Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.12.2010, Az.: 32 Ss 154/10

Erhebliche Leiden; Misshandlung von Pferden; Umgangsverbot mit Pferden; Pferd; Misshandlung; Umgangsverbot

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.12.2010
Aktenzeichen
32 Ss 154/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 47926
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei der Beurteilung, ob bei einem Tier erhebliche Leiden im Sinne des § 17 Nr. 2 b) TierSchG vorliegen, ist darauf abzustellen, ob äußerlich wahrnehmbare Auffälligkeiten im Verhalten der Tiere festzustellen sind, die als taugliche Anzeichen für das Vorliegen eines erheblichen Leidens anzusehen sind.

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Neustadt a. Rbge. hat den Angeklagten am 15.02.2010 wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz in zehn tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Angeklagten wurde für die Dauer von drei Jahren verboten, Pferde zu halten, mit Pferden zu handeln und berufsmäßig Umgang mit Pferden zu haben.

Auf die Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Dem Angeklagten wurde für die Dauer von noch zwei Jahren verboten, Pferde zu halten, mit Pferden zu handeln und berufsmäßig Umgang mit Pferden zu haben.

Nach den Feststellungen der Strafkammer hielt der Angeklagte seit dem 24.12.2008 in einem Stall auf dem Hof seines Vaters zehn Pferde, davon zwei Fohlen. Anfänglich kümmerte sich auch der Vater des Angeklagten um die Pferde; nach einem Zerwürfnis stellte er die Unterstützung ein. Neben seiner Vollzeittätigkeit als Müllwerker war der Angeklagte zusätzlich selbständig als Spediteur tätig. Zweimal täglich, jeweils vor und nach seiner Tätigkeit als Müllwerker und Spediteur, fuhr der Angeklagte zu den Pferden und stellte ihnen Futter und Wasser zur Verfügung. Im Zeitraum Anfang Januar 2009 bis 10. März 2009 mistete er die Pferdeboxen nicht aus. Er warf Einstreu nur in den vorderen Bereich der Ställe, führte die Pferde auf eine vor dem Stall befindliche Weide und ließ sie dort einige Minuten laufen. An manchen Tagen kamen die Pferde nicht auf die Weide. Auf eine Anzeige hin wurden der Stall und die Pferde des Angeklagten am 11.03.2009 vom Regionstierarzt Dr. S. besichtigt. Dabei stellte Dr. S. fest, dass die acht ausgewachsenen Pferde ordnungsgemäß ernährt waren. Ein Pferd hatte angeschwollene Beine. Die beiden Fohlen waren hingegen abgemagert und körperlich geschwächt. Bei einem Fohlen war der Muskelaufbau der Beine unzureichend. Das Fell der Pferde war durch Kotreste verdreckt und von Urin durchtränkt. In den Boxen war Einstreu jeweils nur im vorderen Bereich vorhanden, im hinteren Bereich der Boxen befand sich Pferdekot, der nicht mit Einstreu abgedeckt war. In einer Box war der Kotberg angeschimmelt. Dem Angeklagten wurden im Anschluss an die Besichtigung eine Stute und die beiden Fohlen gemäß einer Verfügung nach § 16a TierschG fortgenommen. Für die Rückgabe der Tiere, die am 20.03.2009 erfolgte, erhielt er Auflagen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 15.06.2009 wurden die Pferde und drei zwischenzeitlich geborene Fohlen am 21.07.2009 beschlagnahmt und anschließend notveräußert. Auf den Erlös in Höhe von 8.750,-- € verzichtete der Angeklagte.

Gegen das Urteil der Strafkammer richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision zu verwerfen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Die Feststellungen der Strafkammer tragen die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz gemäß § 17 Ziff. 2 b) TierschG nicht. Es fehlt an tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, denen zu entnehmen ist, dass den Pferden durch den Angeklagten länger anhaltende erhebliche Leiden i. S. des § 17 Nr. 2 b) TierschG zugefügt worden sind.

Die Strafkammer hat bei der Feststellung, die Pferde hätten erheblich gelitten, auf die Bekundungen der Amtstierärzte Dr. S. und K.-J. abgestellt. Nach deren Angaben würden Tiere erheblich leiden, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum in ihrem Kot ablegen müssen. Pferde hätten ein angeborenes Kotvermeidungsverhalten. Nach den Bekundungen von Dr. S. hätten sich die Pferde aber wegen des fehlenden Einstreus im hinteren Bereich der Boxen in ihren eigenen Kot legen müssen. Im vorderen Bereich, in dem Einstreu vorhanden gewesen sei, hätten sie sich wegen der räumlichen Enge nicht ablegen können.

Pferde würden nach den Bekundungen der beiden Zeugen ferner erheblich leiden, wenn sie pro Tag nicht mindestens eine Stunde Auslauf erhielten. Pferde hätten einen Bewegungsdrang und würden bei artgerechter Haltung mehrere Stunden Auslauf benötigen. Der Umstand des erheblichen Leidens würde jedenfalls dann eintreten, wenn der Zustand - wie hier - mehrere Wochen andauere.

Bei der Beurteilung, ob bei einem Tier erhebliche Leiden im Sinne des § 17 Nr. 2 b) TierschG vorliegen, ist darauf abzustellen, ob äußerlich wahrnehmbare Auffälligkeiten im Verhalten des Tieres festzustellen sind, die als taugliche Anzeichen für das Vorliegen eines erheblichen Leidens anzusehen sind (vgl. BGH Beschluss vom 18.02.1987, 2 StR 159/86; OLG Koblenz Beschluss vom 17.09.1999, 2 Ss 198/99 - beides zitiert nach juris). Den Urteilsgründen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass im Verhalten der Pferde derartige Auffälligkeiten vorlagen oder von den beiden Tierärzten festgestellt worden sind. Dies konnte schon deshalb nicht offen bleiben, weil sich nach den Feststellungen der Strafkammer sämtliche erwachsenen Tiere in einem ordnungsgemäßen Ernährungszustand befanden und der unzureichende Ernährungszustand der beiden Fohlen auch konstitutionell bedingt gewesen sein kann oder auf einer Erkrankung beruhte, für die der Angeklagte nicht verantwortlich zu machen war. So bleibt letztlich auch offen, ob es lediglich die Folge eines bloßen Bewegungsmangels darstellt, dass bei einem Pferd angeschwollene Beine festgestellt wurden oder ob dies Ausdruck oder Folge eines erheblichen Leidens ist. Gleiches gilt für die festgestellte muskuläre Unterentwicklung eines Fohlens. Bleibende Schäden hat es nach den Urteilsgründen jedenfalls nicht gegeben.

Bei der Beurteilung, ob erhebliche Leiden bei den Pferden vorlagen, hätte sich die Kammer zudem damit auseinandersetzen müssen, warum die Pferde nach der Feststellung ihres Zustands durch Dr. S. am 11.03.2009 noch für einige Monate beim Angeklagten belassen wurden. Denn dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass die Tierärzte, bis auf die Unterernährung der beiden Fohlen, tatsächlich keine besonders gravierenden Vernachlässigungen oder Verhaltensauffälligkeiten festgestellt und daher auch eine Fortnahme der Pferde oder sonstige Maßnahmen nach § 16a TierschG nicht für erforderlich gehalten haben. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob die beiden Tierärzte, zu deren Aufgaben zwar die Überwachung einer tierschutzgerechten Haltung gehört, auch beurteilen können, ob eine nicht artgerechte Haltung von Tieren darüber hinaus zu erheblichen Leiden im Sinne des § 17 Ziff. 2 b) TierschG führt. Denn dies ist primär eine Frage der Verhaltensforschung (vgl. OLG Koblenz a.a.O.).

2. Auch das von der Kammer gemäß § 20 Abs. 1 TierschG für die Dauer von 2 Jahren angeordnete umfängliche Umgangsverbot mit Pferden findet in den Urteilsgründen keine ausreichende Grundlage.

Die von der Kammer angeführte fehlende Einsicht des Angeklagten gegenüber den berechtigten Kritiken der Tierärzte ist für sich allein nicht geeignet, dass Vorliegen einer Gefahr anzunehmen, der Angeklagte werde weiterhin eine nach § 17 TierschG rechtswidrige Tat begehen, zumal die Kammer auch davon ausgeht, dass der Angeklagte jedenfalls ein geringes Fehlverhalten durchaus einräumt. Es ist deshalb unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine Prognose zur erstellen, die zu der Annahme berechtigt, dass die Begehung einer weiteren Tat wahrscheinlich ist. Hierzu wären im Urteil unter anderem Ausführungen darüber notwendig gewesen, ob der Angeklagte überhaupt plant, erneut Pferde zu erwerben oder zu halten. Denn er hat jedenfalls auf den Erlös aus der Notveräußerung verzichtet, woraus geschlossen werden könnte, dass er mit der Notveräußerung einverstanden war und keine Pferde mehr halten will. Hierzu wird im Urteil lediglich ausgeführt, die Kammer sei davon ausgegangen, dass der Angeklagte seit Juli 2009 keine Pferde mehr hält.

Für die Erstellung einer Gefahrenprognose wäre es insbesondere erforderlich gewesen, den weiteren Verlauf der Pferdehaltung nach der Besichtigung am 11.03.2009 und die Umstände und Gründe der Beschlagnahme der Tiere im Juli 2009 mitzuteilen. Denn gerade das Verhalten des Angeklagten nach der Besichtigung am 11.03.2009 würde ein wichtiges Indiz für die Annahme einer (fehlenden) Einsicht beim Angeklagten in etwaiges Fehlverhalten und des Vorliegens einer Gefahr im Sinne einer Wahrscheinlichkeit weiterer Taten darstellen. Dies umso mehr, als dem Urteil nicht zu entnehmen ist, dass der Angeklagte schon früher wegen Verstößen gegen Tierhaltungs- oder Tierschutzvorschriften aufgefallen ist.

3. Für die neue Verhandlung gibt der Senat zu bedenken, dass je nach Umfang der ggf. unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen zu treffenden Feststellungen zum Vorliegen eines länger anhaltenden erheblichen Leidens der Pferde auch die Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 18 TierschG, gegebenenfalls sogar die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen in Betracht kommen könnte, zumal der Angeklagte auf den Erlös aus der Notveräußerung der Pferde verzichtet hat.