Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.01.2011, Az.: 2 Ws 421/10
Entschädigungspflicht hinsichtlich jeder einzelnen Datei bei Herausgabe von kleinen Datenmengen in einer Vielzahl von Einzeldateien
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.01.2011
- Aktenzeichen
- 2 Ws 421/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 25532
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0110.2WS421.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 29.12.2008 - AZ: 4 OH 12/10
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 Nr. 3 JVEG
- § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JVEG
- § 7 Abs. 3 JVEG
Fundstellen
- CR 2011, 796
- ITRB 2012, 11
- JurBüro 2012, 35-36
Verfahrensgegenstand
Verdacht der Hinterziehung von Einkommenssteuer u.a.
hier: Beschwerde der H. Sparkasse wegen Kostenfestsetzung
Amtlicher Leitsatz
Werden gemäß § 7 Abs. 3 JVEG elektronisch gespeicherte Dateien anstelle von Ablichtungen und Ausdrucken überlassen, führt dies nicht dazu, dass kleinere Datenmengen, die als eine Ablichtung oder ein Ausdruck herausgegeben werden könnten, mit 2,50 EUR statt mit lediglich 0,50 bzw. 0,15 EUR abgegolten werden. Die Herausgabe von kleinen Datenmengen (hier: Kontoauszüge) in einer Vielzahl von Einzeldateien führt nicht zu einer Entschädigungspflicht hinsichtlich jeder einzelnen Datei, wenn sich die Daten in einer Datei (hier: Kontoübersicht) zusammenfassen lassen.
In dem Ermittlungsverfahren
...
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxx,
die Richterin am Oberlandesgericht xxxxxxxxxx und
den Richter am Landgericht xxxxx -
zu Ziffer 1. durch Richter am Landgericht xxxxx als Einzelrichter -
auf die Beschwerde der H. Sparkasse AG
gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 13. Oktober 2010
am 10. Januar 2011
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Das Verfahren wird gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG zur Entscheidung auf den Senat übertragen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
- 2.
Die Beschwerde wird verworfen.
- 3.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Auf Antrag des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen in L. ordnete das Amtsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 29.12.2008 die Durchsuchung der Geschäftsräume der H. Sparkasse AG (H.) als Drittbeteiligte an. Auf Grundlage dieses Beschlusses forderte das Finanzamt die H. zur Abwendung einer Durchsuchung auf, die Kontobuchungen für vier Girokonten, zwei Sparkonten, zwei Darlehenskonten und ein Wertpapierdepot mitzuteilen. Es wurde gebeten, die Kontobuchungen in maschinell auswertbarer Form auf einem Dateiträger herauszugeben.
Mit Erteilung der Auskünfte am 20.04.2009 stellte die H. 34,00 EUR für zwei Arbeitsstunden, 2,00 EUR für die Überlassung von vier Kopien und 757,50 EUR für die Übersendung von 303 Dateien, insgesamt 793,50 EUR, in Rechnung. Dabei hatte die H. hinsichtlich der vier Giro- und zwei Sparkonten die in ihrem EDV-System als einzelne pdf-Dateien gespeicherten Kontoauszüge einzeln als pdf-Datei auf einer CD-Rom gespeichert und diese CD-Rom dem Finanzamt überlassen.
Unter dem 01.12.2009 setzte das Finanzamt die zu erstattenden Auslagen auf insgesamt 68,50 EUR fest und brachte hierbei neben den geltend gemachten Auslagen für Kopien und Arbeitsstunden 32,50 EUR für die überlassenen Kontodaten in Ansatz. Hierbei ging das Finanzamt davon aus, dass für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Daten maximal 2,50 EUR pro Kalenderjahr und Konto zu erstatten seien. Dies ergebe bei drei Girokonten für je drei Jahre, einem Girokonto für zwei Jahre und für die zwei Sparkonten insgesamt 13 Dateien.
Mit Antrag vom 01.02.2010 beantragte die H. beim Landgericht Lüneburg die gerichtliche Festsetzung der von ihr geltend gemachten Restsumme in Höhe von 725,00 EUR.
Mit Beschluss vom 13.10.2010 setzte der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg die Zeugenentschädigung auf 68,50 EUR fest. Gemäß § 7 JVEG seien nur notwendige Auslagen zu ersetzen. Nach § 7 Abs. 3 JVEG würde für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien ein Betrag von 2,50 EUR je Datei ersetzt. Dabei dürfte der entschädigungsberechtigte Zeuge seine Auskunftspflicht nicht auf beliebig viele Dateien aufsplitten, vielmehr sei er angehalten, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Es sei ihm deshalb zuzumuten, seine Auskunft über die jeweiligen Daten für ein Konto und ein Kalenderjahr auf jeweils einer einzigen Datei zu sammeln, um damit seine Auskunft zu erteilen.
Gegen diesen Beschluss legte die H. Beschwerde ein und beantragt, ihr eine weitere Entschädigung in Höhe von 725,00 EUR zuzusprechen. Zur Begründung trägt sie u.a. vor, es sei nicht zu einer Aufsplittung von Dateien aus einem einzigen Datensatz gekommen. Vielmehr seien die einzelnen Kontoauszüge als gesonderte Datei in ihrem EDV-System gespeichert und müssten entsprechend einzeln markiert und aufgerufen werden. Im Anschluss könnten sie als nacherstellter Kontoauszug ausgedruckt oder auf einem anderen Datenträger gespeichert werden. Erst danach könne der nächste Kontoauszug, wieder als gesonderte pdf-Datei, aufgerufen werden. Daraus werde deutlich, dass für jeden Kontoauszug eine gesonderte pdf-Datei erstellen werden müsse. Dementsprechend seien die einzelnen pdf-Dateien auf eine CD-Rom übertragen und dem Finanzamt überlassen worden. Keineswegs seien die Auskünfte willkürlich auf beliebig viele Dateien aufgesplittet worden.
Der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist zwar zulässig (§ 4 Abs. 3 JVEG), aber unbegründet.
1.
Der Strafsenat war in der Sache zur Entscheidung über die Beschwerde berufen. Dem steht nicht entgegen, dass die angefochtene Entscheidung von dem Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg erlassen wurde.
Ist die Finanzbehörde selbst als Strafverfolgungsbehörde tätig und hat diese einen Auskunftspflichtigen herangezogen, so ist das bei der Staatsanwaltschaft bestehende Landgericht für die gerichtliche Feststellung der Entschädigung des Dritten (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 JVEG) zuständig (vgl. Hagen Schneider, JVEG, § 4 Rdnr. 25), hier also das Landgericht Lüneburg. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Lüneburg für das Geschäftsjahr 2010 sieht keine Regelung über die Zuständigkeit für die Festsetzung von Auslagen nach dem JVEG vor. Es handelt sich danach um eine nicht verteilte (Straf-)Sache, für die jedenfalls nicht die 4. Zivilkammer des Landgerichts zur Entscheidung berufen war. Nach Ziffer II. A. 1. des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2010 des Landgerichts Lüneburg sind für Strafsachen aus dem Landgerichtsbezirk ausschließlich die Strafkammern zuständig. Da es sich um eine Strafsache handelt, ist in der Beschwerdeinstanz die Zuständigkeit des Strafsenates gegeben.
Der Senat hatte auch in der Sache zu entscheiden. Die Zurückverweisung einer Sache an das Ausgangsgericht ist nach dem Gesetzeswortlaut von § 309 StPO grundsätzlich nicht vorgesehen und deshalb nur in wenigen Ausnahmefällen zulässig (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 309 Rdnr. 7 m.w.N.). Auch die Unzuständigkeit des Ausgangsgerichts oder ein Verstoß gegen die geschäftsplanmäßige Zuständigkeit führt nicht - ohne weiteres - zu einer Zurückverweisung (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 309 Rdnr. 6 m.w.N.). Die Zurückverweisung kommt vielmehr (nur) in Betracht, wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, den das Beschwerdegericht nicht selbst beheben kann (Meyer-Goßner, a.a.O., § 309 Rdnr. 8).
Ein solcher unbehebbarer Verfahrensmangel liegt hier nicht vor. Das Beschwerdegericht, der Strafsenat, tritt im Beschwerdeverfahren vollumfänglich an die Stelle des zur Entscheidung berufenen Ausgangsgerichts und entscheidet in der Sache selbst (vgl. hierzu KK-Engelhardt, 6. Aufl., § 309 Rdnr. 7). Dadurch werden Verfahrensfehler im erstinstanzlichen Verfahren gegenstandslos.
2.
Der Beschwerdeführerin steht nach Einführung des JVEG eine gesetzlich normierte Entschädigung für ihre Heranziehung durch die Strafverfolgungsbehörden, hier Finanzbehörde, zu. Herangezogene Dritte werden nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JVEG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 JVEG grundsätzlich wie Zeugen entschädigt. Bedient sich ein Dritter - wie es bei herangezogenen Kreditinstituten regelmäßig der Fall ist - eines Arbeitnehmers, so werden ihm nach § 23 Abs. 2 JVEG seine Aufwendungen (§ 7 JVEG) im Rahmen von § 22 JVEG unter entsprechender Anwendung von § 19 Abs. 2 und 3 JVEG ersetzt.
Danach war die Berücksichtigung von zwei Arbeitsstunden durch den angefochtenen Beschluss sachgerecht. Gleiches gilt für die Geltendmachung von vier Kopien gemäß § 7 Abs. 2 JVEG und es gilt ebenso im Hinblick auf die Höhe der festgesetzten Auslagen für die Kontounterlagen auf dem Datenträger.
Gemäß § 7 Abs. 3 JVEG werden für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien anstelle der in Absatz 2 genannten Ablichtungen und Ausdrucke 2,50 EUR je Datei ersetzt. Zwar hat der Gesetzgeber im JVEG ausdrücklich keine Regelung zu Größe oder Art einer Datei getroffen. Auch in den Gesetzgebungsmaterialien findet sich dazu nichts. Allerdings ist, wie im gesamten Kostenrecht, die grundsätzliche Intention des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Das gesamte Kostenrecht wird durch das Kostenminimierungsgebot geprägt, das auch in § 7 JVEG Ausdruck findet. Denn nach § 7 Abs. 1 JVEG werden Auslagen nur ersetzt, soweit sie notwendig sind. Im Zusammenhang mit dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 JVEG, dass Dateien anstelle von Ablichtungen überlassen werden können, ergibt sich nach Sinn und Zweck dieser Regelung, dass durch die Überlassung von Dateien jedenfalls keine höheren Kosten entstehen sollen als durch die alternative Überlassung von Ablichtungen oder Ausdrucken. Bereits aus dem Vergleich der für die Überlassung von Ablichtungen oder Ausdrucken und der für eine Datei anzusetzenden Auslagen ist erkennbar, dass es nicht die Absicht des Gesetzgebers war, mit dieser Regelung kleinere "Datenmengen", die als eine Ablichtung oder ein Ausdruck herausgegeben werden könnten, mit 2,50 EUR statt mit lediglich 0,50 bzw. 0,15 EUR abzugelten. Der Hintergrund dieser Regelung besteht offenbar in der Möglichkeit, eine Vielzahl von Informationen auf einem Datenträger zusammenzufassen und dadurch umfangreiche Ablichtungen bzw. Ausdrucke zu vermeiden.
Der Beschwerdeführerin sind vor diesem Hintergrund für die Überlassung der Dateien Auslagen nicht in dem von ihr geltend gemachten Umfang zu erstatten, sondern nur im notwendigen Umfang. Notwendig aber war bereits nicht die Auskunftserteilung durch die Mitteilung der Kontoauszüge. Wie die Beschwerdeführerin selbst vorträgt, war sie gehalten, "Kontobuchungen in maschinell auswertbarer Form ... auf einem Datenträger herauszugeben". Dafür reichte ersichtlich eine Kontenübersicht, aus der sich auch die einzelnen Buchungen ergaben, aus. Keineswegs war es "notwendig", dafür sämtliche Kontoauszüge als einzelne Datei auf einen Datenträger zu speichern, für Ermittlungszwecke war eine Gesamtübersicht ausreichend und zudem wegen ihrer besseren Übersichtlichkeit für die Ermittlungsbehörden auch besser handhabbar. Wenn die Beschwerdeführerin gleichwohl Kontoauszüge erstellte, die anders als eine Kontoübersicht in zahlreichen Dateien abgelegt werden muss, kann sie dafür jedenfalls keine höhere Zeugenentschädigung beanspruchen als sie im Falle sachgerechter Bearbeitung entstanden wäre.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.