Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 21.12.2009, Az.: 13 B 6174/09
Beurteilung; Konkurrentenverfahren; unterschiedliche Beurteilungsrichtlinien; Vergleichbarkeit; Vergleichsanalyse
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 21.12.2009
- Aktenzeichen
- 13 B 6174/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 50585
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG Niedersachsen - 13.04.2010 - AZ: 5 ME 7/10
- BVerfG - 02.12.2010 - AZ: 2 BvR 1067/10
Rechtsgrundlagen
- Art 33 GG
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.866,32 EURO festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein Polizeioberkommissar, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung des Antragsgegners, die Beigeladenen zu Polizeihauptkommissaren zu befördern.
Mit Beurteilung vom 13.09.2005 wurde der Antragsteller noch als Polizeikommissar für die Zeit vom 01.09.2002 bis 31.08.2005 mit der Wertstufe 4 nach den früheren Beurteilungsrichtlinien beurteilt.
Die beiden Beigeladenen wurden für diesen Zeitraum mit Beurteilungen vom 26.09.2005 bzw. 07.09.2005 ebenfalls mit der Wertstufe 4 beurteilt, sie befanden sich seinerzeit jedoch bereits im Amt eines Polizeiober- bzw. Kriminaloberkommissars.
Der Antragsteller wurde ab 01.01.2007 zunächst an das niedersächsische Innenministerium abgeordnet, zum 01.04.2007 dann dorthin versetzt. Am 11.04.2007 wurde er dort zum Polizeioberkommissar befördert.
Mit Beurteilung vom 28.05.2009 wurde der Antragsteller im Innenministerium für den Zeitraum 01.10.2005 bis 30.09.2008 beurteilt und erhielt die Stufe „B“. Für das Innenministerium gelten andere Beurteilungsrichtlinien als für die Antragsgegnerin.
Die beiden Beigeladenen wurden unter dem 10.12.2008 bzw. 12.12.2008 jeweils für die Zeit vom 01.09.2005 bis 31.08.2005 nach den Beurteilungsrichtlinien für die Polizei des Landes Niedersachsen beurteilt und erhielten als Endnote jeweils „C - oberer Bereich“.
Für zwei freie Beförderungsstellen für das Amt eines Hauptkommissars wählte die Antragsgegnerin die beiden Beigeladenen aus und teilte dies Anfang Dezember 2009 auch dem Antragsteller mit.
Gegen diese Auswahlentscheidung hat der Antragsteller am 14.12.2009 Klage erhoben und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Er trägt vor, die Beförderungsentscheidung sei falsch. Er verfüge mit der Wertstufe „B“ über die beste aktuellste Beurteilung. Die Antragsgegnerin habe zu Unrecht die Beurteilung mit der Wertstufe „B“ der Wertstufe „C - Oberer Bereich“ bei der Polizei gleichgestellt.
Der Antragsteller beantragt,
der Beklagten und Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, den Polizeibeamten D. und E. Beförderungsurkunden zum Polizeihauptkommissar bzw. Kriminalhauptkommissar auszuhändigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen
Sie tritt dem Antrag entgegen.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 18.12.2009 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.
Eine einstweilige Anordnung kann das Gericht gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses dann erlassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der geltend gemachte Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin besteht und ohne eine vorläufige Regelung wesentliche, in § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO näher beschriebene Nachteile zu entstehen drohen.
Das Gericht lässt offen, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist oder nicht. Grundsätzlich liegt ein Anordnungsgrund in Konkurrentenverfahren vor, wenn die Behörde die ausgewählten Bewerber ernennen will. Denn mit der Besetzung der Beförderungsstelle, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, wäre ein etwaiger Anspruch des nicht ausgewählten Bewerbers endgültig untergegangen. Hier hat allerdings die Antragsgegnerin im Vorfeld der gerichtlichen Entscheidung gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers erklärt, sie werde im Falle des Obsiegens des Antragstellers ihn zum nächst möglichen Zeitpunkt befördern. Ob dies tatsächlich möglich ist, vermag das Gericht nicht abschließend zu entscheiden. Denn bei der nächsten zu erfolgenden Stellenbesetzung wäre an sich ebenfalls wieder eine Auswahl unter den Bewerbern zu treffen und die Auswahlentscheidung müsste ggf. zu Gunsten eines Mitbewerbers ausfallen, wenn dieser eine bessere Beurteilung als der Antragsteller dieses Verfahrens vorweisen kann. Letztendlich kommt es auf die Frage des Anordnungsgrundes jedoch nicht an.
Im vorliegenden Fall ist es dem Antragsteller jedenfalls nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO
Die Auswahlentscheidung der Antragstellerin wird sich nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen.
Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Akt wertender Erkenntnis, der nur in eingeschränktem Maße gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Das Gericht ist in seiner Nachprüfung darauf beschränkt, ob der Antragsgegner den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinie (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.08.2005 - 5 ME 100/05 -). Der Antragsteller kann, wie jeder andere Beamte auch, nur beanspruchen, dass über ihre Bewerbung ohne Rechtsfehler entschieden wird.
Die Entscheidung der Beklagten bei der Auswahl der Beamten für die Besetzung einer Stelle muss sich dabei gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 Abs. 1 NBG an Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber orientieren. Es gilt der Grundsatz der Bestenauslese. Unter Beachtung dieses Grundsatzes hat der auswählende Dienstherr dabei zunächst auf die aktuellen Beurteilungen der Bewerber zurückzugreifen. Hinsichtlich der Frage von Leistung und Eignung ist auf den aktuellen Stand abzustellen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.03.2003 - 5 ME 244/02 -); sofern die Bewerber hier einen Gleichstand erreichen, kann die Vorbeurteilung (Vornote) ergänzend herangezogen werden.
Nach diesen Grundsätzen ist die Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden. Zu Recht ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass bei den aktuellen Beurteilungen der Antragsteller jedenfalls nicht besser beurteilt worden ist als die Beigeladenen.
Wohl hat der Antragsteller im Innenministerium ein „B - Übertrifft erheblich die Anforderungen“ erhalten. Nach den Beurteilungsrichtlinien der Landesverwaltung ist diese Bewertung für Beschäftigte vorgesehen, die aufgrund ihrer Leistung erheblich herausragen und sich bei der Erledigung schwieriger Arbeiten besonders bewähren. Die Einstufung in „B - Übertrifft erheblich die Anforderungen“ nach den Beurteilungsrichtlinien für die Polizei des Landes Niedersachsen (BRLPol) enthält eine vergleichbare Definition. Danach können Beschäftigte diese Wertstufe erhalten, die nach Gesamtleistung und ihrer Gesamtpersönlichkeit die mit „Entspricht voll den Anforderungen“ bewerteten Beschäftigten erheblich überragen und sich bei der Erledigung schwieriger Arbeiten besonders bewähren.
Gleichwohl ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin im Wege einer Vergleichsanalyse dahingehend einschätzt, dass die Beurteilung des Antragstellers mit Beurteilungen „C - oberer Bereich“ bei der Landespolizei vergleichbar ist bzw. dieser entsprechend (vgl. zu einer Vergleichbarkeitsanalyse auch VG Meiningen, Beschl. v. 29.10.2008 - 1 E 364/08 Me -, zit. n. juris). Der Umstand, dass im Innenministerium zum Stichtag 01.10.2008 die Hälfte aller Beschäftigten im gehobenen Dienst mit „B“ oder besser beurteilt worden sind, während bei der Polizei lediglich etwas über 3 Prozent der Beurteilten eine entsprechende Note erhalten haben, zeigt, dass bei den Beurteilungen trotz ähnlichen Formulierungen in den einschlägigen Beurteilungsrichtlinien verschiedene Maßstäbe angelegt werden. Anders ist dieses Auseinanderdriften der Zahlen nicht zu erklären. Der Antragsteller hat auch in seiner Beurteilung bei einzelnen Leistungsmerkmalen nicht durchgehend die Stufe „B“ erhalten, bei vier Leistungsmerkmalen lag er „nur“ in der Zwischenstufe „C/B“ und dreimal wurde er bei einzelnen Leistungsmerkmalen in der Befähigteneinschätzung mit „C“ eingestuft. Wenn die Antragsgegnerin deshalb die Beurteilung des Antragstellers als mit „C - oberer Bereich“ bei der Landespolizei bewertet (was gerichtsbekannt bei der Polizei bereits eine sehr gute Beurteilung darstellt), so ist dies nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht zu beanstanden. Das Auswahlverfahren wird auch nicht dadurch fehlerhaft, dass die Antragsgegnerin zunächst offenbar versucht hat, ihre Vergleichswertung vorab verbindlich durch Bescheid vom 11.11.2009 zu regeln. Mag auch diese Vorgehensweise zu Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit Anlass geben, die dahinter stehenden Überlegungen und Bewertungen sind jedoch nicht zu beanstanden. Ermessen steht der Antragsgegnerin zwar insoweit nicht zu, ihr ist jedoch ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen.
Sind nach alledem der Antragsteller und die beiden Beigeladenen in der aktuellen Beurteilung im Wesentlichen gleich beurteilt worden, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin nunmehr auf die Vornote, d.h., die vorangegangene Beurteilung abstellt. Auch hier sind alle drei Bewerber zwar gleich mit der Wertstufe 4 beurteilt worden, jedoch der Antragsteller lediglich im Amt eines Polizeikommissars, die beiden Beigeladenen jedoch schon im höheren Amt eines Polizeioberkommissars. Regelmäßig ist schon aufgrund des höheren statusrechtlichen Amtes und dem daraus folgenden höheren Gewicht bei im Wesentlichen gleichen Noten die im höheren Statusamt erfolgte Beurteilung als die Bessere anzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit nicht ebenfalls einem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 52 Abs. 5 GKG, § 53 Abs. 3 GKG. Gemäß § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG beträgt der Streitwert grundsätzlich die Hälfte des 13fachen Betrages des (angestrebten) Endgrundgehaltes zuzüglich ruhegehaltsfähiger Zulagen. Eine Reduzierung des Streitwertes in Hinblick darauf, dass lediglich letztendlich nur eine Neubescheidung angestrebt wurde, kann nicht erfolgen. Der 5. Senat des OVG Lüneburg hat in seinem Beschluss vom 30.01.2009 - 5 OA 467/08 - u.a. ausgeführt:
„Rechtsgrundlage der Streitwertfestsetzung ist nach Auffassung des Senats in Fällen dieser Art § 52 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG. Denn die in Rede stehenden Verfahren - und so auch dasjenige des Klägers - betreffen „die Verleihung eines anderen Amtes“ im Sinne des § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG (a. A.: OVG Berlin, Beschl. v. 8.11.2004, a.O. Rn 4). Den Gesetzgebungsmaterialien zu der Regelung des § 13 Abs. 4 Satz 2 GKG a.F. (BT-Drucks. 12/6962, S. 61 f. [62, Zu Nr. 7, Zu Buchstabe a - am Ende] und der Nachfolgeregelung des § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG, mit der § 13 Abs. 4 Satz 2 GKG a.F. mit lediglich redaktionellen Änderungen übernommen worden ist (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 156), ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Rechtsstreit um eine Beförderung als einen Fall betrachtet hat, in dem das Verfahren die Verleihung eines anderen Amtes betrifft. Dabei ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber sehr wohl bekannt war, dass Prozesses wegen einer Beförderung typischerweise als Konkurrentenstreit geführt werden und ein Anspruch auf Beförderung grundsätzlich nicht besteht (vgl. etwa § 14 Abs. 5 NBG), sodass der unterlegene Konkurrent als Aktivpartei, an deren Interesse sich die Streitwertbemessung grundsätzlich orientiert, sein Rechtsschutzbegehren in aller Regel nicht mit einer Verpflichtungsklage auf Beförderung, sondern lediglich mit einer Klage auf Bescheidung seiner Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verfolgen kann. Gleichwohl hat der Gesetzgeber dies nicht zum Anlass genommen, für die zahlenmäßig erhebliche Fallgruppe der Konkurrentenstreitigkeiten eine Sonderregelung zu schaffen, durch die der Streitwert im Verhältnis zu den Fällen des § 52 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht nur halbiert, sondern geviertelt wird. In Anbetracht des gesetzgeberischen Ziels, die vor dem Inkrafttreten des § 13 Abs. 4 GKG a. F. bestehende Uneinheitlichkeit in der Rechtsprechung zu beenden, ist auch nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber gerade den typischen Fall eines Konkurrentenstreitverfahrens in Form der Bescheidungsklage, das jedenfalls mittelbar die Verleihung eines anderen Amtes betrifft, mit der Rechtsfolgenanordnung des § 52 Abs. 1 GKG oder gar demjenigen des § 52 Abs. 2 GKG überlassen wollte. Vor diesem Hintergrund ist eine enge Auslegung des § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG nicht angezeigt.“
Das Gericht schließt sich der Auffassung des 5. Senats des OVG Lüneburg an. In Hauptsacheverfahren, die einen Konkurrentenstreit zum Gegenstand haben ist - auch wenn die Aktivpartei lediglich ein Bescheidungsbegehren verfolgt - der Streitwert gemäß § 52 Abs. 5 Satz 2 iVm. Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG zu bemessen. Da es vorliegend jedoch nur um ein vorläufiges Verfahren ging, hat das Gericht den sich so ergebenden Betrag in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichte 2004 Nr. 1.5 um die Hälfte auf 10.115,76 € reduziert. Zu berücksichtigen war aber auch, dass der Antragsteller zwei Beförderungsstellen mit seinem Eilantrag blockieren wollte, so dass der sich zu ergebende Wert wieder zu verdoppeln war.