Amtsgericht Winsen (Luhe)
Urt. v. 20.08.2003, Az.: 16 C 1377/03
angestammter Platz; Ermessensspielraum; Standort; Teilnahme; Veranstaltung
Bibliographie
- Gericht
- AG Winsen (Luhe)
- Datum
- 20.08.2003
- Aktenzeichen
- 16 C 1377/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48163
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 70 GewO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Gewerbetreibender hat keinen Anspruch auf Teilnahme an einer Veranstaltung i.S.d. § 70 GewO an einem bestimmten Standort, auch nicht an dem Standort, an dem er in den vergangenen 19 Jahren stehen durfte. Vielmehr hat der Veranstalter bei der Auswahl des Standortes und der Zuweisung eines konkreten Platzes einen sehr weiten Ermessensspielraum, in den die Rechtsprechung nur bei einer absolut sachwidrigen ruinösen Standplatzzuweisung, die offensichtlich alleine zum Schaden des Antragstellers getroffen wurde, eingreifen darf.
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Antragsteller sind Betreiber einer Losbude mit einem Lkw-Anhänger, welcher eine Gesamtlänge von 16 Metern hat und welchen sie – seit 1985 - immer vor dem Gebäude der HASPA in S.-M..... aus Anlass des M.....er Dorffestes aufstellen konnten.
Nachdem der antragsgegnerische Verein als Ausrichter des M.....er Dorffestes zunächst in mindestens zwei Schreiben eine Teilnahme der Antragsteller mit ihrem Loswagen gänzlich abgelehnt hatten, hat er sich vor Beantragung der einstweiligen Anordnung mit einer Teilnahme der Antragsteller generell einverstanden erklärt, ihnen aber am östlichen Ende des Dorffestes in der M.-Straße hinter dem Kettenkarussell und gegenüber dem Bungeespringen einen Platz zugewiesen. In der mündlichen Verhandlung über die beantragte einstweilige Verfügung hat der antragsgegnerische Verein den Antragstellern einen Platz vor dem Kettenkarussell und eingangs der Straße „Am A....“ gegenüber dem Autoscooter angeboten.
Die Antragsteller sind der Auffassung, dass dieser Platz unzumutbar sei, weil er nicht gewährleiste, dass sie ihr Geschäft rechtzeitig aufbauen und nicht rechtzeitig abbauen könnten. Ihnen stünde der angestammte Platz schräg gegenüber, vor der HASPA, zu.
Beide Parteien erklären den ursprünglichen Antrag, den antragsgegnerischen Verein zu verpflichten, die Antragsteller mit ihrem Verlosungsgeschäft zur Teilnahme am 20. M.....er Dorffest in der Zeit vom 22. bis 24. August 2003 zuzulassen, für erledigt.
Die Antragsteller beantragen,
dem antragsgegnerischen Verein zu gebieten, den Antragstellern für ihr Losgeschäft den angestammten Platz in der M.-Straße in M..... vor dem Gebäude der Hamburger Sparkasse zuzuweisen.
Der antragsgegnerische Verein beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der antragsgegnerische Verein meint, dass wegen einer Veränderung der Konzeption des Dorffestes die Antragsteller nicht mehr an der früheren Stelle ins Konzept passten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die bis zur mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist nicht begründet.
Die Parteien streiten nicht mehr darüber, ob den Antragstellern zu gestatten ist, an dem M.....er Dorffest teilzunehmen oder nicht.
Die Parteien streiten nur noch darüber, ob die Antragsteller einen Anspruch darauf haben, an der „angestammten“ Stelle am Dorffest teilzunehmen.
Grundsätzlich hat jedermann, der dem Teilnehmerkreis einer festgesetzten Veranstaltung angehört, nach Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmung ein Recht zur Teilnahme an der Veranstaltung (§ 70 Abs. 1 Gewerbeordnung). Der Veranstaltung kann jedoch, wenn es für die Erreichung des Veranstaltungszwecks erforderlich ist, die Veranstaltung auf bestimmte Ausstellergruppen, Anbietergruppen und Besuchergruppen beschränken, soweit dadurch gleichartige Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund untermittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandelt werden (§ 70 Abs. 2 Gewerbeordnung). Der Veranstalter kann aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen (§ 70 Abs. 3 Gewerbeordnung).
Das Kriterium „bekannt und bewährt“ wird in der Praxis bei der Auswahl qualitativ gleichwertige Bewerber vielfach angewandt und ist auch von der Rechtsprechung im Grundsatz bestätigt. Mit dem Argument, dass hiermit in sachgerechter Weise an die erprobte Zuverlässigkeit des Altbewerbers angeknüpft werde und auch das Publikum aus vorherigen Veranstaltungen bekannte Beschicker erwarte, hat die frühere Rechtsprechung das alleinige Abstellen auf diesen Gesichtspunkt für zulässig erklärt. Damit waren Neubewerber in vielen Fällen praktisch ausgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch 1984 (Urteil vom 27.04.1984 NVwZ 1984, 585) entschieden, dass die Anwendung dieses Kriteriums nur dann innerhalb der Ermessensgrenzen des § 70 Abs. 3 Gewerbeordnung bleibt, wenn damit Neubewerber in einem erkennbaren zeitlichen Turnus eine Zulassungschance eingeräumt wird. Nachfolgend hat das OVG Bremen (Beschluss vom 07.10.1985, Gewerbearchiv 1985, 386) die Verwendung des Kriteriums „bekannt und bewährt“ im Grundsatz bestätigt, jedoch nur, solang es von untergeordneter Bedeutung ist. Dem ist die neuere Rechtsprechung auch gefolgt (OVG Münster, Gewerbearchiv 1991, 113). Der Altbewerber kann daher gegenüber dem Neubewerber keinen rechtlichen, sondern höchstens einen „Prüfungsvorsprung“ bei der Beurteilung durch den Veranstalter geltend machen.
Ebenso wie das Prinzip „bekannt und bewährt“ bei der Frage, ob jemand zugelassen wird, nur eine begrenzte Bedeutung haben kann, kann dieses auch nicht als rechtfertigende Begründung für die Ansprucherhebung auf einen bestimmten Standortplatz geltend gemacht werden. Vielmehr hat der Veranstalter bei der Auswahl der Standorte und Zuweisung der konkreten Plätze einen sehr weiten Ermessensspielraum (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.1992 – 8 TG 2430/92 – Gewerbearchiv 1993, 248). Nur eine absolut sachwidrige ruinöse Standplatzzuweisung, die offensichtlich allein zum Schaden des Antragstellers getroffen wurde, hält einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand (Hessischer Verwaltungsgerichtshof aaO).
Das ist hier nicht festzustellen. Grundsätzlich hat das Gericht immer auf der Grundlage des letzten Sachverhalts in der mündlichen Sachverhandlung zu entscheiden. Danach hat der antragsgegnerische Verein den Antragstellern drei verschiedene Plätze angeboten. Der erste Platz liegt in der M.-Straße in Höhe des Hauses G.... Hausnummer 14 am Ende des Dorffestes hinter dem Kettenkarussell, gegenüber vom Bungeespringen. Der zweite Platz – um die Breite des Kettenkarussells vorverlegt – weiter in Richtung Zentrum des Dorffestes vorverschoben, d.h. der Standort des Kettenkarussells und der Losbude würden gegeneinander getauscht.
Der dritte Standort liegt in der Straße „Am A....“ mehr oder weniger gegenüber dem Standort, den die Antragsteller begehren. Dieser Standplatz liegt direkt neben dem Autoscooter, wenn auch in der Seitenstraße, durch den Autoscooter jedoch voll eingebunden in das Dorffest. Dieser Standort ist möglicherweise nicht ganz unproblematisch deshalb, weil der überaus große, mit 16 Metern mit Abstand der längste Wagen des Dorffestes, beim Hereinrangieren und Herausrangieren gewisse Probleme haben mag und beim Auf- und Abbau intensive Absprachen mit dem Autoscooter-Betreiber notwendig sind. Das Gericht hat den Autoscooter-Betreiber informell angehört. Jener hat sinngemäß geantwortet, Unmögliches werde sofort erledigt, Wunder würden etwas länger dauern. Wenn die Antragsteller sich für diesen Platz entscheiden sollten, wäre also eine gewisse Flexibilität auch in zeitlicher Hinsicht von allen Beteiligten zu erwarten.
Nachhaltige Gründe, weshalb es den Antragstellern nicht zumutbar sein sollte, den Standort vor dem Karussell oder dem Standort neben dem Autoscooter anzunehmen, sind nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, dass es sich hier um eine absolut sachwidrige oder ruinöse Standplatzzuweisung handeln solle, die offensichtlich nur zum Schaden der Antragsteller getroffenen worden sei. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf ihren angestammten Platz. Der antragsgegnerische Verein hat begründet, warum in der Mitte, im „Fress-, Trink- und Musikzentrum“, eine Losbude dieser optischen Mächtigkeit ihres Erachtens nicht hineinpassen würde. Das ist ein Meinungsstandpunkt, der vertreten werden kann und keineswegs schikanös ist.
Der Antrag der Antragsteller war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 91a ZPO. Soweit der Rechtstreit erledigt ist, haben die Antragsteller ebenfalls die Kosten des Verfahrens zu tragen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war die Frage, ob die Antragsteller zugelassen werden, bereits gegenstandslos geworden, weil der antragsgegnerische Verein den Antragstellern gestattet hat, am M.....er Dorffest teilzunehmen und es jetzt allenfalls noch um die Frage gehen konnte, wo dieses durchgeführt werden könne.