Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 16.12.2016, Az.: 74 IK 356/16
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 16.12.2016
- Aktenzeichen
- 74 IK 356/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43157
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine wirksame Bescheinigung auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO setzt einen persönlichen Kontakt des Bescheinigers mit dem Schuldner voraus.
2. Bei großer räumlicher Entfernung zwischen Wohnsitz des Schuldners und Kanzleisitz des Bescheinigers spricht eine Vermutung dafür, dass eine persönliche Beratung nicht erfolgt ist.
3. Es ist Aufgabe des Bescheinigers, diese Vermutung zu widerlegen. Andernfalls ist
der Antrag ohne weitere Nachfragen abzuweisen.
Tenor:
Der Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der anwaltlich vertretene Schuldner hat mit Schriftsatz vom 11./14.12.2016 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie Stundung und Restschuldbefreiung beantragt. Der Schuldner ist wohnhaft in G. im Landkreis Göttingen. Die Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches ist ausgestellt von seinem in Dresden ansässigen Verfahrensbevollmächtigten.
II. Der Antrag ist als unzulässig abzuweisen.
1. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass eine wirksame Bescheinigung auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens – und Vermögensverhältnisse gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO einen persönlichen Kontakt des Bescheinigers mit dem Schuldner voraussetzt (zuletzt LG Köln, Beschl. v. 24.11.2015 – 13 T 96/15, NZI 2016, 171 mit Anm. Schmerbach S. 172 = ZInsO 2016, 289; AG Kaiserslautern ZInsO 2016, 244; AG Oldenburg, Beschl. v. 19.04.2016 – 44 IK 7/16, ZVI 2016, 318) . Einzelheiten sind umstritten (so bei Beratung per Skype, LG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 6. 2016 - 25 T 334/16, NZI 2016, 920 mit abl. Anm. Schmerbach; zustimmend Henning InsbürO 2016, 464).
2. Dem hat sich das erkennende Gericht angeschlossen.
a) Im Beschluss vom 20.04.2016 (74 IK 74/16, ZInsO 2016, 1169 = NZI 2016, 585 mit zust. Anm. Kluth VIA 2016, 70) hat es einen lediglich telefonischen Kontakt zwischen Schuldner und Bescheiniger nicht genügen lassen. Der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 21.07.2016 abgeholfen und das Insolvenzverfahren eröffnet nach Vorlage einer Bescheinigung aufgrund einer nachgewiesenermaßen persönlich erfolgten Beratung face to face.
b) Im Verfahren 74 IK 113/16 hat es im Beschluss vom 17.05.2016 (ZInsO 2016, 1387 = NZI 2016, 925) diese Rechtsprechung bestätigt und angekündigt, zukünftig Schuldnern eine Frist zur Vorlage einer wirksamen Bescheinigung zu setzen.
c) Diese Rechtsprechung bedarf einer Überprüfung. Verbraucherinsolvenzverfahren sind Massenverfahren, die schnell und einfach abgewickelt werden müssen. In Anbetracht der seit Anfang 2015 geführten Diskussion über die Anforderungen an eine persönliche Beratung kann erwartet werden, dass der Bescheiniger in Zweifelsfällen wie großer räumlicher Distanz (im vorliegenden Fall knapp 300 km) von sich aus ungefragt die erforderlichen Angaben macht. Bei Unterlassen und erfolgter Antragsabweisung besteht die Möglichkeit, dies im Beschwerdeverfahren nachzuholen. Einer vorherigen Anhörung des Schuldners bedurfte es daher nicht.
d) Der Antrag ist daher als unzulässig abzuweisen. Der Schuldner kann sofortige Beschwerde einlegen.