Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 04.01.2016, Az.: 5 A 83/15

Ablehnung als unzulässig; Asylverfahrensrichtlinie; Günstigkeitsbestimmung; subsidiärer Schutzstatus; Übergangsregelung; Zweitantrag

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
04.01.2016
Aktenzeichen
5 A 83/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43529
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG sieht durch seinen Verweis auf § 60 Abs. 1 S. 3 u. 4 AufenthG auch eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 1 S. 2 AufenthG vor.
2. Asylanträge, die vor dem 20.07.2015 gestellt wurden, dürfen aufgrund der Übergangsregelung i.V.m. der Günstigkeitsbestimmung der Asylverfahrensrichtlinie n.F. nicht alleine wegen des zuvor in einem anderen Mitgliedstaat gewährten subsidiären Schutzstatus als unzulässig abgelehnt werden. Einer Anwendung von § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG steht in einem solchen (Übergangs ) Fall Art. 25 Abs. 2 lit. a) Asylverfahrensrichtlinie a.F. entgegen. Der Asylantrag ist vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dann vielmehr als Zweitantrag gem. § 71a AsylG zu prüfen.

Tenor:

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 02.02.2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

Die Kläger sind syrische Staatsangehörige. Sie reisten am 03.08.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 15.09.2014 Asylanträge bei der Beklagten.

Vorher hatten sie bereits in Bulgarien ein Asylverfahren durchlaufen. Am 30.10.2013 erhielten sie dort den subsidiären Schutzstatus.

Durch Bescheid vom 02.02.2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag der Kläger als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheides) und drohte die Abschiebung nach Bulgarien an (Ziffer 2 des Bescheides). Zudem stellte die Beklagte fest, dass die Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden dürften.

Dagegen haben die Kläger am 12.02.2015 Klage erhoben. Sie tragen vor, dass eine Überstellung nach Bulgarien aufgrund der dort herrschenden systemischen Mängel im Asylsystem rechtswidrig sei. Asylsuchenden würden dort schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen. Sie verweisen auf die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 23.07.2015 auf den Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 01.07.2015 (O.).

Die Kläger beantragen schriftsätzlich,

den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, es sei nicht erkennbar, dass der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig wäre bzw. die Kläger i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO in ihren Rechten verletze.

Hinsichtlich des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.10.2015, 1 B 41.15, weist die Beklagte darauf hin, dass die höchstrichterliche Klarstellung nur den Streitgegenstandsteil betreffen dürfte, der über den bereits zuerkannten unionsrechtlichen subsidiären Status hinausreiche, d.h. den Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention. Auch wenn nach Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht bereits aufgrund einer aus § 60 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 3 AufenthG abzuleitenden Unzulässigkeit eine inhaltliche Prüfung ausscheide, bestehe hierauf bei Antragstellung vor dem 20.07.2015 kein genereller Anspruch. So gehe auch das Bundesverwaltungsgericht selbst davon aus, dass die vor dem 20.07.2015 gestellten Anträge nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden dürften. Eine darüber hinaus bestehende Möglichkeit der Ablehnung als (aus anderen formellen Gründen) unzulässig sei dadurch gerade nicht ausgeschlossen.

In dem Falle der Kläger käme daher als weitere Rechtsgrundlage für die Ablehnungsentscheidung als „unzulässig“ § 71a AsylG in Betracht. So sei ihr Asylantrag bereits in Bulgarien geprüft worden. Das Verfahren hätte dazu geführt, dass der Flüchtlingsstatus nicht zuerkannt worden sei. Es liege daher ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens i.S.d. § 71a AsylG vor. Der gegenüber der Beklagten formulierte Antrag stelle daher im Ergebnis einen Zweitantrag der Kläger dar. Da die Entscheidung gem. § 71a AsylG genau wie die gem. § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG zu einer Versagung eines inhaltlichen Prüfverfahrens führe, seien die Voraussetzungen einer Umdeutung gem. § 47 VwVfG gegeben. In beiden Fällen erfolge keine materielle Befassung mit dem Asylantrag. Den Betroffenen würden dadurch keine durch die Ausgestaltung des Asylverfahrens insoweit gewährten Anhörungsrechte genommen.

Anderes folge auch nicht aus möglichen Anträgen auf nationalen Abschiebungsschutz gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Fehle das Rechtsschutzinteresse auf Zuerkennung europarechtlichen Schutzes, weil dieser bereits in einem anderen Mitgliedstaat zuerkannt ist, so erstrecke sich diese „Sperrwirkung“ auch auf den Antrag auf nationalen Abschiebungsschutz hinsichtlich des Heimatstaates.

Gem. § 71a Abs. 4 AsylG sei infolge des Verweises auf eine entsprechende Anwendung u.a. von §§ 34 - 36 AsylG des Weiteren die in identischer Weise mögliche Rechtsfolge der Ablehnungsentscheidung in Form des Erlasses einer Abschiebungsandrohung oder ggf. der Abschiebungsanordnung umfasst.

Selbst wenn die Entscheidung unter Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften - z.B. wegen Unterbleiben einer Anhörung - zustande gekommen sein sollte, käme eine Unbeachtlichkeit gem. § 46 VwVfG bzw. bei Nachholung eine Heilung i.S.d. § 45 VwVfG in Betracht.

Hierauf käme es jedoch genauso wenig wie auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG an, denn die Beklagte sei infolge der internationalen Schutzerkennung für die weitere Asylverfahrensdurchführung gem. § 71a AsylG schon gar nicht zuständig. So ergebe sich eine Zuständigkeit der Beklagten weder aus der Dublin III-VO noch aus einer anderen Rechtsgrundlage.

Mit Beschluss vom 23.06.2015 wurde das Verfahren auf die Einzelrichterin übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Da sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben, konnte das Gericht gem. § 101 Abs. 2 VwGO in dieser Form entscheiden.

Die Anfechtungsklage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 02.02.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger insofern in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage ist gem. § 77 Abs. 1 AsylG derjenige der mündlichen Verhandlung; ergeht die Entscheidung wie hier ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird.

Die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides, d.h. die Ablehnung der Asylanträge der Kläger als unzulässig, ist rechtswidrig. Die Beklagte ist verpflichtet, über den Asylantrag der Kläger - als Zweitantrag - zu entscheiden.

Zwar steht der Geltendmachung eines Anspruchs auf Durchführung eines Asylverfahrens durch die Beklagte § 60 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 3 AufenthG entgegen.

Nach § 60 Abs. 1 S. 3 AufenthG stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft. Von der Prüfung der Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft herausgenommen sind daher die Fälle, in denen bereits im Ausland eine Anerkennung als Flüchtling erfolgt ist. § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG ordnet die entsprechende Geltung des § 60 Abs. 1 S. 3 AufenthG für die Fälle an, in denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde.

Daraus folgt, dass eine Zuerkennung internationalen Schutzes i.S.d. Art. 2 Buchst. b Dublin III-VO i.V.m. Art. 2 Buchst. h RL 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), zur Unzulässigkeit eines (weiteren) Asylverfahrens bzw. eines Verfahrens auf Gewährung internationalen Schutzes durch die Beklagte führt.

In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17.06.2014, 10 C 7.13, juris, ausgeführt (vgl. dazu auch: Anmerkung hierzu von Prof. Dr. Uwe Berlit, Vors. RiBVerwG vom 25.08.2014, juris):

„Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen Staat wirkt zwar völkerrechtlich nicht wie eine Statusentscheidung durch deutsche Behörden und hat in diesem Sinne keine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland (hierzu auch Marx, InfAuslR 2014, 227 <232>). Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1979 - 1 BvR 654/79 - BVerfGE 52, 391 <404>; BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - BVerwG 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <89 f.> = Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 2 S. 4 f.). Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Dieses ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung jedoch nicht vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat aber von der nach Völker- und Unionsrecht fortbestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen (vgl. etwa die diesbezügliche Empfehlung des UNHCR im Beschluss Nr. 12 seines Exekutivkomitees aus dem Jahr 1978). In Deutschland genießen im Ausland anerkannte Flüchtlinge schon seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1990 (dort § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) den gleichen Abschiebungsschutz wie die im Inland anerkannten, ohne dass ein erneutes Anerkennungsverfahren durchgeführt wird. Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (n.F.) ordnet das nationale Recht eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung an (ähnlich Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2011, § 60 Rn. 205.3). Es besteht aber gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG n.F.) oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. Das hat der Senat bereits zu der bis 30. November 2013 geltenden Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 6 AufenthG (a.F.) entschieden (Beschluss vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 10 B 28.10 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 43). Dem entspricht die nunmehr geltende Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Sie ist jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. Denn Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - eröffnet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d.h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie).“

Dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht an. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses, der gesetzessystematischen Auslegung des § 60 Abs. 1, 2 AufenthG sowie der Wertungen, die hinter dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, wie es in den Richtlinien 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) und 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie n.F.) sowie der Dublin-Verordnungen, vgl. u.a. Erwägungsgrund Nr. 2 der Dublin III-VO, zum Ausdruck kommt, stehen, führt eine in einem anderen Mitgliedstaat erlangte Zuerkennung subsidiären Schutzes ebenfalls dazu, dass ein (erneuter) Asylantrag unzulässig ist.

Dass der Verweis in § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG nur die Sätze 3 und 4 des Absatzes 1 - und nicht seinen Satz 2 - umfasst, spricht nicht gegen eine solche Annahme (a.A.: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29.04.2015, A 11 S 57/15, juris). Denn zum einen ist durch den in § 60 Abs. 1 S. 3 AufenthG formulierten Ausschluss der Fälle des Absatzes 1 S. 2 AufenthG („außer in den Fällen des Satzes 2“), lediglich darauf verzichtet worden, den Inhalt dieses Satzes noch einmal zu nennen und damit den Absatz 1 Satz 3 zu unübersichtlich zu gestalten. Durch die o.g. negative Formulierung ist deutlich gemacht worden, dass bei Anwendung des Satzes 3 die Fälle des Satzes 2 - d.h. die Fälle, in denen bereits die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - gerade nicht betroffen sind. Ein Verständnis dahingehend, dass ein Verweis auf Satz 3 ohne (negativen) Bezug auf Satz 2 lediglich die alleinige Anwendbarkeit des Satzes 3, aber nicht der negativen Geltung des Satzes 2, beinhaltet, kann alleine aus gesetzeslogischen Gründen nicht überzeugen. So kann bei dem Verweis aus § 60 Abs. 2 AufenthG in seinen Absatz 1 Satz 3 gerade nicht der Einschub „außer in den Fällen des Satzes 2“ hinweggedacht werden. Eine solche Teilverweisung ist in § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG nicht ansatzweise erkennbar.

Bei einem Verweis auf Satz 3 des Absatzes 1 ist daher nach Auffassung dieses Gerichtes eindeutig auch der Ausschluss der Fälle des Absatzes 1 Satz 2 mit betroffen. Durch die Formulierung „entsprechend“, vgl. § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG, wird auch deutlich, dass § 60 Abs. 1 S. 3 - i.V.m. Satz 2 - und 4 AufenthG dem subsidiären Schutzstatus angepasst werden muss, d.h. dass auch diese Fälle unter diese Regelung fallen sollen.

Dieses Verständnis hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 30.09.2015, 1 B 51/15, juris, Rn. 4, bestätigt. Hier heißt es:

„… Denn das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem im angefochtenen Beschluss zitierten Urteil vom 17. Juni 2014 (10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 30) entschieden, dass ein Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylVfG zuerkannt worden ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht u.a. damit begründet, dass durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens nunmehr auch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG erstreckt worden ist (§ 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG). Damit hat der nationale Gesetzgeber von der von den Mitgliedstaaten in Art. 33 Abs. 2 Buchst. 1 der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d.h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie)…“

In seinem Beschluss vom 23.10.2015, 1 B 41/15, juris, Rn. 11f., weist es jedoch darüber hinaus auf folgendes hin:

„Soweit die Beschwerde im Übrigen hinsichtlich des Umfangs der aus § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzuleitenden Unzulässigkeit eines materiellen Prüfverfahrens darauf hinweist, dass die Ablehnung der Durchführung eines erneuten Asylverfahrens wegen der Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere Art. 33 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) - Asylverfahrensrichtlinie n.F. - entspreche, wonach die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Dublin-Bestimmungen einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten dürfen, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat, übersieht sie die Übergangsregelung in Art. 52 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU. Danach wenden die Mitgliedstaaten die in Umsetzung dieser Richtlinie nach Art. 51 Abs. 1 erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf förmlich gestellte Anträge auf internationalem Schutz nach dem 20. Juli 2015 oder früher an; für vor diesem Datum gestellte Anträge gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften "nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG" (Asylverfahrensrichtlinie a.F.). Zu den dieser Übergangsregelung unterfallenden Bestimmungen zählt auch die Ermächtigung in Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU, die regelt, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Dublin-Verordnungen ein Antrag nicht geprüft wird, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen Unzulässigkeit nicht prüfen müssen. Folglich darf ein - wie hier - vor dem Stichtag (20. Juli 2015) gestellter Asylantrag nur nach Maßgabe der Regelung in Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG als unzulässig betrachtet werden. Nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/85/EG können die Mitgliedstaaten einen Asylantrag wegen Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat aber nur als unzulässig betrachten, wenn der andere Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Daran fehlt es hier. Da es sich bei der den Mitgliedstaaten in Art. 33 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU eingeräumten - und gegenüber der Vorgängerregelung erweiterten - Option um eine den Antragsteller belastende Änderung handelt, ermöglicht auch die Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 der Richtlinie 2013/32/EU keine vorzeitige Anwendung der Änderung auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge. Damit steht im vorliegenden Verfahren Unionsrecht der von der Beklagten angenommenen Auslegung des § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG entgegen, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.“

Dieser Auffassung schließt sich das Gericht ebenfalls an.

Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass der von der Beklagten angenommenen Auslegung des § 60 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 3 und 4 AufenthG der Art. 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG - Asylverfahrensrichtlinie a.F. - entgegensteht. Denn die Kläger haben ihre Asylanträge bei der Beklagten vor dem 20.07.2015, nämlich am 15.09.2014, gestellt.

In dem Falle der Kläger ist auch nicht schon die Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie n.F. - anwendbar, deren Art. 33 Abs. 2 lit. a) der deutsche Gesetzgeber in § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG bereits zum 01.12.2013 umgesetzt hat (vgl. a.A.: VG Stade, Urt. v. 15.12.2015, 4 A 980/15, juris).

Denn die Übergangsregelung in Art. 52 UA 1 RL 2013/32/EU i.V.m. der Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 RL 2013/32/EU regelt, dass die neue Asylverfahrensrichtlinie nur bereits für vor dem 20.07.2015 gestellte Asylanträge gilt, wenn es sich nicht um eine den Antragsteller belastende Änderung handelt. Da der Antragsteller in dem Fall des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.09.2015, 1 B 51/15, lediglich die Gewährung subsidiären Schutz begehrte, konnte bereits das nationale Recht - § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG -, welches die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 lit. a) der neuen Asylverfahrensrichtlinie umsetzt, angewandt werden. Denn für den Antragsteller des Falles, den das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Beschluss vom 30.09.2015 zu entscheiden hatte, ist das Ergebnis bei Anwendung beider Asylverfahrensrichtlinien dasselbe. So wurde der dortige Antragsteller durch die Anwendung der in deutsches Recht umgesetzten neuen Asylverfahrensrichtlinie nicht schlechter gestellt. Denn einen isolierten Antrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus war in der alten Asylverfahrensrichtlinie nicht geregelt.

In dem vorliegenden Fall begehren die Kläger jedoch nicht nur die Gewährung des subsidiären Schutzstatus. Das bedeutet, dass sie durch die Anwendung der neuen Asylverfahrensrichtlinie (Art. 33 Abs. 1, 2 lit. a), umgesetzt durch § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG, schlechter gestellt werden als durch die Regelung in der alten Asylverfahrensrichtlinie (Art. 25 Abs. 1, 2 lit. a), wonach ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt werden kann, wenn ein anderer Mitgliedstaat bei dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft - und nicht internationalen Schutz, d.h. auch die Gewährung subsidiären Schutz - zuerkannt hat.

Dadurch, dass Art. 33 RL 2013/32/EU für den hiesigen Fall keine Anwendung findet, sondern vielmehr Art. 25 RL 2003/85/EG, widerspricht § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG Unionsrecht, mit der Folge, dass die Asylverfahrensrichtlinie a.F. in dem hier vorliegenden Fall unmittelbar anzuwenden ist. Da der hier somit anwendbar Art. 25 RL 2003/85/EG lediglich die Möglichkeit einer Ablehnung als unzulässig in dem Falle einer vorherigen Anerkennung als Flüchtling vorsieht - und eine solche in dem Falle der Kläger nicht vorliegt -, ist die von der Beklagten in ihrem streitgegenständlichen Bescheid in Ziffer 1 vorgenommene Ablehnung der Asylanträge als unzulässig daher rechtswidrig.

Denn es ist auch kein anderer Unzulässigkeitsgrund gegeben. So liegt weder eine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin II- oder III-VO, vgl. Art. 25 Abs. 1 RL 2003/85/EG i.V.m. § 27a AsylG, vor, noch ist ein anderer Unzulässigkeitstatbestand gem. Art. 25 Abs. 2 RL 2003/85/EG erfüllt.

Der Argumentation der Beklagten, dass sie für die Entscheidung über die Anträge der Kläger nicht zuständig sei, folgt die Kammer nicht.

So ist sich die Beklagte zum einen mit den bulgarischen Behörden darüber einig, dass Bulgarien nicht mehr zuständig ist. Die Beklagte lässt vielmehr offen, wer - angenommen, sie sei nicht mehr zuständig - für die von den Klägern gestellten Anträge zuständig sein soll. Zum anderen übersieht die Beklagte, dass - sofern keine abdrängende Zuständigkeit nach den Dublin-Verordnungen gegeben ist und § 27a AsylG Anwendung findet - § 5 AsylG gilt, d.h. sie zuständig ist. Dies ergibt sich zudem aus dem Erwägungsgrund Nr. 53 der RL 2013/32/EU. Das Gericht geht davon aus, dass die Dublin-Verordnungen zur Bestimmung des für die Bearbeitung der (Zweit-) Anträge der Kläger zuständigen Mitgliedstaates nicht anwendbar sind. Dies kann jedoch im Ergebnis dahin stehen, da zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten - Bulgarien und Deutschland - über diesen Punkt jedenfalls Einigkeit besteht. Damit könnten sich die Kläger hierauf auch nicht berufen, da kein subjektiv-öffentliches Recht verletzt ist, wenn Einigkeit darüber besteht, dass zumindest Bulgarien nicht - mehr - zuständig ist (EuGH, Urteile vom 10.12.2013 –Abdullahi gegen Bundesasylamt, C-394/12 – und vom 14.11.2013 – Bundesrepublik Deutschland gegen Puid - C 4/11 –; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 – 10 B 6/14 -; juris Rn. 5 – 7, Berlit, jurPR-BVerwG 12/14 Anmerkung 3 vom 16.06.2014 zu BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 – juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.11.2014 – 13 LA 66/14 -).

Das Gericht hält die Beklagte vielmehr für die Bearbeitung der bei ihr von den Klägern gestellten Asylanträge als Zweitanträge gem. § 71a AsylG zuständig.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 71a AsylG ist zunächst, dass ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a) vorliegt und der Ausländer im Bundesgebiet einen weiteren Asylantrag stellt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren erfüllt. Insbesondere liegt auch ein zumindest teilweise erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens der Kläger im Bulgarien vor, denn ihr Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft war nicht erfolgreich. Davon geht im Übrigen auch die Beklagte aus, vgl. Bl. 4 Abs. 1 ihres Schriftsatzes vom 08.12.2015.

Da die Beklagte auch - wie zuvor festgestellt - für die Bearbeitung der bei ihr gestellten Anträge der Kläger zuständig ist, hätte sie ein weiteres Asylverfahren gem. § 71a AsylG durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen.

Ob diese Voraussetzungen zum Wiederaufgreifen vorliegen, hat die Beklagte bisher nicht geprüft. Die beabsichtigte Umdeutung der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides in eine Ablehnung eines Zweitantrages ist rechtswidrig. Denn hierdurch erhält Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides eine neue Qualität.

Ein fehlerhafter - rechtswidriger oder nichtiger - Verwaltungsakt kann gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter diesen Voraussetzungen sogar die Verwaltungsgerichte im Gerichtsverfahren ermächtigt, fehlerhafte Verwaltungsakte umzudeuten (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.1999 – 9 C 16/99 -, BVerwGE 110, 111; InfAuslR 2000, 125 zur Umdeutung eines asylrechtlichen Widerrufs in eine Rücknahme ; Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35> unter Hinweis auf BVerwGE 80, 96; ferner BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1993 - BVerwG 7 B 107.92 - Buchholz 316 § 45 VwVfG Nr. 23 = NVwZ 1993, 976; Beschluss vom 30. Januar 1992 - BVerwG 2 CB 15.90 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 56; Beschluss vom 1. Juli 1983 - BVerwG 2 B 176.81 - Buchholz 316 § 47 VwVfG Nr. 4 = NVwZ 1984, 645 und Urteil vom 10. Juni 1981 - BVerwG 8 C 15.81 - BVerwGE 62, 300, 306).

Außerdem dürfen die Rechtsfolgen für den Betroffenen nicht ungünstiger sein (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG).

Das ist hier nicht der Fall.

Denn die Ablehnung als „unzulässig“ ist qualitativ nicht mit der Prüfung eines Zweitantrages gem. § 71a Abs. 1 AsylG zu vergleichen. Denn dort muss festgestellt werden, ob seit der Beendigung des Asylverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eingetreten sind, es muss damit eine Beurteilung des inhaltlichen Vortrags des Asylbewerbers erfolgen. Eine inhaltliche Ablehnung des Asylbegehrens würde ganz andere Rechtswirkungen enthalten, die in dem ursprünglichen Ausgangsbescheid keine Rolle gespielt haben und somit auch darin nicht enthalten waren. Deshalb scheitert die von der Beklagten vorgenommenen Umdeutung der Ziffer 1 des Bescheides bereits an der Zielgleichheit des Umdeutungsergebnisses (vgl. zur fehlenden Möglichkeit einer Umdeutung in eine Entscheidung über einen Zweitantrag: BVerwG, Urt. v. 16.11.2015, 1 C 4.15, juris-Nachricht bzw. Pressemitteilung; Nds. OVG, Beschl. v. 05.10.2015, 8 LA 115/15, juris).

Die Beklagte ist daher verpflichtet, die Kläger gem. § 71a AsylG im Hinblick auf mögliche Wiederaufgreifensgründe gem. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG anzuhören bzw. eine Feststellung gem. § 71a Abs. 2 S. 2 AsylG zu treffen.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Kläger bisher von sich aus keine Umstände vorgebracht haben, die erst nach Beendigung ihres Asylverfahrens in Bulgarien eingetreten sind und eine über den ihnen dort gewährten subsidiären Schutzstatus hinausgehende Flüchtlingsanerkennung rechtfertigen würden. Eine solche inhaltliche Entscheidung über das Vorliegen möglicher Wiederaufgreifensgründe ist jedoch von der Beklagten - grundsätzlich nach Anhörung der Kläger, s.o. - noch zu treffen und ist gerade nicht in die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides hinein zu lesen.

Nach möglicherweise negativer Prüfung des Zweitantrages gem. § 71a AsylG stehen der Beklagten gem. § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. §§ 34 bis 36 AsylG aufenthaltsbeendende Maßnahmen zur Verfügung.

Da die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides rechtswidrig und daher aufzuheben war, entfällt die Grundlage der Ziffer 2, der Abschiebungsandrohung nach § 34a AsylG hinsichtlich Bulgariens. Die Beklagte ist vor Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen vielmehr zunächst verpflichtet, über den offenen Zweitantrag der Kläger zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 83 b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.