Amtsgericht Osnabrück
Beschl. v. 03.09.2013, Az.: 62 IN 20/09

Höchstgrenze des Gegenstandswerts i.R.e. Kostenrechnung in einem Insolvenzverfahren

Bibliographie

Gericht
AG Osnabrück
Datum
03.09.2013
Aktenzeichen
62 IN 20/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 44391
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOSNAB:2013:0903.62IN20.09.0A

Fundstellen

  • AGS 2014, 79
  • JurBüro 2013, 645-646
  • NJW-Spezial 2014, 124

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters vom 14. 08. 2013 wird der Beschluss vom 20. 07. 2013 aufgehoben und der Gegenstandswert auf 30.000.000,00 € festgesetzt.

Der Kostenbeamte wird ersucht, eine diesem Gegenstandswert entsprechende neue Kostenrechnung zu erstellen.

Gründe

Das Insolvenzgericht hat seiner Kostenrechnung vom 02. 07. 2013 einen Gegenstandswert von 274.374.000,00 € zugrunde gelegt, was dem Wert der Insolvenzmasse entspricht. Die Erinnerung des Insolvenzverwalters gegen die Kostenrechnung, insbesondere gegen den der Rechnung zugrunde gelegten Gegenstandswert hat das Gericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.

Diese ist zulässig und begründet.

Nach § 58 GKG richten sich die Gebühren in Insolvenzverfahren grundsätzlich nach dem Wert der Insolvenzmasse im Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens.

§ 58 GKG ist jedoch im Zusammenhang mit § 39 Abs. 2 GKG zu sehen. Nach § 39 Abs. 2 GKG gilt für den Gegenstandswert eines gerichtlichen Verfahrens eine Höchstgrenze von 30 Mio. €, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist. Diese Formulierung macht deutlich, dass vom Gesetz grundsätzlich kein höherer Gegenstandswert als 30 Mio. € gewollt ist.

Dahinter steht die verfassungsrechtliche Überlegung, dass Gebühren für staatliche Leistungen nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen. Die festgesetzten Gebühren müssen so gestaltet sein, dass noch eine sachgerechte Verknüpfung zwischen den tatsächlichen Kosten einer Staatsleistung und den dafür zu zahlenden Gebühren gegeben ist. Die Gebühren dürfen deshalb nicht so gestaltet sein, dass sie unter dem Gesichtspunkt der Kostendeckung als unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt sachgemäß erscheinen (BVerfGE 50, 217 [BVerfG 06.02.1979 - 2 BvL 5/76]).

Auch die durch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Großbetriebs verursachten staatlichen Kosten dürften durch die nach einem Gegenstandswert von 30 Mio. anfallenden Gebühren gedeckt sein. Dies spricht dafür, dass auch die Festsetzung des Gegenstandswerts in Insolvenzverfahren gem. § 58 GKG unter der grundsätzlichen Deckelung durch § 39 Abs. 2 GKG steht. Wollte man § 58 GKG demgegenüber als Ausnahmenorm zur Bestimmung des § 39 II GKG verstehen, liefen die oben dargestellten verfassungsrechtlichen Überlegungen zur grundsätzlichen Bedeutung von Gebühren ins Leere.

Die grundsätzlich gem. § 58 GKG vorzunehmende Berechnung der Gerichtsgebühren nach der Insolvenzmasse wird somit durch die gesetzliche Obergrenze des § 39 II GKG begrenzt, so dass der Gegenstandswert auch in Insolvenzverfahren höchstens 30 Mio. € beträgt. Dementsprechend war der Gegenstandswert auf diese Summe festzusetzen.

Richter am Amtsgericht

Ausgehend von diesem Gegenstandswert sind die zu zahlenden Gerichtskosten neu festzusetzen.

Anmerkung zur Entscheidung des AG Osnabrück vom 3.9.13 - 62 IN 20/09 -:

Erläuterungen zum Sachverhalt:

Der Kostenbeamte hatte die Gebühren KVGKG Nr. 2310 und 2320 nach einem Gegenstandswert von 223.601.863,-Euro berechnet. Gegen die Kostenrechnung war Erinnerung eingelegt worden, mit dem Ziel, die Höchstwertgrenze gem. § 39 Abs.2 GKG zu beachten und die entstandenen Gebühren lediglich nach dem Höchstwert von 30 Millionen Euro zu berechnen.

Das Amtsgericht hatte zunächst im Beschluss vom 20.07.2013 die gegen die Kostenrechnung eingelegte Erinnerung als unbegründet angesehen, wobei jedoch diese Entscheidung als Nichtabhilfeentscheidung bezeichnet und die Erinnerung dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde. Diese Nichtabhilfeentscheidung wurde wie folgt begründet:

"Die Kappungsgrenze des § 39 Abs. 2 GKG, mit der der Streitwert auf höchstens 30 Mio. Euro begrenzt wird, gilt nicht für die Gerichtsgebühren in Insolvenzverfahren nach § 58 GKG.

Der Grundgedanke des § 39 Abs. 2 GKG, die Verfahrenskosten aus sozialen Erwägungen zu begrenzen, passt nicht für das Insolvenzverfahren. Dieses kennt auch - anders als § 39 Abs. 2 GKG voraussetzt - gar keinen Streitwert. Nach § 58 InsO bestimmen sich die Gerichtsgebühren vielmehr nach der Insolvenzmasse. Diese bemisst sich nach völlig anderen Kriterien als der Streitwert.

Schließlich ist unstreitig, dass die Vergütung des Insolvenzverwalters - anders als die des Rechtsanwalts in streitigen Verfahren - nicht durch die Kappungsgrenze des § 39 Abs. 2 GKG gedeckelt ist. Es ist aber nicht einzusehen, dass die Gebühren der Gerichte sich in Großverfahren nach einem bedeutend niedriger anzusetzenden Wert bemessen sollen als die des Insolvenzverwalters.

Der Erinnerung wird deshalb nicht abgeholfen, sondern sie wird dem Landgericht Osnabrück zur Entscheidung vorgelegt."

Aufgrund der Vorlage hatte sodann das Landgericht Osnabrück im Beschluss vom 5.8.2013 - 8 T 452/13 - den Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 20.7.2013 aufgehoben, soweit er die Vorlage an das Landgericht beinhaltete und die Sache an das Amtsgericht Osnabrück zurückgegeben. Neben der Begründung der Aufhebung bezüglich der Vorlage hat das Landgericht zum Gegenstand des Erinnerungsverfahrens ergänzend Folgendes ausgeführt:

"Anzumerken bleibt, dass die (Vorschrift) § 58 Abs. 1 GKG, wonach sich die Gebühren im Insolvenzverfahren nach der Insolvenzmasse bestimmen, zwar eine "besondere Wertvorschrift" darstellt, damit aber keine Ausnahme von der Regelung des § 39 Abs. 2 GKG begründen. Denn die Formulierung in § 39 Abs. 2, wonach die Wertgrenze von 30 Mio. Euro gilt, "soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist" zeigt im Gegenschluss, dass darüber hinausgehende Werte ausgeschlossen sind.

Im Übrigen ist die Regelung des § 39 Abs. 2 GKG auch verfassungskonform auszulegen. Gebühren für staatliche Leistungen dürfen danach nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden; die Verknüpfung zwischen den Kosten und der Gebührenhöhe muss sachgerecht sein. Aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgt, dass die Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen, und dass die Verknüpfung zwischen den Kosten der Staatsleistung und den dafür auferlegten Gebühren nicht in einer Weise sich gestaltet, die, bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, sich unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgemäß erweist (BVerfGE 50, 217 [BVerfG 06.02.1979 - 2 BvL 5/76] bis 234).

Zwar mögen die Kosten des Gerichts im Insolvenzverfahren bei Großverfahren regelmäßig deutlich höher sein als im Normalfall. Diese Kostensteigerung wird aber nicht wesentlich davon beeinflusst, ob die Insolvenzmasse die 30 Mio. Grenze des § 39 Abs. 2 GKG übersteigt. Von daher erscheint das Verständnis des § 58 GKG als Ausnahme von den "allgemeinen Wertvorschriften" nicht zu rechtfertigen".

In der nach der Zurückverweisung ergangenen Entscheidung vom 3.9.13 hat sich das Amtsgericht Osnabrück dann der Auffassung des Landgerichts Osnabrück angeschlossen, den Beschluss vom 20.7.13 aufgehoben und den Gegenstandswert auf 30 Mio. Euro festgesetzt. Der Kostenbeamte wurde ersucht, eine diesem Gegenstandswert entsprechende neue Kostenrechnung zu erstellen.

Der Auffassung des Amtsgerichts Osnabrück im Beschluss vom 3.9.13 sowie des Landgerichts Osnabrück im Beschluss vom 5.8.13 - 8 T 452/13 - ist zuzustimmen. Das Gericht hat sich zutreffend nicht den Ausführungen von Nicht und Schildt in NZI 2013, 64 ff. angeschlossen. Die von Nicht und Schildt aufgestellte These, die Gerichtsgebühren in Insolvenzverfahren seien nicht durch die Vorschrift § 39 Abs.2 GKG begrenzt, war bereits zuvor in einigen Stellungnahmen abgelehnt worden (vgl. Grub, "Die Begrenzung der Gerichtskosten im Insolvenzverfahren auf einen Gegenstandswert von 30 Mio. Euro gem. § 39 Abs. 2 GKG", in ZInsO 2013, 313 bis 316 sowie Schoppmeyer, "Gebührenstreitwert im Insolvenzverfahren", ZIP 2013, 811 bis 816).

Hätte der Gesetzgeber eine von § 39 Abs. 2 GKG abweichende Regelung treffen wollen, so hätte er das in § 58 GKG eindeutig normieren müssen. Davon hat der Gesetzgeber aber abgesehen.

Zudem wurde durch Art. 16 2.JuMoG vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416) § 39 Abs. 2 GKG dahingehend geändert, dass hier hinzugefügt wurde "soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist". Auch daraus wird deutlich, dass keinesfalls höhere Wertgrenzen als die in der Vorschrift genannten 30 Mio. Euro gelten.

Für sämtliche Verfahren, die nach dem GKG abzurechnen sind - und somit auch für Insolvenzverfahren -, gilt daher die in § 39 Abs.2 GKG normierte Höchstwertgrenze von 30 Millionen Euro.

Franz-Josef Lohle Bezirksrevisor Landgericht Osnabrück