Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 23.01.2018, Az.: 3 A 6312/16

Eritrea; subsidiärer Schutz

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
23.01.2018
Aktenzeichen
3 A 6312/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74424
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das eritreische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1992 sieht in Art. 2 Abs. 1 den Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit nach dem Abstammungsprinzip vor. Die Staatsangehörigkeit wird durch Geburt erworben. Eines Antrags bei den eritreischen Behörden bedarf es hierfür nicht.
2. Staatsangehörige Äthiopiens erhielten 1993 mit der Unabhängigkeit Eritreas die eritreische Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes, wenn sie von Personen eritreischer Herkunft i.S.d. § 2 Abs. 2 des eritreischen Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1992 abstammten. Sie verloren zugleich nach Art. 11 lit. a) des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit.
3. Eritreischen Staatsangehörigen, die sich lediglich als Kleinkinder auf dem Gebiet des heutigen Eritreas aufgehalten haben, droht in Eritrea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung aufgrund einer Entziehung vom Nationaldienst.
6. Eritreischen Staatsangehörigen, die sich lediglich als Kleinkinder auf dem Gebiet des heutigen Eritreas aufgehalten haben, droht im Falle einer Rückkehr nach Eritrea jedoch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 AsylG.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 12.10.2016 wird hinsichtlich der Offensichtlichkeitsfeststellung im Tenor unter 1. und hinsichtlich der Regelungen zu 2. bis 5. aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen.

Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Der am D. in Keren geborene Kläger ist nach eigenen Angaben eritreischer Staatsangehöriger, zum Volk der Saho gehörend und islamischen Glaubens.

Er beantragte am 24.10.2014 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Gemäß Niederschriften über zwei persönliche Gespräche zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 17.12.2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Beklagter) gab er an: Er sei eritreischer Staatsangehöriger. Seine ID-Karte sei im Sudan geblieben. Im Jahr 1985 habe er mit seinen Eltern und seinen Geschwistern Eritrea verlassen. Sie seien in den Sudan gegangen. Diesen habe er im Januar 2014 von Khartum aus mit dem Pkw in Richtung Libyen verlassen. Dort habe er sich 9 Monate lang in Slabien und einen Monat lang in Tripolis aufgehalten. Am 08.10.2014 sei er mit dem Boot nach Italien gefahren. Am 10.10.2014 sei er in Sizilien angekommen. Nach 11 Tagen sei er am 22.10.2014 mit dem Zug über Österreich nach Deutschland eingereist. In München sei er am 23.10.2014 angekommen. Die Flucht sei von Schleusern organisiert worden. In Österreich seien ihm am 23.10.2014 Fingerabdrücke abgenommen worden. Im Sudan/Khartum hielten sich noch seine Mutter und seine Schwester auf. Als besondere Umstände nannte er Folter und unmenschliche Behandlung auf der Flucht. In einen anderen Staat wolle er nicht überstellt werden. Über Deutschland habe er nur Gutes gehört.

Im Rahmen einer von ihm erbetenen schriftlichen Anhörung gab der Kläger unter dem 16.11.2015 an: Als Kind sei er wegen des Krieges aus Eritrea geflüchtet. Die sudanesische Regierung habe die wehrfähigen eritreischen Männer an Eritrea ausgeliefert. Er habe dort nicht mehr bleiben können. Er sei weiter nach Deutschland geflohen. Die Frage, ob er vor der drohenden Einberufung zum Nationaldienst geflohen sei, beantwortete der Kläger mit Ja. Wenn er zurückkehrte, würde er entweder lebenslänglich inhaftiert oder sofort umgebracht. Eine weitere Staatsangehörigkeit besitze er nicht. Dokumente könne er zu seinem Vortrag nicht vorlegen.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt gem. § 25 AsylG am 13.06.2016 gab der Kläger laut Niederschrift im Wesentlichen an: Er gehöre zur Volksgruppe der Saho. Zuletzt habe er in Umdurman gelebt. Die nähere Anschrift sei ihm nicht bekannt. Die Stadt liege im Sudan. Eritrea habe er mit seinen Eltern und seiner Schwester im Jahr 1985 verlassen. Sein Vater sei in Eritrea geboren und etwa im Jahr 1989 aus dem Sudan wieder nach Eritrea gezogen. Dort sei er verstorben. Seine Mutter sei in Keren/Eritrea geboren. Seine Schwester sei ungefähr 1985 im Sudan geboren. Diese Angabe korrigierte er und gab an, dass seine Schwester in Eritrea geboren sei. Sie lebe mit der Mutter im Sudan. Zu seinem Reiseweg wiederholte er seine bisherigen Angaben, gab jedoch außerdem an, über die Schweiz nach Deutschland eingereist zu sein. Hierzu führte er aus: Er habe die Namen vertauscht. Es sei nicht die Schweiz gewesen. Er habe eigentlich Österreich sagen wollen. Weiter trug er vor: Im Sudan hätten sie keinen offiziellen Aufenthaltsstatus gehabt. Sie hätten dort als Flüchtlinge gelebt. Sie seien schließlich vor dem Krieg in Eritrea geflüchtet. Ab und zu habe man - wenn man von der Polizei aufgegriffen worden sei - etwas Geld gegeben. Dann habe man seine Ruhe gehabt. Weitere Verwandte lebten noch in Eritrea. Eine Schule habe er nicht besucht. Er habe ein bisschen Elektrik gelernt. Das sei ihm so beigebracht worden. Er habe als Elektriker gearbeitet, aber auch als Gelegenheitsarbeiter verschiedene Jobs gemacht. Seine Flucht sei von einem Schleuser organisiert worden. Er habe ihm ungefähr 2500 $ gezahlt. Wehrdienst bzw. Nationaldienst habe er nicht geleistet. Zu seinen Fluchtgründen gab er an: Sein Vater sei während des Krieges zwischen Eritrea und Äthiopien ein Kämpfer gewesen. Deshalb hätten sie in dieser Zeit in den Sudan flüchten müssen. Er selbst sei damals noch sehr klein gewesen. Man habe ihm davon erzählt. Sein Vater sei Mitglied der Arbeiterorganisation ELF gewesen und habe gegen Äthiopien gekämpft. Dadurch, dass sein Vater ein Kämpfer gewesen sei, habe er, der Kläger, sich später der Organisation ELF angeschlossen und habe dort aktiv gearbeitet. Die Organisation gebe es noch. Es handele sich um eine Organisation, die gegen die Regierung in Eritrea kämpfe. Bei dieser Organisation habe er im Sudan an Treffen teilgenommen. Sie seien dann oft von der Polizei angesprochen worden, dass sie sich nicht weiter in dieser Organisation treffen und nach Hause gehen sollten. Sie würden sonst nach Eritrea abgeschoben. Trotz einiger Warnungen der Polizei habe er noch an Versammlungen teilgenommen. Eines Tages seien sie während einer Versammlung von der Polizei verhaftet worden. Die Polizei habe ihn dann für 2 Wochen festgehalten und ihn ausgefragt. Dann hätten sie ihn freigelassen und gesagt, er solle den Sudan sofort verlassen. Er sei aber noch kurz im Sudan geblieben. Da er jedoch Angst gehabt habe, dass sie ihn nach Eritrea abschieben würden, habe er dann den Sudan verlassen und sei nach Deutschland ausgereist. Das seien seine Hauptgründe. Im Sudan als Flüchtling zu leben bedeute, man sei heimatlos und werde schlecht behandelt. Man sei dort immer Flüchtling, egal wie lange man dort sei. Das Wort Flüchtling sei falsch ausgedrückt. Man werde dort als „Habeschi“ bezeichnet. Man lebe dort immer mit der Angst, weil man keine Papiere habe. Man werde verfolgt. Man finde keine Arbeit. Er habe viele Chancen verloren, weil er keine Schulausbildung habe. Man lebe mit der Angst. Eine ID-Karte habe er im Sudan nicht gehabt. Auf Vorhalt, dass das von ihm abgegebene Dokument in 2005 in Eritrea ausgestellt worden sei, gab der Kläger an, dass er den Ausweis von der eritreischen Botschaft im Sudan erhalten habe. Das Dokument habe er wegen seiner Mutter bekommen, die die eritreische Staatsangehörigkeit besitze. Wenn er nach Eritrea zurückkehren müsste, hätte er weniger Angst vor dem Tod als davor, dass sie ihn quälen würden.

Laut physikalisch-technischer Urkundenuntersuchung des Bundesamtes vom 14.09.2016 der ID-Karte des Klägers vom 15.05.2005 weicht die Ausführung von vorliegendem Vergleichsmaterial ab. Das Dokument sei als Identitätsnachweis nicht geeignet. Das fragliche Formular weiche in Untergrunddruck, Formulardruck und in den sicherungstechnischen Merkmalen von Vergleichsmaterial ab und stelle somit eine Nachahmung dar. Es handele sich um eine Totalfälschung.

Mit Bescheid vom 12.10.2016 lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab. Den Antrag auf subsidiären Schutz lehnte sie ebenfalls als offensichtlich unbegründet ab. Sie stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Gleichzeitig forderte sie den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete sie auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Wegen der Begründung wird auf Bl. 113 ff. der elektronischen Beiakte Bezug genommen. Der Bescheid ist laut Aktenvermerk am 14.10.2016 als Einschreiben zur Post gegeben worden.

Der Kläger hat am 24.10.2016 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt er unter Vorlage von Nachweisen im Wesentlichen vor: Im Falle seiner Rückkehr nach Eritrea würde er mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als Dienstverweigerer angesehen und entsprechend mit Haft unter unmenschlichen Bedingungen bestraft. Aufgrund seines wehrfähigen Alters könne er außerdem zum Nationaldienst herangezogen werden, was auf eine Verletzung von Art. 3 EMRK hinausliefe. Schließlich drohe ihm bereits wegen des Asylgesuchs im Ausland willkürliche Verhaftung wegen vermuteter Opposition. Eine Asylanerkennung werde bzw. sei von ihm nicht geltend gemacht worden. Er habe aufgrund seiner Abstammung die eritreische Staatsangehörigkeit. Seine Angaben dazu habe er glaubhaft gemacht. Er gehöre zum Volk der Saho und zum Stamm der Asaworta. Letztere seien einer der größten Unterstämme der Saho. Dieses Volk konzentriere sich überwiegend in Eritrea. Lediglich ein geringer Bruchsteil lebe im Norden von Äthiopien. Seine Vorfahren entstammten sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits der Asaworta. Die meisten Saho sprächen neben der Sprache Saho je nach Herkunft Tigriniya, Afar oder Arabisch. Da er den überwiegenden Teil seines Lebens im Sudan unter arabischsprachigen Menschen gelebt habe, spreche er anders als seine Mutter kein Saho, verstehe dieses aber noch. Auch seine Angaben zur Mitgliedschaft seines Vaters in der Elf und der Flucht der Familie als er zwei Jahre alt gewesen sei, sprächen für seine Glaubwürdigkeit. Sie deckten sich mit den geschichtlichen Gegebenheiten. Da die Saho ausschließlich muslimischer Ethnie seien, hätten sie von Anfang an die Unabhängigkeit Eritreas vom in weiten Teilen christlichen Äthiopien befürwortet. Darüber hinaus führt der Kläger aus, die eritreische ID-Karte, bei der es sich nach Einschätzung der Beklagten um eine Totalfälschung handeln solle, spreche ebenso wenig gegen seine Glaubwürdigkeit. Im Jahr 2005 habe er sich zur eritreischen Botschaft in Karthum begeben, um eine ID-Karte zu beantragen. Die Botschaft habe die Ausstellung zunächst verweigert und habe Herkunftsnachweise gefordert. Nachdem er dann nochmals mit seiner Mutter, die selbst eine eritreische ID-Karte habe, habe vorlegen können, bei der Botschaft vorgesprochen und zudem einen größeren Geldbetrag entrichtet habe (dieses vermutlich im Zusammenhang mit der Diasporasteuer), sei ihm die ID-Karte ausgestellt worden. Wenn das durch die Beklagte herangezogene Vergleichsmaterial lediglich aus im eritreischen Inland gefertigten ID-Karten bestehe, und nicht aus im Ausland durch Botschaften ausgestellte Karten, sei die Abweichung im Untergrund- und Formulardruck evtl. erklärbar. Er habe die ID-Karte in dem Glauben erworben, dass es sich bei der Karte um eine reguläre ID-Karte handele. Was es für Abweichungen bei den nicht näher spezifizierten „sicherungstechnischen Merkmalen“ geben könnte, könne nicht nachvollzogen werden. Die „alte“ ID-Karte bestehe nach dortigem Kenntnisstand lediglich aus einem einfachen eingeschweißten Papierausweis ohne spezielle Sicherungsmerkmale. Die neue, seit 2014 geplante ID-Karte im Checkkartenformat sei wohl noch nicht endgültig eingeführt. Gegen seine Glaubwürdigkeit spreche ebenso wenig der Umstand, dass er sich während der Anhörung zweimal korrigiert habe. Eine Korrektur habe die Angabe Österreichs als Transitland betroffen. Diesbezüglich habe bereits kein Anlass bestanden, aus dem er hätte die Unwahrheit sagen sollen. Hinsichtlich des Geburtsortes der Schwester sei er sich nachvollziehbar nicht sofort sicher gewesen. Denn im Zeitpunkt ihrer Geburt bzw. der Flucht sei er noch zwei Jahre alt gewesen. Außerdem habe er die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren. Er habe die eritreische Staatsangehörigkeit durch Geburt und Abstammung erlangt, so dass er bereits vor Inkrafttreten der neuen Äthiopischen Proklamation Nr. 378/2003 schon nicht mehr Äthiopier gewesen sei. Da darüber hinaus das äthiopische Staatsangehörigkeitsrecht eine doppelte Staatsangehörigkeit nicht zulasse, könne er die äthiopische Staatsangehörigkeit nicht innehaben. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 30.10.2016 (Bl. 57 ff Gerichtsakte – GA) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2016 zu verpflichten,      ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

äußerst hilfsweise, festzustellen,

dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug.

Mit Beschluss vom 06.12.2016 - Az.: 3 B 6313/16 - lehnte die Einzelrichterin den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12.10.2016 erhobenen Klage ab. Auf die Begründung wird Bezug genommen (Bl. 69 ff GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes, auf die Sitzungsniederschrift vom 23.01.2018 sowie als Erkenntnismittel auf die Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea vom 21.11.2016 (Stand: November 2016), Äthiopien vom 06.03.2017 (Stand: März 2016) in der Republik Sudan vom 06.11.2017 (Stand: Oktober 2017) des Auswärtigen Amtes Bezug genommen. Letztere sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Hinsichtlich des Hauptantrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist die Klage unbegründet. Soweit der Kläger darüber hinaus hilfsweise begehrt, die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, ist die Klage begründet. Insoweit ist der angefochtene Bescheid des Bundesamtes rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er hat Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes, so dass die Beklagte insoweit zu verpflichten ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Aufgrund des Anspruchs sind die Regelungen zu Abschiebungsverboten, zur Abschiebungsandrohung und Ausreisefrist sowie zur Dauer des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes rechtswidrig und aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn dem Kläger droht in seinem Herkunftsland keine Verfolgung in diesem Sinne.

Der Kläger befindet sich außerhalb seines Herkunftslandes. Abzustellen ist hierbei, entgegen der Auffassung des Bundesamtes, auf Eritrea, denn der Kläger besitzt zur Überzeugung der Einzelrichterin allein die eritreische, nicht aber die äthiopische Staatsangehörigkeit. Bei der Prüfung der Voraussetzungen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt es deshalb auf die Verhältnisse in Eritrea an.

Die Frage, welche Staatsangehörigkeit eine Person innehat, bestimmt sich nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des in Frage kommenden Staates, denn Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit werden grundsätzlich durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geregelt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 - A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 24).

Im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit findet der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung Anwendung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dementsprechend existiert eine Beweisregel des Inhalts, dass der Nachweis der Staatsangehörigkeit eines Staates nur durch Vorlage entsprechender Papiere dieses Staates geführt werden kann, nicht. Es ist nämlich gerade Sinn und Zweck der freien richterlichen Beweiswürdigung, das Gericht nicht an starre Regeln zu binden, sondern ihm zu ermöglichen, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2005 - 1 C 29/03 -, juris, Rn. 18).

Die danach maßgebliche staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtslage ergibt sich für Äthiopien aus Art. 33 der Verfassung vom 21. August 1995 („Constitution of the Federal Democratic Republic of Ethiopia“, 21 August 1995, zitiert nach: http://www.refworld. org/docid/3ae6b5a84.html), dem früheren Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1930 („Ethiopian Nationality Law of 1930“, 22 July 1930, zitiert nach http://www.refworld. org/docid/3ae6b52ac.html, i.F. StAG Äthiopien 1930), das durch Art. 25 des nachfolgenden Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 aufgehoben wurde, und jenem Staatsangehörigkeitsgesetz vom 23. Dezember 2003 (Proclamation on Ethiopian Nationality, No. 378 of 2003 [Ethiopia], 378/2003, 23 December 2003, zitiert nach: http://www.refworld.org/docid/409100414.html, i.F. StAG Äthiopien 2003), das nach seinem Art. 27 am selben Tag in Kraft trat. Darüber hinaus hat die äthiopische Regierung unterhalb der Ebene des formellen Gesetzes die Direktive der äthiopischen Regierung zur Bestimmung des Aufenthaltsstatus von Eritreern in Äthiopien vom 16. Januar 2004 erlassen („Directive Issued to Determine the Residence Status of Eritrean Nationals Residing in Ethiopia“, January 2004, verfügbar unter: http://www.unhcr.org/refworld/docid/48abd56c0.html) sowie einen Erlass im Mai 2009 herausgegeben. Letzterer richtet sich allerdings an eritreische Staatsangehörige und gibt daher keine Auskunft über die vorgelagerte Frage nach der Staatsangehörigkeit.

Für Eritrea ergibt sich die maßgebliche staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtslage aus der Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992, die nach ihrem Art. 13 am Tag ihrer Veröffentlichung (6. April 1992) in Kraft treten sollte bzw. am 24. Mai 1993, dem Tag der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas, in Kraft trat (Eritrean Nationality Proclamation (No. 21/1992), 6 April 1992, zitiert nach: http://www.refworld.org/docid/3ae6b4e026.html, i.F. StAG Eritrea 1992) sowie aus der eritreischen Verfassung, insb. Art. 3 (Constitution of Eritrea, 23 May 1997, zitiert nach http://www.refworld.org/docid/3dd8aa904.html). Durch die völkerrechtliche Anerkennung der Unabhängigkeitserklärung Eritreas sind auch die Rechtsnormen des Staates in Rechtskraft erwachsen, darunter insbesondere diejenigen, die im Vorfeld der Anerkennung die Voraussetzungen der Staatlichkeit Eritreas regeln sollten, wie etwa das Staatsangehörigkeitsgesetz. Aus diesem ergibt sich völkerrechtlich verbindlich, welche Menschen das eritreische Staatsvolk bilden, das neben der anerkannten Staatsgewalt und dem Staatsgebiet seinerseits eine notwendige Voraussetzung für den Bestand des Staates ist (vgl. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Auflage 1914, S. 406 ff.)

Die Anwendung dieser Rechtsnormen ergibt, dass der Kläger eritreischer Staatsangehöriger ist. Bei seiner Geburt besaß der Kläger die äthiopische Staatsangehörigkeit. Im Zeitpunkt der Geburt, am D., gab es den Staat Eritrea noch nicht, sodass sowohl seine im damaligen Äthiopien geborenen Eltern als auch er selbst äthiopische Staatsangehörige waren.

Der Kläger hat jedoch durch die Unabhängigkeit Eritreas und dessen völkerrechtliche Anerkennung als souveräner Staat als Mitglied des Staatsvolkes Eritreas nach Maßgabe des eritreischen Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1992 die eritreische Staatsangehörigkeit erworben und zugleich unter Heranziehung des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren.

Art. 2 StAG Eritrea 1992 regelt die Staatsangehörigkeit durch Geburt, also nach dem Abstammungsprinzip. Nach Art. 2 Abs. 1 StAG Eritrea 1992 ist jede Person eritreische Staatsangehörige durch Geburt, deren Vater oder Mutter eritreischer Herkunft ist. Auf den Geburtsort kommt es nicht an („Any person born to a father or a mother of Eritrean origin in Eritrea or abroad is an Eritrean national by birth.“). Dies legt nahe, dass die Staatsangehörigkeit Eritreas kraft Gesetzes erworben wird, denn „ist“ beschreibt einen Zustand, der hier in der Staatsangehörigkeit besteht, und nicht ein Anrecht auf den Erwerb dieser Staatsangehörigkeit. Dies bestätigt Art. 2 Abs. 4 StAG Eritrea 1992, der anordnet, dass jede Person, die Eritreer durch Geburt oder Herkunft ist, auf Antrag eine Bescheinigung über ihre Nationalität erhält („Any person who is an Eritrean by origin or by birth shall, upon application, be given a certificate of nationality by the Department of Internal Affairs.“). Auch dieser Wortlaut zeigt, dass im Zeitpunkt der Antragstellung nach Art. 2 Abs. 4 StAG 1992 die Staatsangehörigkeit schon kraft Gesetzes vorliegt, denn eine Bescheinigung („certificate“) ist der Begriffsbedeutung nach der Nachweis für einen (rechtlichen) Zustand und nicht die Veränderung eines solchen. Die Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit setzt deren Bestehen deshalb denknotwendig voraus und verleiht sie nicht erst.

Eritreischer Herkunft ist nach Art. 2 Abs. 2 StAG Eritrea 1992, wer 1933 in Eritrea, genauer gesagt: auf dem Territorium des heutigen Eritreas, gelebt hat („A person who has "Eritrean origin" is any person who was resident in Eritrea in 1933.“). Damit wären nach dem Wortlaut zwar auch bei Zugrundelegung des Vortrages des Klägers seine Eltern nicht eritreischer Herkunft, denn es ist - auch wenn ihr genaues Alter nicht bekannt ist - davon auszugehen, dass die Eltern 1933 jedenfalls noch nicht geboren waren. Allenfalls könnten die Groß- oder Urgroßeltern der Klägerin 1933 auf dem heutigen Staatsgebiet Eritreas gelebt haben, sodass man bei diesen von eritreischer Herkunft im Sinne des Art. 2 Abs. 2 StAG Eritrea 1992 ausgehen könnte. Deren Kinder - die Großeltern oder Eltern des Klägers - wären dann aber im Zeitpunkt der Entstehung Eritreas als Staat aufgrund des in Art. 2 Abs. 1 StAG Eritrea 1992 geregelten Abstammungsprinzips Eritreer geworden. Für die Kinder von gebürtigen Eritreern i.S.v. Art. 2 Abs. 1 StAG Eritrea 1992 enthält das Staatsangehörigkeitsgesetz hingegen keine Regelung. Hierbei handelt es sich um eine ersichtlich planwidrige Regelungslücke, da das Resultat dieser Rechtslage wäre, dass lediglich die Kinder der 1933 im heutigen Staatsgebiet Eritreas ansässigen Menschen nach dem eritreische Staatsangehörigkeitsgesetz Eritreer wären, deren Kinder aber nicht mehr, was gerade vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des Gesetzes im Jahr 1993 eine sinnlose Regelung wäre. Art. 2 Abs. 1 StAG Eritrea 1992 kann daher nur so zu verstehen sein, dass nicht nur die Kinder von „Herkunftseritreern“, sondern auch diejenigen von „Abstammungseritreern“ durch Geburt eritreische Staatsangehörige sind.

Aus Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea 1992 ergibt sich nichts Anderes.

Danach kann eine Person, die Eritreer durch Geburt ist, im Ausland lebt und eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, einen Antrag beim Innenministerium stellen, wenn sie die fremde Staatsangehörigkeit ablegen und die eritreische annehmen oder eine doppelte Staatsangehörigkeit bestätigt wissen möchte („Any person who is Eritrean by birth, resides abroad and possesses foreign nationality shall apply to the Department of Internal Affairs if he wishes to officially renounce his foreign nationality and acquire Eritrean nationality or wishes, after providing adequate justification, to have his Eritrean nationality accepted while maintaining his foreign nationality“). Nach dem Wortlaut dieser Norm würde in solchen Fällen die Staatsbürgerschaft demnach nicht kraft Gesetzes, sondern erst auf Antrag erlangt.

Die Auslegung des eritreischen Rechts ergibt im vorliegenden Fall jedoch, dass damit nicht Fälle der vorliegenden Art gemeint sein können.

Der Regelungsgehalt der Norm und ihr Verhältnis zu Art. 2 Abs. 1 bis 4 StAG Eritrea 1992 ist auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechtes nicht abschließend widerspruchsfrei zu klären, denn beide Normen setzen eine Person, die Eritreer „durch Geburt“ („by birth“) ist, voraus, knüpfen an diese Eigenschaft aber unterschiedliche Rechtsfolgen. Art. 2 Abs. 4 StAG Eritrea 1992 geht davon aus, dass diese Person die eritreische Staatsangehörigkeit hat, während Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea 1992 es ihr ermöglicht, konstitutiv die eritreische Nationalität zu erwerben.

Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea 1992 namentlich nicht um die speziellere Vorschrift, welche die Anwendung von Art. 2 Abs. 1, 4 StAG Eritrea 1992 sperrt. Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea 1992 setzt zwar zusätzlich voraus, dass die Person im Ausland lebt und eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt. Hieraus folgt aber nicht, dass es sich insoweit um engere und damit speziellere Voraussetzungen handelt. Gerade die Prüfung des Merkmals der „anderen Staatsangehörigkeit“ führt z.B. im vorliegenden Fall nicht weiter, weil es sich als zirkulär erweist. Der zu der Zeit des Inkrafttretens des eritreischen Staatsangehörigkeitsgesetzes maßgebliche Art. 11 (a) StAG Äthiopien 1930 ordnete nämlich den Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit an, wenn ein Äthiopier eine andere Staatsangehörigkeit erwirbt („11. Loss of Ethiopian nationality: (a) Ethiopian subject who acquires another nationality”). Richtet sich der Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit für den Kläger nach Art. 2 Abs. 1 StAG Eritrea 1992, dann hätte er folglich die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren und würde die Voraussetzungen von Abs. 5 nicht mehr ausfüllen. Richtet sich der Erwerb hingegen nach Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea 1992, hätte er mangels Antrags die äthiopische Staatsangehörigkeit behalten und würde den Tatbestand erfüllen. Um eine Spezialvorschrift kann es sich bei Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea 1992 somit nicht handeln, denn ihre Anwendung setzt den Ausschluss einer Anwendbarkeit von Absatz 1 der Norm bereits voraus, vermag ihn also nicht erst zu begründen.

Unabhängig davon ergibt sich die Nichtanwendung des Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea 1992 bei einer tatbestandlichen Kollision mit den Absätzen 1 und 4 der Norm aus einer verfassungskonformen Anwendung unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 der eritreischen Verfassung von 1997.

Auch nach der eritreischen Rechtsordnung ist eine verfassungskonforme Auslegung Teil der Methodik, denn Art. 2 Abs. 3 der eritreischen Verfassung von 1997 ordnet an, dass die Verfassung höchstrangiges Recht ist, und alle Gesetze, die im Widerspruch zu ihr stehen, „null und nichtig“ sind („This Constitution is the supreme law of the country and the source of all laws of the State, and all laws, orders and acts contrary to its letter and spirit shall be null and void“).

Art. 3 Abs. 1 der eritreischen Verfassung von 1997 ordnet an, dass jede Person, die einen eritreischen Vater oder eine eritreische Mutter hat, Eritreer durch Geburt ist (Any person born of an Eritrean father or mother is an Eritrean by birth). Der Artikel hat somit den nahezu gleichen Wortlaut wie Art. 2 Abs. 1 StAG Eritrea 1992 und gewährleistet die Staatsangehörigkeit kraft Geburt für alle Kinder einer Eritreerin oder eines Eritreers, legt somit dem Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit das Abstammungsprinzip zu Grunde. Auch differenziert die eritreische Verfassung nicht nach dem Geburtsort der Person, sondern sieht die Gewährleistung unterschiedslos für alle Personen vor. Art. 2 Abs. 1 StAG Eritrea 1992 stellt insoweit nur klarstellend fest, dass die eritreische Staatsangehörigkeit durch Geburt unabhängig davon, ob die Person in Eritrea oder außerhalb („in Eritrea or abroad“) geboren worden ist, vermittelt wird.

Auch die Abweichung zwischen dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 der eritreischen Verfassung von 1997 („Eritrean by birth“) und Art. 2 Abs. 1 StAG Eritrea 1992 („Eritrean national by birth“) hat diesbezüglich nach Überzeugung des Gerichts keine Folgen, denn beide Begriffe bezeichnen synonym einen eritreischen Staatsangehörigen. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass Art. 3 der eritreischen Verfassung von 1997 bereits mit „Citizenship“ überschrieben ist, sodass systematisch naheliegt, dass die zentrale Regelung in Art. 2 Abs. 1 StAG Eritrea 1992 mit dem darin enthaltenen Abstammungsprinzip den Ausgangspunkt für die Staatsangehörigkeit in Eritrea bilden soll. Gleichzeitig ist aber auch in Art. 2 Abs. 4 StAG Eritrea 1992 wie gezeigt davon die Rede, dass ein Eritreer durch Herkunft oder Geburt („…Eritrean by origin or by birth...“) die Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes bereits besitzt, und nimmt dabei ersichtlich Bezug auf die in den Absätzen 1 und 2 definierten Fallgruppen „Eritrean origin“ und „Eritrean national by birth“.

Somit verbleibt aber auch kein Raum dafür, Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea so zu verstehen, dass Personen, die außerhalb des späteren Staatsgebietes Eritreas als Kind eritreischer Eltern zur Welt kommen und eine fremde Staatsangehörigkeit besitzen, gerade keine eritreischen Staatsangehörigen sind und die Staatsangehörigkeit erst beantragen müssen. Eine solche Anwendung der Norm würde das Abstammungsprinzip für sämtliche Personen, die 1992 nicht auf dem sich konstituierenden Staatsgebiet Eritreas lebten - und aufgrund der Nichtexistenz Eritreas eine andere Staatsangehörigkeit besessen haben - wieder aushebeln und damit Art. 3 Abs. 1 der eritreischen Verfassung von 1997 widersprechen. Auch die an erster und damit exponiertester Stelle des Staatsangehörigkeitsrechts stehenden Entscheidungen in Art. 2 Abs. 1 und 2 StAG Eritrea 1992, dass sich das Staatsvolk Eritreas - unabhängig vom Geburtsort dem Abstammungsprinzip folgend - von den Personen ableitet, die 1933 auf dem Territorium des späteren Staates sesshaft waren, wäre weitgehend ausgehöhlt.

Art. 2 Abs. 5 StAG kann daher in verfassungskonformer Auslegung nur als eine Auffangnorm gegenüber den Kernregelungen in Art. 2 Abs. 1, 2 und 4 StAG Eritrea 1992 zu verstehen sein und soll Fälle erfassen, die über das Abstammungsprinzip nicht gelöst werden können, entweder, weil das Staatsangehörigkeitsrecht des Staates der bestehenden Staatsangehörigkeit den Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes nicht zulässt, oder im Falle des Erwerbes einer weiteren Staatsangehörigkeit die doppelte Staatsangehörigkeit vorsieht. Im ersteren Fall räumt Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea 1992 die Möglichkeit ein, auf Antrag die eritreische Staatsangehörigkeit zu erwerben und die ausländische abzulegen (Var. 1) oder unter Beibringung hinreichender Gründe eine Anerkennung der doppelten Staatsangehörigkeit durch die eritreischen Behörden zu erreichen (Var. 2). Beide Varianten sind im Falle des Klägers nicht einschlägig, da wie gezeigt das äthiopische Staatsangehörigkeitsgesetz den Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit nur unter gleichzeitigem Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit zulässt.

Diese Rechtslage verkennt das Bundesamt, wenn es meint, dass der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit schon deshalb nicht innehaben könne, weil es sich bei der von ihm vorgelegten eritreischen ID-Karte um eine Totalfälschung handele. Unabhängig davon, dass die Ausgabe einer solchen ID-Karte nach dem zuvor Gesagten nicht konstitutiv für den Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit ist, weil die Staatsangehörigkeit im Regelfall des Art. 2 Abs. 1, 4 StAG Eritrea 1992 nicht auf Antrag verliehen, sondern durch Geburt vermittelt wird, liefert das Bundesamt den möglichen Grund für die fehlende Echtheit der ID-Karte zudem selbst. Denn nach den Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid erhält eine ID-Karte lediglich derjenige, der in Eritrea Nationaldienst geleistet hat. Dieses aber ist bei dem Kläger offensichtlich nicht der Fall.

Das oben dargelegte Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die eritreischen Behörden selbst in derartigen Konstellationen von einer bestehenden eritreischen Staatsangehörigkeit ausgehen und Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea 1992 nicht anwenden.

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.11.2001 an den VGH Mannheim hat das zuständige „Department for Immigration and Nationality“ Eritreas auf mündliche Nachfrage erklärt, dass im Ausland lebende Eritreer, die eine fremde Staatsangehörigkeit innehaben, keinen förmlichen Antrag im Sinne von Art. 2 Abs. 5 StAG Eritrea 1992 stellen müssen, um als eritreische Staatsangehörige anerkannt zu werden. Faktisch würde jeder im Ausland lebende Eritreer, auch wenn er eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, als eritreischer Staatsangehöriger anerkannt, wenn er seine Abstammung nachweisen kann. Es wurde ausdrücklich bestätigt, dass dies auch für Eritreer gelte, die vorher in Äthiopien lebten und möglicherweise die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzen oder besaßen. Auch aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 02.02.2001 an das VG Gießen ergibt sich, dass nach den dort vorliegenden Erkenntnissen es hinsichtlich des Erwerbs der Staatsangehörigkeit Eritreas keine Sonderregelungen für im Ausland lebende Personen gibt und kein Fall bekannt sei, in denen von Äthiopien nach Eritrea deportierte, nachweislich eritreisch-stämmige Personen nicht als eritreische Staatsangehörige anerkannt wurden. Die gleiche Auskunft erhielt das VG Stuttgart vom Auswärtigen Amt am 01.03.2001. Auch hiernach wird eine in Äthiopien geborene Person unter der Voraussetzung, dass sie von eritreischen Eltern abstammt, von den eritreischen Behörden als eritreischer Staatsangehöriger behandelt. Die SFH befragte hierzu mehrere Experten, die im Falle eines 1990 im Sudan geborenen eritreisch-stämmigen Äthiopiers ebenfalls einhellig davon ausgingen, dass ihm mit der Souveränität Eritreas auch die Staatsangehörigkeit zufiel (SFH, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Eritrea: Staatsangehörigkeit, m.w.N.).

Diese Verwaltungspraxis der eritreischen Behörden ist beachtlich, da - wie gezeigt - die Nichtanwendung von Art. 2 Abs. 5 StAG 1992 in derartigen Fällen nicht nur eine vertretbare, sondern auch aus verfassungsrechtlicher und systematischer Sicht die vorzugswürdige Auslegung darstellt (vgl. allg. zur Beachtlichkeit der Verwaltungspraxis VG Münster, Urteil vom 22. Juli 2015 - 9 K 3488/13.A -, juris, Rn. 37; im Ergebnis so wohl auch SFH, Auskunft der SFH-Länderanalyse: Eritrea: Staatsangehörigkeit. 23.08.2016, S. 2, die auf Art. 3 der eritreischen Verfassung abstellt und Art. 2 Abs. 5 des StAG Eritrea 1992 übergeht).

Der Kläger unterfällt nach diesen Maßgaben dem Art. 2 Abs. 1, 4 StAG Eritrea 1992 und ist deshalb eritreischer Staatsangehöriger.

Das erkennende Gericht geht im vorliegenden Fall davon aus, dass die Eltern des Klägers gebürtige Eritreer sind. Beide Elternteile sind nach Angaben des Klägers, deren Richtigkeit offenbar auch das Bundesamt nicht in Zweifel zieht, auf dem heutigen Gebiet Eritreas geboren. Er hat dazu angegeben, dass sein Vater in Eritrea geboren und dort Mitglied der Arbeiterorganisation ElF gewesen sei. Dass Angehörige der Volksgruppe der Saho Mitglied der ElF waren und sind, ist mit zahlreichen Quellennachweisen bei Wikipedia dokumentiert (vgl. dort zu Saho/Volk). Seine Mutter ist in Keren/Eritrea geboren. Für beide Elternteile ist deshalb von einer eritreischen Abstammung auszugehen.

Hat der Kläger als bis dato äthiopischer Staatsangehöriger wie vorstehend ausgeführt die eritreische Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Abs. 1-4 der Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992 mit der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas am 24. Mai 1993 erworben, verlor er gleichzeitig kraft Gesetzes die bis dahin innegehabte äthiopische Staatsangehörigkeit. Dies ergibt sich aus Art. 11 lit. a) des StAG Äthiopien 1930, wonach ein äthiopischer Staatsangehöriger die äthiopische Staatsangehörigkeit verliert, wenn er eine andere Staatsangehörigkeit erwirbt.

Dass die äthiopische Regierung bis zum Ausbruch des äthiopisch-eritreischen Krieges im Mai 1998 ehemalige äthiopische Staatsbürger, die die eritreische Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Proklamation Nr. 21/1992 Eritrea erlangt und dementsprechend die äthiopische Staatsangehörigkeit nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 verloren hatten, u. a. aus (außen)politischen Opportunitätsgründen faktisch weiterhin als äthiopische Staatsbürger behandelte bzw. de facto eine doppelte Staatsangehörigkeit dieses Personenkreises hinnahm (vgl. dazu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, Seite 1 f.: „Bis Mai 1998 akzeptierten die äthiopischen Behörden die faktische Doppelstaatsbürgerschaft bei Eritreern“), steht dem Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 nicht entgegen.

Abzulehnen ist insoweit die Auffassung, dass in solchen Konstellationen die äthiopische Staatsangehörigkeit fortbestanden habe. Diese Auffassung stellt allein darauf ab, dass für die äthiopischen Behörden seinerzeit Fragen von Bedeutung gewesen seien, wie die, ob die betreffende Person am eritreischen Unabhängigkeitsreferendum vom 24. Mai 1993 teilgenommen, Geldzahlungen an den eritreischen Staat erbracht oder diesen sonst unterstützt hatte. Im Übrigen seien nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Äthiopien residierende Personen eritreischer Abstammung durch den äthiopischen Staat weiterhin als äthiopischen Staatsangehörige behandelt worden, einschließlich der Personen, die Inhaber eritreischer ID-Karten und damit Doppelstaatler wurden, sodass von einem Verlust der Staatsangehörigkeit nicht auszugehen sei (VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Mai 2013 – 6 K 3576/13.A –, Rn. 44, juris; Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 22. Januar 2015 – 3 K 536/14 –, Rn. 27, juris).

Diese damalige faktische Handhabung durch die äthiopischen Behörden stand aber im Widerspruch zum damals geltenden StAG Äthiopien 1930 bzw. dem Wortlaut von dessen Art. 11 lit. a). Eine in evidentem Widerspruch zu der eigenen Rechtslage stehende Rechtspraxis ist jedoch für das Gericht als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit gerade nicht verbindlich (VG Münster, a.a.O.). Die Richtigkeit dieser Bewertung zeigt sich letztlich auch daran, dass die Gegenauffassung in Erklärungsnot hinsichtlich der Frage gerät, ob in der ab 1998 eingetretenen Aufgabe der Behördenpraxis und der Deportation von etwa 70.000 Eritreern aus Äthiopien (vgl. zur äthiopischen Behördenpraxis im Detail Äthiopien/Eritrea: Umstrittene Herkunft, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 22.01.2014, S. 5) konsequenterweise die konkludente Entziehung der Staatsangehörigkeit zu sehen ist.

Entgegen der Auffassung des Bundesamtes hat der Kläger die äthiopische Staatsangehörigkeit auch nicht mit der Konsequenz zurückerlangt, dass er als Person mit doppelter Staatsangehörigkeit zu behandeln ist.

Dadurch, dass nach Art. 27 das äthiopische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 23. Dezember 2003 am selben Tag in Kraft trat, womit es gemäß seinem Art. 25 das frühere äthiopische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1930 aufhob, hat sich der staatsangehörigkeitsrechtliche Status von Personen eritreischer Volkszugehörigkeit von Rechts wegen nicht geändert. Sofern diese Personen bereits vor Inkrafttreten des StAG Äthiopien 2003 ihre frühere äthiopische Staatsbürgerschaft nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 verloren hatten, so erhielten sie durch das StAG Äthiopien 2003 die verlorene äthiopische Staatsangehörigkeit nicht kraft Gesetzes wieder zurück.

Auf die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 des StAG Äthiopien 2003 kommt es dabei nicht an. Dieser regelt, ebenso wie Art. 2 des StAG Eritrea 1992, die Staatsangehörigkeit durch Geburt. Der Kläger hat glaubhaft vorgetragen, dass beide Elternteile Eritreer gewesen seien, somit beide nach dem StAG Eritrea 1992 die Staatsangehörigkeit Eritreas erlangt, die äthiopische nach obigen Grundsätzen aber verloren hatten und deshalb zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des StAG Äthiopien 2003 als Eltern keine äthiopische Staatsangehörigkeit kraft Geburt mehr vermitteln konnten.

Das StAG Äthiopien 2003 enthält darüber hinaus nach Art. 5-12 und unter den in Art. 22 normierten Voraussetzungen die Möglichkeiten des Erwerbs der äthiopischen Staatsbürgerschaft. Während Art. 5 bis 12 StAG Äthiopien 2003 hier nicht einschlägig sind, kommt nach Art. 22 StAG Äthiopien eine Möglichkeit der konstitutiven Wiederaufnahme bzw. Wiederzulassung in die äthiopische Staatsangehörigkeit für Personen in Betracht, die zuvor eine fremde Staatsangehörigkeit angenommen und damit ihre äthiopische Staatsangehörigkeit verloren haben. Wie dargestellt hat der Kläger die äthiopische Staatsangehörigkeit nach Art. 11 StAG Äthiopien 1930 verloren, sodass er in den Anwendungsbereich der Norm fällt. Daraus folgt aber zugleich, dass er nicht kraft Gesetzes die Staatsangehörigkeit zurückerlangt, sondern erst, wenn er die in dem Art. 22 StAG Äthiopien 2003 vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt, insbesondere auch einen Antrag hierauf stellt. Von den dort genannten Voraussetzungen hat der Kläger keine einzige erfüllt, sodass eine Rückerlangung der äthiopischen Staatsangehörigkeit nach dem StAG Äthiopien 2003 ausscheidet.

Der Kläger hat die äthiopische Staatsangehörigkeit ebenso wenig durch die Direktive der äthiopischen Regierung zur Bestimmung des Aufenthaltsstatus von Eritreern in Äthiopien vom 16. Januar 2004 zurückerlangt. In Betracht kommt allenfalls die Regelung in 4.2. der Regierungsdirektive, die anordnet, dass eine Person eritreischer Abstammung, die nicht die Option einer eritreischen Staatsangehörigkeit wahrgenommen hat, so behandelt werden soll, als hätte sie sich dazu entschieden, ihre äthiopische Staatsangehörigkeit zu behalten („4.2. A person of Eritrean origin who has not opted for Eritrean nationality shall be deemed as having decided to maintain his or her Ethiopian nationality.“) Es ergibt sich bereits aus Nr. 2 der Direktive, dass der Kläger von dieser Regelung nicht profitieren kann. Aus der Norm folgt, dass staatsangehörigkeitsrechtliche Unklarheiten von Personen beseitigt werden sollen, die in Äthiopien lebten, als Eritrea unabhängig wurde, und bis zum Erlass der Direktive weiterhin dort lebten. Letztere Voraussetzung erfüllt der Kläger aber nicht, da er sich auf dem Gebiet des heutigen Äthiopiens nicht aufgehalten hat. Nach seinen Angaben hat er seit 1985 im Sudan gelebt.

Der Kläger befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG außerhalb Eritreas. Die Gefahr einer Verfolgung in Eritrea ist zwar nicht gänzlich auszuschließen, erreicht im vorliegenden Fall aber nicht das Maß der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, welche die Furcht vor Verfolgung begründet erscheinen lassen.

Als Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen oder der Ausländer von einem Zusammentreffen unterschiedlicher Maßnahmen in ähnlich gravierender Weise betroffen ist. Für die Annahme einer Verfolgungsmaßnahme ist weiterhin erforderlich, dass der Flüchtling aus den genannten Gründen gezielten Rechtsverletzungen ausgesetzt ist, die ihn ihrer Intensität nach aus der staatlichen Friedensordnung ausgrenzen. Vor Rechtsverletzungen, die nicht gezielt in Anknüpfung an persönliche, asylrelevante Merkmale zugefügt werden, sondern ihn als Folge der allgemeinen im Herkunftsstaat herrschenden Zustände treffen, schützt das Asylrecht nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 32 m.w.N.). Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG) und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Gemäß § 3b Abs. 2 AsylG ist es bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden. Gemäß § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).

Der Kläger hat sich nach seinen Angaben lediglich bis zum Jahr 1985 in Eritrea aufgehalten. Opfer von Verfolgungshandlungen ist er dort nicht geworden.

Eine begründete Furcht vor Verfolgung in Eritrea kann daher lediglich daraus resultieren, dass die eritreischen Behörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit das Verhalten des Klägers so auslegen, dass er sich durch seine Ausreise aus (dem früheren) Äthiopien in den Sudan und später nach Deutschland sowie die Stellung eines Asylantrags dem eritreischen Nationaldienst entzogen und seine Ablehnung des eritreischen Regimes kundgetan hat. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer, dass Personen, die sich in Eritrea der Ableistung des Nationalen Dienstes entziehen, politisch verfolgt werden, sodass diesen Personen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist (vgl. hierzu VG Hannover, Urteil vom 26.10.2016 - Az. 3 A 5251/16 -, juris).

Im vorliegenden Fall ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der Kläger dem Nationaldienst in einer Weise entzogen hat, die der eritreische Staat als oppositionelle Handlung einstufen würde, und er deshalb eine Verfolgung zu befürchten hat.

Zwar ist es für Eritrea kennzeichnend, dass Strafen im Hinblick auf eine Dienstentziehung nicht in einem rational nachvollziehbaren formalisierten Verfahren ausgesprochen, sondern vielmehr in wenig vorhersehbarer Weise von einzelnen Entscheidungsträgern vor Ort verhängt werden (VG Schwerin, Urt. v. 29.02.2016 – 15 A 3628/15 As SN –, juris Rn. 62). Ein gerichtliches Verfahren findet in aller Regel nicht statt. Stattdessen werden die Strafen durch Angehörige des Militär- und Sicherheitsapparates verhängt. Das Verhalten des eritreischen Regimes und seines Sicherheitsapparates ist insoweit willkürlich und unberechenbar. Auch nach den Erkenntnissen von Amnesty International stehen die eritreischen Behörden grundsätzlich jeder Person, die in einem Drittland einen Asylantrag gestellt hat, misstrauisch gegenüber, sodass für den dortigen Fall eines (im Sudan geborenen) Eritreers die Einschätzung abgegeben wurde, dass nicht auszuschließen sei, dass seine bloße Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland als Landesverrat erachtet und verfolgt wird (Auskunft an VG Schwerin, a.a.O.). Nach den Informationen des Auswärtigen Amtes über das Schicksal abgeschobener Asylbewerber müssen diese damit rechnen, von den eritreischen Sicherheitsbehörden auf unbestimmte Zeit und ohne rechtsstaatliches Verfahren in Haft genommen zu werden, wenn sie sich nach eritreischen Vorschriften, insbesondere wegen illegaler Ausreise, Fahnenflucht oder Entziehung aus der Dienstpflicht, strafbar gemacht haben (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2016).

Die eritreische Proklamation, die den Nationaldienst regelt (Eritrean Proclamation on National Service No. 82/1995 of 1993, 23 October 1995, verfügbar unter: http://www.refworld. org/docid/3dd8d3af4.html), enthält in Artikel 37 Abs. 1 und 4 zwar Tatbestände, die es ermöglichen würden, Sachverhalte wie den vorliegenden unter Strafe zu stellen. So sieht Art. 37 Abs. 4 der Proklamation eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren für jeden vor, der es versucht, den Nationaldienst durch „verschiedene Mittel“ zu vermeiden oder seine Registrierung durch „ungerechtfertige Motive oder selbst geschaffene Hindernisse“ verzögert („[…] anyone that attempted to avoid national Service by various device or delayed his registration by unjustified motives or created obstacles […] is liable to punishment under the provisions of Subarticle l of this provision.“). Durch die Unbestimmtheit der in Frage kommenden Tathandlungen erscheint es somit denkbar, dass auch das bloße Unterlassen einer freiwilligen Rückkehr und Registrierung mit Eintritt der Volljährigkeit oder das Bemühen um einen Flüchtlingsstatus in der Bundesrepublik als strafbar geahndet werden könnten.

Dennoch erscheint fernliegend, dass der Umstand, dass sich der Kläger in über 25 Jahren Emigration zu keinem Zeitpunkt um eine Einwanderung nach Eritrea bemüht und inzwischen einen Asylantrag in Deutschland gestellt hat, in Eritrea als oppositionelle Handlung aufgefasst und er dort deshalb politische Verfolgung zu befürchten hat.

Bei dem vorliegenden Sachverhalt fehlt es in der Person des Klägers an der typischerweise mitverwirklichten illegalen Ausreise aus dem seit 1993 völkerrechtlich anerkannten Eritrea, die nach den verfügbaren Erkenntnissen für die eritreischen Behörden den wesentlichen Anknüpfungspunkt für die Annahme einer regimefeindlichen Gesinnung und deren asylrelevante Ahndung bietet. Das bloße Stellen eines Asylantrages dagegen steht nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht unter Strafe und löst keine Verfolgungsmaßnahmen aus, wenn die Antragsteller etwa freiwillig zu Besuchen nach Eritrea reisen. Solche Reisen werden meist mit eritreischen Reiseausweisen durchgeführt, für deren Ausstellung in der Regel ein Schreiben des Bedauerns der Flucht sowie die Begleichung der sogenannten „Aufbausteuer“ in Höhe von 2% des Jahreseinkommens ausreicht (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2016).

Es liegt nahe, dass diese Praxis erst recht auf den Kläger angewendet werden dürfte, auch wenn dies angesichts der Willkür der eritreischen Behörden nicht mit letzter Sicherheit gewährleistet ist. Freilich besteht für den eritreischen Staat ein beachtlicher fiskalischer Anreiz, regelmäßig wiederkehrende, anerkannte Asylberechtigte mit vergleichsweise hohen Einkünften im Ausland mit der Diasporasteuer zu belegen. Dieser Anreiz entfällt bei Personen, die dauerhaft zurückkehren und deren Einkünfte sich auf eritreischem Niveau bewegen werden. Die SFH betont, dass es hinsichtlich dieser sog. „Bereinigung“ der Verhältnisse mit dem eritreischen Regime sowohl an Rechtssicherheit als auch an Erfahrungswerten bei permanenter Rückkehr nach Eritrea fehle (SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 15. August 2016 zu Eritrea: Rückkehr, S. 1). Auch das Schweizerische Staatssekretariat für Migration (SEM) stellt fest, dass „Unklar ist, wie mit Personen verfahren wird, die als Minderjährige ausgereist oder im Ausland aufgewachsen sind und erst im dienstpflichtigen Alter nach Eritrea (zurück)reisen.“ (SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, Stand 10.08.2016, S. 44). Amnesty International stellt in einer aktuellen Stellungnahme fest, dass praktisch keine Fälle denkbar seien, in denen es zur Asylantragstellung ohne vorherige illegale Ausreise gekommen sei, sodass unbekannt sei, wie die eritreischen Behörden reagieren würden (Amnesty International, Stellungnahme zum Umgang mit Rückkehrern und Kriegsdienstverweigerern in Eritrea, 28.07.2017).

Dennoch zeigen die o. g. Konstellationen, dass das eritreische Regime mit Rückkehrern nicht unterschiedslos umgeht und nicht allen gegenüber Strafen verhängt. Eine Überprüfung der individuellen Hintergründe findet somit durchaus statt und ist insbesondere bei Einreisen über den Flughafen in der Hauptstadt, in der die Staatlichkeit noch verhältnismäßig stark ausgeprägt ist, zu erwarten.

In der Gesamtbetrachtung erscheint es somit wahrscheinlicher, dass die eritreischen Behörden die Ausreise aus Sudan und dann über weitere Länder nach Deutschland und die hiesige Asylantragstellung nicht als Entziehung aus der Nationaldienstpflicht einstufen würden, da sich der Kläger lediglich als Kleinkind im Einflussbereich Eritreas aufgehalten hat und daher aus Sicht der eritreischen Sicherheitsbehörden für eine Heranziehung zum Nationaldienst noch nicht in Betracht kam (so i.E. auch VG Münster, a.a.O.). Die objektiven Anforderungen an die Gefahrenlage, die eine Furcht vor Verfolgung als begründet erscheinen lassen, sind damit vorliegend nicht erfüllt.

Die unter Nr. 1 getroffene Regelung des angefochtenen Bescheides ist allerdings insoweit rechtswidrig, als der Antrag des Klägers als „offensichtlich“ unbegründet abgelehnt worden ist. Worauf das Bundesamt das Offensichtlichkeitsurteil konkret stützt, lässt der angefochtene Bescheid nicht erkennen. Die tatsächlichen Umstände, auf denen die Einordnung der Staatsangehörigkeit des Klägers durch das Gericht beruht, hat er nachvollziehbar und glaubhaft geschildert. Die von dem Bundesamt angeführten Widersprüche im Vorbringen des Klägers sind als solche entweder nicht zu erkennen oder für das Antragsbegehren unwesentlich; denn, dass der Kläger seine Angaben zum Geburtsland seiner jüngeren Schwester noch während des Vortrags korrigiert und Österreich mit der Schweiz verwechselt und insoweit korrigiert hat, sind für das vorliegende Asylbegehren unerhebliche Angaben, deren Fehlerhaftigkeit sich zudem daraus erschließt, dass der im Jahr 1983 geborene Kläger das Geburtsland seiner im Jahr 1985 geborenen Schwester lediglich vom Hörensagen kennen kann und er sich in Österreich lediglich wenige Tage aufgehalten hat, so dass ihm als jemand, der aus Afrika stammt, der Unterschied zwischen den beiden Ländern nicht ohne Weiteres geläufig sein dürfte. Dass dem Kläger hier ein Flüchtlingsstatus nicht zugesprochen wird, beruht auf dem Umstand, dass es an Erkenntnissen mangelt, welche die Möglichkeit einer Verfolgung von einreisenden Auslandseritreern durch das eritreische Regime hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen.

Der Kläger hat jedoch Anspruch auf die Zuerkennung subsidiärer Schutzberechtigung.

Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Im Hinblick auf die Einberufung in den Nationaldienst Eritreas unter den bereits erläuterten Bedingungen ist davon auszugehen, dass den Betroffenen ein ernsthafter Schaden i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylG droht. Bei dem eritreischen Nationaldienst handelt es sich um einen unbefristeten Arbeitsdienst unter menschenrechtsverachtenden Bedingungen, welcher als Zwangsarbeit und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu qualifizieren ist, im Gegensatz zu der Verfolgung wegen Desertion bzw. Dienstverweigerung jedoch alle dienstpflichtigen Eritreer unterschiedslos und ohne Anknüpfung an einen der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe trifft. Die Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea führt dazu aus, dass obligatorischer Militär- bzw. Nationaldienst zwar nicht zwangsläufig eine Menschenrechtsverletzung sei, sich der eritreische Nationaldienst jedoch von dem Militärdienst anderer Staaten unterscheide durch die unbegrenzte und willkürliche Dauer, die die gesetzlich vorgesehene Dauer von 18 Monaten regelmäßig um mehr als ein Jahrzehnt überschreite, durch die Heranziehung der Dienstpflichtigen in Form von Zwangsarbeit für ein weites Spektrum an wirtschaftlichen Tätigkeiten und durch die Begehung von Vergewaltigungen und Folter in den Militärlagern sowie das Vorhandensein weiterer häufig unmenschlicher Bedingungen. In ihrem ausführlichen Bericht weist die Commission of Inquiry auf die äußerst schwierigen sanitären und gesundheitlichen Bedingungen sowie mangelnde Ausstattung mit Lebensmitteln und Wasser während des militärischen Teils des Nationaldienstes hin, auf harte und willkürliche körperliche Strafen und die Heranziehung zum Dienst bzw. Bestrafung wegen Dienstverweigerung trotz nachgewiesener Erkrankungen (UNHCR, Report of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea - A/HRC/32/47, Conclusions). Das Auswärtige Amt verweist in seinem Lagebericht auf Berichte über sexuelle Nötigung bis hin zu Vergewaltigung weiblicher Rekruten; Beischlaf werde durch Androhung der Verschärfung der Dienstbedingungen oder die Verweigerung von Heimreisen erzwungen, die Weigerung führe zu Internierung, Misshandlungen und Folter, z.B. Nahrungsentzug oder dem Aussetzen extremer Hitze (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2016, S. 12; vgl. auch VG Hamburg, Beschluss vom 05. Oktober 2016 – 4 A 3618/16 –, Rn. 25, juris).

Im Falle des im Jahr 1983 geborenen Klägers ist nach den vorliegenden Erkenntnissen davon auszugehen, dass er nachträglich in den Nationaldienst einberufen würde. Denn sollte er unter Feststellung seiner eritreischen Staatsangehörigkeit nach Eritrea abgeschoben werden, unterfiele er wie jeder Erwachsene zwischen 18 und 50 Jahren grundsätzlich der Nationaldienstpflicht unter den oben dargelegten Bedingungen.

Da sich die Ablehnung der Zuerkennung subsidiärer Schutzberechtigung unter Nr. 2 des angefochtenen Bescheides als rechtswidrig erweist, sind auch die darauf beruhenden Regelungen unter Nr. 3. bis 5. aufzuheben, mit denen das Vorliegen von Abschiebungsverboten verneint, die Abschiebung des Klägers nach Äthiopien angedroht und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.