Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 28.01.2014, Az.: 10 O 2240/13

Ansprüche eines Hinterbliebenen eines in einem Ausbildungsverhältnis stehenden Arbeitnehmers aufgrund eines tödlichen Arbeitsunfalls mit einer Schleifmaschine

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
28.01.2014
Aktenzeichen
10 O 2240/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 16023
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2014:0128.10O2240.13.0A

In pp.

Tenor:

  1. 1.

    Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für unzulässig erklärt.

  2. 2.

    Der Rechtsstreit wird gemäß § 17a Abs. 2 S. 1 GVG nach Anhörung der Parteien ohne mündliche Verhandlung an das zuständige Arbeitsgericht in _______ verwiesen.

Gründe

I.

Der Kläger ist der Vater des am xxx verstorbenen S. Dieser stand in einem Ausbildungsverhältnis zur xxx-GmbH und verstarb in Folge eines Arbeitsunfalls, der sich am xxx in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers in Y ereignete. Dabei wurde S von einer Schleifmaschine eingeklemmt und erlitt tödliche Kopf- und Thoraxverletzungen.

Die Beklagten zu 1. und 2. sind Gesellschafter und Geschäftsführer der xxx-GmbH. Der Beklagte zu 3. ist mit dem Beklagten zu 1. Geschäftsführer der Komplementärin einer Schwestergesellschaft. Der Beklagte zu 4. war zum Vorfallszeitpunkt Produktionsleiter dieser Schwestergesellschaft und der Beklagte zu 5. Instandsetzungsmeister beider Firmen.

Der Kläger wirft allen Beklagten erhebliche Versäumnisse bei der Einrichtung, dem Betrieb und der Wartung der streitgegenständlichen Schleifmaschine vor, deren Sicherheitsvorkehrungen in Form einer Lichtschranke mit Billigung der Geschäftsführung außer Funktion gesetzt gewesen seien. Zudem seien erhebliche Defizite bei der Beaufsichtigung und Anleitung seines Sohnes unfallursächlich geworden. Wegen Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom xxx nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagten rügen insbesondere die Zulässigkeit des allg. Zivilrechtsweges, da letztlich ein Unfall im Zuge eines Ausbildungs- bzw. Arbeitsverhältnisses betroffen sei und das Arbeitsgericht zuständig sei. Hilfsweise hat auch der Kläger Verweisung beantragt. Der Kläger geht indes weiterhin von der Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit aus, da der Kläger als Hinterbliebener eigene Schäden, insbesondere Schockschäden, geltend mache.

II.

Der Rechtsstreit ist von Amts wegen im schriftlichen Verfahren gemäß § 17a Abs. 2 S. 1 GVG an das Arbeitsgericht xxx zu verweisen, da eine ausschließliche arbeitsgerichtliche Zuständigkeit für die Beklagten zu 1. und 2. gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG begründet ist und für die Beklagten zu 3. bis 5. zumindest eine Zusammenhangszuständigkeit aus § 2 Abs. 3 ArbGG besteht.

Bei dem Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits handelt es sich um Ansprüche eines Hinterbliebenen, die mit dem Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG in rechtlichem Zusammenhang stehen. Der verstorbene S stand unstreitig in einem Ausbildungsverhältnis zur xxx-GmbH und war somit Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG. Zumindest den Beklagten zu 1. und 2. kommt in ihrer Funktion als Geschäftsführer des Ausbildungs- und Anstellungsbetriebes auch eine Arbeitgebereigenschaft zu (vgl. Schlewing in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 8. Aufl. 2013, § 2 Rn. 51 m.w.N.). Aus diesem Grund ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch dann eröffnet, wenn im Zusammenhang mit einer behaupteten unerlaubten Handlung direkt gegen die Geschäftsführung der juristischen Person des Arbeitgebers geklagt wird (vgl. BAG v. 24.06.1996, 5 AZB 35/95, [...]; OLG Nürnberg v. 11.12.2006, 9 W 2459/06, [...] m.w.N.).

Der erforderliche rechtliche Zusammenhang nach § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG ist im Hinblick auf die als schadensursächlich behauptete massive Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Ausbildungsvertrag einerseits und Arbeitsschutzvorschriften andererseits gegeben. Ein rechtlicher Zusammenhang nach § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG liegt vor, wenn der Anspruch auf dem Arbeitsverhältnis beruht oder durch dieses bedingt ist (vgl. Schlewing in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 8. Aufl. 2013, § 2 Rn. 85; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, § 2 Rn. 23, je m.w.N.). Die als verletzt behaupteten Schutzpflichten folgen hier unmittelbar aus dem Ausbildungsverhältnis zwischen dem verunfallten S und seinem Ausbildungsbetrieb.

Soweit sich der Kläger gegen die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte mit dem Argument wendet, er mache insbesondere Schockschäden als eigene Schäden geltend, greift dies nicht. Mittlerweile ist anerkannt, dass gerade die in § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG ausdrücklich erwähnten Hinterbliebenen nicht nur dann von dieser Zuständigkeitsvorschrift erfasst werden, wenn sie (etwa als Erben) arbeitsvertragliche Ansprüche als Rechtsnachfolger eines Verstorbenen geltend machen. Auch deliktisch begründete und eigene Ansprüche der Hinterbliebenen - etwa aus §§ 844 f. BGB -werden von der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit erfasst (vgl. Schlewing in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 8. Aufl. 2013, § 2 Rn. 84 m.w.N.; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, § 2 Rn. 23 m.w.N.).

Die klägerseits zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 06.02.2007 zu VI ZR 55/06 rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Im dort entschiedenen Fall waren die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG oder § 2 Abs. 1 Nr. 3d ArbGG schon deshalb nicht erfüllt, da in jenem Fall ein Kollege des verunfallten Arbeitnehmers (somit auch ein Arbeitnehmer) in Anspruch genommen wurde und keine Firma oder kein Geschäftsführer auf Arbeitgeberseite. Die einschlägigen Zuständigkeitsvorschriften aus § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG oder § 2 Abs. 1 Nr. 3d ArbGG setzen aber eine Beteiligung der Arbeitgeberseite am Rechtsstreit zur Begründung der ausschließlichen arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit zwingend voraus. In dem vom Bundesgerichtshof (und seinen Vorinstanzen) entschiedenen Sachverhalt war dies nicht der Fall; im vorliegenden Fall aber schon.

Im Hinblick auf die Beklagten zu 3., 4. und 5. ist unabhängig von ihrer konkreten funktionellen Einordnung als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Nr. 4a, 5 ArbGG zumindest eine Zusammenhangszuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG eröffnet. Angesichts der zugleich rechtshängig gemachten Klage gegen die Beklagten zu 1. und 2. und des direkten tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhanges wäre es widersinnig, diese Klagen in verschiedenen Gerichtszweigen zu verhandeln. § 2 Abs. 3 ArbGG soll gerade verhindern, dass bei einem derart engen Zusammenhang divergierende Entscheidungen in Parallelverfahren in der ordentlichen Gerichtsbarkeit einerseits und der Arbeitsgerichtsbarkeit andererseits ergehen (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, § 2 Rn. 30, 33 m.w.N.; LG Köln v. 03.07.2012, 8 O 81/12, [...]).

III. Rechtsmittelhinweis

[...]