Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 19.02.2019, Az.: 7 A 4277/18

Abschalteinrichtung; Betriebsuntersagung; KfZ; Rückrufaktion; Software-Update; Typgenehmigung; Verhältnismäßigkeit; Zwangsstillegung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
19.02.2019
Aktenzeichen
7 A 4277/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69606
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein vom sog. Dieselskandal betroffenes Fahrzeug, welches werksseitig eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist, ist nicht vorschriftsmäßig, wenn dieses nicht im Rahmen einer Rückrufaktion durch ein Software-Update nachgerüstet worden ist. Dass der Halter mit dem Verkäufer oder Hersteller des Fahrzeugs einen zivilrechtlichen Rechtsstreit führt, berührt die sich aus § 5 Abs. 1 FZV ergebenden Eingriffsbefugnisse der Zulassungsbehörde nicht. Die Behörde muss
aber wegen der besonderen Umstände jeweils die am wenigsten belastende der in § 5 Abs. 1 FZV vorgesehenen Maßnahmen ergreifen. Sie darf jedoch die Betriebsuntersagung anordnen, wenn der Halter zuvor bereits mehrfach vergeblich zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden ist. Wegen des
Verhältnismäßigkeitsprinzips ist vor der zwangsweisen Stilllegung des Fahrzeugs zunächst eine Zwangsgeldandrohung erforderlich.

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 5. November 2018 wird aufgehoben, soweit darin die zwangsweise Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs des Klägers angedroht worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist Halter eines PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ... .

Mit Schreiben vom 27. März 2018 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Beklagten mit, dass der Motor des Fahrzeugs vom Typ EA 189 wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht mehr in Übereinstimmung mit der zu Grunde liegenden EG-Typgenehmigung stehe. Der Kläger habe sich trotz mehrfacher Erinnerung an der entsprechenden Rückrufaktion des Herstellers (23R7) nicht beteiligt und die erforderliche Softwarenachrüstung nicht durchgeführt.

Mit Schreiben vom 17. April 2018 bat der Beklagte den Kläger daher um einen Nachweis der Mängelbehebung bis zum 30. April 2018. Anderenfalls müsse der Betrieb des Fahrzeuges untersagt werden.

Der Kläger erklärte daraufhin: Er habe wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung den Verkäufer bzw. Hersteller des Fahrzeuges beim Landgericht Oldenburg (13 O 707/17) auf Gewährleistung bzw. Schadensersatz in Anspruch genommen. Mit dem Software-Update werde die Mangelfreiheit des Fahrzeuges nicht hergestellt, sondern das Aufspielen führe zu erheblichen Schäden. Insbesondere werde die Motorleistung reduziert. Der Kraftstoffverbrauch erhöhe sich dagegen. Ferner werde mehr Ruß produziert, welcher den Partikelfilter zusetzen und dessen Haltbarkeitsdauer verkürzen könne. Die Zivilgerichte würden daher erhebliche Zweifel haben, ob das Software-Update eine ausreichende Nacherfüllung darstelle. Das Aufspielen des Software-Updates würde zudem zu einer Beweisvereitelung führen. Daher sei ihm die Teilnahme an der Rückrufaktion nicht zumutbar, eine Betriebsuntersagung daher unverhältnismäßig. Diese sei lediglich als äußerstes Mittel zulässig. Er sei für den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht verantwortlich, sondern Opfer eines Betruges des Herstellers geworden.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2018 teilte der Beklagte mit, dass man bereit sei von zulassungsrechtlichen Maßnahmen zunächst abzusehen, sofern Mitteilung über den Fortgang des zivilgerichtlichen Verfahrens gemacht werde. Mit Schreiben vom 31. August 2018 erklärte der Kläger, dass der Rechtsstreit beim Landgericht Oldenburg weiterhin anhängig sei.

Mit Schreiben vom 19. September 2018 erklärte der Beklagte, dass nunmehr unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung beabsichtigt sei, das Verfahren fortzuführen, wenn nicht bis zum 27. September 2018 ein Nachweis über die Durchführung des Software-Updates eingereicht werde.

Nach Anhörung des Klägers wurde ihm mit Bescheid des Beklagten vom 5. November 2018 der Betrieb seines Fahrzeuges bis zur nachgewiesenen Teilnahme an der Rückrufaktion untersagt, er aufgefordert, das Fahrzeug innerhalb einer Woche nach Bestandskraft des Bescheides unter Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I sowie der Kennzeichenschilder außer Betrieb zu setzen und für den Fall, dass der Nachweis der Teilnahme der Rückrufaktion weiter nicht erbracht werde, die zwangsweise Außerbetriebsetzung des Fahrzeuges angedroht. Ferner sind Verwaltungskosten in Höhe von 35 € (30 € Gebühren und 5 € Auslagen) erhoben worden. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden: Das Kraftfahrt-Bundesamt habe gemäß § 25 Abs. 1 und 2 EG-FGV Maßnahmen angeordnet, um die Übereinstimmung der mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehenen Fahrzeuge mit dem ursprünglich genehmigten Typ wiederherzustellen. Es seien nachträgliche Nebenbestimmungen zu den Typgenehmigungen erlassen und den Herstellern auferlegt worden, die unzulässigen Abschalteinrichtungen durch geeignete Maßnahmen zu entfernen. Die Fahrzeughalter seien daraufhin durch eine Rückrufaktion aufgefordert worden, ein kostenloses Software-Update durchführen zu lassen. Der Kläger habe trotz Aufforderung den entsprechenden Nachweis nicht geführt. Das Fahrzeug entspreche daher nicht mehr den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV und sei nicht mehr vorschriftsmäßig. Es bestehe nach § 5 Abs. 1 FZV kein Entschließungsermessen. Die Untersagung des Betriebes sei erforderlich. Ohne die Teilnahme an der Rückrufaktion könne der vorschriftsmäßige Zustand des Fahrzeuges nicht hergestellt werden. Zwar gehe von dem einzelnen Fahrzeug im Regelfall keine Gesundheitsgefahr aus, in ihrer Gesamtheit hätten die betroffenen Fahrzeuge jedoch einen erheblichen Einfluss auf den Schadstoffgehalt der Luft. Die eingeräumte Frist zur Teilnahme an der Rückrufaktion habe der Kläger verstreichen lassen. Die zivilrechtliche Streitigkeit mit dem Verkäufer bzw. Hersteller sei nicht geeignet, die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen des Klägers als Halter des Fahrzeuges zu verändern. Die Frage, ob das Fahrzeug durch das Software-Update technisch nachteilig verändert werde, habe deshalb auf die öffentlich-rechtliche Beurteilung ebenfalls keinen Einfluss. Die befürchtete Beweisvereitelung könne durch ein selbständiges Beweisverfahren verhindert werden.

Hiergegen hat der Kläger am 30. November 2018 Klage erhoben.

Er wiederholt und vertieft zur Begründung seine Erwägungen aus dem Verwaltungsverfahren und macht ergänzend geltend, dass die Volkswagen AG für die Folgen des Software-Updates keine Garantie übernehme. Wie sich aus zahlreichen Presseberichten ergebe, komme es nach dem Aufspielen zu zahlreichen Schwierigkeiten bis zum Liegenbleiben des Fahrzeugs. Nach einem Bericht der Triscan GmbH werde das AGR-Ventil zusätzlich belastet und verruße. Zudem führe das Update nicht zu einer Absenkung der NOx-Werte unterhalb des maßgeblichen Grenzwerts und sei daher ungeeignet. Selbst das Umweltbundesamt gehe nicht davon aus, dass die Nachrüstung zu einer signifikanten Verbesserung der Luftqualität in den Städten führe. Das Fahrzeug sei auch gem. § 29 Abs. 3 Satz 2 StVZO vorschriftsmäßig, weil es mit einer gültigen Prüfplakette versehen sei, die ihm noch nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals erteilt worden sei. Jedenfalls sei die Betriebsuntersagung weder geeignet noch erforderlich, um die Luftqualität zu verbessern und daher unverhältnismäßig. Zudem seien die Folgen des Software-Updates für das Fahrzeug nicht absehbar, ohne dass der Hersteller bei Schwierigkeiten zu einer Haftung bereit sei. Er befinde sich daher in einer unangemessenen Drucksituation. Dies habe das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen in seinen Beschlüssen vom 17. August 2018 nicht hinreichend beachtet. Der Beklagte hätte daher sein Ermessen dahingehend ausüben müssen, von der Betriebsuntersagung abzusehen. Spätestens bei der nächsten Hauptuntersuchung wäre ohnehin keine neue Prüfplakette erteilt worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 5. November 2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus: Die unzulässige Abschalteinrichtung führe dazu, dass das Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig sei. Bei der Hauptuntersuchung könnte die Prüfplakette nicht erteilt werden. Im Rahmen des § 5    FZV bestehe kein Entschließungsermessen. Die Betriebsuntersagung diene der Einhaltung der Emissionsgrenzwerte und der Wiederherstellung des vorschriftsmäßigen Zustandes des Fahrzeugs. Hierbei sei nicht nur das einzelne Fahrzeug, sondern die Gesamtheit aller Fahrzeuge zu berücksichtigen. Die zivilrechtlichen Streitigkeiten mit dem Verkäufer bzw. Hersteller beträfen lediglich dieses Rechtsverhältnis. Selbst wenn das Fahrzeug durch das Software-Update technisch verschlechtert sein sollte, habe dies auf die hier zu beurteilende öffentlich-rechtliche Frage keinen Einfluss. Eine Beweisvereitelung könne durch ein selbstständiges Beweisverfahren verhindert werden. Selbst wenn das Software-Update nicht geeignet wäre, die Absenkung der Stickoxide unterhalb des gesetzlichen Grenzwertes zu bewirken, sei dies nicht zu berücksichtigen, weil sich das Fahrzeug ohne diese Nachrüstung nicht im vorschriftsmäßigen Zustand befinde.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen geringen Umfang begründet, im Wesentlichen jedoch unbegründet.

Rechtliche Grundlage der Betriebsuntersagung im Bescheid des Beklagten vom 5. November 2018 ist § 5 Abs. 1 FZV, wonach die Zulassungsbehörde dem Eigentümer oder Halter eines Fahrzeuges eine angemessene Frist zur Beseitigung eines Mangels setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen kann, wenn sich ein Fahrzeug im Sinne der FZV oder der StVZO als nicht vorschriftsmäßig erweist.

Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FZV liegen vor, weil das Fahrzeug des Klägers nicht vorschriftsmäßig ist. Dies ist nach weit überwiegender verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung für alle Dieselfahrzeuge anzunehmen, die werksseitig eine unzulässige Abschalteinrichtung besitzen und ein zur Beseitigung dieses Mangels entwickeltes Software-Update nicht aufgespielt worden ist (vgl. OVG Münster, Beschlüsse vom 17. August 2018 - 8 B 548/18 und 8 B 865/18 - beide in juris; VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 11. Dezember 2018 - 2 L 1049/18 - juris, Rn. 11; VG München, Urteil vom 28. November 2018 - M 23 K 18.1347 - S. 6 ff.; VG Sigmaringen, Beschluss vom 21. November 2018 - 5 K 6841/18 - juris, Rn. 19; VG Mainz, Beschluss vom 16. November 2018 - 3 L 1099/18.MZ – S. 5 ff.; VG Magdeburg, Beschluss vom 2. Juli 2018 - 1 B 268/18 - juris, Rn. 6 ff.; VG Potsdam, Beschluss vom 14. Juni 2018 - 10 L 303/18 - Pressemitteilung in juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juni 2018 - 14 L 1319/18 - juris, Rn. 15 ff.; VG Köln, Beschluss vom 29. Mai 2018 - 18 L 854/18 - juris, Rn. 15 f.; VG Stuttgart, Beschluss vom 27. April 2018 - 8 K 1962/18 - juris, Rn. 12 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2018 - 6 L 709/18 - juris, Rn. 14).

Nicht vorschriftsmäßig ist ein Fahrzeug, wenn es nicht (mehr) den (materiellen) Zulassungsvorschriften entspricht (vgl. Dauer in: Hentschel u.a., StVR, Rn. 3 zu § 5 FZV; Weiß in: juris-PK-StrVR, Rn. 10 zu § 5 FZV).

Gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV muss das Fahrzeug entweder einem genehmigten Typ (§ 4 EG-FGV) entsprechen oder eine - hier nicht bestehende - Einzelgenehmigung (§ 13 EG-FGV) vorliegen.

Das Fahrzeug des Klägers entspricht nicht (mehr) der ursprünglichen EG-Typgenehmigung.

Er hat allerdings zunächst den Nachweis der Konformität durch eine Übereinstimmungsbescheinigung geführt (§ 6 Abs. 3 Satz 1 FZV i.V.m. § 6 EG-FGV), die unabhängig davon gilt, ob das Fahrzeug tatsächlich mit der ursprünglichen Typgenehmigung übereinstimmt. Es ist daher insoweit unerheblich, dass das Fahrzeug tatsächlich in Abweichung von der EG-Typgenehmigung hergestellt worden ist. Die Übereinstimmungsbescheinigung soll mit ihrer Rechtsscheinwirkung der Harmonisierung und Vereinfachung sowie der gegenseitigen Anerkennung dienen und damit die Halter von serienmäßig hergestellten Fahrzeugen und die Zulassungsbehörden entlasten (vgl. dazu: VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Januar 2018 - 6 K 12341/17 - juris, Rn. 284 ff.; VG Stuttgart, Beschluss vom 27. April 2018 a.a.O., Rn. 12; VG Magdeburg, Beschluss vom 2. Juli 2018 a.a.O, Rn. 9; VG München a.a.O., S. 6).

Diese Rechtsscheinwirkung der Übereinstimmungserklärung ist jedoch entfallen, weil das Kraftfahrt-Bundesamt die Typgenehmigung betreffend das Fahrzeug des Klägers geändert hat. Dieses hat nämlich mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV den Rückruf der Fahrzeuge angeordnet, weil in diesen eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden ist, die durch ein Software-Update beseitigt werden soll. Gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV kann das Kraftfahrt-Bundesamt zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge, selbständiger technischer Einheiten oder Bauteile nachträglich Nebenbestimmungen anordnen. Der Fortbestand der Rechtsscheinwirkung der Übereinstimmungserklärung setzt dann die Teilnahme an der Rückrufaktion voraus (vgl. VG München a.a.O.; VG Frankfurt/Oder a.a.O.; VG Magdeburg, a.a.O., Rn. 9 ff.; VG Mainz a.a.O., Rn. 8 ff.; VG Sigmaringen a.a.O., Rn. 19; VG Stuttgart a.a.O, Rn. 17 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Januar 2018 a.a.O., Rn. 298 ff.).

Die nachträgliche Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamts geht auch nicht ins Leere, weil die ursprüngliche Typgenehmigung wegen des Einbaus der unzulässigen Abschalteinrichtungen bereits unwirksam geworden wäre. Hiergegen spricht schon, dass das Kraftfahrt-Bundesamt von der Möglichkeit des § 25 Abs. 2 EG-FGV Gebrauch gemacht und nachträgliche Nebenbestimmungen angeordnet und nicht gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung widerrufen oder zurückgenommen hat (vgl. VG Magdeburg a.a.O., Rn. 14; VG Mainz a.a.O., Rn. 10; VG Stuttgart a.a.O. Rn. 17; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Januar 2018 a.a.O., Rn. 269 ff., Rn. 303).

Zwar schreibt § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 iVm Abs. 7 StVZO vor, dass die EG-Typgenehmigung erlischt, wenn am Fahrzeug Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- und Geräuschverhalten verschlechtert wird. Diese Voraussetzungen liegen aber nur dann vor, wenn im individuellen Fall nachträgliche Modifikationen an einem bereits fertiggestellten und zugelassenen Fahrzeug vorgenommen werden. Für den Fall, dass ein Fahrzeug bereits von vornherein werksseitig in Abweichung von der EG-Typgenehmigung hergestellt wird, fehlt es dagegen schon begrifflich an einer Änderung. Außerdem kann eine Genehmigung nur erlöschen, wenn sie zunächst einmal wirksam geworden ist. Zudem sollte schon aus kompetenzrechtlichen Gründen nur eine Regelung für technische Veränderungen nach der Fertigung des Fahrzeugs getroffen werden. Für werksseitige Abweichungen ist dagegen die Bestimmung des § 25 EG-FGV spezieller. Diese ermöglicht dann, je nach Einzelfall und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die Anordnung von Nebenbestimmungen oder den Widerruf bzw. die Rücknahme der Typgenehmigung (vgl. VG Düsseldorf a.a.O., Rn. 313 ff.). Es ist offensichtlich nicht Zielsetzung des Normgebers gewesen, Serien von Fahrzeugen, die von vornherein nicht der Typgenehmigung entsprechen, ohne weiteres vom öffentlichen Straßenverkehr fernzuhalten.

An der fehlenden Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs des Klägers ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil für dieses eine gültige Prüfplakette erteilt worden ist. Nach § 29 Abs. 3 Satz 2 StVZO wird durch die nach der Hauptuntersuchung zugeteilte und angebrachte Prüfplakette bescheinigt, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Untersuchung vorschriftsmäßig nach Nr. 1.2 der Anlage VIII zur StVZO ist. Hier spricht bereits alles dafür, dass der Kläger erst nach der letzten Hauptuntersuchung zur hier in Rede stehenden Nachrüstung aufgefordert wurde, so dass die Vermutungswirkung der Übereinstimmungsbescheinigung entfallen ist. Denn der Beklagte hat vorgetragen, dass bei fehlendem Software-Update die Prüfplakette nicht mehr erteilt wird (vgl. auch VG Halle, Beschluss vom 12. März 2018 - 7 B 83/18 HAL - Pressemitteilung 11/2018). Unabhängig davon hat die nach der Hauptuntersuchung erteilte Bescheinigung der Übereinstimmung aber auch in tatsächlicher Hinsicht keine unbegrenzte Aussagekraft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 16. August 2018 - 1 StR 172/18 - juris, Rn. 8 ff.) stellt die Prüfplakette eine öffentliche Urkunde dar. Eine öffentliche Urkunde erbringt zwar grds. den vollen Nachweis der darin bezeugten Tatsachen, es ist aber der Gegenbeweis zulässig (§§ 98 VwGO, 418 ZPO). Dass die Prüfplakette einen ggf. in Bestandskraft erwachsenen Verwaltungsakt darstellt (vgl. Dauer in: Hentschel u.a., a.a.O., Rn. 27 zu § 29 StVZO), steht dieser Betrachtung nicht entgegen. Denn die Wirkung der Bestandskraft reicht nicht weiter als der Inhalt eines Verwaltungsakts. Sofern beispielsweise im Einzelfall bei der Hauptuntersuchung gravierende Fahrzeugmängel übersehen worden sind, kann dies einer späteren Betriebsuntersagung nicht entgegenstehen.

Die nach § 5 Abs. 1 FZV erforderliche Ermessensausübung lässt Rechtsfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) zunächst nicht erkennen, soweit es um die Entscheidung geht, ob gegen den Kläger als Halter eines nicht nachgerüsteten Fahrzeugs eingeschritten wird (sog. Entschließungsermessen). Die Behörde darf nämlich das Ermessen regelmäßig und ohne weitere Begründung dahingehend ausüben, die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände anzuordnen. Nur dann, wenn außergewöhnliche Umstände erkennbar sind, müssen diese zu Gunsten des Fahrzeughalters erwogen werden. (vgl. OVG Münster, Beschlüsse vom 17. August 2018 a.a.O., Rn. 27 und 31 ff.; VG München a.a.O. S. 8; wohl auch Dauer a.a.O., Rn. 4 zu § 5 FZV; weitergehend VG Magdeburg a.a.O., Rn. 18: kein Entschließungsermessen; wohl auch VG Sigmaringen a.a.O., Rn. 20 und VG Stuttgart a.a.O., Rn. 20). Es handelt sich insoweit mithin um ein intendiertes Ermessen (vgl. dazu allgemein: BVerwG, Urteil vom 14. März 2013 - 5 C 10.12 - juris, Rn. 28).

Ein besonderer Grund, das Ermessen abweichend auszuüben, ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass der Kläger mit dem Hersteller oder Verkäufer des Fahrzeugs in einer außergerichtlichen oder zivilgerichtlichen Auseinandersetzung steht und dort Gewährleistungsansprüche (vgl. §§ 437 ff. BGB) geltend gemacht werden. Denn diese betreffen allein das (gestaltbare) privatrechtliche Verhältnis zwischen Fahrzeughalter und dem Verkäufer oder Hersteller und sind daher für die öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen dem Kläger und der Zulassungsbehörde ohne unmittelbare rechtliche Bedeutung. Soweit der Kläger durch das Aufspielen des Software-Updates die Vereitelung seiner Beweismöglichkeiten befürchtet, ist er auf die Möglichkeit eines selbständigen Beweisverfahrens (§§ 485 ff. ZPO) zu verweisen (vgl. OVG Münster a.a.O. Rn. 38; VG Saarlouis, a.a.O., Rn. 36; VG Frankfurt/Oder a.a.O., Rn. 12; VG Magdeburg a.a.O., Rn. 20; VG Köln, a.a.O., Rn. 20; VG Mainz, a.a.O., Rn. 14; VG Sigmaringen a.a.O., Rn. 21; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2018 a.a.O., Rn. 16; VG Stuttgart a.a.O., Rn. 22).

Soweit der Kläger geltend macht, dass sich die Leistung seines Fahrzeugs durch das Software-Update verschlechtere, vermag dies ebenfalls ein Abweichen von der regelmäßigen Ermessensausübung nicht zu rechtfertigen. Nur mit dieser Nachrüstung entspricht das Fahrzeug nämlich der (geänderten) Typgenehmigung und ist (weiter) zulassungsfähig. Ob das Fahrzeug im zivilrechtlichen Sinne mangelhaft ist und deshalb Gewährleistungsansprüche bestehen können, ist ebenfalls allein zwischen dem Kläger und dem Hersteller zu klären und bleibt - aus den bereits oben angeführten Gründen - bei der hier gebotenen öffentlich-rechtlichen Beurteilung von vornherein außer Betracht. Entsprechendes gilt für die Frage, ob der Hersteller bereit ist, bei durch das Software-Update selbst entstehenden Mängeln zu haften (vgl. VG Frankfurt/Oder a.a.O.; VG München a.a.O., S. 11; VG Magdeburg, a.a.O., Rn. 19; VG Köln a.a.O., Rn. 22; VG Mainz a.a.O., Rn. 15; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2018 a.a.O., Rn. 17; VG Stuttgart a.a.O.).

Ferner musste der Beklagte auch nicht zu Gunsten des Klägers erwägen, dass von einem einzelnen Fahrzeug mit Abschalteinrichtung keine gravierenden Umweltbelastungen ausgehen. Denn maßgeblich ist zum einen, dass die Verringerung der Emissionen bei einer Gesamtbetrachtung aller betroffenen Fahrzeuge zur Luftreinhaltung beiträgt. Zum anderen ist zu beachten, dass - wie oben ausgeführt - das Fahrzeug des Klägers schon allein deshalb nicht mehr vorschriftsmäßig ist, weil dieses den Zulassungsvorschriften nicht (mehr) entspricht (vgl. OVG Münster a.a.O., Rn. 22 ff. und 30 ff.; VG München a.a.O., S. 10). Aus diesem Grunde muss auch nicht geklärt werden, ob das Fahrzeug - wie der Kläger vorträgt - auch nach der Nachrüstung die maßgeblichen Grenzwerte nicht einhält (VG Stuttgart a.a.O., Rn. 23).

Entgegen der Auffassung des Klägers musste der Beklagte auch nicht den Ausgang der nächsten Hauptuntersuchung mit einer sich daran ggf. anschließenden Betriebsuntersagung (§ 29 Abs. 7 Satz 4 StVZO) abwarten. Denn regelmäßig wird bis zur nächsten Hauptuntersuchung noch eine gewisse Zeit verstreichen und daher eine erst danach ergehende Entscheidung keine gleich geeignete Maßnahme sein.

Liegen die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 5 Abs. 1 FZV vor, besteht allerdings ein (Auswahl-)Ermessen, welche der dort genannten Rechtsfolgen (Anordnung der Nachbesserung, Betriebseinschränkung, Betriebsuntersagung) angeordnet wird. Im Rahmen dieser Entscheidung ist hier dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in besonderer Weise Rechnung zu tragen. Denn es muss beachtet werden, dass die unzulässige Abschalteinrichtung von dem Hersteller und nicht dem Kläger als Fahrzeughalter eingebaut wurde, er mithin auch Geschädigter ist. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die zu hohen Emissionen des Fahrzeugs des Klägers nicht zu unmittelbaren Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer führen, sondern lediglich die Gesamtheit aller betroffenen Fahrzeuge der angestrebten Verringerung der Feinstaubbelastung der Luft entgegenstehen. Außerdem ist das Aufspielen des Software-Updates erst Jahre nach Bekanntwerden des sog. Dieselskandals angeordnet worden. Dies hat zur Folge, dass die Zulassungsbehörde jeweils das mildeste Mittel zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zu ergreifen hat (vgl. auch VG München a.a.O., S. 9; VG Magdeburg a.a.O., Rn. 18 f.; VG Mainz a.a.O. Rn. 13; VG Sigmaringen a.a.O., Rn. 22; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2018 a.a.O., Rn. 15; VG Stuttgart a.a.O., Rn. 24).

Dies ist hier geschehen. Der Beklagte hat den Kläger zunächst mehrfach aufgefordert, den Nachweis zu führen, dass er das Software-Update aufgespielt hat. Der Kläger ist dem nicht nachgekommen und hat dies darüber hinaus im Hinblick auf das zivilgerichtliche Verfahren mit dem Verkäufer bzw. Hersteller des Fahrzeugs sogar ausdrücklich verweigert. Der Beklagte durfte daher davon ausgehen, dass auch eine weitere Aufforderung zur Mängelbeseitigung durch Bescheid keinen Erfolg haben wird.

Die Aufforderung, das Fahrzeug unter Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I und der Kennzeichenschilder außer Betrieb zu setzen, findet ihre rechtliche Grundlage in §§ 5 Abs. 2, 14 Abs. 1 FZV.

Die Festsetzung der Verwaltungskosten beruht auf § 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage Gebührennr. 254, § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt.

Die Androhung der zwangsweisen Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs ist indes rechtswidrig. Der Beklagte hat insoweit konkretisierend angeführt, dass er beabsichtige, die Kennzeichenschilder zu entstempeln.

Zwar findet diese grundsätzlich ihre rechtliche Grundlage in §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 3, 69 ff. SOG. Die angedrohte zwangsweise Entstempelung der Kennzeichenschilder ist eine Maßnahme unmittelbaren Zwangs, weil hierdurch auf eine Sache körperlich eingewirkt wird (vgl. VG Frankfurt/Oder a.a.O., Rn. 14; VG Sigmaringen a.a.O., Rn. 25; VG Potsdam a.a.O.; VG Stuttgart a.a.O., Rn. 28; VG Düsseldorf a.a.O., Rn. 24).

Indes hat der Beklagte die Zwangsmaßnahme als Ersatzvornahme eingestuft und damit entgegen § 70 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG nicht das richtige Zwangsmittel bezeichnet (vgl. dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 28. Oktober 2016 - 11 LB 209/15 - juris, Rn. 27)

Aus den oben dargelegten Gründen ist zudem auch bei der Ausübung des Verwaltungszwangs in besonderer Weise der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und das den Fahrzeughalter am wenigsten beeinträchtigende Zwangsmittel zu wählen. Mithin wäre hier zunächst eine Zwangsgeldandrohung angemessen gewesen (vgl. VG München a.a.O., S. 12; vgl. auch VG Köln a.a.O., Rn. 32).