Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 31.05.2017, Az.: 1 A 83/15
Anwendungsbereich Bundesdatenschutzgesetz; Dashcam; datenschutzrechtliches Kontrollverfahren; Digitalkamera; nichtig; Videoüberwachung; Zuständigkeit; Zwangsgeldfestsetzung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 31.05.2017
- Aktenzeichen
- 1 A 83/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53931
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 27 Abs 1 BDSG
- § 27 Abs 2 BDSG
- § 38 Abs 1 BDSG
- § 64 SOG ND
- § 70 SOG ND
- § 68 SOG ND
- § 67 SOG ND
- § 65 SOG ND
- § 44 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der der Zwangsgeldfestsetzung zu Grunde liegende bestandskräftige Grundverwaltungsakt ist nicht nichtig. Die Landesbeauftragte für Datenschutz durfte als zuständige Behörde die datenschutzrechtliche Anordnung erlassen, weil der Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes eröffnet war. Der Kläger hat Fragen zum Einsatz seiner dashcams im Straßenverkehr nicht beantwortet, weshalb die Behörde das datenschutzrechtliche Kontrollverfahren nach § 38 Absatz 1 BDSG eröffnen durfte.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Zwangsgeldfestsetzung.
Der Kläger zeigte im Laufe der vergangenen Jahre ca. 50.000 Verkehrsordnungswidrigkeiten bei Ordnungsbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaft an. In seinem Pkw sind an Front- und Heckscheibe Onboard-Kameras, sogenannte Dashcams (aus dem Englischen: dashboard - Armaturenbrett - und cam - Kamera -) installiert, mit denen er den vorausfahrenden und nachfolgenden Straßenverkehr aufzeichnen kann. Erstmals im Jahr 2014 führte die Beklagte gegen den Kläger ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem Bundesdatenschutzgesetz wegen der Beobachtung und Aufzeichnung des Straßenverkehrs mit Dashcams. Das Verfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts M. aus formalen Gründen eingestellt (Az.: S. Owi T. Js U. (V.)). Am 29.10.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie erneut ein Ordnungswidrigkeitenverfahren und ein datenschutzrechtliches Untersagungsverfahren gegen ihn einleiten würde, falls er wieder Dashcams zur Dokumentation von Verkehrsordnungswidrigkeiten einsetzen würde.
Im November 2014 zeigte der Kläger beim Landkreis W. unter Vorlage von Bildaufnahmen einer Dashcam Verkehrsordnungswidrigkeiten vom 31.10. (Bl. 5 ff., 19, 19a Beiakte B zu 1 A 83/15) und 04.11.2014 (Bl. 21-23 Beiakte B zu 1 A 83/15) an. Dies nahm die Beklagte zum Anlass, mit Schreiben vom 01.12.2014 gegen ihn ein aufsichtsbehördliches Kontrollverfahren nach § 38 Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - einzuleiten. Um die Rechtmäßigkeit der vom Kläger mittels Dashcam bzw. Digitalkamera durchgeführten Datenerhebung und –verarbeitung prüfen zu können, forderte sie ihn auf, darüber Auskunft zu erteilen,
1. aufgrund welcher Rechtsgrundlage er sich datenschutzrechtlich befugt sehe, mittels Dashcam bzw. Digitalkamera Daten zu erheben, zu speichern und zu übermitteln,
2. ob die von ihm durchgeführte Datenerhebung mittels Dashcam bzw. Digitalkamera einem weiteren Zweck als der Übermittlung an die zuständige Bußgeldbehörde diene,
3. wie er die Videoüberwachung mit Dashcams konkret durchführe, insbesondere ob er Dashcams und Digitalkameras auch außerhalb von Kraftfahrzeugen zur Dokumentation von Verkehrsordnungswidrigkeiten verwende,
4. in welcher Form er über die Videoüberwachung durch Dashcams informiere,
5. wie viele Videokameras/Dashcams er insgesamt einsetze und an welchen Stellen des oder der von ihm genutzten Kraftfahrzeugs/Kraftfahrzeuge er diese installiert habe. Dabei wurde er aufgefordert, die verwendeten Kameras durchzunummerieren und zu jeder Kamera auch das Kennzeichen des Fahrzeugs mitzuteilen, in dem diese eingebaut sei,
6. die Modellbezeichnungen der von ihm eingesetzten Kameras mitzuteilen und die entsprechenden, durchnummerierten (s. 5.) Datenblätter vorzulegen,
7. mitzuteilen, in welchen Zeitabständen die aufgezeichneten Aufnahmen (Videoaufnahmen und Fotoaufnahmen) vernichtet bzw. überschrieben würden,
8. eine Kopie der Verfahrensbeschreibungen (§ 4g i.V.m. § 4e BDSG) vorzulegen.
Die Beklagte setzte ihm eine Frist bis zum 15.12.2014 und wies ihn auf sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 38 Absatz 3 Satz 2 BDSG i.V.m. § 338 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO hin. Sofern er hiervon Gebrauch machen wolle, werde er um kurzfristige Rückmeldung gebeten.
Nachdem der Kläger sich bis zum Ablauf der Frist nicht gemeldet hatte, forderte die Beklagte ihn mit Bescheid vom 17.12.2014 erneut zur Erteilung der mit Schreiben vom 01.12.2014 erbetenen acht Auskünfte nunmehr bis zum 23.01.2015 auf. Für den Fall, dass er die Auskünfte nicht fristgerecht erteile, drohte sie ihm für jede nicht erteilte Auskunft ein Zwangsgeld in Höhe von 100 Euro an. Das Schreiben vom 01.12.2014 fügte sie als Anlage bei.
Hierauf reagierte der Kläger mit Schreiben vom 27.12.2014. Er behauptete, er habe das Schreiben vom 01.12.2014 erstmals in Kopie mit dem Bescheid vom 17.12.2014 erhalten und die dort enthaltenen Fragen deshalb nicht bis zum 15.12.2014 beantworten können. Zur Beantwortung der Fragen verwies er auf seine Stellungnahme in dem o. g. Bußgeldverfahren und die Ausführungen des Amtsgerichts in der Einstellungsverfügung (Az.: S. Owi T. Js U. (V.)). Damit seien die für das Bundesdatenschutzgesetz relevanten Fragen der Beklagten bereits beantwortet. Die Verwendung einer Digitalkamera erfolge in der für Digitalkameras üblichen Weise. Darüber hinaus würden keine weiteren Angaben erfolgen. Eine Überwachung des Straßenverkehrs, wie sie ihm immer wieder unterstellt werde, erfolge nicht.
In dem Bußgeldverfahren hatte er bei seiner Anhörung durch die Beklagte angegeben, die Kameras angeschafft zu haben, nachdem er diverse Male Opfer von Straftaten wie Sachbeschädigung, Unfallflucht und gefährlichen Eingriffen in den Straßenverkehr geworden sei. Die Kameras würden ausschließlich eingesetzt, um Beweise in gleich gelagerten Fällen zu sichern. Sie würden deshalb seinen berechtigten Interessen wie Selbstschutz und Schutz seines Eigentums dienen.
Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 01.09.2015 (Bl. 43 Vg.). Sie widersprach der Auffassung des Klägers, dass alle ihre Fragen beantwortet seien. Der Kläger sei auf die Fragen 1 (richtig wohl: 1 und 3, Anmerkung des Gerichts) und 4-8 aus dem Schreiben vom 01.12.2014 nicht eingegangen. Soweit er behaupte, er würde die Kameras ausschließlich zur Verfolgung seiner berechtigten Interessen einsetzen, sei dies nicht richtig. Laut Auskunft des Landkreises W. habe er am 01., 02. und 04.11.2014 mehrere Verkehrsordnungswidrigkeiten anderer Verkehrsteilnehmer angezeigt und hierzu Aufnahmen einer Dashcam und einer Digitalkamera als Beweismittel vorgelegt. Wegen dieses Sachverhalts habe die Beklagte das datenschutzrechtliche Kontrollverfahren überhaupt eingeleitet. Der Beklagten seien aber auch weitere Fälle bekannt geworden, in denen der Kläger in gleicher Weise Verkehrsverstöße anderer Verkehrsteilnehmer angezeigt habe. In keinem dieser Fälle sei er selbst persönlich betroffen gewesen.
Nachdem der Kläger nach Erhalt dieses Schreibens innerhalb der gesetzten Frist bis zum 26.01.2015 keine weiteren Auskünfte erteilt hatte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 27.01.2015 ein Zwangsgeld in Höhe von 700 Euro gegen ihn fest und drohte für den Fall der Uneinbringlichkeit des Zwangsgelds Ersatzzwanghaft an. Sollte der Kläger die erbetenen Auskünfte erneut nicht bis zum 13.02.2015 erteilen, drohte sie ein weiteres Zwangsgeld von 200 Euro für jede nicht beantwortete Frage aus dem Schreiben vom 01.12.2014 an. Der Kläger habe bisher lediglich die Frage 2 beantwortet. Da er es ausdrücklich abgelehnt habe, die noch offenen Fragen zu beantworten, sei eine freiwillige Erteilung der Auskünfte von ihm nicht zu erwarten. Die Zwangsgeldfestsetzung sei daher geeignet und erforderlich, um ihn zur Auskunftserteilung zu veranlassen. Die Beklagte benötige die geforderten Auskünfte, bevor sie etwaige datenschutzrechtliche Maßnahmen nach § 38 Absatz 5 BDSG ergreifen könne.
Gegen diesen ihm am 31.01.2015 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 02.03.2015 (Montag) fristgerecht Klage erhoben.
Er ist der Ansicht, der Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes nach § 1 Absatz 1 BDSG sei vorliegend gar nicht eröffnet. Soweit er Kameras einsetze, erfolge dies zu rein persönlichen privaten Zwecken im allgemein zugänglichen Verkehrsraum. Durch ihn finde keinerlei Verarbeitung, Erhebung, Veröffentlichung oder Verbreitung von Daten statt, die nicht durch § 1 Abs. 2 Nr. 3, 2. Halbsatz BDSG gedeckt sei. Es fehle deshalb bereits an einer Zuständigkeit der Beklagten nach § 38 BDSG. Die Zuständigkeit sei für jeden Bescheid eigenständig, und damit auch für die hier streitbefangene Zwangsgeldfestsetzung, gesondert zu prüfen. Unerheblich sei deshalb, dass er die Zwangsgeldandrohung in dem Bescheid vom 17.12.2014 nicht angegriffen habe. Die Zwangsgeldfestsetzung sei aber auch deshalb rechtswidrig, weil er die Auskünfte nicht unrechtmäßig verweigert, sondern in seinem Schreiben vom 27.12.2014 von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. Dies dürfe durch die Zwangsgeldfestsetzung nicht untergraben werden. So habe die Beklagte ihm mit Schreiben vom 13.02.2015 mitgeteilt, dass sie unter dem Aktenzeichen LfD X. erneut ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ihn eingeleitet habe. Ferner sei die Zwangsgeldfestsetzung rechtswidrig, weil er die Fragen 1-4 und 7 aus dem Schreiben der Beklagten vom 01.12.2014 „bereits zuvor beantwortet habe“. Die Beklagte habe gewusst, dass durch ihn keine offizielle „Datenerhebung“ oder „Videoüberwachung“ stattfinde und seine Aufzeichnungen ausschließlich privaten Zwecken bzw. seinen berechtigten Interessen dienen würden. Die Fotos seien auch regelmäßig überspielt bzw. gelöscht worden. Eine Weitergabe sei lediglich in Einzelfällen und zwar nicht öffentlich, sondern ausschließlich an Ermittlungsbehörden erfolgt. Was die Fragen zu 5-6 und 8 anbetreffe, seien diese Fragen datenschutzrechtlich nicht relevant und würden keine Zwangsgeldfestsetzung rechtfertigen. Etwaige Antworten darauf wären nämlich teilweise täglich überholt. Videos könne man inzwischen mit Handys, Tablets, Smartwatches, Webcams usw. drehen. Es sei nicht mehr erforderlich, sogenannte Dashcams in Fahrzeuge fest einzubauen, eine mobile Halterung sei ausreichend. Im Übrigen seien während des laufenden Verfahrens insgesamt drei verschiedene Fahrzeuge auf ihn zugelassen gewesen. Zeitweise habe er auch das Fahrzeug seiner Ehefrau oder Fahrzeuge von Freunden genutzt.
Mit Bescheid vom 10.01.2017 widerrief die Beklagte während des Klageverfahrens ihren Bescheid vom 27.01.2015 gemäß § 49 Absatz 1 VwVfG für die Zukunft, da die dem Bescheid zugrunde liegende Sachlage durch ihre datenschutzrechtliche Anordnung gegenüber dem Kläger vom 24.06.2016, die Streitgegenstand des Klageverfahrens 1 A 170/16 ist, und den rechtskräftigen Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 12.10.2016 (Az.: 1 B 171/16) überholt sei.
Daraufhin haben die Beteiligten den vorliegenden Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit er die im Bescheid vom 27.10.2015 zu Ziffer 2 verfügte Androhung von weiteren Zwangsmitteln betrifft.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2015 im Übrigen aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Zwangsgeldfestsetzung für rechtmäßig. Der der Zwangsgeldfestsetzung zu Grunde liegende Bescheid vom 17.12.2014 sei bestandskräftig, sodass die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung nach § 70 Absatz 1 NVwVG i.V.m. § 64 Abs. 1 Nds. SOG vorgelegen hätten. Eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung des Grundverwaltungsakts vom 17.12.2014 erfolge im Vollstreckungsverfahren nicht mehr. Auf die inhaltlichen Einwendungen des Klägers gegen diesen Bescheid komme es im vorliegenden Verfahren deshalb nicht mehr an. Ungeachtet dessen werde daran festgehalten, dass der Einsatz von Dashcams durch den Kläger datenschutzwidrig sei, soweit hiervon der öffentliche Raum betroffen und die erhobenen und verarbeiteten Video – und Bilddateien zu Beweiszwecken an Dritte übermittelt würden. Die Aktivitäten des Klägers würden nicht allein seinen persönlichen bzw. rein privaten Zwecken dienen. Der Bescheid sei auch nicht wegen ihrer vom Kläger behaupteten Unzuständigkeit nichtig. Sie sei sowohl für die im Bescheid vom 17.12.2014 erfolgte datenschutzrechtliche Prüfung nach § 38 Absatz 6 BDSG i.V.m. 22 Abs. 6 NDSG als auch für die anschließende Zwangsgeldfestsetzung gemäß § 70 Absatz 2 NVwVG i.V.m. § 64 Absatz 3 Satz 1 Nds. SOG sachlich und örtlich zuständig gewesen. Der Zwangsgeldfestsetzung stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger sein Auskunftsverweigerungsrecht in Anspruch genommen habe. Die Pflicht zur Auskunftserteilung entfalle lediglich dann, wenn eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit der Betroffenen in Betracht komme, da niemandem zugemutet werde, sich selbst zu belasten. In solchen Fällen müsse gegenüber der Behörde aber ausdrücklich erklärt werden, dass man sich auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufe. Ansonsten handele es sich um eine schlichte Auskunftsverweigerung. Darüber hinaus müssten zumindest allgemein Angaben dazu gemacht werden, aus welchen Gründen das Auskunftsverweigerungsrecht in Anspruch genommen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten und die von der Staatsanwaltschaft Y. bei beigezogene Strafakte (S. OWi T. Js U. (V.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Klageverfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Absatz 3 Satz 1 VwGO teilweise einzustellen, soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit hinsichtlich der weiteren Zwangsmittelandrohung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids vom 27.01.2015 übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg.
Die Zwangsgeldfestsetzung der Beklagten in ihrem Bescheid vom 27.01.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger erfolgte Zwangsgeldfestsetzung sind die Vorschriften über die Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen nach §§ 64, 65, 67, 68 und 70 Nds. SOG. Diese Vorschriften sind hier nach § 3 Absatz 1 Sätze 2 und 3 Nds. SOG anwendbar. Danach gehen Vorschriften des Bundes – oder Landesrechts, in denen – wie hier im Bundesdatenschutzgesetz – die Gefahrenabwehr besonders geregelt werden, dem Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung zwar grundsätzlich vor. Soweit aber – wie hier – die besonderen Vorschriften keine abschließenden Regelungen enthalten, ist das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ergänzend anzuwenden. Das Bundesdatenschutzgesetz enthält keine Rechtsgrundlage für die Durchsetzung der hier in Rede stehenden Kontrollmaßnahmen der Beklagten nach § 38 Absatz 1 BDSG, sodass der Anwendungsbereich des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung eröffnet ist.
Die Voraussetzungen für die Zwangsgeldfestsetzung nach §§ 64, 65, 67, 68 und 70 Nds. SOG waren erfüllt.
Nach § 64 Absatz 1 Nds. SOG kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er (u.a.) unanfechtbar ist. Ein dementsprechend sofort vollziehbarer Verwaltungsakt lag hier spätestens mit dem Bescheid der Beklagten vom 17.12.2014 vor. Der Kläger wurde mit diesem Bescheid aufgefordert, die im Schreiben der Beklagten vom 01.12.2014 aufgeworfenen Fragen spätestens bis zum 23.01.2015 zu beantworten. Das Schreiben vom 01.12.2014 war dem Bescheid als Anlage beigefügt und ist damit Bestandteil des Bescheids vom 17.12.2014 geworden ist. Der Bescheid wurde dem Kläger laut Zustellungsurkunde am 20.12.2014 zugestellt (s. Bl. 38 Verwaltungsvorgang - Vg. -). Klage hiergegen hat der Kläger nicht erhoben. Der Bescheid ist mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Er ist deshalb seit dem 20.01.2015 bestandskräftig. Auf die Frage, ob dem Kläger auch das laut Verwaltungsvorgang zuvor formlos übersandte Schreiben vom 01.12.2014 zugegangen war – was der Kläger bestreitet – und ob auch mit Blick auf dieses Schreiben ein vollstreckbarer Verwaltungsakt vorlag, kommt es nicht (mehr) an.
Der Bescheid vom 17.12.2014 ist nicht nichtig nach § 1 Nds. VwVfG i. V. m. § 44 Absatz 1 VwVfG. Nur dann wäre er nicht wirksam und folglich auch nicht vollstreckbar. Nach § 44 Absatz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Insbesondere wurde der Bescheid vom 17.12.2014 nicht durch eine offenkundig sachlich unzuständige Behörde erlassen (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwGO, 17. Aufl. 2016, § 44 Rn. 15 ff.).
Die Zuständigkeit der Beklagten für das im Dritten Abschnitt des Bundesdatenschutzgesetzes geregelte datenschutzrechtliche Kontrollverfahren (Datenverarbeitung nicht-öffentlicher Stellen und öffentlich-rechtlicher Wettbewerbsunternehmen, §§ 27 bis 38a BDSG) ergibt sich aus § 38 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 6 BDSG i.V.m. § 22 Absatz 6 Satz 1 Niedersächsisches Datenschutzgesetz - NDSG -. Nach § 38 Absatz 1 Satz 1 BDSG kontrolliert die Aufsichtsbehörde insbesondere die Ausführung des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Aufsichtsbehörden für die Kontrolle der Durchführung des Datenschutzes im Anwendungsbereich des Dritten Abschnitts werden von den Landesregierungen oder den von ihnen ermächtigten Stellen bestimmt (Absatz 6). Dies sind in K. I. oder Z. J. (§ 22 Absatz 6 Satz 1 NDSG) und damit die Beklagte.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Anwendungsbereich des § 38 Abs. 1 BDSG auch eröffnet. Die Voraussetzungen nach § 27 (Anwendungsbereich) Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG liegen vor, Ausschlussgründe nach Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 BDSG sind nicht gegeben.
Nach § 27 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG finden die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Bundesdatenschutzgesetzes Anwendung, soweit u. a. durch nicht-öffentliche Stellen personenbezogene Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben werden oder die Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben werden. Diese Voraussetzungen hat der Kläger durch den hier in Rede stehenden Einsatz seiner Dashcams im öffentlichen Straßenverkehr erfüllt. Insoweit bezieht sich das Gericht auf die diesbezüglichen Ausführungen in seinem Urteil vom 31.05.2017 in dem weiteren Klageverfahren des Klägers zum Aktenzeichen 1 A 170/16 (s. S. 9 unten bis S. 12 zweiter Absatz), denen es für das vorliegende Klageverfahren folgt. Damit war die Beklagte für den Erlass des Grundverwaltungsakts vom 17.12.2014 und damit auch für den Erlass des hierauf beruhenden Zwangsgeldbescheids vom 27.01.2015 sachlich und örtlich zuständig (§ 64 Abs. 3 Nds. SOG).
Mit dem Bescheid vom 17.12.2014 lag ein wirksamer und vollstreckbarer Grundverwaltungsakt vor. Die Voraussetzungen für die Zwangsgeldfestsetzung waren auch im Übrigen erfüllt. Der Kläger ist seiner Auskunftspflicht aus dem Bescheid vom 17.12.2014 innerhalb der bis zum 26.01.2015 verlängerten Frist nicht nachgekommen. Entgegen seiner im Schreiben vom 27.12.2014 geäußerten Ansicht ergeben sich seine Antworten auf die acht Fragen aus dem Schreiben vom 01.12.2014 nicht aus seiner Stellungnahme in dem gegen ihn geführten o.g. Bußgeldverfahren (Az.: S. OWi T. Js U. (V.)) und dem Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom XX.XX.XX in jenem Bußgeldverfahren. In dem Bußgeldverfahren hatte der Kläger sich gegenüber der Beklagten dahin eingelassen, dass er mit den Kameras aufgenommene Bilddateien ausschließlich für die Anzeige von Straftaten verwende, von denen er selbst betroffen sei (Bl. 41, 42 Vg.). Hierin hat die Beklagte offensichtlich eine Beantwortung ihrer Frage zu 2. gesehen. Weitere Angaben hatte der Kläger bei seiner Anhörung im Bußgeldverfahren nicht gemacht. In dem Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts M. (s. Bl. 43, 44 der Strafakte) finden sich ebenfalls keine Antworten auf die weiteren Fragen zu 1. und 3. bis 8. Das Amtsgericht M. begründet dort, warum der streitbefangene Bußgeldbescheid der Beklagten nicht den formalen Anforderungen nach § 66 Absatz 1 Nr. 3 OWiG genüge, wonach u.a. „die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird“ sowie „Zeit und Ort ihrer Begehung“ angegeben werden müssten. Der Kläger hat nicht erläutert, inwieweit in diesem Zusammenhang die im Schreiben vom 01.12.2014 aufgeworfenen Fragen beantwortet worden seien. Auch die Kammer vermag dies nicht zu erkennen. Im Gegenteil wird in dem Beschluss darauf hingewiesen, dass vor einer erneuten Verfolgung der dem Kläger vorgeworfenen unerlaubten Videoüberwachung aus Fahrzeugen der Sachverhalt noch weiter aufgeklärt werden müsse. Dabei habe die Behörde insbesondere zu ermitteln, in welchen Fällen und unter welchen konkreten Umständen der Betroffene Kameras eingesetzt habe und welche Aufnahmen gespeichert worden seien. U. a. diese Fragen wollte die Beklagte mit ihrem Auskunftsverlangen aber gerade aufklären.
Auch in seinem Schreiben vom 27.12.2014 hat der Kläger keine weiteren Angaben zu den Fragen gemacht. Soweit er erklärt hat, die Verwendung seiner Digitalkamera erfolge in der für Digitalkameras üblichen Weise, hat er damit nicht die Frage zu 3. beantwortet. Ansonsten war er zu keiner weiteren Auskunftserteilung bereit. Denn er hat ausdrücklich erklärt, hierüber hinaus würden keine weiteren Angaben erfolgen. Sein Einwand im Klageverfahren, die Fragen zu 5.- 6. und 8. seien datenschutzrechtlich nicht relevant und würden deshalb keine Zwangsgeldfestsetzung rechtfertigen, ist rechtlich unerheblich. Eine Rechtmäßigkeitsprüfung des Grundverwaltungsakt findet im Zwangsmittelverfahren nicht mehr statt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09. 2008 - 7 C 5/08 - und Nds. OVG, Beschluss vom 23.04.2009 - 11 ME 478/08 -, jeweils juris). Aus diesem Grunde ist es auch unerheblich, dass das Amtsgericht M. in dem neuen Ordnungswidrigkeitenverfahren des Klägers mit Urteil vom XX.XX.XX (S. OWi T. Js AA. - AB. -) in den von der Beklagten im Ordnungswidrigkeitenverfahren verfolgten Fällen überwiegend einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verneint hat.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 38 Absatz 3 Satz 2 BDSG berufen. Danach kann der Auskunftspflichtige die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung u.a. ihn selbst der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Der Kläger hat sich in dem der Zwangsgeldfestsetzung vorangegangenen Verwaltungsverfahren weder – wie er behauptet – in seinem Schreiben vom 27.12.2014 noch in seinem Schreiben vom 15.01.2015 auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Dies geschah erstmals in seinem Schreiben vom 12.02.2015 an die Beklagte und im vorliegenden Klageverfahren und damit nach dem für die Rechtmäßigkeitsüberprüfung maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Erlasszeitpunkts der angefochtenen Zwangsgeldfestsetzung am 31.01.2015 (Bl. 54 Vg.). Darüber hinaus hat der Kläger nicht näher begründet, inwiefern er durch die ihm abverlangten Auskünfte sich in dem von der Beklagten neu eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren zum Aktenzeichen LfD AC. selbst hätte belasten können. Das Auskunftsverweigerungsrecht kann jedoch nur unter Angabe von für die Behörde nachprüfbaren Gründen in Anspruch genommen werden. Andernfalls kann es nicht von einer reinen Auskunftsverweigerung abgegrenzt werden. Es entbindet aber auch dann nur von der Beantwortung etwaiger belastender Auskünfte und nicht von der Auskunftspflicht im Ganzen.
Die Beklagte hatte in ihrem Bescheid vom 17.12.2014 das streitbefangene Zwangsgeld vor der Festsetzung auch gemäß §§ 65 Absatz 2, 70 Nds. SOG angedroht. Das Zwangsgeld ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Beklagte hatte dem Kläger für jede nicht erteilte Auskunft der insgesamt acht verlangten Auskünfte jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 100 Euro angedroht. Damit bewegt sie sich im unteren Bereich des Rahmens von mindestens 5 und höchstens 50.000 Euro nach § 67 Absatz 1 Satz 1 Nds. SOG und berücksichtigt dabei offensichtlich auch das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Nichtbefolgung seiner Auskunftspflicht (Satz 2). Dem Kläger wurde im Bescheid vom 17.12.2014 auch eine angemessene Zahlungsfrist von gut einem Monat eingeräumt, die die Beklagte in ihrem Schreiben vom 09.01.2015 sogar noch einmal um knapp drei Wochen bis zum 26.01.2015 verlängerte (§ 67 Absatz 2 Satz 1 Nds. SOG). Das festgesetzte Zwangsgeld von 700 Euro ist auch rechnerisch nicht zu beanstanden. Denn der Kläger hat von 8 Fragen lediglich eine Frage beantwortet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, soweit der Kläger hinsichtlich der angefochtenen Zwangsgeldfestsetzung unterlegen ist. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der weiteren Zwangsgeldandrohung und der Androhung von Ersatzzwanghaft übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 161 Absatz 2 Satz 1 nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach– und Streitstands über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dabei entspricht es billigem Ermessen, ebenfalls dem Kläger die Verfahrenskosten aufzuerlegen, da er auch insoweit unterlegen wäre. Rechtsgrundlage für die Androhung weiterer Zwangsgelder in Höhe von jeweils 200 Euro für jede bislang nicht und bis zum 13.02.2015 weiterhin nicht beantwortete Frage ist § 65 Absatz 3 i.V.m. § 67 Absatz 1 Satz 1 Nds. SOG. Rechtsgrundlage für die angedrohte Ersatzzwanghaft für den Fall der Uneinbringlichkeit der angedrohten erhöhten Zwangsgelder ist § 68 Absatz 1 Satz 1 Nds. SOG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.