Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 02.08.2016, Az.: 71 IN 23/16 EIN

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
02.08.2016
Aktenzeichen
71 IN 23/16 EIN
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43040
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der sofortigen Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 28.07.2016 gegen den Beschluss vom 26.07.2016 wird nicht abgeholfen.

Die Akten werden dem Landgericht Göttingen zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe

Das AG Göttingen hält die gem. § 4 Abs. 3 JVEG zulässige sofortige Beschwerde für unbegründet aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens.

Im Einzelnen ist folgendes zu bemerken:

Eine Zuordnung zur Honorargruppe 3 der Anlage 6 – Besteuerung (Stundensatz 75 €) scheidet von vornherein aus. Die Vergütung muss den bei gleichzeitiger Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters in § 9 Abs. 2 JVEG vorgesehenen Stundensatz von 80 € überschreiten. Der in § 9 Abs. 2 InsVV a.F. vorgesehene Satz (von 65 €) ist nur deshalb als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden, weil dem Sachverständigen daneben die flexible Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Verfügung steht (BK-Blersch § 11 InsVV Rz. 81). Ausnahmen sind allenfalls denkbar im hier nicht vorliegenden Fall, dass ausnahmsweise in einem Verbraucherinsolvenz(IK-)Verfahren ein Gutachten eingeholt wird (vgl. Keller NZI 2014, 227, 228 [AG Stuttgart 10.01.2014 - 3 IN 806/13]), wenn der Schuldner keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat.

Der Eröffnungsgrund der Überschuldung gem. § 19 InsO ist nur bei juristischen Personen zu prüfen. Daraus folgt aber nicht, dass nur in diesen Fällen ein Honorar der Gruppe 1 in Betracht kommt. Auch bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO sind Aktiva und Passiva zu bewerten und gegenüberzustellen bei der entscheidenden Frage, ob eine die Verfahrenskosten voraussichtlich deckende Masse vorhanden ist, § 26 InsO. In beiden Fallgestaltungen können z. B. umfangreiche Prüfungen von Anfechtungsansprüchen gem. §§ 129 ff. InsO anfallen. Der Mehraufwand der Prüfung der Voraussetzungen des § 19 InsO ist überschaubar und schlägt sich in der Anzahl der Stunden nieder.

Es kommt nicht darauf an, ob laufender Geschäftsbetrieb vorliegt.

Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/11471 S. 260) soll es für die Zuordnung zu einer Honorargruppe allein auf die Entscheidung über die Heranziehung, also insbesondere auf den Inhalt des Beweisbeschlusses und nicht auf die tatsächliche Leistung ankommen. Deshalb ist in § 9 Abs. 1 S. 2 JVEG der Passus „entsprechend der Entscheidung über die Heranziehung“ eingefügt worden. Der Beweisbeschluss ist notwendigerweise allgemein gehalten. Er differenziert nicht danach, ob der Schuldner über einen laufenden Geschäftsbetrieb verfügt. Dies wird sich auch nicht in jedem Fall aus den Akten ergeben. Im Übrigen lässt sich nicht feststellen, dass bei (gerade eingestellten) Geschäftsbetrieb die qualitativen Anforderungen an den Sachverständigen geringer sind. Abweichungen werden sich in der Stundenzahl niederschlagen.

Der Beschluss vom 25.07.2016 im (nicht beschwerdefähigen und versehentlich nicht für beschwerdefähig erklärten) Parallelverfahren 71 IN 21/16 ist beigefügt.