Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 01.04.2022, Az.: 12 W 25/22

Festsetzung einer Beratungshilfevergütung; Elektronisch eingereichter Vergütungsfestsetzungsantrag; Keine Vorlage des Beratungshilfescheins im Original

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
01.04.2022
Aktenzeichen
12 W 25/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 22457
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 26.01.2022 - AZ: 9 T 467/21

Fundstellen

  • AGS 2022, 282-283
  • MDR 2022, 1467
  • NJW-RR 2022, 923-924
  • ZAP 2022, 546
  • ZAP EN-Nr. 338/2022

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 26.01.2022 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Festsetzung und Auszahlung von Gebühren für eine im Rahmen der Beratungshilfe durchgeführte Rechtsberatung des Rechtssuchenden AA in einer Mietangelegenheit. Hierfür war dem Rechtssuchenden zuvor vom Amtsgericht Papenburg ein Berechtigungsschein erteilt worden. Der Antragsteller hatte seinen Antrag am 01.12.2020 in elektronischer Form beim Amtsgericht Papenburg eingereicht. Übermittelt wurden u.a. eingescannte Abbildungen des Berechtigungsscheins und des ausgefüllten Antragsformulars gemäß Anlage 2 zu § 1 BerHFV. Ferner erklärte der Antragsteller im Rahmen der elektronischen Übermittlung, dass der Berechtigungsschein bei ihm im Original vorliege und auf Aufforderung bzw. nach Zahlungseingang von ihm entwertet würde.

Mit Verfügung vom 04.03.2021 hatte das Amtsgericht Papenburg dem Antragsteller aufgegeben, den Berechtigungsschein im Original vorzulegen. Hierauf reagierte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 04.03.2021, in dem er die Ansicht vertreten hat, dass bei einem elektronischen Vergütungsfestsetzungsantrag der Berechtigungsschein nicht im Original vorzulegen sei. Es sei zu berücksichtigen, dass er als Rechtsanwalt und damit als Organ der Rechtspflege versichert habe, über das Original zu verfügen und dieses nach Vergütungsausgleich zu entwerten.

Hierauf hat das Amtsgericht Papenburg mit Beschluss vom 09.03.2021 den Vergütungsantrag des Antragstellers zurückgewiesen, da er der Aufforderung, den Berechtigungsschein im Original vorzulegen, nicht nachgekommen sei. Die Vorlage des Berechtigungsscheins per elektronischer Post mit der anwaltlichen Versicherung über die beabsichtigte Entwertung reiche nicht aus. Gemäß Anlage 2 zu 1 Nr. 2 BerHFV sei der Berechtigungsschein im Original vorzulegen um einer möglichen missbräuchlichen Verwendung vorzubeugen. Eine gegen diesen Beschluss gerichtete Erinnerung des Antragstellers hat das Amtsgericht Papenburg mit Beschluss vom 20.07.2021 zurückgewiesen.

Auf die sodann seitens des Antragstellers erhobene Beschwerde hat das Landgericht Osnabrück mit Kammerbeschluss vom 26.01.2022 den Beschluss des Amtsgerichts Papenburg vom 20.07.2021 geändert und die dem Antragsteller zustehenden Gebühren und Auslagen nach Maßgabe seines Antrages auf 295,80 € festgesetzt. Ferner hat es die weitere Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die vom Antragsteller geltend gemachten Gebühren und Auslagen antragsgemäß nach Maßgabe seiner Kostenberechnung vom 01.12.2020 auf insgesamt 295,80 € festzusetzen seien. Bei einem - wie hier - elektronisch eingereichten Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfevergütung, dem der Berechtigungsschein als eingescanntes Dokument beigefügt sei, brauche das Original des Berechtigungsscheins grundsätzlich nicht vorgelegt zu werden. Die Kammer folge insoweit dem in Literatur und Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung, wonach eine derartige Vorlageverpflichtung nirgends normiert sei, auch nicht in den Regelungen der Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV). Zwar sei in § 1 Nr. 2 dieser Verordnung normiert, dass die Beratungsperson für ihren Antrag auf Zahlung einer Vergütung das in Anlage 2 der Verordnung bestimmte Formular zu verwenden habe und in diesem Formular ein Text anzukreuzen sei, nach dem der Berechtigungsschein im Original beigefügt werde. Jedoch habe das Land Niedersachsen mit Erlass des MJ vom 15.07.2005 in der Fassung vom 16.12.2016 angeordnet, dass der Festsetzungsantrag auch mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung erstellt oder von dem amtlichen Formular abgewichen werden könne, wenn er diesem inhaltlich entspreche. Da hiernach in Niedersachsen noch nicht einmal das Formular der Anlage 2 der BerHFV verwendet werden müsse, spreche dies umso mehr dafür, dass es keine Regelung gebe, wonach das Original des Beratungshilfescheins vorzulegen sei. Der ablehnenden Entscheidung der ursprünglich tätigen Urkundsbeamtin lasse sich auch nicht entnehmen, dass sie das Original des Berechtigungsscheins zur Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen des Vergütungsanspruches für erforderlich gehalten habe, zumal der Antragsteller anwaltlich versichert habe, dass sich das Original bei ihm befinde und nach Zahlungseingang entwertet werde. Schon aus diesem Grunde sei eine doppelte Liquidation nicht zu erwarten. Zudem sei nach dem Erlass des MJ vom 15.07.2005 die Festsetzung der Gebühren und Auslagen zur Durchschrift des Berechtigungsscheins zu nehmen und nach § 25 Abs. 1 und 3 Aktenordnung i.V.m. der Liste 4a, Ziffern 7 bis 9 in Angelegenheiten der Beratungshilfe die gebührenrelevanten Tatbestände zu vermerken.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich die durch den Bezirksrevisor des Landgerichts vertretene Landeskasse mit dem zugelassenen Rechtsmittel der weiteren Beschwerde. Trotz der Regelung des § 130a ZPO sowie der Einführung der Vorschriften zum elektronischen Rechtsverkehr habe der Gesetzgeber bislang davon abgesehen, den Vordruck in Anlage 2 zu § 1 Nr. 2 BerHFV zu ändern. Mit der vorgesehenen Rückgabe des originalen Berechtigungsscheins solle einer möglichen missbräuchlichen Verwendung vorgebeugt werden.

II.

Die nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 1 RVG statthafte und vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde der beteiligten Landeskasse ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf keiner Rechtsverletzung i.S.v. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 2 RVG i.V.m. §§ 546, 547 ZPO.

Das Landgericht hat seiner Entscheidung die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde gelegt, dass es jedenfalls im Falle eines elektronisch eingereichten Vergütungsfestsetzungsantrages keine zwingende Voraussetzung für die Festsetzung der Beratungshilfevergütung des die Beratungsleistung erbringenden Rechtsanwaltes ist, dass der Beratungshilfeschein im Original eingereicht wird.

Tatsächlich ist eine derartige Vorlagepflicht nirgends ausdrücklich normiert. Weder die Vorschriften des RVG zur Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen (§ 55 RVG), noch die Vorgaben des Beratungshilfegesetzes (BerHG) oder die Vorschriften der auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 11 BerHG erlassenen Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV) enthalten eine Norm, die dem Rechtsanwalt ausdrücklich aufgeben würde, bei Antragstellung auf Festsetzung seiner Vergütung den ihm vom Rechtssuchenden überlassenen Berechtigungsschein an das ausstellende Gericht zurückzugeben. Lediglich aus dem Umstand, dass das vom Rechtsanwalt nach § 1 Nr. 2 BerHFV bei Antragstellung zu verwendende Formular (Anlage 2 zu § 1 BerHFV) eine von der Beratungsperson abzugebende Erklärung vorsieht, wonach dem Formular alternativ entweder der Berechtigungsschein im Original oder der Antrag auf nachträgliche Bewilligung der Beratungshilfe beigefügt sei, wird gefolgert, dass ein erteilter Berechtigungsschein stets im Original durch die Beratungsperson vorzulegen sei (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2020, 444 [OLG Saarbrücken 16.12.2019 - 9 W 30/19], hier zit. aus juris, RN 9 m.entspr.N.).

Mit dem OLG Saarbrücken erachtet es der erkennende Senat aber für durchaus zweifelhaft, ob der Erklärungstext in einem zu verwendenden Formular überhaupt eine Rechtsnorm darstellt, durch welche ein Antragsteller zur Vorlage bestimmter Unterlagen verpflichtet werden kann (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O., RN 12). Diese Frage kann indes für den vorliegenden Streitfall ebenso dahinstehen, wie dies auch bei dem vom OLG Saarbrücken zu entscheidenden Sachverhalt der Fall war.

Der Antragsteller hat seinen Vergütungsantrag als elektronisches Dokument eingereicht, was ihm nach § 12b S. 2 RVG, § 8 BerHG i.V.m. § 14 Abs. 2 S. 1 FamFG ausdrücklich gestattet war. Damit kommen gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 FamFG ergänzend die Vorschriften des § 130a ZPO zum elektronischen Dokument zur Anwendung, wonach auch die zu einem Antrag gehörenden Anlagen als elektronisches Dokument eingereicht werden können (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.). Dies ist vorliegend durch Übersendung einer Bilddatei, die eine eingescannte Abbildung des Originalberechtigungsscheins enthält, erfolgt. Sofern die BerHFV weitergehende Anforderungen enthält, welche die gesetzlich ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit einer elektronischen Antragstellung einschränken, haben diese Vorgaben einer einfachen Rechtsverordnung hinter dem höherrangigen Gesetzesrecht zurückzutreten (vgl. OLG Saabrücken, a.a.O.). Dies ist entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde keine Frage eines Redaktionsversehens des Normgebers, sondern Folge des Vorrangs des Gesetzes, welches Geltung beansprucht unabhängig davon, ob nachrangige Normen rechtzeitig an eine veränderte Gesetzeslage angepasst werden.

Gleichwohl kann auch im elektronischen Antragsverfahren die Vorlage des Beratungsscheins vom Gericht (zusätzlich) erfordert werden, wo dies zur Glaubhaftmachung des vom Rechtsanwalt geltend gemachten Vergütungsanspruches gemäß § 55 Abs. S. 1 RVG, § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderlich ist (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O., RN 15). Soweit das Beschwerdegericht im vorliegenden Verfahren hiervon Abstand genommen hat, weil der Antragsteller bereits anwaltlich versichert habe, dass sich der Berechtigungsschein bei ihm im Original befinde und von ihm nach Auszahlung der Vergütung vernichtet werde, ist dies nicht zu beanstanden. Welche Angaben das Gericht zur Glaubhaftmachung für erforderlich ansieht, ist grundsätzlich eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die im Rahmen der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsverstöße überprüft werden kann (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 1 RVG i.V.m. § 546 ZPO). Mit seiner Beweiswürdigung, wonach die Vergütungsvoraussetzungen vorliegend durch anwaltliche Versicherung im elektronischen Antragsverfahren hinreichend glaubhaft gemacht sind, hat das Landgericht das ihm als Beschwerdegericht eingeräumte tatrichterliche Ermessen aber nicht rechtsfehlerhaft ausgeübt.

Soweit die weitere Beschwerde dagegen die Auffassung vertritt, die Vorlage des Berechtigungsscheins im Original sei erforderlich, um einer möglichen missbräuchlichen Verwendung desselben vorzubeugen, findet ein entsprechendes Anliegen im Gesetz keine Stütze. Selbst wenn eine Vorlagepflicht in Anlage 2 zu § 1 BerHFV normiert wäre, dürften mit ihr keine weiterreichenden Zwecke verfolgt werden als sie dem Verordnungsgeber durch die in § 11 BerHG enthaltene Verordnungsermächtigung vorgegeben sind. Dieser wurde hiernach jedoch nur ermächtigt, zur "Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens" durch Rechtsverordnung Formulare einzuführen und deren Verwendung vorzuschreiben. Maßnahmen zur Vorbeugung einer "Doppelliquidation" sind hiervon nicht umfasst. Derartigen Gefahren kann ohne weiteres durch verwaltungsinterne organisatorische Maßnahmen begegnet werden, wie sie vom Landgericht mit Verweis auf den Erlass des MJ vom 15.07.2005 sowie auf § 25 Abs. 1 und 3 S. 3 AktO i.V.m. der Liste 4a, Ziff. 7 bis 9 zutreffend aufgezeigt wurden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 u. 3 RVG.