelle Geschehen intensiv verwickelte Geschäftsführer der Klägerin bei Abgabe des Anerkenntnisses im Rahmen der dargelegten tatsächlichen Verständigung verfügen könnte. Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass mit zunehmendem Zeitablauf das damalige Geschehen verlässlicher aufzuklären sein könnte, als dies den Beteiligten im Rahmen der 2009 erzielten tatsächlichen Verständigung möglich war.
Da der Sachverhalt in der gebotenen Gesamtwürdigung keine andere Bewertung zulässt, als dass der verantwortliche Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen eines langfristig geplanten kriminellen Vorgehens zielgerichtet im Interesse der Erhöhung seiner privaten Einkünfte davon abgesehen hat, für die streitbetroffenen zusätzlichen Lohnzahlungen Lohnsteuern und Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen, obwohl ihm die gesetzlichen Pflichten zur Abführung von Lohnsteuer- und Beitragszahlungen aufgrund seiner unternehmerischen Erfahrung bestens bekannt waren und er diesen Pflichten bezogen auf den in den Buchhaltungsunterlagen abgebildeten (vom vorliegenden Rechtsstreit nicht erfassten) Teils des betrieblichen Geschehens auch umgesetzt hat, besteht natürlich kein Zweifel an der vorsätzlichen Herbeiführung eines illegalen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sowie an einer die 30jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV begründenden vorsätzlichen Vorenthaltung von Beiträgen. Angesichts der dargelegten Kenntnis des verantwortlichen Geschäftsführers ist auch schon im Ausgangspunkt kein Raum für die Annahme einer unverschuldeten Unkenntnis im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV.
Auch die Einzelheiten der Berechnung der Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge unter Heranziehung der Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV sowie der Höhe der Säumniszuschläge, bezüglich derer der Senat jeweils auf die zutreffende Gründe des angefochtenen Bescheides und die zutreffenden ergänzenden Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 verweist, lässt keine Fehler zu Lasten der Klägerin erkennen.
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren auch auf Aufforderung des Senates keinen näheren Aufschluss darüber zu vermitteln vermocht, auf welche konkreten Beschäftigungsverhältnisse im Einzelnen die von ihr selbst anerkannten zusätzlichen Lohnzahlungen entfallen sein sollen. Bei dieser Ausgangslage bestand für die Beklagte kein Anlass, die von der Klägerin im Rahmen der o.g. Verständigung selbst anerkannte "Summe der Arbeitsentgelte" abweichend von den Vorgaben des § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV anders zu würdigen als der vollen Beitragspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegende Lohnzahlungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.-