Amtsgericht Osnabrück
Beschl. v. 05.08.2013, Az.: 60 IN 17/12

Streitwertbestimmung bei vorläufiger Insolvenzverwaltung und zurück genommenem Insolvenzantrag

Bibliographie

Gericht
AG Osnabrück
Datum
05.08.2013
Aktenzeichen
60 IN 17/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 45158
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOSNAB:2013:0805.60IN17.12.0A

Fundstellen

  • JurBüro 2013, 647-648
  • RENOpraxis 2013, 225

In dem Insolvenzantragsverfahren
- Antragstellerin -
g e g e n
- Antragsgegner -
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte

Tenor:

  1. 1.

    Der Gegenstandswert wird auf 9.260.623,73 € festgesetzt.

  2. 2.

    Auf die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenansatz vom 26.07.2012 wird dieser abgeändert:

    Die Kosten werden auf 14.678,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 20.07.2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners beantragt und ihre Gesamtforderungen mit 28.832.413,70 € beziffert. Das Gericht ordnete zunächst die sachverständige Begutachtung hinsichtlich der Insolvenzgründe und des vorhandenen Vermögens und später die vorläufige Insolvenzverwaltung an. Mit Eingang vom 26.10.2012 nahm die Antragstellerin nach Regulierungsverhandlungen mit dem Antragsgegner den Insolvenzantrag zurück. Der vorläufige Insolvenzverwalter legte sein vorläufiges Gutachten und einen ausführlich begründeten Vergütungsantrag vor.

Das Gericht - der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle - hatte bei Antragseingang der Antragstellerin unter dem 26.07.2012 eine Kostenrechnung nach dem Betrag der geltend gemachten Forderung erstellt und dabei einen Betrag von 44.003,00 € angesetzt. Dagegen hat die Antragstellerin Erinnerung mit Schreiben vom 7.08.2012 (vgl. Bl. 24 Bd. I d. A.) eingelegt. Die Entscheidung darüber war zunächst zurückgestellt und die aufschiebende Wirkung der Erinnerung angeordnet worden (vgl. Beschluss vom 8.8.2012 Bl. 44 Bd. I d. A.).

Streitig ist vorliegend der zugrunde zu legende Gegenstandswert.

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht vertritt die Auffassung, der Wert sei auf 15.050.624,00 € festzusetzen.

Das Gericht setzt den Gegenstandswert gemäß § 58 Abs. 2 GKG auf

9.260.623,73 € fest. Im Rahmen der Erinnerung nach § 66 Abs. 1 GKG gegen den Kostenansatz des Amtsgerichts vom 26.7.2013 ist die Gebühr für das Antragsverfahren dann auf 14.678,00 € anzusetzen.

Nach KV 2311 der Anlage 1 zu § 3 GKG bestimmt sich die gerichtliche Gebühr für das Insolvenzeröffnungsverfahren grundsätzlich nach dem Geschäftswert und fällt in Höhe einer halben Gebühr an, wobei der Mindestbetrag 150,00 € beträgt. Gemäß § 58 Abs. 2 GKG ist für den Geschäftswert im Falle des Gläubigerantrags der Betrag seiner Forderung, bei geringerem Wert der Insolvenzmasse dieser Wert maßgebend. Daher ist grundsätzlich für die Geschäftswertbestimmung der Wert der aktiven Masse vergleichend heranzuziehen.

Dies kann hier aufgrund der Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters in seinem Entwurf des gerichtlich beauftragten Sachverständigengutachtens im Wege der Schätzung nach den §§ 4, 287 ZPO bestimmt und mit 9.260.623,73 € angenommen werden.

Naturgemäß kann der genaue Wert der Insolvenzmasse hinreichend sicher - und selbst dann auch nur vorbehaltlich einer eventuellen Nachtragsverteilung - erst vor der Schlussverteilung im durchgeführten Insolvenzverfahren bestimmt werden. Kommt es - wie hier - nicht zur Eröffnung, bestehen bezüglich des Wertes der - potentiellen - Insolvenzmasse natürlich Unsicherheiten und Unwägbarkeiten. Falls überhaupt keine Feststellungen möglich sind, soll es nach einer vertretenen Meinung bei der Festgebühr von 150,00 € sein Bewenden haben (Hartmann KostG 37.A. § 58 GKG Rd. Nr. 8). Vorliegend war zum Zeitpunkt der Antragsrücknahme bereits eine vorläufigen Insolvenzverwaltung durchgeführt worden und der vorläufige Insolvenzverwalter hat sich ausführlich mit der überwiegenden Zahl der Wertgegenstände befasst, wie sich insbesondere seinem Antrag auf Festsetzung der Vergütung für die vorläufige Insolvenzverwaltung ergibt. Insbesondere hat er dazu den Entwurf seines Gutachtens vorgelegt, aus dem sich der Wert der Aktiva ergibt. Dass insbesondere Verkehrswerte und zu erzielende Verkaufs- bzw. Veräußerungserlöse bei Grundstücken nicht exakt feststellen lassen, wenn es nicht zur Verwertung kommt, ist unvermeidbar. Die Erlöse können hinter den Prognosen zurückbleiben, aber sie auch deutlich übersteigen. Da der Sachverständige sich ausdrücklich mit der Bewertung des feststellbaren Grundbesitzes und seinen Belastungen auseinandergesetzt und dabei sich auch ausdrücklich eine gewisse Zurückhaltung in seinen Prognosen auferlegt hat, erscheint es dem Gericht naheliegend und plausibel, den Wert der Insolvenzmasse auf der Grundlage der Angaben des Sachverständigen zu schätzen und dessen Zahlenwerk zu Grunde zu legen.

Die Einwendungen des Antragsgegners überzeugen nicht. Nicht verkannt werden soll dabei, dass die Antragstellerin formal die Kostenschuldnerin ist. Der Antragsgegner ist aber aufgrund der Vereinbarungen über die Rücknahme des Insolvenzantrags im Verhältnis zur Antragstellerin zur Kostenerstattung verpflichtet. das ist dem Gericht bekannt und erklärt das Engagement des Antragsgegners im Rahmen der Kostenfestsetzung.

Vorliegend ist daher auch zu berücksichtigen, dass der Schuldner den Sachverständigen entgegen seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§§ 20, 98 InsO) nicht unterstützt hat, sondern sich obstruktiv verhielt, offenbar weil dieses seiner Taktik im Insolvenzantragsverfahren entsprach. Daraus entstand einerseits die Gefahr, dass dem Sachverständigen Aktiva vorenthalten worden sein könnten. Andererseits setzt sich der Antragsgegner mit seinem jetzigen Vorbringen zu seinem frühren Verhalten in Widerspruch. Wenn nämlich der Schuldner im Rahmen der Gerichtskostenfestsetzung nun - offenbar erneut seinem eigenem wirtschaftlichen Interesse folgend - nachträglich umfänglich Einwendungen gegen das Gutachten erhebt, dessen Feststellungen er nachhaltig durch eigene Mitwirkung und Vorlage von Geschäftsunterlagen hätte erleichtern, fördern und untermauern sollen, so erscheint dieses rechtsmissbräuchlich (venire contra factum proprium). Außerdem ist diesen Einwänden jedenfalls nicht nachzugehen, solange sie sich - wie vorliegend - allgemein und pauschal zu den Ausführungen des vorläufigen Insolvenzverwalters verhalten, also die dem Gutachter geschuldeten Einzelinformationen und Geschäftsunterlagen entbehren. Eines besonderen Hinweises bedurfte es nach Auffassung des Gerichts angesichts des Verhaltens des Antragsgegners nicht mehr.

Damit ergibt sich folgende Schätzungsgrundlage analog den Ausführungen des vorläufigen Insolvenzverwalters:

Summe9.260.623,73 €
Grundbesitz
Beteiligungen
KFZ
Mietforderungen
Schadenersatzanspruch aus Kauf
Forderungen aus Bürgschaften
Forderungen gegen Banken
Lebensversicherungen
Geschäftskonten

Gemäß § 58 Abs. 1 ist der Gegenstandswert nach dem Wert der Insolvenzmasse i.S.v. § 35 InsO zu berechnen. Die zur abgesonderten Befriedigung notwendigen Beträge sind dabei in Abzug zu bringen. Auf die höhere Gläubigerforderung kommt es nicht an. Hier ist der Betrag der Insolvenzmasse geringer als die Forderung, so dass der Wert der Insolvenzmasse zu Grunde zu legen ist, § 58 Abs. 2 InsO.

Der Ansicht des AG Itzehoe, Beschluss vom 31. Januar 2013 - 28 IE 4/12 H -, [...], die Absonderungsrechte (§§ 49 ff. InsO) bei der Wertbestimmung nicht in Abzug zu bringen, wenn der absonderungsberechtigte Gläubiger selbst den Antrag stellt anstatt den in § 49 InsO aufgezeigten Weg der Verwertung außerhalb der Insolvenz zu gehen, überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass vorliegend die Grundstücke nur teilweise mit Grundpfandrechten zugunsten der Antragstellerin belastet waren und weiteres Vermögen vorhanden war, ist der Begriff der Insolvenzmasse in den beiden Absätzen des § 58 InsO einheitlich zu verstehen.