Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 02.07.1998, Az.: 1 U 10/98
Knüpfung eines Rückzahlungsanspruches an die Größe einer verkauften Eigentumswohnung; Berechnung des Kaufpreises für eine Eigentumswohnung; Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 02.07.1998
- Aktenzeichen
- 1 U 10/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18319
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1998:0702.1U10.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG ... - 19.12.1997 - AZ: 5 O 205/97
Rechtsgrundlagen
- § 119 BGB
- § 121 Abs. 1 S. 1 BGB
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 1999, 152-153
Prozessführer
Herr ...,
Prozessgegner
Frau ...,
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ...
auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juni 1998
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ... vom 19. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer des Beklagten und der Streitwert des Berufungsrechtszuges betragen 18.990,00 DM.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
1.
Der Klägerin steht aus § 2 Abs. 6 des Kaufvertrages vom 27.6.1996 ein Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises für die Eigentumswohnung ... in ... zu, weil die Eigentumswohnung weniger als "120 qm groß ist".
Im Kaufvertrag ist der Rückzahlungsanspruch an die "Größe der verkauften Eigentumswohnung" geknüpft. Hierunter versteht man nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Wohnfläche ohne Nutzflächen, bei einer Eigentumswohnung mithin ohne Gemeinschafts- und Kellerflächen. Dieser allgemeine Sprachgebrauch wird etwa dadurch belegt, daß in Zeitungsanzeigen Wohnungen zum Kauf oder zur Miete regelmäßig mit der Wohnfläche angeboten werden. Die Nutzfläche wird zu der Wohnfläche nicht hinzugezogen, sondern, wenn sie überhaupt genannt wird, gesondert ausgewiesen. Dem entspricht auch die Flächenermittlung nach der II. Berechnungsverordnung oder der DIN 283, die ebenfalls Kellerflächen u.ä. von der Wohnfläche trennen.
Im übrigen besteht eine Verkehrsübung, den Kaufpreis für eine Eigentumswohnung so zu berechnen, daß ein Quadratmeterpreis mit der Wohnfläche multipliziert wird. So bieten auch Bauträger, die ein Mehrfamilienhaus errichtet haben, die einzelnen darin befindlichen Eigentumswohnungen in dieser Weise an. In dem Quadratmeterpreis müssen damit Kosten für Nebenflächen regelmäßig mit einkalkuliert werden. Auch auf diesem Hintergrund kann man die Regelung in § 2 Abs. 6 des Vertrages, wonach ebenfalls der Quadratmeterpreis von 3.000,00 DM multipliziert werden sollte, nur dahin verstehen, daß mit der "Größe der Eigentumswohnung" die Wohnfläche gemeint gewesen ist.
2.
Gegen diese Auslegung des Vertragstextes spricht auch nicht die Aussage des Notars ... Wenn er ausgesagt hat, daß es für ihn "im Laufe dieser Diskussion ganz eindeutig und zweifellos so" war, "daß damit nicht etwa auch Keller und Treppenhausflächen gemeint waren", es nach seinem "Verständnis bei der Beurkundung nur um die Wohnfläche gehen konnte", kommt in dieser Aussage zumindest zum Ausdruck, daß der Beklagte sein möglicherweise anderes Verständnis in der Verhandlung jedenfalls nicht erkennbar gemacht hat. Nach dem objektiven Erklärungsgehalt muß es deshalb bei der Auslegung verbleiben, daß mit der Größe der Eigentumswohnung deren Wohnfläche gemeint war. Wenn der Beklagte schließlich auf die Aussage des Zeugen verweist, es habe sich "ausschließlich um die Fläche des Sondereigentums" gehandelt, zu dem der Kellerraum auch gehört, handelt es sich dabei lediglich um ein sprachliches Versehen. Denn unmittelbar davor ist protokolliert worden, daß "nicht etwa auch Keller und Treppenhausflächen gemeint waren."
3.
Soweit der Beklagte es als einen erheblichen Verstoß gegen Treu und Glauben empfindet, daß die optimale Ausgestaltung der Dachschrägen in einem Kaufpreis aufgrund einer qm-Bindung nicht bewertet würde, so ist dem entgegenzuhalten, daß die Parteien in dem Kaufvertrag den Kaufpreis einverständlich an einen Quadratmeterpreis von 3.000,00 DM gebunden haben und ein besonderes Entgelt für die Ausgestaltung des Dachgeschosses nicht vereinbart ist. Dies gilt unabhängig davon, ob lediglich die Wohnfläche oder auch Nebenflächen bei der Berechnung zu berücksichtigen sind. Deshalb geht dieser Vortrag an der entscheidenden Frage dieses Rechtsstreits vorbei.
Ob der Beklagte schließlich die Eigentumswohnung mit Gewinn oder Verlust verkauft hat, ist ebenfalls unbeachtlich, weil die Vertragsparteien in der Vereinbarung der Höhe des Kaufpreises frei sind.
4.
Soweit der Beklagte schließlich in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, bei Zugrundelegung der Vertragsauslegung des Senats habe der Beklagte sich in einem Irrtum befunden, so daß zu überlegen sei, ob der Kaufvertrag nicht unwirksam sei, mag dahinstehen, ob damit die Anfechtung des notariellen Vertrages erklärt worden ist (§ 119 BGB). Eine Irrtumsanfechtung scheidet nämlich schon deshalb aus, weil sie unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, hätte erfolgen müssen, nachdem der Beklagte von dem möglichen Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hatte (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB). Zur Kenntnis reichte es aus, daß der Beklagte erkannte, daß sich bei Abschluß des notariellen Vertrages sein Wille möglicherweise nicht mit dem objektiven Erklärungsinhalt gedeckt hat (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 57. Aufl. § 121 Rn. 2). Diese Kenntnis bestand mithin spätestens mit Zustellung der Klage. Daß der Beklagte seinerzeit eine Anfechtung nicht für erforderlich gehalten hat, schließt seine Kenntnis vom Anfechtungsgrund nicht aus, weil es auf eine zutreffende Würdigung des Sachverhalts nicht ankommt (vgl. BGH NJW-RR 1996, 194, 196) [BGH 25.10.1995 - IV ZR 22/95].
Im übrigen würde eine Unwirksamkeit des Kaufvertrages der Begründetheit der Klagforderung auch nicht entgegenstehen, weil dann nämlich nicht nur ein Rechtsgrund für einen Teil der geleisteten Kaufpreiszahlungen fehlte, sondern für den gesamten Betrag von 345.000,00 DM.
5.
Ist der Klaganspruch mithin dem Grunde nach berechtigt, besteht er auch in der geltend gemachten Höhe. Der Beklagte ist der Wohnflächenberechnung nicht entgegengetreten, sondern hat sie in der Berufungsbegründung (auf S. 4 oben) ausdrücklich als zutreffend bezeichnet. Soweit er dies in der mündlichen Verhandlung wieder in Zweifel gezogen hat, hat die mündliche Erörterung ergeben, daß der Beklagte nicht die errechneten Zahlen des Sachverständigen ... anzweifelt, sondern es ihm auch insoweit nur wieder darum ging, daß die errechneten Gemein- und Kellerflächen bei der Bestimmung der "Größe der Eigentumswohnung" hinzuzurechnen sind. Das ist aber aus den bereits ausgeführten Gründen nicht der Fall.
Da die Klägerin für 115 qm 345.000,00 DM gezahlt hat, die Wohnfläche und damit die Größe der Eigentumswohnung aber nur 108,67 qm beträgt, hat die Klägerin mithin einen Anspruch in Höhe von [(115 qm - 108,67 qm) × 3.000,00 DM =] 18.990,00 DM.
6.
Hinsichtlich des Zinsanspruchs wird auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 12 GKG, 3 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert der Beschwer des Beklagten und der Streitwert des Berufungsrechtszuges betragen 18.990,00 DM.