Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 13.01.2016, Az.: 13 A 3671/15

Arzt; Arztbesuch; Dienstzeit; Gleitzeit; Kernzeit; Zeitgutschrift

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
13.01.2016
Aktenzeichen
13 A 3671/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43008
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anrechnung privater Arztbesuche auf seine Dienstzeit bzw. eine entsprechende Zeitgutschrift.

Er ist als Beamter bei der Beklagten tätig. Für den Beklagten gilt unter anderem die Anstaltsregelung 1.14.0 (AR); außerdem die Vereinbarung über die Grundsätze für die gleitende Arbeitszeit in der niedersächsischen Landesverwaltung (Gleitzeitvereinbarung - GZV). Wegen der Einzelheiten, insbes. wg. Ziff. 13 AR und Ziff. 17 GZV, wird auf Bl. 29, 13f. bzw. Bl. 37, 43 f. der Beiakte A Bezug genommen.

Die Kernzeit umfasst montags bis donnerstags die Zeit von 09:00 Uhr bis 11:30 Uhr und wieder ab 13:30 Uhr bis 15:00 Uhr (Ziff. 4 AR).

Im Juni 2015 nahm der Kläger vier Arzttermine an Tagen wahr, an denen er Dienst hatte. Er war deshalb wie folgt von seiner Dienststelle abwesend:

Do.     

11.06.2015

11:36 Uhr bis 14:31 Uhr (Zeiten in der Kernzeit: 1 Stunde 1 Minute)

Mo.     

15.06.2015

11:32 Uhr bis 13:45 Uhr (Zeiten in der Kernzeit: 15 Minuten)

Do.     

18.06.2015

11:35 Uhr bis 13:29 Uhr (Zeiten in der Kernzeit: 0 Minuten)

Mo.     

22.06.2015

11:33 Uhr bis 14:05 Uhr (Zeiten in der Kernzeit: 35 Minuten)

Insgesamt nahm der Kläger nach alledem 1 Stunde 51 Minuten Kernzeit in Anspruch.

Der Kläger begehrte von der Beklagten, ihm die Zeit, die er wegen der Arztbesuche abwesend war, auf seinem Stundenkonto gutzuschreiben. Bereits mit eMail vom 15.06.2015 bat die Beklagte um eine ärztliche Bescheinigung über den Zeitraum der Arztbesuche. Der Kläger legte einen Terminzettel seiner Ärztin vor, wonach er jeweils um 12:00 Uhr an den genannten Tagen einen Termin hatte.

Mit Bescheid vom 01.07.2015 lehnte die Beklagte die beantragte Zeitgutschrift ab.

Der Kläger hat am 16.07.2015 Klage erhoben.

Er trägt vor: Seine Arzttermine seien notwendig gewesen und hätten nur innerhalb der Kernarbeitszeit durchgeführt werden können. Nach den Arbeitszeitregelungen könne die Beklagte keine ärztlichen Bescheinigungen verlangen. Er habe die Arzttermine bewusst im Interesse des Arbeitgebers in die Zeit der Mittagspause gelegt. Nicht immer sei aber eine strikte Einhaltung des Termins möglich gewesen, zudem müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger einen Fahrtweg von etwa 13 Kilometer zur Arztpraxis im Stadtverkehr zurücklegen musste. Die Alternative wäre gewesen, dass er sich ganz dienstunfähig gemeldet hätte. Ohne die Behandlungen wäre er nicht dienstfähig gewesen, nur die Behandlung zur Mittagszeit in der Hälfte des Arbeitstages habe ihn den Tag einigermaßen überstehen lassen. Er habe einen Anspruch auf Sonderurlaub nach § 9 Nr. 5 Nds. SUrlVO.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 01.07.2015 die Beklagte zu verpflichten, ihm, dem Kläger, eine Gutschrift von 9 Stunden und 13 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto für notwendige Arztbesuche gutzuschreiben, ohne dass der Kläger eine Bestätigung des behandelnden Arztes beibringen muss, dass die ärztliche Behandlung nur innerhalb der Kernarbeitszeit durchgeführt werden konnte.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Klage entgegen. Nach telefonischer Nachfrage hätte auch eine Terminsvergabe im Zeitraum von 15:00 bis 18:000 Uhr erfolgen können. Er hätte damit auch Termine vereinbaren können, die außerhalb der Kernzeit lagen.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Gutschrift für die Zeit seiner Arztbesuche einschließlich der An- und Abreisezeit.

Arztbesuche, darauf weist die Beklagte zu recht hin, sind zunächst einmal reine Privatsache des Beamten. Grundsätzlich hat ein Beamter deshalb planbare Arztbesuche in seine Freizeit zu legen und sich entsprechend auszustempeln. Die für den Kläger geltenden Gleitzeitregelungen bieten auch genügend Spielraum, um private Arzttermine in Zeiten außerhalb der Kernzeit zu legen.

Nach alledem sind die Regelungen der Ziff. 17 IV GZV und Ziff. 13 AR nicht zu beanstanden.

Nach diesen Vorschriften sind für private Erledigungen - wozu ausdrücklich auch Arztbesuche zählen -, die sich aus der gleitenden Arbeitszeit ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Nur wenn bei medizinischen Behandlungen den Wünschen des Beamten nach Terminen außerhalb der Kernzeit nicht nachgekommen werden kann, ist Arbeitsbefreiung während der Kernzeit zu gewähren.

Der Großteil der versäumten Zeit an den in Rede stehenden vier Tagen lag außerhalb der Kernzeit. Insoweit kann schon deshalb die Klage keinen Erfolg haben. Für die ärztlichen Behandlungen außerhalb der Kernzeit bedarf es schon von vornherein keiner Arbeitsbefreiung.

Aber auch, soweit es um die vom Kläger in Anspruch genommene Kernzeit - 1 Stunde 51 Minuten - geht, hat die Klage keinen Erfolg.

Eine Arbeitsbefreiung unter Gutschrift der entsprechenden Zeit auf dem Arbeitszeitkonto kann nach den vorgenannten Regelungen nur erfolgen, wenn ärztlicherseits kein Termin möglich war, der ohne Inanspruchnahme von Kernzeit hätte wahrgenommen werden können.

Dafür liegt jedoch kein Nachweis, etwa in Form einer ärztlichen Bescheinigung, dass es sich um einen Notfall handelte oder aus anderen medizinischen Gründen nur eine Behandlung auch während der Kernarbeitszeit möglich war, vor. Selbst der anwaltlich vertretene Kläger hat dies nicht behauptet; er bestreitet lediglich eine Pflicht zur Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung. Die mit Schriftsatz vom 21.12.2015 vorgelegte ärztliche Bescheinigung bestätigte lediglich, dass der Kläger an den dort genannten Tagen Termine wahrgenommen hat, nicht jedoch die medizinische Notwendigkeit der Behandlung gerade zu dieser Zeit.

Da die Ärztin des Klägers Sprechzeiten bis 18:00 Uhr anbietet, ist damit auch nicht dargelegt, weshalb die Behandlung unbedingt in der Mittagszeit erfolgen musste und nicht auch nach 15:00 Uhr hätte stattfinden können. Der Kläger hat seine entsprechende Behauptung, dass nur so er den restlichen Arbeitstag noch überstehen konnte in keinster Weise belegt. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amtswegen hierzu verbietet sich. Da keinerlei Indizien für die Behauptung des Klägers vorliegen, würde die Einholung eines Gutachtens auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.

Der Kläger kann sich daneben auch nicht auf die Sonderurlaubsverordnung berufen. Er hat schon keinen Antrag nach § 9 Nr. 5 SonderUrlaubsVO gestellt. Außerdem fehlt es, wie ausgeführt, an einem Nachweis, dass die ärztliche Behandlung während der Arbeitszeit erfolgen musste. Im Übrigen wäre Sonderurlaub selbst bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises dann nur hinsichtlich der Kernarbeitszeit erforderlich gewesen, weil der Kläger für die übrige Zeit auf seine Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Gleitzeitregelung verwiesen werden konnte,

Nach alledem kann die Frage offen bleiben, ob dem Kläger - der ja die lange Abwesenheit auch mit dem zeitaufwendigen Fahrtweg zur Ärztin mitbegründete - nicht auch zuzumuten gewesen wäre, ggf. eine näher an der Dienststelle liegende Arztpraxis aufzusuchen, um keine Kernzeit in Anspruch nehmen zu müssen.

Der Einwand des Klägers, er hätte sich alternativ auch ganz dienstunfähig melden können, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Offenbar war der Kläger an den genannten Tagen nicht dienstunfähig erkrankt, eine unberechtigte Krankmeldung hätte zum Verlust der anteiligen Dienstbezüge, ggf. auch zu einem Disziplinarverfahren, geführt.

Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.