Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.02.2009, Az.: 3 U 204/08
Rechtsfolgen der Nachverhandlung über ein Vertragsangebot; Verlängerung der Annahmefrist
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 11.02.2009
- Aktenzeichen
- 3 U 204/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 12138
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:0211.3U204.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade, 5 O 370/07 vom 13.08.2008
Rechtsgrundlagen
- § 145 BGB
- § 148 BGB
- § 150 BGB
Fundstellen
- NJW-RR 2009, 1150-1151
- OLGR Celle 2009, 630-632
- OLGR Celle 2009, 669-670
Amtlicher Leitsatz
In dem Wunsch nach Nachverhandlung der Konditionen eines Vertragsangebots liegt nicht zwingend die Ablehnung eines Angebots, vielmehr kann darin auch der Wunsch zum Ausdruck kommen, die ursprünglich gewährte Annahmefrist für die Dauer der Nachverhandlungen zu verlängern.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 13. August 2008 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte erwirkte im Jahr 2004 gegen die Klägerin einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid. Gegen die Vollstreckung aus diesem Titel, aus dem noch 7.064,30 EUR zur Zahlung offen stehen, wendet sich die Klägerin mit der Vollstreckungsabwehrklage.
Dies hat folgenden Hintergrund:
Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 wandte sich die von der Beklagten beauftragte D. GmbH & Co. KG (im Folgenden nur D.) an die Klägerin und teilte mit, die Forderung aus dem Titel belaufe sich auf insgesamt 18.554,86 EUR. Zugleich unterbreitete sie ihr das Angebot, die Forderung durch Zahlung eines Betrages von 11.820 EUR bis spätestens zum 21. Juni 2007 abzulösen (Anlage K 1, Bl. 7 d. A.). Die Klägerin wandte sich daraufhin ihrerseits mit Schreiben vom 19. Juni 2007 an die D. Dort heißt es: "(...) Gerne würde ich die Forderung in einer Summe begleichen, bitte Sie jedoch um etwas mehr Zeit und um eine Reduzierung der Summe auf 8.000 EUR. Maximal diese Summe könnte ich mir relativ kurzfristig in der Verwandtschaft leihen (...)" (Anlage K 2, Bl. 8 d. A.). Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 erklärte die D. ihre Bereitschaft, eine Verminderung der Rückzahlungssumme auf 8.000 EUR zu prüfen und bat in diesem Zusammenhang um aussagekräftige Unterlagen über die Verschuldungs- und Einkommenssituation der Klägerin (Anlage K 3, Bl. 9 d. A.). Nach weiterem Schriftwechsel über die angeforderten Unterlagen und deren Übersendung (Anlagen K 4 bis K 6, Bl. 10 bis 12 d. A.), erklärte die D. mit Schreiben vom 8. August 2007, mit der angebotenen Vergleichszahlung in Höhe von 8.000 EUR nicht einverstanden zu sein (Anlage K 7, Bl. 13 d. A.).
Am 31. August 2007 bat die Klägerin die D. um Begründung dieser Entscheidung, woraufhin diese mit Rückfax vom selben Tag erklärte, aufgrund der Nettoeinkünfte und der geringen Verschuldung der Klägerin bestehe kein Anlass für einen derartigen Teilverzicht.
Mit Schreiben vom 7. September 2007 (Bl. 127 d. A.) erklärte die Klägerin unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Beklagten vom 4. September 2007, sie nehme "notgedrungen" das Vergleichsangebot vom 5. Juni 2007 über 11.820 EUR an, es sei ihr gelungen, in den letzten Tagen die fehlenden 3.820 EUR zu beschaffen. Den Betrag zahlte die Klägerin im Folgenden auch, wobei der genaue Zeitpunkt zwischen den Parteien streitig ist.
Mit PCTelefax vom 19. September 2007 teilte die D. mit Blick auf ein Telefonat mit der Klägerin vom selben Tag mit, ihr Angebot vom 5. Juni 2007 sei bis Ende Juni 2007 begrenzt gewesen, weshalb noch ein weiterer Betrag in Höhe von 7.064,30 EUR zur Zahlung offen stehe, weswegen sie nunmehr die Vollstreckung betreibt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Bitte um günstigere Vertragskonditionen hätte kein neues Vertragsangebot dargestellt. Angesichts der von der Beklagten gezeigten Verhandlungsbereitschaft sei die Annahmefrist für das ursprüngliche Angebot verlängert worden. Jedenfalls sei die Vorgehensweise der Beklagten treuwidrig.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat vielmehr gemeint, mit Ablauf des 21. Juni 2007 sei die Annahmefrist verstrichen. Die Annahme ihres ursprünglichen Angebots durch die Klägerin sei verspätet erfolgt und stelle ihrerseits einen neuen Antrag dar, den sie indessen nicht angenommen habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe bereits mit Schreiben vom 19. Juni 2007 das vorangegangene Angebot der D. angenommen. Dass sie die Vergleichssumme nicht zu dem vereinbarten Termin vom 21. Juni 2007 gezahlt habe, sei deswegen unschädlich, weil sich die D. auf die Bitte der Klägerin, eine weitere Verminderung der Rückzahlungssumme zu prüfen, eingelassen habe. Deshalb habe diese davon ausgehen dürfen, die ursprünglich gesetzte Zahlungsfrist sei verlängert worden. Schließlich wäre es treuwidrig, dürfte sich die Beklagte auf das Ablaufen der Frist im Zahlungszeitpunkt berufen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren ursprünglichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und meint, das Landgericht habe sich mit Inhalt und Wortlaut des Schriftwechsels nicht ausreichend auseinander gesetzt. Dem Antwortschreiben der Klägerin vom 19. Juni 2007 sei vielmehr zu entnehmen, dass sie damals gerade nicht bereit oder imstande gewesen sei, das auf Zahlung von 11.820 EUR gerichtete Ausgangsangebot des Inkassobüros anzunehmen. Wer erkläre, eine angebotene Leistung nicht erbringen zu können, bitte nicht um bessere Vertragsbedingungen oder die Verlängerung einer Annahmefrist. Dies ergebe sich auch daraus, dass es der Klägerin erst im September 2007 gelungen sei, die fehlenden 3.820 EUR zu beschaffen.
Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid in Höhe des noch in Rede stehenden Restbetrages von 7.064,30 EUR ist zulässig.
Die dagegen gerichtete Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin hätte nur dann Erfolg haben können, wenn sie sich mit der Beklagten bzw. der für sie handelnden D. nachträglich auf einen Teilverzicht geeinigt und die verbliebene Restforderung durch Zahlung erloschen wäre (§ 767 Abs. 2 ZPO). Eine derartige Einigung ist indes letztendlich nicht zustande gekommen, weshalb die unstreitige Zahlung in Höhe von 11.820 EUR im September 2007 die titulierte Forderung nur zum Teil und nicht in voller Höhe zum Erlöschen bringen konnte. Vielmehr steht der o. g. - der Höhe nach unstreitig gebliebene - Restbetrag noch immer zur Zahlung offen.
Das Schreiben der D. vom 5. Juni 2007 beinhaltete das Angebot auf Abschluss eines Teilverzichtsvertrages, wonach der Klägerin ein Teil der titulierten Forderung erlassen werden sollte, sofern sie diese Summe in einem einmaligen Betrag bis zum 21. Juni 2007 zahlte. Das befristete Angebot stand damit unter der auflösenden Bedingung der fristgerechten Zahlung (§ 158 Abs. 2 BGB).
Gemäß § 145 BGB ist derjenige, der einem anderen die Schließung eines Vertrages anträgt, an den Antrag gebunden. Der Antrag erlischt, wenn er dem Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn er diesem gegenüber nicht nach den §§ 147 bis 149 BGB rechtzeitig angenommen wird (§ 146 BGB). Gemäß § 147 Abs. 2 BGB kann der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Hat der Antragende für die Annahme des Antrags - wie hier - eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen (§ 148 BGB).
Das Schreiben der Klägerin vom 19. Juni 2007 ist innerhalb der von D. gesetzten Annahme und Zahlungsfrist eingegangen. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung lag darin aber noch nicht die Annahme des Antrags. Auch wenn die Klägerin sinngemäß zum Ausdruck gebracht hat, sie würde das Angebot gerne annehmen, hat sie doch zugleich deutlich gemacht, dass sie nicht in der Lage war, die ihr angebotene Ablösesumme innerhalb der ihr zur Verfügung stehenden Zeit und in der geforderten Höhe aufzubringen.
Genauso wenig ist die in dem Antwortschreiben geäußerte Bitte um mehr Zeit und eine weitere Reduzierung der Schuld auf 8.000 EUR aber als Ablehnung des Antrags zu verstehen. Die Klägerin hat vielmehr deutlich ihr Interesse an einer einvernehmlichen Reduzierung der Schuld gezeigt. Gegen eine kategorische Ablehnung des ihr angebotenen Ablösebetrags spricht schon, dass die zugrunde liegende Schuld ohnehin tituliert war und sich die Situation der Klägerin durch die Annahme des Angebots der D. nur verbessern konnte. Es liegt daher nahe, dass sich die Klägerin für den Fall, dass sie eine weitere Verminderung der Schuld nicht erreichen konnte, sich wenigstens diese Möglichkeit offen halten wollte. Die Ablehnung des Angebots wäre für sie nur nachteilig gewesen. Dies kommt in dem von ihr verfassten Schreiben, in dem sie auf ihre grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und ihre finanziell angespannte Situation hingewiesen hat, auch hinlänglich zum Ausdruck. Die Bitte um die Gewährung einer weiträumigeren Zahlungsfrist schließt zudem die Möglichkeit mit ein, den geforderten Betrag doch noch aufzubringen. Dass sie dies mit Blick auf die erhoffte weitere Herbsetzung der Schuld nicht explizit erklärt hat, ist unschädlich. Aus diesen Gründen ist auch der Hinweis der Klägerin darauf, dass sie nicht in der Lage sei, den geforderten Geldbetrag, sondern maximal 8.000 EUR aufzubringen, nicht als Ablehnung des Angebots zu verstehen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss in dem Bemühen des Schuldners, den Gläubiger zur Modifizierung seines Angebots zu bewegen, auch nicht zwingend eine Willenserklärung i. S. v. § 150 Abs. 2 BGB, mithin eine als Ablehnung des Antrags geltende abändernde Annahme liegen, wenn dies auch aus Sicht des Gläubigers nicht als Ablehnung des Angebots verstanden werden kann (BGH, Urt. v. 13. Oktober 1982 - VIII ZR 155/81, WM 1982, 1330 ff., hier zitiert nach Juris Rn. 32). Vielmehr kann das Verlangen besserer Vertragsbedingungen bedeuten, dass das Angebot notfalls auch in der unterbreiteten Fassung angenommen werden wird oder sich der Annehmende die Entscheidung bis zum Ablauf der Annahmefrist noch vorbehalten will. Bei einer wertenden Betrachtung des gesamten Verhaltens der Klägerin einschließlich der begleitenden Umstände ist auch vorliegend anzunehmen, dass sie das ursprüngliche Angebot gerade (noch) nicht durch ein neues ersetzen wollte, sondern die Prüfung einer weiteren Reduzierung der Schuld "nebenher" geschehen sollte.
Die Bitte, ihr zum einen mehr Zeit zu gewähren und zum anderen die Forderung weiter herabzusetzen, muss in diesem Zusammenhang als Aufforderung verstanden werden, die Annahmefrist über den 21. Juni 2007 hinaus zumindest so weiträumig zu verlängern, bis sich die D. hierzu abschließend geäußert hatte. Indem diese auf den Wunsch der Klägerin insoweit einging, als sie sich bereit zeigte, aufgrund der ihr eingereichten Unterlagen die finanziellen Verhältnisse der Klägerin und in diesem Zusammenhang eine weitere Reduzierung der Forderung aus wirtschaftlichen Gründen zu überprüfen, hat sie zumindest nach außen den Eindruck erweckt, dass die ursprünglich gesetzte Frist obsolet geworden und das ursprüngliche Angebot während der Zeit der Prüfung "ausgesetzt" worden sei. Dies durfte die Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont als konkludente Verlängerung der Annahmefrist verstehen.
Gleichwohl ist es in der Folge nicht zu einer vertraglichen Einigung der Parteien über den Teilerlass der Schuld gekommen. Die von der Klägerin angeregte weitere Herabsetzung der titulierten Forderung über das Angebot vom 5. Juni 2007 hinaus hat die D. mit Schreiben vom 8. August 2007 abgelehnt. Da für die Annahme des ursprünglichen Angebots eine neue Frist nicht gesetzt worden ist, kam es darauf an, bis zu welchem Zeitpunkt der Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen zu erwarten war (§ 147 Abs. 2 BGB). Der Klägerin musste in Anbetracht der mangelnden Bereitschaft der D. zu einem weiteren Entgegenkommen, der seit Juni verstrichenen Zeit sowie der in ihrem Schreiben vom 19. Juni 2007 zum Ausdruck gekommenen Unsicherheiten klar sein, dass es an ihr lag, insoweit schnellstmöglich für klare Verhältnisse zu sorgen. Sie hätte daher umgehend nach Eingang des Ablehnungsschreibens ihr Einverständnis mit der angebotenen Ablösesumme von 11.820 EUR signalisieren und den Betrag gleichzeitig anweisen müssen, denn Sinn und Zweck des angebotenen Teilerlasses war es, beiden Parteien weitere Kosten und Mühen mit Blick auf die anderenfalls drohende Zwangsvollstreckung zu ersparen. Auch wenn man eine Laufzeit des Schreibens der D. von drei Tagen und eine eben solche für ein Antwortschreiben der Klägerin einschließlich der Überweisung des geforderten Geldbetrags veranschlagt, hätte die Rückäußerung rund eine Woche später der D. vorliegen müssen. Die mit Schreiben vom 7. September 2007 ausdrücklich erklärte Annahme des Angebots von Juni 2007 lag indes weit außerhalb dieses Zeitraums. Stattdessen hat die Klägerin versucht, noch einmal nachzuverhandeln, und hat den Betrag von 11.820 EUR erst nach erneutem Scheitern ihrer Bemühungen in der Folge - wann genau ist zwischen den Parteien streitig - "notgedrungen" gezahlt. In der verspätet zugegangenen Annahme lag ein neuer Antrag nach § 150 Abs. 1 BGB, den die D. nicht mehr angenommen hat. Das Risiko, dass sich die D. nicht mehr an ihrem ursprünglichen Entgegenkommen festhalten lassen würde, hat die Klägerin nach alledem bewusst in Kauf genommen.
Ansatzpunkte, wonach die D. nach Treu und Glauben gehalten gewesen wäre, das Angebot zugunsten der Klägerin auch über Mitte August 2007 hinaus aufrecht zu erhalten, gibt es nicht. Sie hat auch gegenüber der Klägerin keinen entsprechenden Anschein erweckt.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO hat der Senat nicht.