Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.01.2016, Az.: 7 A 10011/14

Entfernung; Gebäude; Hundesteuer; Satzung; Schutzhund; Wachhund

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.01.2016
Aktenzeichen
7 A 10011/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43215
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ist nach der Satzung die Gewährung einer Steuerermäßigung für einen Wachhund davon abhängig, dass der Abstand des bewachten Gebäudes zum nächsten bewohnten Gebäude mehr als 300 m beträgt, ist auf die Luftlinienentfernung von Außenwand zu Außenwand abzustellen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Halterin eines Hundes der Rasse Deutsch Drahthaar. Sie bewohnt ein Grundstück im Außenbereich des Ortsteils B. der C., A-Straße. Der Abstand – gemessen als Luftlinie – zwischen dem von ihr bewohnten Gebäude und dem nächsten bewohnten Gebäude, das im benachbarten Ortsteil D. gelegen ist, beträgt unstreitig 200 m. Insoweit wird auf den von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Liegenschaftskataster im Maßstab 1:2000 verwiesen.

Die Hundesteuer für einen Ersthund beträgt im Gebiet der Beklagten 100,00 €/jährlich. Zuletzt hat die Klägerin nach Änderung der Steuermerkmale unter dem 9. Mai 2014 einen Hundesteuerbescheid erhalten.

Die Klägerin, der in der Vergangenheit für einen anderen Hund eine Ermäßigung der Hundesteuer zugestanden worden war, beantragte ersichtlich mündlich am 9. Mai 2014 die Weitergewährung der Steuermäßigung für den von ihr gehaltenen Deutsch Drahthaar als Wachhund.

Die Hundesteuersatzung der Beklagten vom 25.4.1989 (ABl. Regbez. Hannover 1989, S. 344) in der Fassung vom 17.12.2009 (Neue Deister-Zeitung vom 21.12.2009) – HStS – enthält hierzu folgende Regelungen:

§ 5 Steuermäßigungen

Die Steuer ist auf Antrag des Steuerpflichtigen auf die Hälfte zu ermäßigen für das Halten von

a) einem Hund, der zur Bewachung von Gebäuden benötigt wird, welche von dem nächsten bewohnten Gebäude mehr als 300 m entfernt liegen; …

d) Hunden, die als … Schutzhunde … verwendet werden und eine Prüfung vor anerkannten Leistungsrichtern abgelegt haben. Das mit dem Antrag vorgelegte Prüfungszeugnis darf nicht älter als zwei Jahre sein.

§ 7 Allgemeine Voraussetzungen für die Steuerermäßigung …

Steuerermäßigung … wird nur gewährt, wenn

1. die Hunde für den angegebenen Verwendungszweck hinlänglich geeignet sind,

2. der Halter der Hunde in den letzten fünf Jahren nicht wegen Tierquälerei bestraft ist,

3. für die Hunde geeignete, den Erfordernissen des Tierschutzes entsprechende Unterkunftsräume vorhanden sind, …

Mit dem streitbefangenen Bescheid vom 22. Mai 2014 lehnte die Beklagte die beantragte Steuerermäßigung ab, weil das nächste bewohnte Gebäude nicht 300 m, sondern nur 200 m entfernt liege. Der Bescheid wurde mit einfacher Post abgesandt.

Hiergegen erhob die Klägerin mit einem unter dem 16. Juni 2014 verfassten und am 20. Juni 2014 beim Verwaltungsgericht Hannover eingegangenen Schriftsatz „Einspruch“. Die Einspruchsschrift war nicht unterschrieben. Nach Hinweisverfügung durch den Kammervorsitzenden ging die unterschriebene „Einspruchs“-Schrift am 7. Juli 2014 beim Verwaltungsgericht Hannover ein. Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin aus, dass das Nachbargrundstück nicht im Ortsteil B., sondern im Ortsteil D. der Beklagten liege. Außerdem verlaufe zwischen den beiden Grundstücken die in diesem Bereich dreispurige Bundesstraße E.. Schließlich bestehe wegen eines Walls kein Sichtkontakt zum Nachbargebäude. Deshalb dürfe nicht auf die Luftlinie von 200 m abgestellt werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2014 aufzuheben, sowie die Beklagte zu verpflichten, die Hundesteuer für den von ihr gehaltenen Ersthund um die Hälfte zu ermäßigen.

Die Beklagte

wendet sich gegen das Klagebegehren

und wiederholt die Begründung des ablehnenden Bescheides.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges der Beklagten verwiesen, der dem Gericht zur Einsichtnahme vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe

Das Gericht kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Der Klage muss der Erfolg versagt bleiben.

Sie wird als zulässig erachtet. Auf die Bezeichnung „Einspruch“ statt zutreffend „Klage“ kommt es zugunsten der Klägerin, die sich an das Verwaltungsgericht gewandt hat, nicht an (Nds. OVG, Beschluss vom 8.11.2011 - 4 LB 156/11 - Rdnr. 27 juris). Die Klage ist auch rechtzeitig erhoben. Da die Beklagte der Klägerin den streitbefangenen Ablehnungsbescheid vom 22. Mai 2014 nicht förmlich zugestellt, sondern nur mit einfacher Post übersandt hatte, ist das Datum der Bekanntgabe des Bescheides – und damit der Beginn der Rechtsbehelfsfist – nicht nachgewiesen. Auch ein Postaufgabevermerk, nach dem sich die Bekanntgabe errechnen ließe, findet sich nicht im Verwaltungsvorgang. Die Klägerin hat den Bescheid jedoch spätestens am 16. Juni 2014 erhalten. An diesem Tag hat sie die Klageschrift gefertigt. Die von ihr unterschriebene Klage ging am 7. Juli 2014 und mithin rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist ein.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Ablehnung der von der Klägerin beantragten Hundesteuerermäßigung für einen Wachhund auf ihrem Grundstück ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr geltend gemachte Ermäßigung nach § 5 lit. a) der Hundesteuersatzung – HStS – der Beklagten in der oben im Tatbestand zitierten Fassung, weil das von ihr bewohnte Gebäude die in der Satzungsregelung geregelte Mindestentfernung von mehr als 300 m zum nächsten bewohnten Gebäude unterschreitet (1.). Auch die vom Gericht vorsorglich geprüften Voraussetzungen der Steuerermäßigung für einen Schutzhund nach § 5 lit. d) HStS liegen nicht vor (2.).

1. Die Voraussetzungen des § 5 lit. a) HStS sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar dient der von der Klägerin gehaltene Hund ersichtlich zumindest auch der Bewachung ihres im Außenbereich des Ortsteils B. der Beklagten gelegenen Wohngebäudes. Dies allein genügt jedoch nicht. Die weitere Voraussetzung, dass das bewachte Gebäude mehr als 300 m vom nächsten bewohnten Gebäude entfernt liegt, ist nämlich nicht erfüllt. Bei der Berechnung der Entfernung sind unbewohnte Gebäude nicht zu berücksichtigen, andererseits kann und darf nicht auf das Alter der jeweiligen Bewohner abgestellt werden. Unerheblich ist auch der Verlauf der Grundstücksgrenzen. Entscheidend kommt es allein auf den Abstand der Gebäude an. Der Wortlaut der Vorschrift deutet darauf hin, dass der Abstand von Außenwand zu Außenwand zu messen ist. Dies entspricht auch dem Sinn der Vorschrift, die Bewachung abgelegener Gebäude zu erleichtern (VG Halle, Urteil vom 23.1.2008 - 5 A 106/06 - Rdnr. 19 juris). Die Satzung der Beklagten geht hier zur Überzeugung des erkennenden Gerichts von der Luftlinienentfernung aus. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der das „nächste bewohnte Gebäude“ in Bezug nimmt. Unerheblich ist danach die fußläufige Entfernung (ebenso VG Trier, Urteil vom 21.10.2010 - 2 K 574/09.TR - LKRZ 2010, S. 156). Der Luftlinien-Abstand beträgt vorliegend unstreitig nur 200 m statt der geforderten mehr als 300 m, wie sich auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Liegenschaftskataster im Maßstab 1:2000 ergibt. Nach dem Wortlaut der Satzungsregelung beschränkt sich die Grenze auch nicht auf Gebäude innerhalb eines Ortsteils der Beklagten. Deshalb ist es unerheblich, dass das zum bewachten Gebäude nächstgelegene bewohnte Gebäude in einem benachbarten Ortsteil der Beklagten gelegen ist und sich zwischen den Gebäuden eine Bundesstraße und ein Wall befinden.

Der abweichenden Rechtsprechung des Finanzgerichts Bremen (Urteil vom 13.3.1953 - II 8/53 - DGStZ 1954, S. 141), nach der die für eine Steuermäßigung vorgeschriebene Entfernung im Allgemeinen auf gangbaren Wegen und Pfaden zu messen ist, folgt das erkennende Gericht nicht. Auch das FG Bremen hielt jedenfalls dann eine Messung der Entfernung „querfeldein“ für maßgeblich, wenn keine oder leicht zu nehmende Hindernisse im Weg stünden. Das Finanzgericht Bremen legt sich damit zum einen nicht abschließend auf eine Wege-Entfernung statt auf die Luftlinie fest. Zum anderen würde bei einer Zugrundelegung der gangbaren Wege und Pfade für die maßgebliche Gebäudeentfernung die Zuwegung der jeweiligen Grundstücke und ihre Anbindung an den öffentlichen Straßenraum mit in die Berechnung einfließen. Der Wortlaut des § 5 lit. a) HStS stellt jedoch auf die bloße Gebäudeentfernung und nicht auf ihre - auch nur fußläufige - Erreichbarkeit ab. Der Luftlinie als Grundlage der Entfernungsberechnung für die Steuerermäßigung ist zudem aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität der Vorrang einzuräumen. Sie ist einfacher zu ermitteln als die Wegstrecke auf den Grundstücken und dem öffentlichen Straßenraum.

Die Satzungsregelung ist auch hinsichtlich der Einschränkung der Ermäßigung nicht zu beanstanden. Der Satzungsgeber verfügt bei der Schaffung von Ausnahmenormen im Abgabenrecht über ein besonders weites Ermessen. Er darf hierbei festlegen, welchen Personenkreis er begünstigt und die Begünstigung gleichzeitig an die Erfüllung besonderer Bedingungen knüpfen. Bei Massenerscheinungen, wie der Erhebung von Steuern, ist eine Pauschalierung zulässig. Dabei auftretende Härten sind hinzunehmen. Die Grenze ist für den Satzungsgeber dann erreicht, wenn sich die Abgrenzung des Kreises der Begünstigten als willkürlich erweist, bei der Pauschalierung sich ergebende Härten außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen oder die Begünstigung die Belastungsentscheidung in nicht zu rechtfertigender Weise relativiert. Keiner der genannten Fälle liegt hier vor (ebenso VG Halle, aaO, Rdnr. 20; VG Trier, aaO, Rdnr. 24).

Bei der Prüfung ist vom Wesen der Hundesteuer als Aufwandsteuer auszugehen. Die Steuer knüpft an den mit der Hundehaltung zwangsläufig verbundenen Aufwand an. Aufwandsteuern sind Steuern auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt. Dient der Hund der Bewachung eines Gebäudes, so gehört seine Haltung zum persönlichen Lebensbedarf. Die Beklagte hat hiervon eine Ausnahme in Gestalt der Ermäßigung für den Fall vorgesehen, dass aufgrund der Lage des Gebäudes und dem Fehlen weiterer bewohnter Gebäude in der Nähe ein besonderer Bewachungsbedarf besteht. Die pauschale Festsetzung einer erforderlichen Entfernung von mehr als 300 m zum nächsten bewohnten Gebäude ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich bei der Zugrundelegung der Luftlinie zur Bemessung der Entfernung um ein vergleichsweise leicht zu bestimmendes Kriterium, welches auch nicht offensichtlich untauglich ist. Näher wohnende Personen sind nämlich eher in der Lage, Wahrnehmungen zu machen und ggf. einzugreifen oder Hilfe zu alarmieren. Diese Wahrnehmungen beruhen auch nicht zwangsläufig auf Sichtkontakt vom eigenen zum anderen Wohnhaus (VG Halle, aaO, Rdnr. 22f.; VG Trier, aaO, Rdnr. 25).

2. Auch die Voraussetzungen des § 5 lit. d) HStS sind nicht erfüllt. Das Gericht prüft dabei von Amts wegen, ob die Klägerin für ihren Hund eine Steuermäßigung als Schutzhund geltend machen kann.

Als Schutzhund bezeichnet man einen Haushund, der die Schutzhundausbildung durchlaufen und eine entsprechend Prüfung erfolgreich abgeschlossen hat, wie sich auch aus der Satzungsvorschrift ergibt. Die Schutzhundprüfung - teilweise auch Vielseitigkeitsprüfung für Gebrauchshunde genannt - ist in einer Prüfungsordnung festgelegt. Die Prüfung beginnt mit dem Aufspüren eines Scheintäters. Danach folgen Situationen wie das Verhindern von Fluchtversuchen, Bewachen, Verhindern eines Überfalls etc. (vgl. VG Trier, aaO, Rdnr. 28 mwN).

Eine solche Ausbildung hat der von der Klägerin gehaltene Hund nicht durchlaufen. Jedenfalls hat sie seine Eigenschaft als Schutzhund weder besonders geltend gemacht, noch den entsprechenden Prüfungsnachweis vorgelegt.

Danach kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin außerdem die allgemeinen Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung nach § 7 Nrn. 1 bis 3 HStS erfüllt.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO).