Amtsgericht Winsen (Luhe)
Urt. v. 16.04.2003, Az.: 22 C 1982/02
Wirksamkeit eines Mietvertrages bei Bestehen von zahlreichen Mängeln am Mietobjekt; Bestehen eines Räumungsanspruchs hinsichtlich einer Wohnung wegen Mängeln; Abhängigkeit der Vermietung einer Sache vom Eigentum der Mietsache; Ansprüche auf Sachmängelgewährleistung aus einem Mietvertrag
Bibliographie
- Gericht
- AG Winsen (Luhe)
- Datum
- 16.04.2003
- Aktenzeichen
- 22 C 1982/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 29234
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGWINSN:2003:0416.22C1982.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 546 Abs. 1 BGB
- § 536 BGB
Fundstelle
- ZMR 2004, 123-125 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
1. Frau M,
2. Herr M
Prozessgegner
1. Frau H
2. Frau K
Das Amtsgericht Winsen/Luhe hat
auf die mündliche Verhandlung vom 12.03.2003
durch
den Richter Paus
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
- 2.)
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 44%, die Beklagten 56% zu tragen.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Die Beklagten bewohnen ein im Eigentum der Kläger stehendes, in der Straße "An den Ziegelteichen 10" in 21217 Seevetal gelegenes Wohnhaus. Die Kläger begehren die Räumung des Objektes durch die Beklagten, die Beklagten die Zahlung von Schadensersatzvorschussleistungen.
Mitte Mai 2002 besichtigten die Parteien gemeinsam die Mieträume. Der Kläger zu 2.) sowie die Beklagten unterzeichneten am 23.05.2002 ein Schriftstück folgenden Inhalts:
" Vorvertrag für Wohnraum
Zwischen Helmut Muck als Vermieter
und Frau Knaack sowie Frau Himme als Mieter
schließen ,folgenden Vertrag:
Zur Benutzung als Wohnung
Werden im Hause An den Ziegelteichen 10 - 21217 Seevetal
alle Wohnräume vermietet: ca. Mitte Sept. 2002
Die Wohnfläche beträgt ca. 120 qm.
Der Mietzins beträgt 820,- EUR
Seevetal 23.05.2002 Seevetal 23.05.2002
Vermieter : Mieter :
[Unterschrift Kl. 2] [Unterschriften der Beklagten]
Helmut M - .... Tel.: & Fax ......... "
Am 27.08.2002 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger zu 2.) und den Beklagten. Über dieses Gespräch wurde ein Ergebnisprotokoll gefertigt, das am 30.08.2002 von dem Kläger zu 2.) und den Beklagten unterschrieben wurde. Wegen des genauen Inhalts dieses Protokolls wird auf das in Ablichtung in den Akten (Bl. 15 d.A.) befindliche Schriftstück Bezug genommen. In diesem Protokoll ist unter anderem niedergelegt, dass die Beklagte zu 2.) am 18.09.2002 in die Wohnung einziehen solle. In Erfüllung der auch in diesem Protokoll getroffenen Vereinbarung, auf der Treppe Teppich zu verlegen, verlegte der Kläger zu 2.) Teppich auf der Treppe. Mit Schreiben vom 17.09.2002 bemängelten die Beklagten, dass das Haus nicht einzugsbereit sei. Es wurden folgende Mängel gerügt: lose Fußleisten im Zimmer unten, Treppen ohne Belag, Müll liegt herum, in der Küche Handwerkszeug, die Badmöbel blockieren den Flur unten, das gesamte Haus ist nicht gestrichen, mehrere lose Steckdosen. Wegen des genauen Inhalts wird auf das in Ablichtung in den Akten (Bl. 16 d.A.) befindliche Schreiben Bezug genommen. Am 18.09.2002 bezog zumindest die Beklagte zu 2.) die Wohnung. Nach dem Einzug oder allenfalls zeitgleich übermittelte der Kläger zu 2.) entweder persönlich oder durch Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten den Beklagten ein auf den 09.09.2002 datiertes und als Wohnungs-Mietvertrag überschriebenes Schriftstück, welches unter anderem die Verpflichtung zur Vorauszahlung von Betriebskosten in Höhe von monatlich 63,52 EUR und eine befristete Mietzeit bis zum 31.09.2003 vorsieht. Dieses Schriftstück unterschrieben die Beklagten nicht. Wegen des genauen Inhalts dieses Schriftstücks wird auf die in den Akten befindliche Kopie desselben (Bl. 81-87, Anlage B 5) Bezug genommen. In der Folgezeit kam es zum Streit der Parteien darüber, ob überhaupt ein wirksamer Mietvertrag zu Stande gekommen sei und die Wohnung sich im vertragsgemäßen Zustand befände. Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.09.2002 übersandten die Beklagten dem Kläger zu 2.) eine Mängelliste mit der Aufforderung, diese Mängel bis zum 11.10.2002 zu beseitigen. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens und der Mängelliste wird auf das in Ablichtung in den Akten befindliche Schreiben nebst Mängelliste Bezug genommen (Bl. 47-50 d.A.). Mit Schreiben vom 18.10.2002 forderten die Beklagten den Kläger zu 2.) zur Installation des Fernsehkabelanschlusses bis zum 25.10.2002 auf. In einem weiteren Schreiben vom 19.11.2002 wurde der Kläger zu 2.) ferner aufgefordert, defekte Heizungsventile und den Aqua-Stopp im Gäste-WC zu reparieren.
Die Kläger sind der Ansicht, zwischen den Parteien sei kein wirksamer Mietvertrag zustandegekommen. Das als "Vorvertrag für Wohnraum" überschriebene Schriftstück sei kein wirksamer Mietvertrag, weil sich die Parteien über wesentlichen Bestandteile des Mietvertrages, nämlich die Vertragsdauer, den vertragsgemäßen Zustand der Mietsache und die Nebenkostenvorauszahlungen nicht geeinigt hätten. Ferner bestehe keine Einigkeit über die Vertragsparteien. Die Klägerin zu 1.) habe als Mieteigentümerin des Mietobjektes auch mit Vertragspartei sein müssen. Sie behaupten, eine Zustimmung zum Einzug der Beklagten habe nicht vorgelegen.
Die Kläger beantragen,
die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen bewohnte Wohnung .........., bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Bad/Dusche mit WC, Flur, Garderobe, zwei Balkonen, einer Terrasse und zwei Kellerräumen in einer Gesamtgröße von etwa 120qm geräumt an die Kläger herauszugeben.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragen sie,
- 1.
die Kläger zu verurteilen, an die Beklagten 7.246,95 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen,
- 2.
festzustellen, dass die vereinbarte Miete für die von den Beklagten bewohnten Mieträume .......... nicht in voller Höhe geschuldet wird, sondern seit Mietbeginn wegen Mängeln um mindestens 20% (164,- EUR) gemindert ist.
Die Kläger beantragen,
die Widerklage anzuweisen.
Die Beklagten behaupten, der Kläger zu 2.) habe den Teppich auf der Treppe nicht richtungsgleich verlegt. Ferner wiesen mehrere Stufen Fehlschnitte und größere Löcher im Randbereich auf und auf einigen Stufen sei der Belag nicht fest mit dem Untergrund verklebt. Die Mängelbeseitigungskosten beliefen sich auf 1.200,- EUR. Der Kläger zu 2.) habe ihnen zugesagt, dass die Wohnung über Kabelanschluss verfüge. Dieses sei -was zwischen den Parteien unstreitig ist- nicht der Fall. Eine fachgerechte Verlegung koste 310,- EUR. Ferner sind sie der Ansicht, die Wohnung befinde sich insgesamt in einem nicht vertragsgemäßen Zustand. Die Renovierung der Wohnung durch einen Malerfachbetrieb hinsichtlich der Decken- und Wandflächen, Heizkörper, Fußleisten, Türen, Fenster und Fensterbänke verursache Kosten in Höhe von 6.046,95 EUR. Die Reparaturkosten für die defekten Heizungsventile beliefen sich auf 400,- EUR, die für den defekten Aqua-Stopp auf 50,- EUR.
Entscheidungsgründe
Sowohl die Klage als auch die Klage sind unbegründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Räumungsanspruch.
Es kann dahinstehen, ob der "Vorvertrag über Wohnraum" vom 23.05.2002 bereits als wirksamer Mietvertrag angesehen werden kann. Sollte es ein wirksamer Mietvertrag sein, so bestünde dieser mangels Kündigung fort. Ein Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB wäre mangels Beendigung des Mietverhältnisses nicht gegeben. Sollte es sich um einen Mietvorvertrag handeln, so hätten die Beklagten ein dem aus § 985 BGB folgenden Herausgabe-(Räumungs-)anspruch entgegenstehendes Recht zum Besitz aus dem Mietvorvertrag. Der Vorvertrag als Vorstufe des Hauptvertrages begründet zum einen eine Hinwirkungspflicht auf den Hauptvertrag. Um den Hauptvertrag zu Stande zu bringen müssen die Parteien in Verhandlungen treten, einander somit Angebote unterbreiten. Es besteht jeweils eine Verhandlungspflicht über den betreffenden Punkt. Erst wenn die Verhandlungen über den Hauptvertrag, diese haben hier offensichtlich nicht stattgefunden, endgültig gescheitert sind, können die Parteien den Vorvertrag aufheben. Für die Beurteilung, ob aus einem Mietvorvertrag ein Recht des künftigen Mieters auf Besitz des Objektes gegenüber dem Verpflichteten folgt, ist zu differenzieren. Hat der künftige Vermieter dem Berechtigten den Besitz noch nicht überlassen, so kann, solange der Hauptvertrag noch nicht geschlossen ist, der Berechtigte nicht die Besitzeinräumung verlangen. Ergreift er eigenmächtig den Besitz, begeht er verbotene Eigenmacht. Hat aber der künftige Vermieter dem Berechtigten den Besitz im Hinblick auf das künftige Mietverhältnis bereits eingeräumt, bleibt er zum Besitz befugt, solange er Erfüllung des Vorvertrages verlangen kann. Ein solches Besitzrecht ergibt sich daraus, dass die Rückforderung der Sache durch den künftigen Vermieter als unzulässige Rechtsausübung gegen § 242 BGB verstößt. Die Beklagten könnten noch die Erfüllung des Vorvertrages verlangen, weil es zu Verhandlungen zwischen den Parteien nicht gekommen ist. Die Rechtsansicht der Kläger, ihnen stehe das Recht zu, auf Unterschrift und Rückleitung des Mietvertrages vom 09.09.2002 zu bestehen, anderenfalls stehe ihnen ein Recht auf Räumungsklage zu, ist mit dem dargelegten Regelungsgehalt eines Mietvorvertrages nicht zu vereinbaren. Weder dem künftigen Vermieter noch dem künftigen Mieter steht ein einseitiges Bestimmungsrecht zu. Die Kläger dringen mit ihrem Vorbringen, sie seien mit dem Einzug der Beklagten nicht einverstanden gewesen, nicht durch. Es wird seitens der Kläger nichts dazu vorgetragen, dass sie dieses mangelnde Einverständnis den Beklagten vor deren Einzug auch mitgeteilt hätten. Im Übrigen spricht die Tatsache, dass der Mietvertragsentwurf vom 09.09.2002 den Beklagten während des Einzuges oder unmittelbar danach übermittelt wurde auch deutlich dafür, dass die Kläger zu diesem Zeitpunkt noch mit dem Einzug einverstanden waren. Das Besitzrecht besteht auch gegenüber der Klägerin zu 1.). Diese muss sich den Vorvertrag ebenfalls zurechnen lassen. Es ist insoweit auch seitens der Kläger nichts dazu vorgetragen, dass der Kläger zu 2.) nicht berechtigt gewesen sein soll, als alleiniger Vermieter im Mietvertrag aufzutreten. Die Vermietung einer Sache ist nicht davon abhängig, dass der Vermieter zugleich auch Eigentümer der Sache ist. Im Übrigen ist das Vorbringen der Kläger auch widersprüchlich. Soweit die Ansicht vertreten wird, die Klägerin zu 1.) hätte mit Vertragspartei sein müssen, so fehlt es an einer Begründung, warum dann in dem eigenen Mietvertragsentwurf vom 09.09.2002 als Vermieter auch ausschließlich der Kläger zu 2.) aufgeführt wird.
Die Beklagten haben gegen den Kläger zu 2.) weder einen Schadensersatzanspruch noch steht ihnen ein Recht zur Minderung der Miete zu. Es kann auch hier dahinstehen, ob die Parteien einen Mietvorvertrag oder einen Mietvertrag geschlossen haben.
Aus einem Mietvorvertrag können sich keine Sachmängelgewährleistungsansprüche ergeben. Für die später aus dem Hauptvertrag entstehenden Ansprüche ist der Vorvertrag irrelevant. Eine entsprechende Anwendung der §§ 536ff. BGB führte dazu, dass ein Mietverhältnis vorweggenommen würde, das der Vorvertrag gerade noch nicht begründet.
Sollte zwischen den Parteien ein Mietvertrag zu Stande gekommen sein, so stünde den Beklagten dennoch kein Schadensersatz- oder Minderungsanspruch zu. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagten vor der Unterzeichnung des als "Vorvertrag für Wohnraum" bezeichneten Vertrages das Mietobjekt besichtigt haben. Eine Zustandsbeschreibung der Mietsache findet sich dort nicht. Mit Ausnahme der durch die Teppichverlegearbeiten des Klägers zu 2.) behaupteten Mängel der Mietsache, waren diese, so sie bestehen sollten, den Beklagten bekannt. Gemäß § 536b BGB stehen ihnen damit die Rechte aus § 536 BGB nicht zu. Der Pflicht aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen, ist der Kläger zu 2.) ebenfalls nachgekommen. Die von den Beklagten behaupteten Mängel können nicht so gravierend sein, dass die Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch, nämlich zum Wohnen, nicht geeignet ist. Immerhin bewohnen die Beklagten die Wohnung schon seit mehreren Monaten. Soweit es sich lediglich um optische Mängel handelt, müssen diese hingenommen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Mietvertragsentwurf des Klägers zu 2.) eine Mängelliste (Bl. 87 d.A.) beigefügt war. Diese Mängelliste ist leer. Alleine die Existenz einer solchen Liste lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass der Kläger zu 2.) den Beklagten die Beseitigung der behaupteten Mängel zugesagt hat. Hinsichtlich der Teppichverlegearbeiten des Klägers zu 2.) ist das Vorbringen der Beklagten widersprüchlich. In der Mängelliste vom 17.09.2002 ist aufgeführt, die Treppen seien ohne Belag. Nunmehr wird behauptet, die Verlegung sei nicht fachgerecht. Selbst wenn der Kläger zu 2.) noch in der Nacht zum 18.09.2002 den Teppich auf der Treppe verlegt haben sollte, so ist nicht zu erkennen, dass die Minderung der Tauglichkeit der Mietsache insoweit erheblich ist. Die Beklagten behaupten nicht, dass etwaige Mängel erst nach Vertragsschluss entstanden seien.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Ab. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Streitwert: 22.597,35 EUR (§§ 12 GKG, 3, 9 ZPO, 19 Abs. 1 Satz 1 GKG).