Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 31.03.2016, Az.: 13 A 4794/15

Beurteilung; Beurteilungskonferenz; Krankheit; Wiedereingliederungsmaßnahme

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
31.03.2016
Aktenzeichen
13 A 4794/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43016
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre dienstliche Beurteilung. Sie ist als Hauptsekretärin im JVD bei der Beklagten beschäftigt.

Für ihren Bereich hat die Beklagte das Beurteilungswesen zusätzlich mit der Anstaltsregelung Nr. 1.8.6 reglementiert.

Im Jahr 2014 holte die Beklagte - weil die Klägerin seit dem 05.03.2013 arbeitsunfähig erkrankt war und ein erster Versuch einer Wiedereingliederung im Sommer 2013 abgebrochen werden musste - ein amtsärztliches Gutachten ein. Der Amtsarzt sprach sich unter dem 06.01.2014 für eine weitere Wiedereingliederungsmaßnahme aus. Wichtig war danach, dass die Maßnahme im bisherigen beruflichen Umfeld der Klägerin stattfinden sollte. Belastende Faktoren sowohl im Privaten, als auch eine chronisch entzündliche Darmerkrankung und gestiegene berufliche Belastungen haben nach diesem amtsärztlichen Gutachten zu einer akuten Belastungsreaktion geführt, in deren Folge sich eine depressive Episode entwickelte.

Mit Beurteilung vom 08.07.2015 wurde die Klägerin für die Zeit vom 01.05.2012 bis 31.03.2015 dienstlich beurteilt. Das Gesamturteil lautete, dass ihre Leistungen „voll den Anforderungen“ entsprechen. Beim Einzelmerkmal 2.3 (Belastbarkeit) wurde sie lediglich mit „D“ beurteilt, ebenso beim Einzelmerkmal 4.4 (Motivationsfähigkeit).

Mit Schreiben vom 12.08.2015 bat die Klägerin um Überprüfung ihrer Beurteilung. Sie rügte die Beurteilung zu 2.3. Sie sehe sich den Konflikten und Belastungen in ihrem Tätigkeitsbereich gewachsen, außerdem sei sie im Beurteilungszeitraum Vertreterin des Betriebskontrollbeamten geworden; dafür wäre sie nicht vorgeschlagen worden, wenn sie dem nicht gewachsen wäre.

Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Widerspruch und wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2015, zugestellt am 24.09.2015, zurück. Im Beurteilungszeitraum habe sich die Klägerin nach vorangegangener längerer Erkrankung im betrieblichen Eingliederungsmanagement befunden. Der Amtsarzt habe dazu festgestellt, dass es wichtig sei, dass sie, die Klägerin, dazu in ihrem bisherigen beruflichen Umfeld eingesetzt werde. Aufgrund dieser vorhandenen Belastungssituation habe sie eben gerade nicht in anderen Vollzugsabteilungen eingesetzt werden können.

Die Klägerin hat am 29.09.2015 Klage erhoben.

Sie trägt vor:

Die Bewertung der Motivationsfähigkeit mit „D“ sei nicht nachvollziehbar.

Hinsichtlich des Merkmals 2.3 (Belastbarkeit) sei nicht nur die tatsächliche Tätigkeit in die Beurteilung eingeflossen, sondern der Umstand, dass amtsärztlicherseits empfohlen worden sei, dass sie in ihrem alten Tätigkeitsbereich eingesetzt werde. Nur darauf dürfe sich dann auch die Bewertung der Leistungen beziehen.

Die Beklagte habe zudem versäumt, Beurteilungsbeiträge der Vorgänger der Erstbeurteilerin einzuholen.

Die Klägerin beantragt,

ihre Beurteilung vom 11.05.2015 (richtig 08.05.2015) für den Zeitraum vom 01.05.2012 bis 31.12.2015 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21.09.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie, die Klägerin, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für den Zeitraum 01.05.2012 bis 31.03.2015 zu beurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beurteilung zum Punkt Belastbarkeit mit „D“ entspreche der Definition in den Beurteilungsrichtlinien. Die Klägerin habe aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation eben gerade nicht in anderen Abteilungen eingesetzt werden können.

Weiterhin machte die Beklagte im Schriftsatz vom 07.12.2015 Ausführungen zur Merkmal „Motivationsfähigkeit“, auf die verwiesen wird (Gerichtsakte Bl. 25).

Nach der Anstaltsregelung 1.8.1 habe entgegen den Beurteilungsrichtlinien kein Beurteilungsbeitrag eingeholt werden müssen, weil die vorherige Vorgesetzte, E., an einer Beurteilerkonferenz teilgenommen habe. Herr F. habe weder einen Beurteilungsbeitrag abgeben, noch habe er zur Beurteilerkonferenz eingeladen werden müssen, weil er erst außerhalb des Beurteilungszeitraumes Vorgesetzter der Klägerin gewesen sei.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffene Beurteilung und der angefochtene Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf eine Neubeurteilung.

Dem Dienstherrn steht bei der Beurteilung seiner Beamten eine Beurteilungsermächtigung zu. In Anbetracht dessen hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften oder -regeln verstoßen, den gesetzlichen Rahmen oder anzuwendende Begriffe verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2001, Rdnr. 477; Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, 3. Aufl. Loseblattwerk, B 18.1, jeweils mit w. N.). Keinesfalls darf das Gericht seine eigene Bewertung und Einschätzung anstelle des dazu berufenen Beurteilers setzen.

Nach diesen Grundsätzen enthält die von der Klägerin beanstandete dienstliche Beurteilung keine Rechtsfehler, die zu ihrer Aufhebung führen müssten.

Die Beurteilung leidet unter keinem formellen Mangel. Herr F. musste weder um einen Beurteilungsbeitrag gebeten noch zu einer Beurteilerkonferenz geladen werden, weil er nicht im Beurteilungszeitraum „vorheriger Vorgesetzter“ war.

Die Beklagte musste auch nicht von der früheren Vorgesetzten der Klägerin, Frau E., einen Beurteilungsbeitrag einfordern. Zwar sieht Ziff. 2.2 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beschäftigten in Justizvollzugseinrichtungen dies vor. Hierbei handelt es sich aber um eine bloße verwaltungsinterne Handlungsanweisung. Wenn die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis anders verfährt, ist dies nicht zu beanstanden, sofern der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt bleibt und sie durch die andere Verfahrensweise ebenfalls hinreichende Erkenntnisse über die Leistung des zu Beurteilenden erhält.

In Abwandlung der Beurteilungsrichtlinien hat hier die Beklagte in Ziff. 5.3 c der Anstaltsregelung Nr. 1.8.6 generell verfügt, dass ein Beurteilungsbeitrag nicht mehr einzuholen ist, wenn der oder die frühere Vorgesetzte an einer Beurteilungskonferenz teilnimmt. Diese Verfahrensweise stellt ebenfalls sicher, dass die Leistungen des zu beurteilenden Beamten in dem fraglichen Zeitabschnitt in die Beurteilung mit einfließen. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die frühere Vorgesetzte Klägerin, E., zu einer Beurteilerkonferenz geladen war. Das Gericht hat keine Zweifel an den Angaben der Beklagten.

Soweit die Klägerin rügt, dass die Bewertung zum Merkmal 4.4 (Motivationsfähigkeit) nicht plausibel sei, hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 07.12.2015 ihre Einschätzung erläutert. Da die Klägerin diesen Punkt im Klageverfahren erstmals gerügt hat, ist es nicht zu beanstanden, dass im Widerspruchsbescheid hierzu keine Ausführungen enthalten sind. Die Erläuterungen der Beklagten sind nachvollziehbar. Dass sich die Klägerin möglicherweise in diesem Punkt besser einschätzt als die Beurteilerin, steht dem nicht entgegen. Die letztendliche Bewertung obliegt den Beurteilern. Weder die Klägerin noch das Gericht können ihre eigene Einschätzung an deren Stelle setzen.

Auch die Beurteilung zum Merkmal 2.3 (Belastbarkeit) ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich sind Erkrankungen eines Beamten zwar außen vor zu lassen. Insoweit schließt sich das Gericht auch der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des OVG Münster (Beschluss vom 27.08.2015 - 6 B 649/15 -) an. Die während einer Erkrankung etwa im Rahmen einer Wiedereingliederung erbrachten einzelnen Leistungen sind keiner Beurteilung zu unterziehen.

Etwas anderes gilt aber dann, wenn die gesundheitliche Konstitution eines Beamten sich allgemein auf seine dienstlichen Leistungen oder seine Einsetzbarkeit auswirkt. Dann können auch krankheitsbedingte Umstände in die Beurteilung einfließen. So liegt der Fall hier. Die Erkrankung, die zu der Wiedereingliederungsmaßnahme geführt hat, war Ausdruck einer allgemein schwächeren Belastbarkeit der Klägerin.

Allein der Umstand, dass sich das aktuelle Krankheitsbild der Klägerin aus auch im dienstlichen Bereich entstandenen Belastungen überhaupt erst herausgebildet hat, zeigt eine geringere Belastbarkeit der Klägerin, ohne dass darin ein Verschuldensvorwurf enthalten ist. Gleichwohl kann der Beurteiler diese Erkenntnis in die Beurteilung übernehmen und ist nicht deshalb daran gehindert, weil sich die Klägerin im Beurteilungszeitraum zum Teil auch in einer Wiedereingliederungsmaßnahme befunden hat.

Die Klägerin geht fehl, wenn sie meint, die Frage der Belastbarkeit sei nur anhand ihrer konkreten Tätigkeit zu beurteilen. Würde dieser Ansicht gefolgt werden, so müssten auch schwächere, nicht so belastbare Beamte grundsätzlich bei diesem Merkmal ebenso gut beurteilt werden, wie Beamte, die auch ein nicht ganz so „stressfreies“ Aufgabengebiet meistern, wenn diese schwächeren Beamte auf einem Arbeitsplatz eingesetzt werden, der hierauf Rücksicht nimmt und keine hohen Anforderungen an die Belastbarkeit stellt. Es liegt auf der Hand, dass dann keine Vergleichbarkeit der Beurteilungen mehr gewährleisten sein würde. Zu Recht hat nach alledem die Beklagte deshalb darauf abgestellt, ob die Klägerin in allen denkbaren Aufgabenbereichen, die ihrem Statusamt entsprechen, belastbar war oder nicht und durfte damit auch ihre gesundheitlichen Einschränkungen mit berücksichtigen.

Dienstliche Beurteilungen sind regelmäßig dazu bestimmt festzustellen, über welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen ein Beamter verfügt, um ihn mit dem Leistungsbild anderer Beamter vergleichen zu können. Aus diesem Zweck folgt, dass die Beurteilung davon abhängt, ob und in welchem Maß bestimmte allgemein gültige Leistungsanforderungen erfüllt werden. Nur in dem Maße, wie diese Anforderungen erfüllt werden, sind sie bei der Vergabe der Beurteilungsnoten zu berücksichtigen, ohne dass es auf die Gründe dafür ankommt. Dementsprechend müssen die dienstlichen Leistungen nach einem Maßstab bewertet werden, der keine Rücksicht darauf nimmt, aus welchen Gründen allgemein geltende Leistungsanforderungen nicht erfüllt werden. Es dient der Wahrung der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG, diesen Maßstab einheitlich an alle Leistungen anzulegen, um aufgrund von Bewertungsrelationen zwischen den Leistungen die für die Notenbildung unverzichtbaren Mindest- und Durchschnittsanforderungen zu bestimmen

Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.