Amtsgericht Winsen (Luhe)
Urt. v. 03.07.2003, Az.: 22 C 952/03
Bibliographie
- Gericht
- AG Winsen (Luhe)
- Datum
- 03.07.2003
- Aktenzeichen
- 22 C 952/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 41043
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGWINSN:2003:0703.22C952.03.0A
In dem Rechtsstreit
1. der Frau .... B.
2. des Herrn .... B.
Kläger
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: Rechtsanwälte .....
gegen
Frau .... B.
Beklagte
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ....
hat das Amtsgericht Winsen/Luhe am 03.07.2003 durch den Richter Paus
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Kläger auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Der Antrag ist unbegründet. Es fehlt an der überwiegenden Erfolgsaussicht der Vollstreckungsgegenklage.
Gründe
I.
Die Kläger begehren die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde.
Die Parteien schlossen am 09.01.2002 einen Mietvertrag über das Einfamilienhaus in ... .
Die Kläger waren Mieter, die Beklagte Vermieterin. Die Parteien vereinbarten einen Staffelmietzins, der zunächst monatlich 921,- € zzgl. 102,- € Betriebskostenvorschuss betrug und sich ab dem 01.01.2003 auf 947,- € zzgl. 102,- € Betriebskostenvorschuss erhöhte.
Bis zum 01.01.2010 ist eine Staffelmiete mit den jeweiligen Erhöhungen der Nettokaltmiete zwischen den Parteien vereinbart worden. Beginn des Mietverhältnisses war der 01.01.2002. Das Mietverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
In § 2 des Mietvertrages heißt es u.a:
"Für die Rechtzeitigkeit der Kündigung kommt es auf den Zugang des Kündigungsschreibens an. Die Kündigung des Mietverhältnisses bedarf der Schriftform. Hinsichtlich des Kündigungsrechts des Vermieters gelten im Übrigen weitere gesetzliche Vorschriften. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum 31.12.2003 zulässig."
Bereits am 17.12.2001 hatten die Beklagten die notarielle Urkunde des Notars .... unte rzeichnet, in der es in Bezug auf das in Aussicht genommene Mietvertragsverhältnis heißt:
"Wir übernehmen als Gesamtschuldner für die Zahlung der Nettomiete und der Nebenkosten, der Zinsen und Gebühren bei Verzug die persönliche Haftung und erkennen darüber hinaus der Gläubigerin gegenüber unsere oben genannten Zahlungsverpflichtungen unabhängig von der persönlichen Haftung an und unterwerfen uns wegen der persönlichen Haftung und aus diesem Anerkenntnis der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in unser gesamtes Vermögen."
Wegen des genauen Inhalts der Urkunde wird auf die in Ablichtung als Anlage K2 zu den Akten gereichte Urkunde vom 17.12.2001 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 31.05.2002 erklärten die Kläger gegenüber der die Beklagte vertretenden Hausverwaltung die Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.10.2002.
Mit Zwangsvollstreckungsauftrag vom 17.04.2003 beauftragte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde hinsichtlich der Mieten Dezember 2002 bis einschließlich März 2003 nebst Zinsen und Kosten in einer Gesamthöhe von 4.445,19 €.
Die Kläger sind der Ansicht, die vertragliche Vereinbarung des befristeten Verzichts auf das Kündigungsrecht sei nicht wirksam. Es handele sich um einen einseitigen Kündigungsverzicht, der in einem Formularvertrag wie dem hiesigen einen Verstoß gegen § 307 BGB darstelle. Ferner werde der durch den § 575 BGB bezweckte Schutz des Mieters vor Zeitmietverträgen unterlaufen.
II.
Die vertragliche Vereinbarung eines auf 2 Jahre befristeten Kündigungsverzichts zwischen den Parteien ist wirksam. Die Wirksamkeit dieser Vereinbarung ergibt sich bereits aus § 557a Abs. 3 BGB.
Diese Regelung im neuen Recht wird teilweise so verstanden, dass sie den qualifizierten Zeitmietvertrag meine und daher für die Frage der Zulässigkeit einfacher langfristiger Bindungen nichts hergebe. Andererseits wird hierin eine Spezialregelung für Kündigungsausschlüsse bei Staffelmietabreden gesehen. Andere wiederum erkennen in der Norm ein Redaktionsversehen, weil sie grundsätzlich davon ausgehen, dass künftig eine Kündigungsausschlussvereinbarung nicht mehr zulässig ist und der Gesetzgeber § 557 Abs. 3 BGB (früher § 10 II 6 MHRG) nicht angepasst habe.
Dennoch sei der Gesetzestext maßgeblich und die Gerichte hätten sich hieran zu halten. Nach bisherigem Recht umfasste § 10 II 6 MHRG sowohl Vereinbarungen über den Ausschluss der ordentlichen Kündigung als auch Zeitmietabreden. In der Begründung zum Regierungsentwurf zu § 557a BGB heißt es:
"Absatz 3 enthält das bisher in § 10 II 6 MHRG geregelte ‚Sonderkündigungsrecht‚ des Mieters. Satz 1 bestimmt in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht insofern, dass das (ordentliche) Kündigungsrecht des Mieters höchstens vier Jahre seit Abschluss der Staffelmietvereinbarung ausgeschlossen werden kann."
Die Formulierung spricht dafür, dass der Gesetzgeber eine Änderung der Rechtslage hier nicht gewollt hat, insbesondere nicht regeln wollte, dass zukünftig hier nur noch eine qualifizierte Zeitmietabrede i.S. des § 575 BGB gemeint sein soll. Im Übrigen spricht auch der Wortlaut des Gesetzes für Vereinbarungen über den Kündigungsausschluss.
Selbst wenn die Vorschrift des § 557a Abs. 3 BGB so verstanden werden würde, dass lediglich der qualifizierte Zeitmietvertrag gemeint sei, so wäre die Vereinbarung der Kündigungsbefristung zwischen den Parteien dennoch wirksam. Das gilt jedenfalls dann, wenn beide Parteien des Mietvertrages eine derartige Verzichtserklärung abgeben.
Es ist sehr umstritten, ob der vereinbarte zeitlich befristete Kündigungsausschluss gegen den Schutzzweck der §§ 573 c Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 575 Abs. 1, Abs. 4 BGB verstößt.
Die Problematik resultiert aus der Überlegung, dass der Gesetzgeber dem Mieter die Möglichkeit zur Kündigung eines Mietverhältnisses mit dreimonatiger Frist eingeräumt habe, um seine Mobilität zu erhöhen. Dieser Gesetzeszweck werde tangiert, wenn die Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen werden könne. Der Gesichtspunkt der Dauer eines Wohnraummietverhältnisses stehe dem der Mobilität gerade entgegen. Es sei der Wille des Gesetzgebers gewesen, den Mieterschutz weiter zu stärken und dem Mieter die Möglichkeit einer raschen Beendigung des Mietverhältnisses einzuräumen. Die gesetzliche Regelung des § 573 c Abs. 4 BGB zeige als Einschränkung der Vertragsfreiheit, dass der Mieter eine Änderung der Kündigungsfrist nicht vertraglich vereinbaren könne. Das ihm zugebilligte Mobilitätsrecht sei für ihn nicht disponibel. Aufgrund der gleichlaufenden Wirkungen von Kündigungsfrist und Kündigungsausschluss dürfe dieser Schutz des Mieters nicht durch eine Vereinbarung eines Kündigungsausschlusses unterlaufen werden. Die Parteien könnten allenfalls vereinbaren, dass der Vermieter auf sein Kündigungsrecht ve rzichte.
Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber in den (amtlichen) Überschriften des Mietrechtsreformgesetzes terminologisch sehr wohl zwischen den "Fristen der ordentlichen Kündigung" (§ 573 c) und der "Kündigungsbeschränkung" (§ 577 a) unterscheidet.
Diese Unterscheidung folgt einem herkömmlichen Sprachgebrauch. Danach ist unter der Kündigungsfrist der Zeitraum zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ende des Mietverhältnisses zu verstehen. Die "Kündigungsbeschränkung" meint dagegen die Zeit, in der eine Kündigung ausgeschlossen ist. Die Regelung des § 573 c Abs. 4 betrifft nur die Kündigungsfristen, nicht den Kündigungsausschluss.
Zu bedenken ist weiter, dass die Befristung eines Wohnraummietverhältnisses (und der damit verbundene Kündigungsausschluss) bislang für unproblematisch angesehen wurde, wie die Regelung des § 564 c Abs. 1 BGB a. F. zeigt. Das nunmehr angeordnete Verbot einfacher befristeter Mietverhältnisse soll auch nur bewirken, dass dem Mieter ein von einem Fortsetzungsverlangen unabhängiger Kündigungsschutz verbleibt. Ein schon bisher möglicher Kündigungsausschluss sollte damit nicht beseitigt werden. Im Gegenteil heißt es in der Gesetzesbegründung, dass die Parteien "für einen vertraglich festgelegten Zeitraum das ordentliche Kündigungsrecht beiderseits ausschließen" können (BT-Drucks. 439/00 S. 177). Auf den Willen des Gesetzgebers können sich die Vertreter dieser Ansicht deshalb nicht berufen.
Selbst wenn es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB handeln sollte, so läge ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vor. Die Vereinbarung eines befristeten Kündigungsverzichtes verstößt nur dann gegen § 305c Abs. 1 BGB (überraschende Klausel), wenn sich die Befristung in der Vertragsurkunde an versteckter Stelle befindet. Die diesbezügliche Regelung ist unter § 2 des Mietvertrages, der mit "Mietzeit" überschrieben ist aufgenommen. Bereits dadurch zeigt sie deutlich den Bezug zu der Dauer der vertraglichen Bindung und ist nicht irgendwo im Bereich von Sonder- oder Zusatzvereinbarungen versteckt.
Ein Verstoß gegen § 307 BGB (Verstoß gegen das Prinzip fairer Vertragsgestaltung) liegt ebenfalls nicht vor. Eine Verletzung dieser Vorschrift kann nur dann angenommen werden, wenn lediglich die Mieterpartei an eine Kündigungsausschlussfrist gebunden ist. Eine Bindung beider Vertragsparteien ist dagegen unbedenklich. Die Vereinbarung einer Mindestlaufzeit nützt beiden Parteien: der Vermieter kann allzu häufige Mieterwechsel vermeiden.
Der Mieter kommt in den Genuss eines vertraglichen Bestandsschutzes, der weiter reicht als die gesetzliche Regelung. Die Mobilität des Mieters wird durch die Vereinbarung einer Mindestlaufzeit zwar beschränkt; im Falle eines notwendigen Ortswechsels kann der Mieter aber nach wie vor die Zustimmung des Vermieters zur vorzeitigen Vertragsauflösung verlangen. Die Gegenansicht stellt demgegenüber eine zu weitreichende Beschränkung der Vertragsfreiheit der Parteien dar. Die mit der Neuregelung des § 573c BGB bezweckte Mobilitätssicherung kommt also erst nach Ablauf der Kündigungsausschlusszeit zum tragen.
Entgegen der Ansicht der Kläger kann die vertragliche Regelung nur so verstanden werden, dass die Kündigungsausschlussfrist für beide Mietvertragsparteien gilt. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Regelung ausschließlich auf das Kündigungsrecht des Mieters beziehen sollte. Insbesondere die Verwendung des Wortes "jedoch" stellt einen klaren Bezug zu der vorhergehenden Vereinbarung "Hinsichtlich des Kündigungsrechtes des Vermieters gelten im Übrigen weitere gesetzliche Bestimmungen." her.
Die Vereinbarung über den Ausschluss der ordentlichen Kündigung stellt auch keinen Verstoß gegen § 575 Abs. 4 BGB in Verbindung mit der Verwirklichung eines Umgehenstatbestands (§ 306a BGB) dar. Der Gesetzgeber hat nicht nur einen qualifizierten, sondern einen echten Zeitmietvertrag konzipiert, das Mietverhältnis endet mit Ablauf der festgelegten Vertragszeit. Der Mieter kann nicht wie nach bisherigem Recht einen Verlängerungsanspruch geltend machen. Deshalb verzichtet er auf weitergehenden Kündigungsschutz, wenn er einen qualifizierten Zeitmietvertrag abschließt. Mit § 575 Abs. 4 BGB soll verhindert werden, dass der Mieter Kündigungsschutz über jene Fälle hinaus verliert, die in § 575 Abs. 1 BGB geregelt sind. Bei der Vereinbarung über den Ausschluss der ordentlichen Kündigung schließt der Mieter einen unbefristeten Mietvertrag, er verliert deshalbkeinen Kündigungsschutz, ein Umgehungstatbestand liegt nicht vor.
Überdies spricht auch der gesetzgeberische Wille nicht zwingend für eine Unzulässigkeit des befristeten Kündigungsausschlusses.
Im Referentenentwurf zu § 575 BGB n.F. heißt es:
"Liegt bei Vertragsschluss kein Befristungsgrund auf Vermieterseite vor, so kann dem Interesse des Mieters an einer langfristigen Bindung des Mietverhältnisses vertraglich dadurch Rechnung getragen werden, dass die Parteien einen unbefristeten Mietvertrag schließen und für einen vertraglich festgelegten Zeitraum das ordentliche Kündigungsrecht beiderseits ausschließen. Damit wirkt sich auch für den Mieter der Wegfall des ‚einfachen‚ Zeitmietvertrags nicht nachteilig aus."
Zwar wird von der Gegenansicht angeführt, dass hier vom Gesetzgeber nur eine Ausschlussvereinbarung gemeint sei, die zu Gunsten des Mieters auf seine Initiative hin erfo lge.
In der Gesetzesbegründung ist vom "Interesse des Mieters" die Rede.
Der Wegfall des einfachen Zeitmietvertrags "wirke sich für den Mieter" nicht nachteilig aus. Hieraus folgt, dass nur das Mieterinteresse behandelt wird. Eine Aussage darüber, ob auch eine Ausschlussvereinbarung zu Gunsten des Vermieters möglich sein soll, enthält die Regierungsbegründung insoweit nicht.