Landgericht Aurich
Urt. v. 09.02.2021, Az.: 19 KLs 520 Js 21301/20 (16/20)
besonders schwerer Raub
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 09.02.2021
- Aktenzeichen
- 19 KLs 520 Js 21301/20 (16/20)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 71606
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BGH - 25.08.2021 - AZ: 3 StR 148/21
Tenor:
Der Angeklagte ist des besonders schweren Raubes schuldig.
Er wird zu einer Freiheitsstrafe von
5 Jahren und 8 Monaten
verurteilt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Angeklagte.
Die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 130,00 € wird angeordnet. Die Einziehung des Messers mit einer Klingenlänge von 8 cm mit schwarzem Kunststoffgriff (Asservat 5) wird angeordnet.
Angewendete Vorschriften:
§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 73 Abs. 1, 73c, 74 StGB.
Gründe
I.
Der zur Zeit der Hauptverhandlung 23 Jahre alte Angeklagte ist ledig und deutscher Staatsangehöriger. Eine Berufsausbildung hat er nicht abgeschlossen.
Der Angeklagte wurde in E. geboren. Aufgewachsen ist er bei der Mutter und dem Stiefvater, der in sein Leben trat, als er zwei Jahre alt war. Seinen leiblichen Vater kennt der Angeklagte nicht. Die Mutter ist selbständige Schneiderin von Beruf, der Stiefvater Kfz-Meister. Der Angeklagte besuchte regulär den Kindergarten und sodann die Grundschule bis zum Beginn der sechsten Klasse im Jahr 2010. Dann wechselte er auf eine „m. school“ in T., USA, wohin die Familie aus beruflichen Gründen in der Person des Stiefvaters umzog. Nach zwei Jahren erfolgte der Umzug zurück nach Deutschland, wonach der Angeklagte die Gesamtschule in I. besuchte, welche er nach der 8. Klasse abbrach. Anschließend hat er kurz die BBS II in E. besucht und diese nach einem Abbruch ohne Abschluss verlassen. Er lebte bis zu seinem 15. Lebensjahr im Haushalt der Mutter, anschließend war er für ein halbes Jahr obdachlos. Schließlich ist er in den Jahren 2013 bis 2015 in einer Einrichtung der Jugendhilfe in Wilhelmshaven aufgenommen worden. Von hier ist er aufgrund Verurteilung in anderer Sache in Jugendhaft genommen worden. Die Jugendstrafe von 4 Jahren und 2 Monaten wurde zum Teil in Strafhaft verbüßt und zum Teil hat der Angeklagte sie im Maßregelvollzug gem. § 64 StGB sowohl in B. als auch in O. verbracht, wobei der Angeklagte nach ca. 1,5 Jahren Maßregelvollzug selbst einen Antrag auf Erledigung der Maßregelvollzugsunterbringung stellte, sodass die Vollstreckung der Jugendstrafe in der JVA H. zu Ende vollzogen wurde. Der Angeklagte hat im Jahr 2019 seinen Hauptschulabschluss während der Inhaftierung in der JVA H. erlangt. Nach der Haftentlassung am 23.08.2019 begann er eine Ausbildung zum K., wurde jedoch in der Probezeit wegen einer längerfristigen Krankheit wieder entlassen. Nachdem er zunächst bis Sommer 2020 in einer Wohngemeinschaft gewohnt hatte, plante der Angeklagte vor der erneuten Inhaftierung mit seiner Freundin, die er im Sommer 2020 kennen lernte, in einer gemeinsamen Wohnung zusammen zu ziehen. Die Wohnung war, bis auf wenige noch ausstehende Arbeiten, bezugsfertig und bereits teilweise eingeräumt. Für den Vermieter, der in Emden einige Immobilien besitzt, hat der Angeklagte eine Arbeit in Form von Hausmeistertätigkeiten beginnen wollen. Ein Arbeitsbeginn stand unmittelbar bevor.
Nachdem der Angeklagte bereits im Alter von sechs oder sieben Jahren mit dem Konsum von Zigaretten begann, konsumierte er ab einem Alter von neun Jahren Cannabis und ab einem Alter von elf oder zwölf Jahren Alkohol. Mit 13 Jahren konsumierte er zum ersten Mal Kokain, Benzodiazepine ab dem 14. Lebensjahr, Morphine ab dem 15. Lebensjahr. Kokain und Benzodiazepine konsumierte er insbesondere in den Jahren 2013 bis 2015. Dabei Kokain mit einer Menge von 3-4g täglich. Der Alkoholkonsum hat nach der Entlassung aus der Haft im Jahr 2019 zugenommen. In der ersten Hälfte des Jahres 2020 konsumierte der Angeklagte eine Flasche Schnaps täglich. Der Cannabiskonsum war anhaltend hoch. Die mittlere Tagesmenge lag bei 10g.
Der Angeklagte ist strafrechtlich bereits mehrfach in Erscheinung getreten. Sein Bundeszentralregisterauszug vom 10.11.2020, der in der Hauptverhandlung verlesen wurde, weist neun Eintragungen auf. Diese lauten wie folgt:
1. Am 10.04.2013 wurde wegen Diebstahls geringwertiger Sachen in zwei Fällen durch die Staatsanwaltschaft A. gem. § 45 Abs. 1 JGG von der Verfolgung abgesehen.
2. Am 09.08.2013 wurde wegen versuchter Nötigung durch die Staatsanwaltschaft A. gem. § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung abgesehen.
3. Am 22.10.2013 verurteile das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Diebstahl in 3 Fällen, davon in 1 Fall in einem besonders schweren Fall, in 2 Fällen geringwertiger Sachen zu 1 Woche Jugendarrest und erteilte ihm eine Verwarnung.
4. Am 07.07.2014 verurteilte das Amtsgericht W. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 2 Fällen zu einer Woche Jugendarrest und erteilte ihm eine Verwarnung und eine richterliche Weisung.
5. Am 11.07.2014 verurteilte das Amtsgericht W. den Angeklagten wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch zu 2 Wochen Jugendarrest.
6. Am 23.01.2015 erteilte das Amtsgericht W. dem Angeklagten unter Einbeziehung der Entscheidung des Amtsgerichts W. vom 07.07.2014 wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall eine richterliche Weisung.
7. Am 01.04.2015 erfolgte durch das Amtsgericht W. ein Schuldspruch nach § 27 JGG wegen Diebstahls und Diebstahls geringwertiger Sachen und Hausfriedensbruchs. Die Bewährungszeit betrug 2 Jahre.
8. Am 20.11.2015 verurteilte das Landgericht A. den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes und Diebstahls mit Waffen unter Einbeziehung zweier nicht zentralregisterpflichtiger Entscheidungen sowie der Entscheidung des Amtsgerichts W. vom 01.04.2015 zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren und 6 Monate nebst Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.
9. Am 16.11.2016 verurteilte das Amtsgericht Wilhelmshaven den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung und versuchter Gefangenenbefreiung sowie Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung sowie Sachbeschädigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch sowie gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung und der Beleidigung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Jugendstrafe von 4 Jahren und 2 Monaten nebst Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Dabei wurden zwei nicht zentralregisterpflichtige Entscheidungen, sowie die Entscheidung des Amtsgerichts W. vom 01.04.2015 und die Entscheidung des Landgerichts A. vom 20.11.2015 einbezogen. Die Strafvollstreckung war am 23.08.2019 erledigt. Es ist bis 23.08.2022 Führungsaufsicht eingetreten.
Der Angeklagte wurde in dieser Sache am 10.08.2020 festgenommen und befand sich seit diesem Zeitpunkt aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts E. vom 11.08.2020 durchgehend in Untersuchungshaft.
II.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht nach Überzeugung der Kammer folgender Sachverhalt fest:
Am 10.08.2020 gegen Mittag befand sich der Angeklagte gemeinsam mit seinem ehemaligen Mitbewohner M. G. auf dem Balkon seiner ehemaligen Wohngemeinschaft in der A.straße, E. . Der Angeklagte hatte im Laufe des Vormittags Cannabis in Form von Joints konsumiert, wobei die genaue Anzahl der gerauchten Joints nicht mehr feststellbar war. Alkoholisiert war der Angeklagte nicht. Als gegen 13:15 Uhr die Zeugen E. S. und J. K. auf dem Gehweg am Balkon vorbeiliefen kam es zu einer Ansprache durch den Angeklagten. Dem Angeklagten waren die beiden Zeugen, die sich als Urlaubsgäste in Ostfriesland aufhielten, nicht bekannt. Die Ansprache lautete: „Ich ficke euch gleich!“. Eine Reaktion der Zeugen S. und K. blieb aus, weil die Zeugen für sich nicht erkannten, dass sich die Ansprache auf sie bezog. Sie setzten ihren Weg fort, ohne mit dem Angeklagten zu kommunizieren.
Der Angeklagte fühlte sich aufgrund der „Nichtreaktion“ durch die Zeugen S. und K. provoziert und lief in die Küche der Wohngemeinschaft. Dort durchsuchte er die Schubladen und fragte den Zeugen G. „Wo habt ihr denn die Messer?“. Der Zeuge gab vor, dies nicht zu wissen. Schließlich fand der Angeklagte ein Küchenmesser mit ca. 8 cm Klingenlänge und schwarzem Griff, welches er mitnahm und den Zeugen S. und K. zum gegenüber der Wohnung gelegenen Parkhaus am Wasserturm, A.straße, E., folgte.
Dort holte er die Zeugen auf dem Parkdeck in der 1. Etage ein. Er schubste den Zeugen S., schlug ihm mit der Faust einmal in das Gesicht und forderte ihn wiederholt mit den Worten: „Ich schlag dir gleich die Fresse ein!“ zur Herausgabe von Wertgegenständen auf. Zeitgleich fasste der Angeklagte den Zeugen S. am Kragen und hielt ihn fest. Mit den Worten: „Gib mir deine Tasche oder ich schlag dir dein Gesicht zu Matsch!“ forderte er nun die Aushändigung der ledernen Bauchtasche, die der Zeuge S. bei sich trug. Nachdem der Zeuge S. dies verweigerte, hielt der Angeklagte mit seiner rechten Hand dem Zeugen S. das mitgeführte Küchenmesser an die linke Bauchseite kurz unterhalb der Rippen und forderte ihn mit den Worten, dass er den Zeugen sonst absteche erneut auf, ihm die Bauchtasche auszuhändigen. Der nunmehr um sein Leben fürchtende Zeuge S. ließ sich daraufhin ohne Gegenwehr die Bauchtasche durch den Angeklagten abnehmen, wobei der Angeklagte die Tasche über den Kopf des Zeugen S. zog. Der Zeuge K. befand sich währenddessen ca. 2 – 3 Meter schräg hinter dem Angeklagten und beobachtete das Tatgeschehen. Er sah davon ab, einzuschreiten, als er das Messer in der Hand des Angeklagten wahrgenommen hatte. Dem Angeklagten kam es darauf an, in den Besitz der Bauchtasche und deren werthaltigen Inhalt zu gelangen und ihm war bewusst, darauf keinen rechtmäßigen Anspruch zu haben. Der Messereinsatz erfolgte absichtsgemäß, gerade um die Wegnahme der Tasche zu ermöglichen.
Der Angeklagte wollte nun mit der Tasche, die einen Wert von 500,00 € hatte, das Parkhaus verlassen, als der Zeuge S. ihn bat, diesem jedenfalls den Personalausweis und die Bankkarte zurückzulassen. Der auf dem Weg zur Tür befindliche Angeklagte entnahm sodann den Personalausweis und die Bankkarte des Zeugen S. aus der Bauchtasche und ließ die erbetenen Gegenstände auf den Boden fallen. Sodann verließ er das Parkhaus. Dabei nahm er die Tasche des Geschädigten mit dem darin befindlichen übrigen Inhalt, u.a. einem in dem Portemonnaie des Geschädigten befindlichen Bargeldbetrag in Höhe von 130,00 €, einer Schachtel Zigaretten und Kopfhörern der Marke „AirPods“ mit sich.
Sodann lief der Angeklagte zurück zur Wohngemeinschaft, wo er die Bauchtausche durchsuchte. Er bot anschließend dem weiteren Mitbewohner der Wohngemeinschaft, dem Zeugen M. Ge., einen Teil des erlangten Bargeldes an, dessen Annahme der Zeuge, der mit der Sache nichts zu tun haben wollte, indes verweigerte. Als er in der Bauchtasche auch die Fahrzeugschlüssel sowie weitere Papiere des Zeugen S. entdeckte, entschloss er sich, noch einmal zurück zum Parkhaus zu fahren. Der Angeklagte fuhr sodann mit seinem vor der Wohnung stehenden Fahrrad zum Eingang des Parkhauses, wo er erneut auf den dort auf die Polizei wartenden Zeugen S. traf, während der Zeuge K. sich zu dieser Zeit weiterhin im 1. Obergeschoss des Parkhauses aufhielt. Er erkundigte sich bei dem Zeugen S. danach, ob dieser die Polizei gerufen habe, was der Zeuge S. verneinte. Darauf gab er diesem seinen Fahrzeugschlüssel und das entleerte Portemonnaie, die sich in der Bauchtasche befunden hatten, zurück. Dabei forderte der Angeklagte den Zeugen S. gleichzeitig auf, nicht die Polizei zu informieren, ansonsten würde er dem Zeugen S. und dessen Familie etwas antun. Diese Erklärung verband der Angeklagte mit einem Blick in den noch einmal an sich genommenen Personalausweis des Zeugen S., welchen dieser in der Hand hielt und der Erklärung, dass er jetzt schließlich wisse, wo dieser wohne.
Anschließend fuhr der Angeklagten mit dem Fahrrad davon. Er konnte kurze Zeit später in Folge der umgehend von der Polizei eingeleiteten Fahndung gegen 13:33 Uhr in der B.straße, Emden festgenommen werden. Der Zeuge S. erlangte die Ledertasche zurück, die ebenfalls sichergestellten 130,00 € wurden von der Polizei bei der Gerichtskasse des Amtsgerichts E. eingezahlt. Im Rahmen seiner Zeugenvernehmung erhielt der Zeuge die vormals in der Tasche befindliche Zigaretten und Kopfhörer „AirPods“ von der Polizei zurückgegeben.
Nach seiner Festnahme machte der Angeklagte gegenüber der Polizei umfangreiche Angaben zu im Bereich der Stadt E. verübten Straftaten. Aufgrund seiner Angaben wurden mehrere Ermittlungsverfahren durch die Polizei Emden eingeleitet, deren Ausgang aufgrund der zur Zeit der Hauptverhandlung noch laufenden Ermittlungen noch offen war.
III. Beweiswürdigung
Der Angeklagte hat sich zu seiner Person und zur Sache eingelassen.
1. Die Feststellungen zur Person und zum Suchtmittelkonsum des Angeklagten beruhen auf den Angaben des Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung, denen die Kammer insoweit umfassend folgt, sowie den Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. F., die dieser im Rahmen des von ihm in der Hauptbehandlung erstatteten Gutachtens zur Biografie des Angeklagten machte. Die Angaben des Sachverständigen mit demjenigen Inhalt, der sich so auch in obigen Feststellungen wiederfindet, waren insoweit schlüssig und nachvollziehbar und wurden von dem Angeklagten auf entsprechende Nachfragen hin bestätigt. Die Feststellungen zu den Vorstrafen beruhen auf dem im Rahmen der Hauptverhandlung verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 10.11.2020.
Soweit der Angeklagte sich zu dem Konsum von Cannabis am Tattage („ein paar Joints geraucht“) inhaltlich so erklärte, wie es oben in den Feststellungen genannt ist, ist seine Einlassung glaubhaft. So wurde in der Hauptverhandlung das Ergebnis der toxikologischen Blutuntersuchung der MHH H. vom 21.09.2020 verlesen, welches einen positiven Befund auf Cannabinoide enthielt und hinsichtlich weiterer „Standardscreenings“ auf weitere Suchtmittel negativ verlief. Dass der Angeklagte nicht alkoholisiert war, folgt aus einem in der Hauptverhandlung ebenfalls verlesenen Blutalkoholgutachten vom 18.08.2020, welches auf einen nicht berechenbaren Mittelwert lautete und in den Erläuterungen dazu ausführte, dass ein Mittelwert erst dann berechenbar sei, wenn mindestens vier Werte oberhalb der Bestimmungsgrenze von 0,10 g Promille vorlägen.
Die Ausführungen zur Dauer der von dem Angeklagten in dieser Sache verbüßten Untersuchungshaft basieren auf dem im Rahmen der Hauptverhandlung eingeführten Inhalt der Festnahmeanzeige vom 10.08.2020.
Die Feststellungen zum Nachtatverhalten und den Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei beruhen auf der Verlesung des Vermerks der Staatsanwältin Dr. Berth vom 09.02.2021, welcher im Rahmen der Hauptverhandlung verlesen wurde. Dieser lautet inhaltlich wie folgt:
2. Der Angeklagte hat sich zum Sachverhalt dem Grunde nach geständig eingelassen. Der Angeklagte räumte ein, den Zeugen S. im Parkhaus in Emden am Tattag geschlagen und ihm die Bauchtasche entrissen zu haben. Er räumte auch ein, ein Messer bei sich geführt zu haben. Er behauptet aber, dass es vor der Tat zu einer Provokation durch die Zeugen S. und K. gekommen sei. Außerdem habe er das mitgeführte Messer nicht verwendet. Es habe sich während der Tat lediglich in seiner Hosentasche befunden. Diese Einlassung ist, soweit sie mit den oben unter II. getroffenen Feststellungen in Widerspruch steht, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer widerlegt.
a) Der Angeklagte hat sich zum Tatgeschehen dahingehend eingelassen, dass er am Tattag bei seiner vormaligen Wohngemeinschaft zu Besuch gewesen sei. Man habe abends vorher gefeiert und Marihuana und Alkohol konsumiert. Er habe dann morgens in der Wohngemeinschaft ein paar Joints geraucht, davor habe er auch schon bei sich zu Hause geraucht. Er habe so zwischen 8:00 und 9:00 Uhr angefangen zu rauchen.
Es seien dann zwei Jungs vorbeigelaufen. Einer habe hochgeguckt und gegrinst. Der Angeklagte habe zu diesem gesagt: „Grins‘ nicht so dumm!“ Das sei der Zeuge S. gewesen. Es sei dann zu Diskussionen und Provokationen von beiden Seiten gekommen. Der Zeuge S. habe geantwortet: „Ja, komm doch!“. Der Angeklagte habe den Jungs dann hinterher gehen wollen, weil er sich provoziert gefühlt habe. Er habe die Situation klären wollen. Auf Nachfrage, wie die Situation aus seiner Sicht zu klären gewesen wäre, erklärte der Angeklagte, dass er sich vermutlich geschlagen hätte. Er sei dann in die Küche der Wohngemeinschaft und habe sich ein Messer geholt, um sich selbst zu schützen. Das Messer habe er dabeigehabt, wegen der bei dem Zeugen S. gesehenen Bauchtasche. Er kenne es aus E. so, dass derjenige, der mit einer solchen Bauchtasche rumlaufen würde, auch bewaffnet sei. Er habe das Messer in eine Seitentasche der kurzen Hose, die er zu dem Zeitpunkt getragen habe, gesteckt. Das sei eine Cargohose mit aufgesetzter Seitentasche gewesen. Die Klinge habe deutlich oben aus der Tasche herausgeguckt, weil das Messer nicht ganz hineingepasst habe. Nach Inaugenscheinnahme des asservierten Messers gab er an, dass es gut möglich sei, dass es sich dabei um das Messer, was er eingesteckt hatte, handele. Das in Augenschein genommene Messer stellte sich so dar, wie es oben in den Feststellungen beschrieben ist. Im Parkhaus habe er die beiden dann eingeholt. Er sei auf den Zeugen S. zugelaufen und habe diesem mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er habe ihn dann am Kragen gefasst und gegen die Reling gedrückt und ihn laut angeschrien. Nachdem der Angeklagte zugeschlagen hatte, hätte er die Bauchtasche gesehen und sich gedacht: „jetzt nimmst du dich auch noch mit“. Er habe erkannt, dass es sich um die Tasche einer bekannten Ledermarke gehandelt habe und hätte dann die Idee gehabt, diese mitzunehmen. Der Angeklagte habe dann zu dem Zeugen S. gesagt, dieser solle ihm seine Bauchtasche geben. Der Zeuge S. habe daraufhin mit „Nein“ erwidert. Der Angeklagte habe dann über den Zeugen S. gegriffen, über die Schulter und die Schnalle hinten gelöst und die Bauchtasche nach vorne weggenommen. Dabei habe er das Messer zwar mit sich geführt, aber es nicht benutzt. Das Messer habe sich weiterhin in der Tasche seiner Cargohose befunden. Geäußert habe er während der Tatausführung weiter nichts. Formulierungen, so wie sie in der Anklage stehen, seien nicht Worte, die er wählen würde. So würde er nicht reden. Insbesondere würde er nicht sage: „Du kassierst jetzt einen Stich“. Der Zeuge S. habe ihn dann gebeten, ihm wenigstens den Personalausweis und die EC-Karte zu lassen. Das habe er ihm hinterhergerufen, als er sich auf dem Weg zur Tür befunden habe. Er habe die Sachen dann dort herausgenommen und dagelassen. Sodann sei er zurück zur Wohngemeinschaft gelaufen.
Wieder zurück in der Wohngemeinschaft habe er die Bauchtasche durchgesehen und die Autoschlüssel und weitere Papiere gefunden. Er habe dem weiteren Mitbewohner der Wohngemeinschaft M. Ge. dann noch 20 € geben wollen, die dieser jedoch nicht angenommen habe. In der Wohngemeinschaft sei er vielleicht für ca. 3-4 Minuten gewesen. Da ihm die Sache aufgrund des nun entdeckten Autoschlüssels und mit dem Gedanken, der Diebstahl eines mehrere 1000 € werthaltigen Fahrzeuges sei etwas anderes, als der Diebstahl einer Tasche, zu groß geworden sei, sei er dann mit dem Fahrrad zurück zum Parkhaus gefahren. Das Messer habe er zuvor in der Küche zurückgelassen. Am Parkhaus habe er die Papiere, den Schlüssel und das Portemonnaie an das Opfer zurückgegeben. Dabei habe er auch zu diesem gesagt, er solle nicht die Polizei rufen. Er meine allerdings nicht, dass er gesagt habe: „Rufst du die Polizei, passiert dir was“ oder „ich finde euch, ihr habt markante Gesichter“. Er habe am Ende die Bauchtasche nebst Zigaretten, Kopfhörer und Bargeld behalten.
Von der Richtigkeit des festgestellten und von dem Angeklagten im Wesentlichen einräumten Sachverhaltes ist die Kammer überzeugt. Die Überzeugung, dass der Angeklagte die Tat wie unter II. festgestellt begangen hat, hat die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen S., K., G. und Ge. sowie aufgrund der Erkenntnisse aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. und den verlesenen Urkunden zum Intoxikationszustand gewonnen. Soweit der Angeklagte eine Provokation durch die Zeugen S. und K. sowie die Verwendung eines Messers abweichend darstellt, folgt die Kammer der Einlassung des Angeklagten nicht. Insoweit ist die Einlassung des Angeklagten durch die weiteren Beweismittel widerlegt.
b) Die Kammer ist hinsichtlich des Tatvorgeschehens davon überzeugt, dass der Angeklagte sich von den Zeugen S. und K. provoziert gefühlt hat, wie er auch selbst einräumte. Dass es tatsächlich eine Interaktion zwischen den Zeugen und dem Angeklagten gegeben hat, in welcher auch seitens der Zeugen S. und K. in Richtung des Angeklagte agiert worden wäre, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt.
(1) Der Zeuge S. hat glaubhaft bekundet, dass er gemeinsam mit dem Zeugen K. Urlaub in O. gemacht hätte und sich in diesem Zusammenhang E. angeschaut habe. Auf dem Rückweg zu dem im Parkhaus geparkten Auto seien sie an einem Balkon vorbeigelaufen. Ihnen sei dann so etwas zugerufen worden wie: „Ich ficke euch gleich“. Er habe jedoch vorher keine Person gesehen. Der Zeuge K. und er hätten danach auch nicht mit einer Person auf dem Balkon geredet oder sonst Kontakt gehabt. Er sei sich allerdings sicher, dass die Ansprache vom Balkon aus erfolgt sei, da er den Ursprung der Worte als von dort kommend geortet habe. Dass die Worte ihm oder dem Zeugen K. gegolten hätten, sei aus seiner Perspektive von der Straße nicht sicher zuzuordnen gewesen. Darum habe er sich zunächst auch nichts weiter dabei gedacht.
Für die Kammer haben sich hier an der Aussage des Zeugen keine Zweifel ergeben. Für die Glaubhaftigkeit der Aussage spricht ihre Qualität. Der Zeuge schilderte zahlreiche Details zum Vortatgeschehen, aber auch eine Vielzahl nebensächlicher Details. Er konnte sich wieder in die Situation hereinversetzen, da er schilderte, gemeinsam mit dem Zeugen K. auf den Weg in den Urlaub nach L.(O.) gewesen zu sein und einen Zwischenstopp in E. eingelegt zu haben. Er konnte sich auch noch an unwesentliches Randgeschehen erinnern, so zum Beispiel, dass er mit dem Zeugen K. in E. spazieren gewesen sei und etwas gegessen habe. Er gab darüber hinaus offen Wissenslücken zu. So gab er an, nicht mehr sicher erinnern zu können, was der exakte Wortlaut der vom Balkon ihm zugerufenen Worte gewesen sei. Die Kammer zweifelt auch nicht daran, dass der Zeuge in der Lage gewesen sein will, zu hören, aus welcher Richtung er angesprochen wurde und daher den Schluss auf den Balkon gezogen hat. Dabei spricht auch nicht gegen die Aussage des Zeugen S., dass er nicht in der Lage war zu erinnern, in welcher Höhe genau sich der Balkon befunden hat. Vielmehr hält die Kammer es für glaubhaft, dass er sich nicht genau zu erinnern vermag, ob der Balkon in der ersten oder zweiten Etage verortet war.
Belastungstendenzen konnte die Kammer nicht feststellen, was sich insbesondere auch darin ausdrückte, dass der Zeuge auf Nachfrage das Bestehen von Verletzungen oder einer sonstigen Beeinträchtigung erheblicher Art verneinte, was so überdies auch für die Aussage des Zeugen K. gilt.
Vorgenannte Umstände belegen für die Kammer, dass es der Angeklagte war, von dem eine Ansprache der Zeugen S. und K. ausging. Einen sich daran anschließenden Wortwechsel mit einhergehenden Provokationen durch den Zeugen S. oder den Zeugen K., konnte die Kammer nicht feststellen.
(2) Dies wird auch durch die Aussage des Zeugen K. belegt, da dieser schilderte, dass er sich gemeinsam mit dem Zeugen S. auf dem Weg zum Parkhaus befunden habe und man sich normal unterhalten habe. Sie hätten dann Schreie vernommen und irgendwo von oben etwas vulgäres wie „Ich ficke euch“ gehört. Linksseitig hätten sich mehrere mehrstöckige Häuser befunden. Gesehen hätte er allerdings niemanden. Auf Vorhalt konnte der Zeuge K. sich nicht daran erinnern, dass jemand ihm zugerufen haben soll: „Grins‘ nicht so doof“. Weder von ihm noch von dem Zeugen S. sei geäußert worden: „Komm doch“. Vielmehr hätten sie gar nicht auf die Ansprache reagiert. Sie seien davon ausgegangen, dass sie gar nicht direkt gemeint gewesen seien.
Auch an dieser Aussage haben sich für die Kammer keine Zweifel ergeben. Der Zeuge K. vermochte den Geschehensablauf detailliert zu schildern und auf Nachfrage variabel zahlreiche Details schildern. Die Kammer vermag auch hier nicht zu erkennen, dass die Glaubhaftigkeit erschüttert wird, da sich der Zeuge K. nicht genau erinnern kann, aus welchem Geschoss gerufen wurde. Vielmehr bestätigt diese offene Zugabe von Erinnerungs- bzw. Wissenslücken, die Aussage, dass die Zeugen sich gedacht hätten, sie seien gar nicht gemeint gewesen und hätten auch keine Person gesehen, die gerufen habe. Belastungstendenzen oder ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, konnte die Kammer nicht feststellen.
Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen K. und S. ist nicht verkannt worden, dass der Zeuge K. auf Nachfrage angab, gemeinsam mit dem Zeugen S. mit der Bahn zum Hauptverhandlungstermin angereist zu sein und sich im Vorfeld erneut über die Tat unterhalten zu haben. Die Kammer hat dabei insbesondere gewürdigt, dass die vom Balkon herabgerufenen Worte von beiden Zeugen beinahe übereinstimmend wiedergegeben worden sind und berücksichtigt, dass dieser übereinstimmende Wortlaut auf einer Absprache der beiden Zeugen beruhen könnte. Nichtsdestotrotz vermochten die Zeuge auf Nachfragen detailliert und variabel zu antworten und gaben offen Erinnerungslücken zu, sodass die Kammern davon überzeugt ist, dass sich der generelle Geschehensablauf im Vortatbereich wie von den Zeugen geschildert zugetragen hat. Insoweit haben beide offen angegeben, den exakten Wortlaut der vom Balkon herabgerufenen Worte nicht mehr erinnern zu können. Die Kammer ist jedoch aufgrund der dargestellten Kriterien davon überzeugt, dass es eine Ansprache mit dem von beiden Zeugen wiedergegebenen Inhalt durch den Angeklagten gegeben hat. Diese Ansprache ist von dem Angeklagten ausgegangen, ohne dass die Zeugen S. oder K. ihn dazu veranlasst hätten.
(3) Der Zeuge G. schilderte in seiner Vernehmung, dass der Angeklagte und er sich am Tattag mittags auf dem Balkon in der ersten Etage seiner Wohnung in der A... straße 13 befunden hätten. Dann seien zwei Jungs vorbeigelaufen, welche gut gekleidet gewesen seien und teure Taschen dabei gehabt hätten. Der Angeklagte habe dann zu diesen gesagt: „Jungs, ich will euer Geld“ oder sowas wie „geile Tasche“. Die Jungs hätten dies nicht für voll nehmen wollen und so etwas gesagt wie: „Ja, ja, verarsch mich nicht“. Das hätte er definitiv gehört. An einen Blickkontakt zu den Jungs könne er sich nicht erinnern.
Soweit die vorgenannte Zeugenaussage mit der Darstellung der Zeugen S. und K., man habe nicht reagiert, in Widerspruch steht, glaubt die Kammer den Angaben des Zeugen G. nicht. Insoweit ist der Zeuge G. nach eigenen Angaben mit dem Angeklagten befreundet und sein ehemaliger Mitbewohner, so dass durchaus ein Motiv des Zeugen gegeben ist, den Angeklagten mit einer wahrgenommenen Provokation auch von Seiten der Opfer aus in ein besseres Licht zu rücken. Überdies war die zunächst als sicher dargestellte Erinnerung des Zeugen mit zunehmender Vernehmungsdauer auch von auftretenden Unsicherheiten behaftet. So erklärte der Zeuge auf Nachfragen der Kammer, dass es richtig sei, dass es eher seine Bewertung aufgrund der örtlichen Verhältnisse sei, dass die Zeugen S. und K. sie eigentlich hätten deutlich wahrnehmen müssen. Diese Darstellung ist etwas deutlich anderes, als die zunächst als sicher beschriebene Wahrnehmung, dies sei so gewesen. Dass die eigene Wahrnehmung des Zeugen beeinträchtigt gewesen sein könnte, gab er unter Bezugnahme auf das Rauchen eines Joints am betroffenen Tage und einen erheblichen Alkoholgenuss vom Vortag zu.
(4) Das vorgenannte Beweisergebnis wird auch durch die Angaben des Zeugen Ge. getragen. Der Zeuge Ge., der ein weiterer Mitbewohner des Zeugen G. ist, gab an, in seinem Zimmer mit Bewerbungen beschäftigt gewesen zu sein, als er ein „Gekabbel“ mitbekommen habe. Er sei zunächst davon ausgegangen, dass es sich um eine Streitigkeit zwischen dem Zeugen G. und dem Angeklagten gehandelt habe. Gehört habe er nur den Angeklagten und mitbekommen, dass es laut geworden sei. Von der Straße selber habe er nichts mitbekommen, sein Zimmer befinde sich auf der anderen Seite der Wohnung. Insoweit gab der Zeuge Ge. zwar an, dass es sich der Lautstärke nach um eine Auseinandersetzung mit anderen gehandelt haben müsse. Er habe auch mehr Stimmen als eine gehört. Eine Zuordnung sei ihm allerdings nicht möglich gewesen. Er habe lediglich die Stimme des Angeklagten identifiziert. Die Aussage des Zeugen Ge. ist mithin unergiebig, soweit sie sich zu der Frage, ob auch die Zeugen S. und K. mit dem Angeklagten gesprochen haben, verhält. Sie stützt weder die Einlassung des Angeklagten, dass es ein Wortgefecht mit den Zeugen S. und K. gegeben habe, noch die Aussagen der beiden Zeugen, dass sie auf die Ansprache nicht reagiert hätten. Ein Wortwechsel kann auch zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen G. auf dem Balkon stattgefunden haben und diesen Wortwechsel hätte der Zeuge Ge. dann vernommen. Denn der Zeuge G. schilderte, plausibel, er habe sich mit dem Angeklagten unterhalten. Die Kammer hat keine Zweifel, dass der Zeuge Ge. das von ihm Geschilderte zutreffend wahrgenommen und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat. Seine Ausführungen erfolgten stringent und ohne erkennbare Widersprüche unter Schilderung der eigenpsychischen Wahrnehmung. So erklärte sich der Zeuge auch zur Rückkehr des Angeklagten in die Wohnung und dem Angebot, ihm etwas von dem Geld abzugeben, so, wie es oben festgehalten ist. Es ist plausibel, dass der Zeuge das Geldangebot ablehnte, weil er sich aus der Sache heraushalten wollte.
c) Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte das im Parkhaus mitgeführte Küchenmesser verwendet hat, indem er es dem Zeugen S. an die linke Flanke hielt, als er ihn erneut aufforderte, die Bauchtasche herauszugeben.
(1) Der Zeuge S. hat glaubhaft bekundet, dass der Zeuge K. und er nach der Ansprache vom Balkon aus weiter zum Parkhaus und dort auf das erste Parkdeck zu ihrem Auto gegangen sein. Dort sei dann unvermittelt der Angeklagte hinter ihnen her durch die Tür auf das Parkdeck gekommen. Er sei dann dort von dem Angeklagten ins Gesicht geschlagen und bedrängt worden, wobei er ohne Belastungstendenz schilderte, dass der Schlag nicht besonders weh getan habe. Der Zeuge K. und er hätten zunächst versucht, den Angeklagten zu beruhigen, woraufhin der Angeklagte jedoch nicht reagiert habe. Stattdessen habe er ihn gegen die Wand gedrängt. Als der Angeklagte ihn eingeengt hatte, habe dieser gesagt: „Gib‘ mir deine Tasche oder ich schlag dir dein Gesicht zu Matsch“. Nachdem der Zeuge S. die Hergabe der Tasche verweigert habe, habe der Angeklagte gesagt, er würde ihn sonst abstechen. Daraufhin habe der Zeuge S. nach unten geschaut und ein Messer an seinem Bauch gesehen. Das Messer sei sehr dicht an seinem Körper gewesen. Er habe das Messer auch am Körper gespürt. Dies sei im Bereich der linken Flanke im Rippenbereich gewesen. Eine zufällige Berührung mit dem Messer könne er ausschließen. Auf Nachfrage konnte er sich nicht genau daran erinnern, wie das Messer ausgesehen habe. Er gehe davon aus, dass es sich um ein Klapp- oder Springmesser gehandelt habe, wobei er hauptsächlich die Klinge gesehen habe. Er sei sich allerdings sicher gewesen, dass der Angeklagte zustechen würde, wenn er diesem die Tasche nicht geben würde. Der Angeklagte habe ihm dann die Tasche über die Schultern weggerissen. In der Tasche seien ca. 100,00 € Bargeld, ein Portemonnaie, Autoschlüssel und Papierkram gewesen. Auf Vorhalt erklärte der Zeuge, dass es auch 130,00 € gewesen sein können. Die Tasche selbst habe einen Wert von ca. 500,00 €. Der Zeuge S. habe den Angeklagten sodann gebeten, ihm wenigstens den Personalausweis und die EC-Karte zurückzulassen, was der Angeklagte vor Verlassen des Parkhauses dann auch getan habe, indem er diese zwei Gegenstände auf den Boden geworfen habe. Der Angeklagte habe während des Geschehens entschlossen, wütend und gezielt gewirkt. Der Zeuge S. hätte dann die Polizei gerufen und draußen auf die Polizei gewartet. Währenddessen sei der Angeklagte mit dem Fahrrad zurückgekommen und habe ihm seine Autoschlüssel zurückgegeben. Er habe sich danach erkundigt, ob er die Polizei gerufen habe. Dies habe der Zeuge wahrheitswidrig verneint. Der Angeklagte habe erklärt, dass er dies auch nicht tun solle und sich nach dem Wohnort erkundigt sowie noch einmal den Personalausweis in die Hand genommen und gelesen. Darauf habe der Angeklagte allerdings auch zu ihm gesagt, er würde ihm oder seiner Familie etwas antun, wenn er die Polizei rufen würde. Er wisse ja, wo der Zeuge S. wohne, da er die Anschrift auf dem Personalausweis gesehen habe.
In Bezug auf die Aussage des Zeugen S. zum Geschehen im Parkhaus hat die Kammer ebenfalls keine Anhaltspunkte an der Glaubhaftigkeit der Aussage zu zweifeln. Der Zeuge konnte detailreich und widerspruchsfrei den Geschehensablauf schildern und auch auf Nachfrage den Geschehensablauf stringent wiedergeben. Insbesondere konnte er unterstützt durch Mimik und Gestik erlebnisbasiert und aus eigenpsychischer Wahrnehmung schildern bzw. anzeigen, in welchem Bereich des Körpers er das Messer am Körper gespürt hat und wie er das Messer wahrgenommen hat. Die von dem Messer berührte Körperregion zeigte er in einer eher unbewussten Geste bei der Vernehmung durch die Kammer an, wie es im Übrigen damit übereinstimmend auch der Zeuge K. während seiner Vernehmung tat.
Diese geschilderten Umstände belegen für die Kammer, dass der Angeklagte das von ihm mitgeführte Küchenmesser auch verwendete, in dem es dem Zeugen S. an die linke Körperseite im Bereich der Rippen an die Flanke hielt während er den Zeugen S. aufforderte, ihm die Bauchtasche herauszugeben und diese schließlich unter Vorhalt des Messers dem Zeugen S. entriss. Die Kammer hat keine Veranlassung gesehen, an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen S. zu zweifeln, soweit er das Messer nicht genau beschreiben konnte und es sich seiner Erinnerung nach um ein Klapp- oder Springmesser gehandelt habe. Dadurch, dass der Zeuge seiner Schilderung nach das Messer nur aus einem Blickwinkel von oben herab nach unten an seinem Körper entlang gesehen hat, also von oben auf die Klinge geblickt hat und der Griff dabei in der Hand des Angeklagten gewesen ist, ist es durchaus nachvollziehbar, dass er das Messer nicht in aller Detailliertheit erkannt hat. So entspricht es auch seiner Angabe, dass er hauptsächlich die Klinge gesehen hat.
Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat der Zeuge S. auch bezüglich dieses Tatgeschehens nicht. Belastungstendenzen konnte die Kammer nicht feststellen.
(2) Das hier gefundene Ergebnis wird abermals durch die Aussage des Zeugen K. gestützt, da dieser schilderte, dass er im Parkhaus die Tür zum Parkdeck gehört habe, als der Angeklagte auch schon auf den Zeugen S. losgegangen sei. Ob der Angeklagte dabei etwas zu ihm oder dem Zeugen S. gesagt habe, wisse er nicht mehr. Dabei habe er dort den Angeklagten zum ersten Mal gesehen. Gemeinsam habe man zunächst versucht, den Angeklagten zu beruhigen. Der Angeklagte habe darauf allerdings nicht reagiert und den Herrn Schulz provokant geschubst, ihn leicht geschlagen und sodann gegen das Geländer gedrückt. Der Angeklagte habe dann zu dem Herrn S. gesagt: „Gib‘ mir deine Tasche.“ Daraufhin habe er S. „Nein“ gesagt. Er habe zunächst eingreifen und dem Zeugen S. helfen wollen, habe dann aber das Messer in der Hand des Angeklagten gesehen. Er habe gesehen, wie der Angeklagte dem Zeugen S. ein Messer an den Bauch gehalten habe. Das sei im Rippenbereich, im Bereich der Flanke an der linken Seite des Zeugen S. gewesen. Das Messer habe der Angeklagte definitiv in der Hand gehalten. Wenn ihm das Gericht die von dem Angeklagten dargestellte Transportsituation eines teilweise aus der Tasche herausreichenden Messers beschreibe, könne er sicher ausschließen, dass es etwa eine zufällige Messerberührung des nicht sicher verstauten Messers gegeben habe. Denn der Angeklagte habe das Messer in der Hand gehalten. Es habe sich um ein relativ großes, schwarzes Messer gehandelt, das jedenfalls größer als ein Taschenmesser gewesen sei. Das Messer habe er in der Hand an seiner rechten Seite gehalten. Der Zeuge K. gab an, währenddessen ca. 2-3 m von Herrn S. entfernt gestanden und zwar so, dass er dem Herrn S. ins Gesicht geblickt habe, welcher mit dem Rücken zur Wand gestanden habe. Dem zwischen sich und dem Zeugen S. befindlichen Angeklagten habe er von hinten auf den Rücken blicken können. Er habe leicht schräg rechts hinter dem Angeklagten gestanden. Der Zeuge S. und der Angeklagte hätten dann zunächst ein paar Sekunden in der Position verharrt, nachdem der Angeklagte diesem das Messer an die Seite gehalten habe. Dann habe der Zeuge S. dem Angeklagten die Tasche übergeben. Wie genau die Übergabe vorgegangen sei wisse er allerdings nicht genau. Er habe definitiv gesehen, dass Angeklagte in der einen Hand das Messer gehalten habe und mit der anderen Hand die Tasche genommen habe. Er habe dann noch die EC-Karte wieder herausgegeben. Anschließend hätten der Zeuge S. und er die Polizei gerufen. Man habe nicht wegfahren konnte, da der Angeklagte die Schlüssel für das Auto gehabt habe. Von dem Zeugen S. habe er dann erfahren, dass der Angeklagte diesem unten vor dem Parkhaus die Schlüssel wieder zurückgegeben habe. Bei dieser Situation sei er allerdings nicht mehr dabei gewesen, sondern oben im Parkhaus geblieben.
Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass das von dem Zeugen K. Geschilderte zutreffend von ihm wahrgenommen und wahrheitsgemäß wiedergegeben wurde. Für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage spricht, dass er offen Erinnerungslücken zugab. So gab er zum Beispiel an, dass er nicht mehr sicher wisse, was der Angeklagte gesagt habe, als er das Parkdeck betreten hat. Glaubhaft und insoweit aufgrund des vom Zeugen Erlebten nachvollziehbar erscheint insbesondere auch, dass der Zeuge K. zunächst eingreifen wollte, um seinen Freund zu unterstützen und dann von einem Eingreifen abgesehen hat, als er das Messer in der Hand des Angeklagten erkannt hat. Dabei hat der Zeuge K. aufgrund des von ihm genau beschriebenen Standortes ein freies Blickfeld auf die rechte Hand des Angeklagten und die linke Flanke des Zeugen S. gehabt. Die Kammer hält es daher für glaubhaft, dass er gesehen hat, wie der Angeklagte das Messer dem Zeugen S. gegen die linke Flanke gehalten hat. Gestützt wird dieses Ergebnis dadurch, dass der Zeuge K. in der Lage war das Küchenmesser relativ genau zu beschreiben. Bei gemeinsamer Inaugenscheinnahme des asservierten Küchenmessers mit dem Zeugen gab er an, dass er sich zwar nicht zu 100 % sicher sei, dass es sich aber gut um das Tatwerkzeug handeln könne. Hierbei zeigt sich, dass der Zeuge auch freizügig Unsicherheiten aufdeckte und keine Belastungstendenzen bei dem Zeugen K. erkennbar waren. Erneut hat die Kammer jedoch kritisch gewürdigt, dass der Zeuge K. angab, sich vor der Verhandlung mit dem Zeugen S. bei der gemeinsamen Anreise mit der Bahn über die Tat unterhalten zu haben. Insoweit sind bezüglich des Geschehens im Parkhaus allerdings bereits keine wortgleichen Geschehensschilderungen der Zeugen S. und K. festgestellt worden. Die Kammer hat nach kritischer Berücksichtigung einer etwaigen gemeinsamen Absprache der Zeugen S. und K. dennoch keine Zweifel daran, dass diese den Geschehensablauf aus eigener Wahrnehmung und erlebnisbasiert geschildert haben und daher ihre Aussagen glaubhaft sind.
(3) Die Kammer hat die teilweise geständige Einlassung des Angeklagten insoweit kritisch überprüft, als dass sie überzeugt davon ist, dass der Angeklagte tatsächlich ein Messer aus der Küche seiner ehemaligen Wohngemeinschaft zum Parkhaus mitgenommen hat. Dies wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen G.. Dieser hat bekundet, dass der Angeklagte – nachdem er sich durch die Zeugen S. und K. provoziert gefühlt hat – in die Küche der Wohngemeinschaft gelaufen sei und nach Messern gesucht habe. Der Angeklagte habe ihn direkt nach Messern gefragt. Der Zeuge habe aber erklärt, nicht zu wissen, wo welche seien. Schließlich müsse der Angeklagte aber ein Messer gefunden haben, welches noch in einem Blumentopf gesteckt habe. Zudem bekundete der Zeuge G. zum übrigen Geschehensablauf, dass der Angeklagte nachdem er zunächst in Richtung Parkhaus weggelaufen war, kurze Zeit später wiedergekommen sei und eine Tasche in der Hand gehabt habe. In der Tasche seien Autoschlüssel von einem C. und Bargeld im Bereich 120-150 € gewesen. Der Angeklagte habe dann die Autoschlüssel zurückgeben wollen. Der Zeuge G. bestätigte damit glaubhaft die geständige Einlassung des Angeklagten zum Geschehen vor und nach den Ereignissen im Parkhaus in der Wohngemeinschaft. Die Kammer hat hier keine Belastungstendenzen des Zeugen G. erkennen können und insoweit keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage.
(4) Soweit die Kammer weiterhin die Zeugin R. befragte, erklärte diese als Beamtin des Einsatz- und Streifendienstes die Erstbefragung der Zeugen S. und K. durchgeführt zu haben. Dies sei allerdings keine detaillierte Sachverhaltsaufnahme gewesen, sondern eine Erstbefragung vor Ort, um überhaupt den Tatvorwurf an die Dienststelle mitteilen zu können. Der Zeuge S. habe von Rufen von einem Balkon berichtet und dann erklärt, eine Person sei ins Parkhaus gefolgt, habe ihn am Kragen an die Wand gedrückt und dann unter Vorhalt eines Messers Wertgegenstände verlangt. Den genauen Messereinsatz habe sie in der Situation nicht hinterfragt, dazu könne sie keine näheren Angaben machen. Der Zeuge K. habe bei der Sachverhaltsaufnahme dabeigestanden und inhaltlich das bestätigt, was der Zeuge S. erklärt habe, ohne etwa detaillierte ergänzende Angaben zum Sachverhalt zu machen. Die Angaben der Zeugin R. bedeuten damit hinsichtlich der Darstellung der Zeugen S. und K. einen Beleg für deren Aussagekonstanz, was die tatsächliche Verwendung eines Messers angeht.
d) Die Feststellungen zum erlangten Gut folgen aus den auch insoweit geständigen Angaben des Angeklagten sowie den glaubhaften Angaben des Zeugen S.. Der Zeuge erklärte sich zur Höhe des mitgeführten Bargeldes wie bereits oben dargestellt. Gemeinsam mit ihm wurde ein Lichtbild des bei dem Angeklagten sichergestellten Bargeldes in Höhe von 130,00 € in Augenschein genommen. Bezüglich der Einzahlung des Bargeldes in die Gerichtskasse wurde der Einzahlungsvermerk der Polizei E. vom 12.08.2020 in der Hauptverhandlung verlesen. Sowohl der Angeklagte als auch der Zeuge bestätigten, dass dies Teil des Inhaltes der Bauchtasche gewesen sei. Der Zeuge führt die verfahrensgegenständliche Bauchtasche im Gerichtsaal mit und erklärte glaubhaft, dass eine hochwertige Marke mit einem Wert von 500,00 € betroffen sei. Auf Vorhalt der Lichtbilder von sichergestellten Zigaretten und „AirPods“ erklärte der Zeuge, diese von der Polizei zurückerhalten zu haben, sie seien in der Tanke gewesen.
e) Die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand folgen aus dem Inhalt des objektiv festgestellten Hergangs. Das objektive Tatgeschehen, d.h. eine zunächst mündliche Herausgabeaufforderung, die nach dem zunächst erfolgten „Gegenhalten“ des Opfers in der Zuhilfenahme eines Messers mündete, belegt, dass der Angeklagte absichtsgemäß qualifizierte Nötigungshandlungen vornahm, um die dann erfolgte Wegnahme durchführen zu können.
IV. Strafbarkeit und Strafe
Der Angeklagte hat sich eines besonders schweren Raubes gemäß §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 schuldig gemacht. Dem ungemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB ist vorliegend die Strafe zu entnehmen.
Bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB muss es sich um objektiv gefährliche Gegenstände handeln, wobei sich nach der Rechtsprechung die objektive Gefährlichkeit sowohl aus der generellen Gefährlichkeit (dann kommt es auf die konkrete Gefahr erheblicher Verletzungen nicht an, vgl. BGH NStZ 2011, 158) als auch aus der konkreten Art und Weise der Verwendung im Einzelfall ergeben kann (vgl. BeckOK StGB/Wittig, 43. Ed. 1.8.2019, StGB § 250 Rn. 12 m.w.N.).
Verwenden liegt nicht nur vor bei Einsatz des Tatmittels als Verletzungs- oder Gefährdungsmittel, sondern auch als Mittel zur Drohung mit Gewalt (BGHSt 45, 92 (94 f.) = NJW 1999, 2198; BGH NStZ 1998, 511; 1999, 301 (302); 2002, 31 (33); NJW 2004, 3437; NStZ 2011, 158; 2011, 211 [BGH 05.08.2010 - 3 StR 190/10]; Küper/Zopfs Rn. 796 mwN), sofern die Drohung infolge Realisierbarkeit als latent gefährlich und damit als realisierbar eingestuft werden muss (BGH NStZ 2002, 31 (33) [BGH 19.09.2001 - 2 StR 240/01]; NStZ-RR 2002, 9). Das Drohungsmittel muss vom Bedrohten wahrgenommen werden und eine Zwangslage auslösen (BGH NStZ 2005, 41 [BGH 01.09.2004 - 2 StR 313/04]; BGH, Beschl. v. 08.04.2020 – 3 StR 5/20). Außerdem muss der Einsatz als Nötigungsmittel zumindest konkludent angedroht werden, ein bloßes – auch offenes – Beisichführen reicht dafür nicht aus (BGH NStZ-RR 2004, 169 [BGH 11.11.2003 - 3 StR 345/03]).
Diese Voraussetzungen liegen bei der hiesigen Tat vor. Bei der Drohung mit dem Messer durch Vorhalten des Messers an die linke Flanke des Zeugen S., verbunden mit der Forderung zur Herausgabe der Bauchtasche, handelt es sich um eine konkrete Verwendung des Messers, die sich auch als gefährlich darstellt, welche der Zeuge S. auch wahrgenommen hat. Dabei nahm der Zeuge S. insbesondere wahr, dass der Angeklagte ihm mit dessen rechter Hand das Messer an die linke Seite in Höhe der Rippen hielt. Durch das Vorhalten des Messers stellte sich bei dem Zeugen S. hinsichtlich der Wegnahme der Bauchtasche eine Zwangslage ein. Diese Drohung mit dem Messer konnte in eine realisierbare Verletzung des Zeugen umschlagen, da er nur hätte zustechen müssen, um den Zeugen zu verletzen.
Die Kammer verkennt nicht, dass § 250 Abs. 3 StGB eine Strafrahmenverschiebung für minder schwere Fälle vorsieht. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung vermag die Kammer allerdings von dem Vorliegen eines minder schweren Falles nicht auszugehen. Das Tatbild weicht nämlich trotz der strafmildernden Umstände nicht von dem typischen Bild des verwirklichten Tatbestandes ab.
Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit bei Gesamtbetrachtung aller wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in so erheblichem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGHSt 29, 319, 321). Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung sind nicht nur diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die der Tat vorausgehen oder sie begleiten, sondern auch diejenigen, die ihr nachfolgen (vgl. BGH, NJW 1988, 2749). Entscheidend ist, dass der Fall, nicht die Tat insgesamt minder schwer wiegt (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl. 2012, Rn. 1108).
Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so muss bei der Strafrahmenwahl zunächst geprüft werden, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorab auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Vermögen bereits diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist jedoch nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des vorliegenden gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 27.04.2010 – 3 StR 106/10).
In dem vorgenannten Rahmen war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er sich geständig eingelassen hat. Darüber hinaus hat sich der Angeklagte bei den Zeugen S. und K. für sein Verhalten entschuldigt, was ihm zu Gute zu halten ist. Zudem gab er an, die Tat zu bereuen. Bei der Bewertung der Tatmodalität fällt zu Gunsten des Angeklagten ins Gewicht, dass er noch im Parkhaus den Personalausweis sowie die EC-Karte des Zeugen S. auf Nachfrage zurückließ, sowie im Anschluss an die Tat bei der erneuten Rückkehr zum Parkhaus dem Zeugen S. dessen Portemonnaie sowie Fahrzeugschlüssel und weitere Papiere zurückgab. Auch der Umstand, dass die Tat keine besonders schwerwiegenden Folgen bei den Zeugen S. und K. hervorgerufen hat, wirkt strafmildernd. Darüber hinaus konnten dem Zeugen S. die übrigen Gegenstände aus der Bauchtasche – mit Ausnahme des aus dem Portemonnaie entwendeten Bargeldes, welchen er zurückerhalten wird – nebst der Bauchtasche selbst nach der Festnahme des Angeklagte zurückgegeben werden, sodass dieser – derzeit noch mit Ausnahme des aus dem Portemonnaie entwendeten Bargeldes – keinen materiellen Schaden erlitten hat. Schließlich hat die Kammer auch das junge Alter des Angeklagten zur Tatzeit zu dessen Gunsten berücksichtigt sowie zu dessen Gunsten gewürdigt, dass er nach der Festnahme in dieser Sache umfangreich mit der Polizei kooperiert hat. Durch Angaben des Angeklagten zu im Bereich der Stadt E. verübter Straftaten konnten durch die Polizei mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, was die Kammer strafmildernd berücksichtigt hat.
Zulasten des Angeklagten war allerdings zu berücksichtigen, dass er einschlägig vorbestraft ist und seit der Entlassung aus der Haft aus einer vormaligen Verurteilung zum Tatzeitpunkt noch kein ganzes Jahr vergangen war und dem Angeklagten somit eine hohe Rückfallgeschwindigkeit zur Last liegt. Darüber hinaus hat die Kammer zu Ungunsten des Angeklagten gewürdigt, dass das erlangte Gut einen erheblichen Wert hatte. Insbesondere die lederne Bauchtasche selbst wurde durch den Zeugen S. auf ca. 500,00 € geschätzt. Der Angeklagte selbst hat mehrfach betont, dass er erkannt hatte, dass es sich um eine hochwertige Tasche einer bekannten Lederfirma handelt.
In der Gesamtschau dieser Strafzumessungserwägungen hielt die Kammer die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens von § 250 Abs. 3 StGB wegen der Tat, die einem typischen Raubdelikt entspricht, nicht für geboten. Ein minderschwerer Fall konnte bei der durch die Kammer vorgenommenen Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände und Aspekte herangezogen und gewürdigt worden sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen nicht angenommen werden. Dies gilt vorliegend auch unter Berücksichtigung der positiven Strafzumessungsgesichtspunkte.
Vertypte Strafmilderungsgründe, die hier – für sich genommen oder in Kombination mit allgemeinen Strafzumessungskriterien – ein anderes Ergebnis rechtfertigten könnten, lagen nicht vor. Insbesondere hat sich die Kammer durch den Sachverständigen Prof. Dr. F. zur Frage der Anwendung der §§ 20, 21 StGB beraten lassen und folgt aus eigener Überzeugung dessen gutachterlicher Einschätzung, wonach bei vorhandener Einsichtsfähigkeit keine aufgehobene oder einschränkte Steuerungsfähigkeit bejaht werden könne.
Der Sachverständige führte aus, dass keinerlei Anhaltspunkte für Einschränkungen der Einsichtsfähigkeit zum Tatzeitpunkt vorgelegen hätten. Im Ergebnis sei auch von einer vorhandenen Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt auszugehen. Bezüglich der Voraussetzung einer krankhaften seelischen Störung sei der Angeklagte zur Tatzeit zwar der Einwirkung von Suchtmitteln, hier Cannabis, unterlegen. Aufgrund der Gewöhnung des Angeklagten seit Jugendzeiten, auch an hohe Mengen von Cannabis, ließen sich jedoch keine Feststellungen zum Bestehen einer krankhaften seelischen Störung treffen. Der gemäß toxikologischem Gutachten der MHH vom 21.09.2020 festgestellte Wert von 10 ng/ml THC sei ein sehr geringer Wert. Dies gelte auch unter kritischer Berücksichtigung dessen, dass bei höherem Konsumverhalten auch eine höhere Resorption, d. h. ein schnellerer Abbau, stattfinden würde und es generell sehr schwer sei, diese Werte auf den tatsächlichen Tatzeitpunkt zurückzurechnen. Unmittelbar nach dem Konsum eines Joints läge der Wert üblicherweise bei 100 ng/ml THC. Eine krankhafte seelische Störung ließe sich daher mit diesem Wert nicht eindeutig feststellen. Sie ergäbe sich aus Sicht des Sachverständigen auch nicht aus dem übrigen Ergebnis der Beweisaufnahme, die ein gesteuertes Vorgehen ohne Anhaltspunkte für eine merkliche Intoxikation abbilde.
Letztgenannte Einschätzung trägt die Kammer aus eigener Würdigung mit. So wurde in der Hauptverhandlung auch das Formular zur Dokumentation von psychischen und physischen Auffälligkeiten nach der Festnahme verlesen, welches von der die Blutabnahme durchführenden Ärztin mit dem Gesamteindruck „unauffällig“ ausgefüllt wurde. Überdies hat sich der Angeklagte nach seiner eigenen Einlassung, die von der Darstellung des Zeugen G. gedeckt wird, bewusst mit einem Messer ausgestattet und ist den Zeugen S. und K. zielgerichtet ins Parkhaus gefolgt. Das Nachtatverhalten mit dem Zurücklassen von Gegenständen sowie im Rahmen des zweiten Zusammentreffens mit dem Zeugen vor dem Parkhaus und der dort erfolgten Wiederaushändigung von Fahrzeugschlüsseln unter der Aufforderung, nicht die Polizei zu rufen, sind ebenfalls nicht mit einer die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigenden Intoxikation in Einklang zu bringen. Dies wird auch durch die Angabe des Zeugen Ge. gestützt. Dieser bestätigte auf entsprechenden Vorhalt glaubhaft, dass der Angeklagte ihm gegenüber erklärt habe, dass er jetzt in die Stadt gehe, um sich dort einen anzusaufen, damit er sich gegebenenfalls später auf ein Betrunkensein während der Tat berufen könne. Auch dieser Umstand steht der Annahme, dass ein Konsum von Joints die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit beeinträchtigt hätte, entgegen. Plausibel ist insoweit auch die eingängige Erklärung des Sachverständigen, dass der Angeklagte aufgrund seines jahrelangen Konsumverhaltens einige Mengen an THC vertragen würde.
Zutreffend erklärte der Sachverständige weiter, dass das Kriterium der schweren anderen seelischen Abartigkeit zu prüfen sei, während für weitere Merkmalskategorien im Rahmen der §§ 20, 21 StGB kein Anwendungsbereich ersichtlich sei. Zum einen könne eine schwere andere seelische Abartigkeit aufgrund einer festgestellten dissozialen Persönlichkeitsstörung erfüllt sein, wobei streitig sei, ob ein dissoziale Persönlichkeitsstörung überhaupt unter die Kriterien der §§ 20, 21 StGB zu fassen sei. Die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung gemäß ICD 10 F 60.2 beruhe laut dem Sachverständige auf der von ihm durchgeführten Persönlichkeitsdiagnostik und sei durch Testungen gestützt. Die vorliegende Persönlichkeitsstörung stelle hier allerdings jedenfalls schon keine schwere seelische Abartigkeit dar. Das Nachtatverhalten lasse nicht erkennen, dass der Angeklagte an einer Schwäche der Realitätsprüfung leide. Wenn er noch einmal zu den Opfern zurückgekehrt sei, um diese aufzufordern, nicht mit der Polizei zu reden, sei er sich des Risikos bewusst gewesen, dass eine Strafverfolgung drohe. Insbesondere die Bezugnahme auf die vorher durch Einsichtnahme in den Personalausweis genommene Kenntnis von der Wohnanschrift des Zeugen S., um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, zeige, dass der Angeklagte sehr überlegt gehandelt habe. Auch die Vorbereitung der Tat, das Messer zu holen, spreche gegen eine Schwäche der Realitätsprüfung. Dies lasse darauf schließen, dass der Angeklagte über die Fähigkeit zu warten in der aktuellen Tatsituation verfügt habe, wobei es sich um ein länger hingezogenes Tatgeschehen, ein „zweizeitiges Geschehen“, gehandelt habe. Der Sachverständige vermochte die dissoziale Persönlichkeitsstörung daher nicht als schwere andere seelische Abartigkeit einzuordnen.
Bei dem Angeklagten habe allerdings eine Polytoxikomanie (ICD 10 F 19.2) vorgelegen. Es bestünden aktuell Abhängigkeiten von Cannabis sowie Alkohol. An der diagnostischen Zuordnung Polytoxikomanie habe der Sachverständige keine Zweifel. Die vorliegende Polytoxikomanie habe jedoch keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Einschränkung oder gar Aufhebung der Einsichtsfähigkeit dargeboten. Sie habe für sich genommen auch keine Einschränkung in der Steuerungsfähigkeit bewirkt. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte schon seit vielen Jahren den Konsum hoher Mengen von Cannabis bzw. Marihuana gewöhnt sei, sodass sich – auch unter Berücksichtigung des niedrigen Wertes aus den toxikologischen Gutachten mit 10 ng/ml THC bei Berücksichtigung der bestehenden Unsicherheit bezüglich dieses Wertes – eine akute Substanzmitteleinwirkung nicht feststellen ließe. Es habe zudem keine Hinweise auf Angst vor dem Entzug gegeben. Hinweise für psychotisches Erleben unter Drogenkonsum würden sich anhand der anamnestischen Angaben des Angeklagten nicht ergeben. Eine durch den Suchtmittelkonsum bedingte hirnorganische Veränderung im Sinne einer schwerwiegenden Persönlichkeitsdepravation habe der Sachverständige ebenfalls nicht feststellen können. Der Angeklagte sei daher nicht in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen.
Die Kammer ist nach eigenständiger Überprüfung des durchweg nachvollziehbaren, gewissenhaften erstellten, in sich widerspruchsfreien und von großer Sachkenntnis getragenen Gutachtens aufgrund eigener Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass die vorgenannten Untersuchungsergebnisse des Sachverständigen zutreffend sind. Der Angeklagte ist zwar betäubungsmittelabhängig, doch auch eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich genommen noch keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit. Diese Folge ist auch bei einem Rauschgiftsüchtigen ausnahmsweise nur dann gegeben, wenn entweder langjähriger Betäubungsmittelgenuss zu schweren Persönlichkeitsveränderungen geführt hat, das Delikt in einem aktuellen Rauschzustand verübt worden ist, der Täter unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat und durch diese dazu getrieben worden ist, sich mittels Straftaten Drogen zu verschaffen oder infolge der Angst des Täters vor Entzugserscheinungen, die er früher schon einmal als äußerst unangenehm erlebt hat, was insbesondere bei Heroin- und Alkoholabhängigkeit in Betracht kommen kann, seine Hemmschwelle davor herabgesetzt ist, sich mittels Straftaten Drogen zu verschaffen. Anhaltspunkte dafür, dass einer dieser Punkte auf den Angeklagten bei einer der hiesigen Taten zutreffen könnte, gibt es, wie auch der Sachverständige zutreffend in Bezug nahm, aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht. Wegen des Fehlens eines akuten Rauschzustandes, der die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt haben könnte, wird auf obige Ausführungen verwiesen. Mit den Konsumangaben des Angeklagten ist belegt, dass er einen Zugriff auf Betäubungsmittel hatte, was einem bestehenden Entzug oder einer Angst vor dem Entzug entgegensteht. Dass der Angeklagte aufgrund des Betäubungsmittelkonsums in der Persönlichkeitsstruktur verändert wäre und dies Auswirkungen auf die Steuerungsfähigkeit haben könnte, ist angesichts des planmäßigen Tatablaufes und des persönlichen Eindrucks der Kammer von dem Angeklagten widerlegt. Der Angeklagte war überdies im Rahmen der Hauptverhandlung durchweg in der Lage, sich durchaus redegewandt und selbstbewusst auszudrücken. Beispielsweise hat er sich in diesem Zusammenhang auch – berechtigt stolz – auf einen überdurchschnittlich guten Hauptschulabschluss berufen.
Der Sachverständige hat zur Überzeugung der Kammer auch nicht etwa überspannte Anforderungen an das Vorliegen einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit aufgrund der nachvollziehbar diagnostizierten dissozialen Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 60.2) gestellt. Eingängig erklärte der Sachverständige, dass trotz der Diagnose für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB weitere Anforderungen erfüllt sein müssten, da Persönlichkeitsstörungen eine erhebliche Bandbreite menschlichen Wesens abbilden könnten, was aber nicht in jedem Fall die Steuerungsfähigkeit beeinträchtige. Die Kammer kann auch in diesem Zusammenhang auf das – gleichfalls vom Sachverständigen in Bezug genommene - bereits oben beschriebene, zielgerichtete Verhalten des Angeklagten verweisen, welches der Annahme einer die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigenden Persönlichkeitsstörung entgegensteht. Es ist damit nicht feststellbar, dass die Persönlichkeitsstörung symptomatisch in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten derart belastet oder mit schweren Folgen belegt, wie es für die Annahme „krankhafter seelischer Störungen“ erforderlich wäre.
Weitere vertypte Milderungsgründe, die im Rahmen des § 250 Abs. 3 StGB berücksichtigungsfähig wären, liegen nicht vor. Insbesondere kommt eine Anwendung des § 46b StGB nicht in Betracht, soweit der Angeklagte nach der Tat gegenüber der Polizei Emden Angaben machte. Es kann nicht festgestellt werden, dass gemäß § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB eine Katalogtat, die mit seiner Straftat in Zusammenhang stünde, aufgedeckt wurde oder nach § 46b Abs. 1 Nr. 2 StGB verhindert worden wäre.
V.
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat das Gericht nach alledem eine
Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 8 Monaten
für tat- und schuldangemessen erachtet. Bei der Bemessung der Strafe sind insbesondere alle oben aufgeführten Umstände, die zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht fallen und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nochmals berücksichtigt worden.
VI.
Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB war mangels inneren Zusammenhangs zwischen der hier verfahrensgegenständlichen Tat und der Abhängigkeitserkrankung nicht anzuordnen. Die Kammer hat sich auch hier durch den Sachverständigen Prof. Dr. F. beraten lassen und ist seiner Einschätzung nach eigener kritischer Würdigung gefolgt.
Voraussetzung für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB ist zum einen ein Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu konsumieren. Ein Hang liegt vor, wenn der Täter eine – auf psychische Disposition oder durch Übung erworbene – intensive Neigung hat, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren und somit eine psychische Abhängigkeit besteht, aufgrund derer er sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 46. Edition 2020, § 64, Rn. 3; stRspr: etwa BGH NStZ-RR 2003, 106 (107) [BGH 06.11.2002 - 1 StR 382/02]; 2006, 103 [BGH 14.12.2005 - 1 StR 420/05]; 2018, 1756; 2019, 16746; 2019, 30604). Von einem „Übermaß“ ist auszugehen, wenn der Täter die berauschenden Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt ist (BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 46. Edition 2020, § 64, Rn. 4; BGH NstZ-RR 2003, 106 (107); 2006, 103; NstZ 2004, 194; 2005, 626; BeckRS 2008, 00694; 2017 103097). Nach der Einschätzung des Sachverständigen, die sich mit dem Inhalt des bereits oben dargelegten Ergebnis der Beweisaufnahme zur Betäubungsmittelhistorie des Angeklagten zur Überzeugung der Kammer deckt, bestehen an dem Vorliegen eines Hanges keine Zweifel.
Der Sachverständige erklärt zur zweiten Voraussetzung des § 64 StGB, dass die Anlasstat im Rausch begangen sein müsste. Zwischen der Tat und dem Hang müsse ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ein solcher Zusammenhang bestehe, wenn „Wurzel“ der Tat die Suchtmittelabhängigkeit sei. An dieser Voraussetzung fehle es. Aus Sicht des Sachverständigen sei die verfahrensgegenständliche Tat aufgrund der – nicht die Schwelle der „krankhaften seelischen Störung“ erreichenden – bei dem Angeklagten vorliegenden dissozialen Persönlichkeitsstörung und der nachweisbaren reaktiven Aggressivität des Angeklagten begangen. Demgegenüber könne er nicht erkennen, dass die Tat in der Suchtmittelabhängigkeit begründet sei. Auch in diesem Zusammenhang wiederholte der Sachverständige, dass es schon an der Feststellung einer für den Angeklagten spürbaren Beeinträchtigung durch Rauschmittel zur Tatzeit fehle.
Die Kammer hat sich mit der vorstehenden Einschätzung des Sachverständigen kritisch auseinandergesetzt. Dabei ist zunächst anzumerken, dass die Anforderungen an die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Hang und Anlasstat nicht zu streng gefasst werden dürfen. Ein symptomatischer Zusammenhang liegt nach ständiger Rechtsbrechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Hang zum Missbrauch berauschende Mittel allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat. Die konkrete Anlasstat muss in dem Hang ihre Wurzel finden. In ihr muss sich die hangbedingte Gefährlichkeit des Täters äußern (BGH, Urteil vom 27. Juni 2019 – 3 StR 443/18 –, Rn. 8, juris m.w.N.). Eine Ursächlichkeit des Hanges für die Anlasstat ist auch dann gegeben, wenn neben dem Hang noch weitere Umstände, wie z.B. Persönlichkeitsmängel, die Tat bedingt haben. Ein symptomatischer Zusammenhang kann ferner auch dann bejaht werden, wenn der evident gewordene Hang lediglich Einfluss auf die Qualität der bisherigen Straftaten hatte. Allerdings scheidet ein symptomatischer Zusammenhang dann aus, wenn die Betäubungsmittelabhängigkeit bei der Tatbegehung keine erkennbare Rolle gespielt hat (vgl. Schönke/Schröder-Kinzig, StGB, 2019, § 64, Rn. 10). Die vorgenannten rechtlichen Erwägungen wurden in der Hauptverhandlung mit dem Sachverständigen besprochen. So wurde der Sachverständige insbesondere ausdrücklich nach einem etwaigen mitursächlichen Zusammenhang der durchaus schweren Rauschmittelsucht auf den Übergriff auf den Zeugen S. gefragt. Eingängig erklärte der Sachverständige dazu, dass er einen solchen nicht erkennen könne. Es sei medizinisch bekannt, dass insbesondere der Konsum von Cannabis eher beruhigend als aggressionssteigernd wirke. Der Angeklagte habe sich auch weit entfernt von einem intoxierten Zustand befunden. Aus Sicht des Sachverständigen hätte der Geschehensablauf genau auf die gleiche Art und Weise stattfinden können, wenn der Angeklagte kein Cannabis konsumiert hätte, da die Tat aus seiner Sicht in der Persönlichkeitsstörung, die in der Person des Angeklagten eine reaktive Aggressivität beinhalte, ihre Wurzel fände. Im Einklang mit dem Beweisergebnis nahm der Sachverständige hier Bezug auf das von dem Angeklagten beschriebene Gefühl, provoziert worden zu sein. Hierin sei der Anlass der Tat zu erblicken, die Betäubungsmittelabhängigkeit sei dafür auch nicht lediglich mitursächlich.
Von der Richtigkeit der vorstehenden Einschätzung des Sachverständigen ist die Kammer auch aufgrund der Angaben des Zeugen G. überzeugt. Dieser erklärte, dass der Angeklagte an dem betroffenen Tag aufgrund eines Streites mit seiner Freundin vom Vorabend ohnehin „schlecht drauf“ gewesen sei und sich durch das Verhalten der Zeugen S. und K. provoziert gefühlt habe und daraufhin aggressiv geworden wäre. Insbesondere mit diesen Angaben wird es nachvollziehbar, dass das Verhalten des Angeklagten seine Ursache in der dissozialen Persönlichkeitsstörung hat. So hat der Sachverständige erklärt, dass der Angeklagte bedingt durch die Persönlichkeitsstörung unabhängig von der Betäubungsmittelproblematik durch äußere situative Einflüsse leicht zu aggressiven Reaktionen zu provozieren sei. Diese aggressive Reaktivität sei ein Zeichen der Persönlichkeitsstörung. Typisch für diese Persönlichkeitsstörung seien niedrige Schwellen als Auslöser für aggressives oder gewalttätiges Verhalten, eine geringe Frustrationstoleranz sowie Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen. All dies hielt die Kammer aufgrund eigener kritischer Würdigungen in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen bei dem Angeklagten insbesondere angesichts des festgestellten Tatbildes und der Angaben des Zeugen G. zum Zustand des Angeklagten am Tattage für gegeben. Die konkrete Tatausführung beruht damit zur Überzeugung der Kammer auf dieser dissozialen Persönlichkeitsstörung, ohne dass die Betäubungsmittelabhängigkeit eine erkennbare Rolle gespielt hätte.
Schließlich ist es auch nicht ersichtlich, dass der Angeklagte die Tat etwa aus Suchtdruck oder Geldnot zur etwaigen weiteren Beschaffung von Betäubungsmitteln begangen hätte. Auch der Sachverständige nahm insoweit zutreffend in Bezug, dass nicht erkennbar sei, dass der Angeklagte zur Tatzeit Geldnot gehabt hätte. So verfügte der Angeklagte zur Tatzeit über Zugang zu Cannabis und war im Begriff, eine neue Wohnung und bezahlte Tätigkeit für den Vermieter aufzunehmen. Wenn der Angeklagte aus Suchtdruck in Geldnot gewesen wäre, hätte auch kein Anlass für ihn bestanden, dem Zeugen Ge. aus der erlangten Beute einen Teil anzubieten.
Es ist damit im Ergebnis kein Ursachenzusammenhang zwischen der Suchtmittelabhängigkeit und der verfahrensgegenständlichen Straftat feststellbar, sodass eine Unterbringung gem. § 64 StGB nicht anzuordnen war.
VI.
Die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 130,00 € war gemäß §§ 73, 73c StGB anzuordnen. Der Angeklagte erlangte durch die Tat Bargeld in einer Gesamthöhe von 130,00 €, welches sich in dem Portemonnaie aus der Bauchtauche des Geschädigten S. befand und nach der Sicherstellung bei dem Amtsgericht Emden eingezahlt wurde.
Die Einziehung des Messers als Tatmittel beruht auf § 74 StGB.
VII.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 465 StPO.