Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 23.03.2016, Az.: 7 A 2512/15

Befreiung; Rundfunkbeitrag; Studierende

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
23.03.2016
Aktenzeichen
7 A 2512/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43023
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin, die ukrainische Staatsangehörige ist, wird bei dem Beitragsservice seit Oktober 2013 unter der Teilnehmernummer … mit einer Wohnung in A-Stadt als Beitragsschuldnerin geführt. Sie ist seit dem Wintersemester 2012/2013 als Studierende an der Leibniz Universität A-Stadt immatrikuliert. Mit Schreiben vom 10. März 2014 beantragte sie bei dem Beklagten, von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu werden. Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, als ausländische Studierende liege sie mit ihren Einkünften deutlich unter der Bedarfsgrenze einheimischer Studierender und anderer Empfänger staatlicher Sozialleistungen, die von der Rundfunkbeitragspflicht befreit seien. Aufgrund ihres befristeten Aufenthaltstitels sei sie während ihres Studiums von solchen Leistungen ausgeschlossen. Allerdings habe sie beim zuständigen Sozialamt in A-Stadt eine Bedarfsberechnung durchführen lassen, wonach sie unterhalb der Bedarfsgrenze liege. Der Rundfunkbeitrag stelle eine nicht zumutbare Belastung für sie dar. Die Klägerin fügte eine Ablichtung ihrer Aufenthaltserlaubnis und eine von der Landeshauptstadt A-Stadt, Fachbereich Soziales, ausgestellte „Bescheinigung zur Vorlage beim Beitragsservice …“ bei. In dieser Bescheinigung, die keine Bedarfsberechnung enthält, wurde „bestätigt“, dass für die Klägerin „rechnerisch ein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt“ bestehe; die „individuelle Leistungshöhe würde monatlich ca. 100,00 € betragen“.

Mit Bescheid vom 20. Mai 2014 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass diese die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Befreiung aus sozialen Gründen nach der abschließenden Regelung des § 4 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages -RBStV- nicht nachgewiesen habe.

Die Klägerin legte hiergegen unter dem 17. Juni 2014 Widerspruch ein. Da ihr Einkommen deutlich unter der Grenze des sozialstaatlichen Existenzminimums liege, beantrage sie erneut die Befreiung von dem Rundfunkbeitrag aufgrund eines Härtefalls.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09. April 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Härtefall im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV sei nicht gegeben. Es fehle an dem hierfür erforderlichen atypischen Fall. Ein besonderer Härtefall liege insbesondere nicht darin, dass die Klägerin zwar dem Personenkreis nach § 4 Abs. 1 RBStV zuzurechnen sei, jedoch die dortigen Voraussetzungen nicht erfülle. Bei einer solchen Fallgestaltung würde eine Befreiung aufgrund der Härtefallregelung den § 4 Abs. 6 RBStV zu einem unzulässigen Umgehungstatbestand machen. Die Klägerin habe auch keine Bescheide vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass ihre Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschritten.

Die Klägerin hat am 11. Mai 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend führt sie aus, einen Sozialhilfebescheid, wie ihn der Beklagte von ihr als Nachweis fordere, könne sie schon deshalb nicht vorlegen, weil sie als Studierende bereits dem Grunde nach von einem Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zwei -SGB II- ausgeschlossen sei. Sie halte es nicht für zumutbar, ihr Studium zu unterbrechen, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, weil dies im Widerspruch zu dem ihr erteilten Visum zu Studienzwecken stünde. Maßgeblich sei unter Berücksichtigung der einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, dass ihre Einkünfte - gleich aus welchen Gründen - hinter den Leistungen nach dem SGB II oder dem Sozialgesetzbuch Zwölf -SGB XII- zurückblieben.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 20.05.2014 und des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 09.04.2015 den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin auf ihren Befreiungsantrag vom 10.03.2014 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung vertieft er die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und weist ergänzend darauf hin, dass ein Härtefall aufgrund der finanziellen Lage hier nicht vorliegen könne, denn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an ausländische Studierende setze voraus, dass deren Lebensunterhalt gesichert sei (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG-). Für die Sicherung des Lebensunterhalts eines Studierenden würden gemäß § 2 Abs. 3 Satz 4 AufenthG die jeweils gültigen Förderungshöchstsätze nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz -BAföG- zu Grunde gelegt, die die von der Klägerin angegebenen Einkünfte i. H. v. 500,00 € im Monat überstiegen. Die Klägerin müsse folglich entweder einen dem monatlichen Höchstsatz entsprechenden Betrag beziehen oder jedenfalls ein dem Jahreshöchstsatz entsprechendes Guthaben als Rücklage vorweisen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten einreichten Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 20. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 09. April 2015 ist rechtmäßig. Der Klägerin, die nach den Vorschriften des ab dem 01. Januar 2013 geltenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrages dem Grunde nach der Rundfunkbeitragspflicht unterfällt - dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig -, steht der geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nicht zu (§ 113 Abs. 5 VwGO), und zwar weder nach § 4 Abs. 1 RBStV (1.) noch nach § 4 Abs. 6 RBStV (2.).

1. Die Klägerin zählt nicht zu dem Personenkreis, dem - unbeschadet des Vorliegens eines Härtefalls - nach § 4 Abs. 1 RBStV Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zu gewähren ist. Sie ist insbesondere weder Empfängerin von Sozialleistungen nach dem SGB II bzw. dem SGB XII noch nach § 4 Abs. 1 Nr. 5a RBStV eine nicht bei den Eltern wohnende Empfängerin von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Die Klägerin erhält Ausbildungsförderung (wohl) deshalb dem Grunde nach nicht, weil sie keine der Voraussetzungen des § 8 BAföG - Innehaben der deutschen Staatsangehörigkeit, der Unionsbürgerschaft oder eines der dort aufgezählten Aufenthaltstitel - erfüllt.

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat diese auch nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV keinen Anspruch darauf, von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu werden, denn ein besonderer Härtefall i. S. d. Vorschrift ist in der Person der Klägerin nicht gegeben.

Nach der genannten Norm hat die Landesrundfunkanstalt in besonderen Fällen den Rundfunkteilnehmer von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Nach § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV liegt ein Härtefall insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkgebührenbeitrags überschreiten.

Der - durchaus nachvollziehbare - Hinweis der Klägerin auf ihre eingeschränkten finanziellen Verhältnisse vermag einen derartigen Befreiungsanspruch nicht zu begründen. Härtefallregelungen wie diejenige in § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV sollen gewährleisten, dass Fallgestaltungen, die wegen ihrer Atypik von dem Gesetzgeber nicht vorherzusehen sind und daher nicht einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden, wegen ihrer weitgehenden Ähnlichkeit zu den ausdrücklich normierten Fallgestaltungen der gleichen Rechtsfolge unterliegen. Nicht gemeint sind daher diejenigen Fälle, die vom Normbereich des § 4 Abs. 1 RBStV erfasst werden. Dies trifft auf die Klägerin zu, deren Lebenssituation als Studierende dem Grunde nach den Regelungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes unterfällt. Die vorliegend spezialgesetzliche Vorschrift ist in § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a RBStV - nicht bei den Eltern wohnende Empfängerin von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - zu finden. Raum für eine Härtefall-Entscheidung nach § 4 Abs. 6 RBStV bleibt darüber hinaus nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.10.2011 - 6 C 34/10 -, NVwZ-RR 2012, S. 29 = juris).

Auch hat der Normgeber des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages die Fallkonstellation des niedrigen Einkommens nicht ungeregelt gelassen, sondern ganz bewusst aus dem Katalog der Befreiungsgründe ausgeklammert. Die vorgenommene Beschränkung der Befreiungstatbestände soll nicht dadurch umgangen werden können, dass einkommensschwache Personen, die keine der in § 4 Abs. 1 RBStV benannten Transferleistungen erhalten, weil sie deren Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllen oder diese Leistungen nicht beantragen (wollen), die Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV für sich in Anspruch nehmen können. § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV enthält nach der Absicht des Gesetzgebers keine allgemeine Härte-Auffangklausel (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.05.2009 - 4 LB 188/08 -, juris, zu der entspr. Regelung im Rundfunkgebührenstaatsvertrag).

Weiterhin liegt ein Zweck des § 4 RBStV darin, eine - ggf. umfangreiche und schwierige - Berechnung des Einkommens und des Bedarfs durch die Rundfunkanstalten bei der Befreiungsentscheidung zu vermeiden. Wie § 4 Abs. 7 Satz 2, 1. Hs RBStV zeigt - danach sind die Voraussetzungen für die Befreiung oder Ermäßigung durch die entsprechende Bestätigung der Behörde oder des Leistungsträgers im Original oder durch den entsprechenden Bescheid im Original oder in beglaubigter Kopie nachzuweisen; im Falle des Absatzes 1 Nr. 10 1. Alternative genügt eine ärztliche Bescheinigung -, hat der Normgeber nicht nur die Befreiung nach den Regeltatbeständen des § 4 Abs. 1 RBStV von der Vorlage eines Leistungsbescheides, der den Empfang einer der dort aufgeführten Transferleistungen nachweist, abhängig gemacht, sondern auch für die Befreiung nach der Härtefallvorschrift des § 4 Abs. 6 RBStV vorausgesetzt, dass eine den Regelfällen entsprechende Bedürftigkeit durch einen Leistungsbescheid nachgewiesen wird. Da die Klägerin aber dem Grunde nach keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder Transferleistungen nach dem SGB II bzw. dem SGB XII hat, kann sie weder vom BAföG-Amt noch von den Sozialhilfebehörden einen Bescheid erhalten, der ihre Einkommensverhältnisse und Bedürftigkeit auch mit Blick auf die Regelung in § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV prüft bzw. feststellt, sodass eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht unbeschadet der tatsächlichen Einkommensverhältnisse auch aus diesen Rechtsgründen nicht in Betracht kommt. Der Leistungsausschluss nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz besteht unbeschadet dessen und führt vorliegend zugleich zum Ausschluss von der Rundfunkbeitragsbefreiung (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.05.2009, a.a.O.).

Dem Gesetzgeber des Rundfunkbeitragsrechts war durchaus bewusst, dass Personen, die sich noch in der Ausbildung befinden, häufig nur über geringe finanzielle Mittel verfügen. Dennoch hat er bereits bei der Frage, welche Personen von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien sind, zwischen Empfängern von Ausbildungsförderung und anderen Studierenden differenziert und auch bei der Überarbeitung des Rundfunkabgabenrechts im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag mit der abschließenden Regelung in § 4 Absatz 1 Nr. 5a RBStV hieran festgehalten. Damit werden Studierende, die auf Unterhaltszahlungen der Eltern verwiesen werden, und solche, die einen Fachrichtungswechsel vornehmen oder die Regelstudienzeit überschreiten oder ein Zweitstudium absolvieren, aber auch solche, die - wie die Klägerin - als Ausländerin nicht die Voraussetzungen des § 8 BAföG erfüllen - von der Befreiung bewusst ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO in Verfahren, in denen es um die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht geht, nicht erhoben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.04.2011 - 6 C 10.10. -, juris, für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht).