Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 13.12.2016, Az.: 71 IN 77/16 EIN
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 13.12.2016
- Aktenzeichen
- 71 IN 77/16 EIN
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43155
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Vergütung des "isolierten" Sachverständigen beträgt gem. § 9 Abs. 1 JVEG 115 €/Stunde auch bei eingestellten Geschäftsbetrieb im Nachlassinsolvenzverfahren (Bestätigung von Amtsgericht Göttingen, Beschl. v. 30.09.2016 - 71 IN 58/16 EIN, ZInsO 2016, 2223 = ZIP 2016, 2284).
Tenor:
Gemäß Antrag vom 09.12.2016 wird die Vergütung für die Tätigkeit als Sachverständiger auf 290,94 Euro festgesetzt.
Die sofortige Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 08./ 21.11.2016 hat die Antragstellerin als Erbin Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens über das Vermögen ihres verstorbenen Vaters, der bis zu seinem Tode einen inzwischen eingestellten Tischlerei betrieb, stellen lassen. Mit Beschluss vom 23.11.2016 hat das
Insolvenzgericht einen Sachverständigen eingesetzt, der ein Gutachten u. a. darüber erstellen sollte, ob ein Eröffnungsgrund gemäß § 16 InsO vorliegt und eine die Verfahrenskosten gemäß § 54 InsO deckende Masse vorhanden ist. Mit Schriftsatz vom 08.12.2016 ist der Antrag zurückgenommen worden. Die Verfahrenskosten sind der Antragstellerin auferlegt worden.
Der Sachverständige beantragt, seine Vergütung auf 290,94 € festzusetzen. Für 2 Stunden legte er eine Zeitgebühr von 115 €/Stunde gemäß § 9 Abs. 1 JVEG Honorargruppe 6.1 zu Grunde. Der Kostenbeamte legte die Akte dem Abteilungsrichter vor mit der Bitte um Festsetzung des Stundensatzes. Die Vergütung ist antragsgemäß festzusetzen.
II. Die Vergütung ist gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss festzusetzen. Das AG Göttingen hat den Stundensatz des „isolierten“ Sachverständigen auf 115 €/Stunde festgesetzt, Beschluss vom 25.07.2016 – 71 IN 21/16 und Beschluss vom 26.07.2016 – 71 IN 23716 (ZInsO 2016, 1758 = ZIP 2016, 1792) nebst Nichtabhilfebeschluss vom 02.08.2016. Das LG Göttingen hat diese Rechtsprechung bestätigt für laufendem Geschäftsbetrieb (LG Göttingen, Beschl. v. 11.08.2016 – 10 T 50/16).Auch für eingestellten Geschäftsbetrieb ist ein Stundensatz von 115 € festgesetzt worden (Amtsgericht Göttingen, Beschl. v. 30.09.2016 - 71 IN 58/16 EIN, ZInsO 2016, 2223 = ZIP 2016, 2284). Über die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin hat das LG Göttingen noch nicht entschieden.
Im Beschluss v. 30.09.2016 hat das Insolvenzgericht u.a. folgendes ausgeführt:
„Die Vergütung muss den bei gleichzeitiger Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters in § 9 Abs. 2 JVEG vorgesehenen Stundensatz von 80 € überschreiten. Der in § 9 Abs. 2 InsVV a.F. vorgesehene Satz (von 65 €) ist nur deshalb als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden, weil dem Sachverständigen daneben die flexible Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Verfügung steht (BK-Blersch § 11 InsVV Rz. 81).
Es fehlt eine eindeutige Zuordnung zu einer Honorargruppe. Zu entscheiden ist nach billigem Ermessen nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JVEG. … Es kommt nicht darauf an, ob laufender Geschäftsbetrieb vorliegt. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/11471 S. 260) soll es für die Zuordnung zu einer Honorargruppe allein auf die Entscheidung über die Heranziehung, also insbesondere auf den Inhalt des Beweisbeschlusses und nicht auf die tatsächliche Leistung ankommen. Deshalb ist in § 9 Abs. 1 S. 2 JVEG der Passus „entsprechend der Entscheidung über die Heranziehung“ eingefügt worden. Der Beweisbeschluss ist notwendigerweise allgemein gehalten. Er differenziert nicht danach, ob der Schuldner über einen laufenden Geschäftsbetrieb verfügt. Dies wird sich auch nicht in jedem Fall aus den Akten ergeben. Im Übrigen lässt sich nicht feststellen, dass bei (gerade eingestellten) Geschäftsbetrieb die qualitativen Anforderungen an den Sachverständigen geringer sind. Abweichungen werden sich in der Stundenzahl niederschlagen.
In Regelinsolvenz-(IN)-Verfahren ergibt sich damit ein einheitlicher Stundensatz. Dieser ist in Anlehnung an Ziffer 6.1 der Anlage 1 zu entnehmen. Dort finden sich unter dem Stichwort „Betriebswirtschaftslehre“ folgende Kategorien:
- Unternehmensbewertung, Betriebsunterbrechungs- und Verlagerungsschäden (Honorargruppe 11 – Stundensatz 115 €),
- Kapitalanlagen und private Finanzplanung (Honorargruppe 13 – Stundensatz 125 €),
- Besteuerung (Honorargruppe 3 – Stundensatz 75 € ).
Anzuwenden ist die Untergruppe Unternehmensbewertung der Honorarstufe 11 mit 115 €. Für die Eröffnungsentscheidung sind Aktiva und Passiva zu bewerten. Nur wenn – ausnahmsweise - in einem Verbraucherinsolvenz(IK-)Verfahren ein Gutachten eingeholt wird, ist ein niedrigerer Stundesatz denkbar (vgl. Keller NZI 2014, 227, 228 [AG Stuttgart 10.01.2014 - 3 IN 806/13]), wenn der Schuldner keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat.“
Diese Ausführungen gelten auch bei einem Nachlassinsolvenzverfahren über einen eingestellten Geschäftsbetrieb.
III. Gem. § 4 Abs. 3 JVEG war die sofortige Beschwerde zuzulassen.
Der Beschluss wird an den Antragstellervertreter zugestellt und der Bezirksrevisorin vorgelegt im Hinblick auf die mögliche Ausfallhaftung der Landeskasse für die Sachverständigenentschädigung.