Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 10.12.2015, Az.: 4 A 253/14

Anspruchsberechtigung; Arbeitnehmer; Arbeitnehmereigenschaft; Arbeitsvertrag; Ausbildungsförderung; BAföG; Freizügigkeitsrichtlinie; norminterpretierende Verwaltungsvorschrift; Richtlinie; Selbständigeneigenschaft; Unionsbürger; unmittelbare Anwendung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
10.12.2015
Aktenzeichen
4 A 253/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45130
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Anspruch eines Unionsbürgers auf Ausbildungsförderung für die Zeit bis zum 31. Dezember 2014 kann grundsätzlich dann auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG (ABl. L 158, 30.4.2004, p.77), geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlament und des Rates vom 5. April 2011 (ABl. L 141, 27. Mai 2011) gestützt werden, wenn der Unionsbürger neben seiner Ausbildung einer tatsächlichen und echten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachgeht, die geeignet ist, ihm die Eigenschaft eines "Arbeitnehmers" im Sinne von Art. 45 AEUV zu verleihen.
2. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG liegen vor, da der Bundesgesetzgeber die Richtlinie nicht - wie geregelt - bis zum 30. April 2006, sondern erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2015 durch die Änderung des § 8 BAföG in nationales Recht umgesetzt hat.
3. Für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft ist der - weit auszulegende - gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerbegriff maßgeblich. Dabei sind nicht nur Aspekte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung eines Tarifvertrages sowie der Umstand, dass ein Arbeitsverhältnis für längere Zeit mit einem Unternehmen bestanden hat (vgl. EuGH, Urteil vom 04. Februar 2010 - C 14/09 -, juris).
4. Zur Anwendbarkeit des Erlasses des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 09. Januar 2015 bei der Prüfung der Voraussetzungen eines BAföG Anspruches eines Unionsbürgers für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 (Feststellung der Arbeitnehmer oder Selbständigeneigenschaft).

Tatbestand:

Die am 2. April 1991 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten Ausbildungsförderungsleistungen.

Sie ist bulgarische Staatsangehörige. Sie legte ihr Abitur im Juli 2009 in Bulgarien ab. Am 12. November 2013 reiste sie in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seit November 2013 hatte sie einen Nebenjob als Ballett-Lehrerin und verdiente 160,00 € monatlich. Von Mai 2014 bis Juli 2014 war sie zusätzlich in einem Logistikunternehmen als Aushilfe beschäftigt und verdiente 457,00 € monatlich. Darüber hinaus hatte sie von Mai 2014 bis September 2014 einen Aushilfsjob im D. und erhielt hierfür monatlich 120,00 €.

Ab dem 10. Juli 2014 - bis zum 28. Februar 2015 - war sie darüber hinaus bei der E. angestellt und arbeitete als Fitnesstrainerin in einem Fitnessstudio in A-Stadt. In dem am 15. Juli sowie 15. August 2014 unterschriebenen Arbeitsvertrag, wurde in § 2 geregelt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit circa 11 Stunden betrage. Die Arbeitgeberin sei berechtigt, die konkreten Arbeitszeiten des Arbeitnehmers festzulegen und wegen betrieblicher Belastungen auch abzuändern, soweit dies durch Gesetz gestattet sei. Als Vergütung vereinbarte die Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin in § 3 des Arbeitsvertrages einen Stundenlohn in Höhe von 8 € brutto, zuzüglich Nachtzuschlag. In § 7 des Arbeitsvertrages verständigten sich die Arbeitgeberin und die Klägerin darauf, dass diese Urlaub auf der Grundlage einer 5-Tage-Woche bei Vollzeit in Höhe des gesetzlichen Urlaubsanspruchs (20 Tage) erhalte. In § 8 des Arbeitsvertrages wurde die Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitsverhinderung angesprochen. Dort heißt es:

„Ist der Arbeitnehmer infolge unverschuldeter Krankheit arbeitsunfähig, erhält er Entgeltfortzahlung bis zu einer Dauer von sechs Wochen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, der Arbeitgeberin die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen.

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Die Arbeitgeberin ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.“

Des Weiteren ist in § 10 des Arbeitsvertrages vereinbart worden, dass die Klägerin jede Nebentätigkeit der Arbeitgeberin schriftlich anzuzeigen habe und dass diese vor ihrer Aufnahme der schriftlichen Zustimmung der Arbeitgeberin bedürfe, soweit sie geeignet sei, die Interessen der Arbeitgeberin zu beeinträchtigen.

Die Klägerin erhielt von der E. vom 10. Juli 2014 bis Ende November 2014 insgesamt eine Vergütung in Höhe von 1.473,92 €. Im Dezember 2014 verdiente sie bei der F. insgesamt ca. 335,00 € und im Januar 2015 insgesamt 192,02 €. Im Februar 2015 erhielt sie von ihrer Arbeitgeberin eine Abfindung in Höhe von 740,00 €.

Bereits zuvor, nämlich am 1. Oktober 2014 nahm die Klägerin an der Universität Osnabrück den 2-Fächer Bachelor-Studiengang Informatik und Anglistik auf. Sie beantragte am 8. September 2014 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 lehnte das im Auftrag der Beklagten handelnde Studentenwerk A-Stadt den Antrag auf Ausbildungsförderung für ihr aufgenommenes Bachelor-Studium ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:

Ein Anspruch auf Förderung sei nicht gegeben, da die persönlichen Voraussetzungen nach § 8 BAföG nicht vorlägen. Nach dieser Vorschrift sei die Förderung für Ausländer nur im Ausnahmefall möglich. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 dieses Gesetzes werde Ausbildungsförderung für Unionsbürger geleistet, die ein Recht auf Daueraufenthalt hätten. Ein Recht auf Daueraufenthalt hätten Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätten. Diese Voraussetzungen hätten bei der Klägerin nicht vorgelegen. Auch sei nicht ersichtlich, dass eine der weiteren Ausnahmevoraussetzungen des § 8 BAföG einschlägig sei.

Mit einem Schreiben vom 14. November 2014 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Sie wies darauf hin, sie sei als Ballett-Lehrerin in einem Nebenjob tätig und erziele ein monatliches Einkommen in Höhe von 120,00 €. Sie sei daher auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz angewiesen.

Das im Auftrag der Beklagten handelnde Studentenwerk A-Stadt wies die Klägerin mit Schreiben vom 19. November 2014 darauf hin, dass eine andere Entscheidung nicht möglich sei. Nach Auskunft der zuständigen Ausländerbehörde habe die Klägerin nämlich kein Recht auf Daueraufenthalt. Aus diesen Gründen lägen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 BAföG nicht vor, wonach Ausbildungsförderung an Unionsbürger geleistet werde, die insbesondere ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes/EU besäßen.

Die Klägerin hat am 27. November 2014 Klage erhoben.

Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend:

Die ablehnende Entscheidung sei zu beanstanden, da in ihrem Fall die Voraussetzungen des § 8 BAföG vorlägen. Sie sei Unionsbürgerin und habe ihren dauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus erziele sie Nebeneinkünfte in Höhe von circa 300 € monatlich. Da sie ihren Lebensunterhalt aufgrund von Nebeneinkünften nicht sicherstellen könne, sei sie auf die Gewährung von Ausbildungsförderung angewiesen. Sie habe auch nach der Gesetzesänderung, die am 1. Januar 2015 in Kraft getreten sei, einen Anspruch auf Ausbildungsförderung. Sie habe nämlich ein Arbeitsverhältnis vor der Antragstellung mindestens zehn Wochen ausgeübt. Es sei zu berücksichtigen, dass sie seit dem 10. Juli 2014 bei der Firma F. gearbeitet habe und das Arbeitsverhältnis noch fortbestehe. Sie habe sich gegen die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht gewehrt. Gegen die G. sei am 6. Februar 2015 ein Versäumnisurteil erlassen worden. Mit diesem sei die G. verurteilt worden, sie weiterhin zu beschäftigen. Nach der Auflösung dieses Vertrages habe sie in A-Stadt zum 1. März 2015 ein Tanzstudio eröffnet, das sie alleine betreibe. Hierfür habe sie Räumlichkeiten angemietet, die sie Mitte April 2015 übernommen und anschließend renoviert habe. Der Betrieb in ihrem Tanzstudio habe am 1. Mai 2015 begonnen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihr vom 1. Oktober 2014 bis zum 30. September 2015 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu gewähren und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Bescheides vom 19. November 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Klagebegehren entgegen und macht im Wesentlichen geltend:

Die Klägerin habe in keinem Fall einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für die Zeit bis zum 31. Dezember 2014. Insbesondere könne sie sich nicht erfolgreich auf die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung berufen. Danach sei Ausbildungsförderung zu leisten für Ehegatten oder Lebenspartner und Kindern von Unionsbürgern, die unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt seien oder denen diese Rechte als Kinder nur deshalb nicht zustünden, weil sie 21 Jahre oder älter seien und von ihren Eltern oder deren Ehegatten oder Lebenspartner keinen Unterhalt erhielten. Da die Klägerin nicht verheiratet sei und die Eltern weiterhin in Bulgarien lebten, komme eine Förderung nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG nicht in Betracht. Es lägen auch die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 BAföG nicht vor, da die Klägerin vor Beginn des Studiums als Fitness- bzw. Ballett-Trainerin, Thekenkraft und Aushilfe in einem Logistikunternehmen gearbeitet habe und diese Beschäftigungen nicht in einem inhaltlichen Zusammenhang mit ihrem Studium stünden. Die Klägerin habe auch nach der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2015 keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz. Insoweit sei ein Einführungsrundschreiben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum 25. Änderungsgesetz des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 09. Januar 2015 in den Blick zu nehmen. Aus dem Rundschreiben ergebe sich, dass eine Arbeitnehmertätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG vorliege, wenn die tatsächliche und echte Tätigkeit im Inland in hinreichendem Umfang ausgeübt werde. Dies sei regelmäßig zu bejahen, wenn die Mindestwochenarbeitszeit 12 Stunden im Monatsdurchschnitt betrage und bei der erstmaligen BAföG-Antragstellung das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis mindestens 10 Wochen bestehe. Diese Voraussetzungen lägen im Fall der Klägerin nicht vor. Ihre Tätigkeit in dem Logistikunternehmen habe sie im Juli 2014 und ihre Beschäftigung als Thekenkraft im September 2014 beendet. Diese beiden Erwerbstätigkeiten könnten daher bei der Bewertung der Arbeitnehmertätigkeit nicht berücksichtigt werden, da sie bereits vor Beginn der Antragstellung beendet worden seien. Eine Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin ließe sich auch nicht mit ihrer, seit dem 10. Juli 2014 bei der Firma Fit X andauernder Beschäftigung begründen. Zu dem Zeitpunkt der erstmaligen BAföG-Antragstellung am 8. September 2014 habe das Arbeitsverhältnis noch keine 10 Wochen bestanden und könne daher keine Berücksichtigung finden. Darüber hinaus sei die Klägerin seit November 2013 bei einem Osnabrücker Sportclub tätig. Hier arbeite sie laut ihrer Auskunft zwei Stunden die Woche. Da diese Tätigkeit nur zwei Stunden in der Woche umfasse, stelle sie ebenfalls keine Tätigkeit dar, die in hinreichendem Umfang ausgeübt worden sei, sodass auch aus dieser Tätigkeit keine Arbeitnehmereigenschaft hergeleitet werden könne. Sollte die Tätigkeit der Klägerin als Thekenkraft erst nach der Antragstellung am 8. September 2014 aufgegeben worden sein, könne aus dieser trotzdem keine Arbeitnehmereigenschaft hergeleitet werden, da die Klägerin aus dieser Beschäftigung lediglich 120,00 € monatlich erhalten habe und somit davon auszugehen sei, dass sie nicht in hinreichendem Umfang ausgeübt worden sei. Schließlich sei - was die Gesetzesänderung zum 1. Januar 2015 betreffe - darauf hinzuweisen, dass gemäß § 50 Abs. 3 BAföG über Ausbildungsförderung in der Regel für ein Jahr (Bewilligungszeitraum) entschieden werde. Der ablehnende Bescheid vom 30. Oktober 2014 betreffe den Bewilligungszeitraum Oktober 2014 bis September 2015. In diesem Zeitraum könne daher nicht erneut beschieden werden. Ein „Hineinwachsen“ in die Arbeitnehmereigenschaft während eines Bewilligungszeitraums sei nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2014, in Gestalt des Bescheids vom 19. November 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die von ihr beantragten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (§ 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Was den geltend gemachten Anspruch der Klägerin für den gesamten Bewilligungszeitraum angeht, ist zwischen den Beteiligten einzig die Frage streitig, ob die Klägerin persönlich anspruchsberechtigt ist.

Die Klägerin hat als Unionsbürgerin - die Republik Bulgarien ist seit dem 1. Januar 2007 Mitglied der Europäischen Union - zunächst aufgrund einer unmittelbaren Anwendung von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG einen Anspruch auf Ausbildungsförderung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2014 (1). Für den nachfolgenden Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 30. September 2015 lässt sich der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Ausbildungsförderung auf die Grundsätze des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I Seite 1952; 2012 I Seite 197), mit zu berücksichtigender Änderung durch das fünfundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des BAföG (25. BAföGÄndG) vom 23. Dezember 2014 (BGBl I 2014, 2475) und für die Zeit ab 1. August 2015 mit letzter zu berücksichtigender Änderung durch Gesetz vom 27. Juli 2015 (BGBl I 2015, 1386) stützen (2).

1) Für den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Ausbildungsförderung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2014 findet das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952; 2012 I S. 197), mit hier letzter zu berücksichtigender Änderung durch das Gesetz vom 29. August 2013 (BGBl I 2013, 3484) keine Anwendung. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem BAföG liegen insoweit nicht vor, da die Klägerin die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt.

Sie hat zunächst keinen Anspruch nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 BAföG in der genannten Fassung. Nach dieser Vorschrift wird Unionsbürgern Ausbildungsförderung geleistet, die ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes/EU besitzen sowie anderen Ausländern, die eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen.

Die Klägerin hat kein Recht auf Daueraufenthalt nach § 4a Abs. 1 oder Abs. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU). Da sich die Klägerin - auf den Zeitraum vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2014 abstellend - keine drei Jahre ständig im Bundesgebiet aufgehalten hat, liegen weder die Grundvoraussetzungen von § 4a Abs. 1 FreizügG/EU - ständiger Aufenthalt mindestens fünf Jahre - noch von § 4a Abs. 2 FreizügG/EU - ständiger Aufenthalt mindestens drei Jahre - vor. Die Klägerin ist nämlich erstmalig am 12. November 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat sich damit erst ca. ein Jahr ständig im Bundesgebiet aufgehalten. Ein Daueraufenthaltsrecht kann die Klägerin auch nicht aus § 4a Abs. 2 Ziffer 2 FreizügG/EU herleiten, da sie eine vermeintliche Erwerbstätigkeit nicht infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben hat.

Die Klägerin erfüllt auch nicht die persönlichen Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung. Nach dieser Vorschrift wird Ausbildungsförderung geleistet für Ehegatten oder Lebenspartnern und Kindern von Unionsbürgern, die unter den Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 und 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind oder denen diese Rechte als Kinder nur deshalb nicht zustehen, weil sie 21 Jahre oder älter sind und von ihren Eltern oder deren Ehegatten oder Lebenspartnern keinen Unterhalt erhalten. Diese Anforderungen sind nicht gegeben, da die Klägerin nicht verheiratet ist und ihre Eltern - soweit ersichtlich - nicht in der Bundesrepublik Deutschland leben.

Schließlich führt auch § 8 Abs. 1 Nr. 4 BAföG nicht zu einer Anspruchsberechtigung der Klägerin. Danach wird Ausbildungsförderung geleistet für Unionsbürger, die vor dem Beginn der Ausbildung im Inland in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden haben, dessen Gegenstand mit dem der Ausbildung in inhaltlichem Zusammenhang steht.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den verschiedenen Aushilfstätigkeiten der Klägerin vor Beginn des Studiums - Fitness- und Balletttraining, Aushilfstätigkeit in einem Logistikunternehmen, Thekenkraft - und dem 2 Fächer Bachelor Studiengang Informatik und Anglistik offensichtlich nicht besteht und von der Klägerin auch nicht behauptet wird.

Der Anspruch der Klägerin auf Ausbildungsförderung für den in Rede stehenden Zeitraum kann jedoch auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG (ABl. L 158, 30.4.2004, p.77), geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlament und des Rates vom 5. April 2011 (ABl. L 141, 27. Mai 2011) gestützt werden.

Nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrages die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Dabei legt Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie fest, dass abweichend von Absatz 1 der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet ist, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Zum Verständnis der Richtlinie 2004/38/EG bezüglich Unionsbürgern, die als Arbeitnehmer oder Selbständige vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen begehren, hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 21. Februar 2013 (Rs C-46/12) auszugsweise ausgeführt:

„Die Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG sind dahin auszulegen, dass einem Unionsbürger, der in einem Aufnahmemitgliedstaat eine Ausbildung absolviert und dort daneben einer tatsächlichen und echten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachgeht, die geeignet ist, ihm die Eigenschaft eines „Arbeitnehmers“ im Sinne von Art. 45 AEUV zu verleihen, eine Ausbildungsförderung, die den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gewährt wird, nicht versagt werden darf. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, die tatsächlichen Prüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der Frage bedarf, ob die Tätigkeiten des Klägers des Ausgangsverfahrens im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausreichen, um ihm diese Eigenschaft zu verleihen. Der Umstand, dass der Betroffene in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats hauptsächlich zu dem Zweck eingereist ist, dort seine Ausbildung zu absolvieren, ist für die Bestimmung, ob er „Arbeitnehmer“ im Sinne von Art. 45 AEUV ist und damit gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft Anspruch auf diese Förderung unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats hat, unerheblich.“

Hiervon ausgehend nimmt die erkennende Kammer an, dass mit Blick auf die Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG einem Unionsbürger, der in der Bundesrepublik Deutschland ein Studium aufgenommen hat und dort daneben einer tatsächlichen sowie echten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachgeht, die geeignet ist, ihm die Eigenschaft eines „Arbeitnehmers“ im Sinne von Art. 45 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu verleihen, eine Ausbildungsförderung, die Deutschen gewährt wird, nicht versagt werden darf. Einem Unionsbürger ist damit bei Vorliegen der dargelegten Voraussetzungen wie einem deutschen Staatsangehörigen eine Ausbildungsförderung nach dem BAföG zu gewähren.

Mangels einer entsprechenden Regelung im Bundesausbildungsförderungsgesetz kommt hier Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG unmittelbar zur Anwendung. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung der unionsrechtlichen Regelung liegen vor. Eine Richtlinie erwächst in unmittelbare Anwendung, wenn diese nicht fristgerecht und nicht vollständig umgesetzt wurde, und wenn die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, sodass sich der Einzelne gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen in all den Fällen berufen kann (EuGH, Urteil vom 20. September 1988 - Rs. C-31/87 -, juris; EuGH, Urteil vom 24. September 1998 - Rs. C-76/97 -, juris).

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die in Rede stehende Richtlinie 2004/38/EG wäre nach ihrem Art. 40 Abs. 1 i.V.m. Art. 41 bis zum 30. April 2006 in nationales Recht umzusetzen gewesen. Dies ist nicht geschehen. Der Bundesgesetzgeber hat - soweit hier von Relevanz - das BAföG erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2015 geändert und Abs. 1 des § 8 BAföG entsprechend mit der gegenwärtigen Regelung der Nr. 3 dieser Vorschrift ergänzt und damit die Richtlinie 2004/38/EG in der Sache in nationales Recht umgesetzt.

Darüber hinaus sind die hier einschlägigen Bestimmungen in der Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau. Eine Gemeinschaftsbestimmung ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung begründet, die weder an eine Bedingung geknüpft ist, noch zu ihrer Erfüllung und Wirksamkeit einer Maßnahme der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf (vgl. EuGH, Urteil vom 23. Februar 1994 - Rs C-236/92 -. juris, mit Veröffentlichungshinweis auf NVwZ 1994, 885). Eine Bestimmung ist außerdem hinreichend genau, um von einem Einzelnen herangezogen und vom Gericht angewandt zu werden, wenn sie unzweideutig eine Verpflichtung begründet (vgl. EuGH, Urteil vom 23. Februar 1994, a.a.O.; EuGH, Urteil vom 26. Februar 1986 - 152/84 -, juris).

An diesen Vorgaben gemessen handelt es sich bei Art. 24 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38/EG um eine Bestimmung, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist (vgl. auch OVG Bautzen, Beschluss vom 2. Oktober 2006 - 5 E 100/06 -, V.n.b.). Mit Blick auf die vom EuGH in seinem Urteil vom 21. Februar 2013 (Rs C-46/12) vorgenommene Auslegung lässt sich feststellen, dass die Regelung eine Verpflichtung begründet, die weder an eine Bedingung geknüpft ist noch zu ihrer Erfüllung und Wirksamkeit einer Maßnahme der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf. Da sie darüber hinaus unzweideutig eine Verpflichtung - nämlich die Gewährung von Ausbildungsförderung an Unionsbürger, die die Eigenschaft eines Arbeitnehmers erfüllen - zumindest mittelbar begründet, entfaltet § 24 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38/EG unmittelbare Wirkung.

Die Klägerin erfüllt für den in Rede stehenden Zeitraum vom Oktober 2014 bis Dezember 2014 die Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie. Sie hat insoweit in hinreichendem Umfang dargelegt, dass sie die Eigenschaft eines „Arbeitnehmers“ im Sinne von Art. 45 AEUV erfüllt.

Maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft ist insoweit der - weit auszulegende - gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerbegriff (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. August 2012 - L 13 AS 2750/12 -, juris, unter Verweis auf BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R -, juris). Nach der Rechtsprechung des EuGH fällt jeder Arbeitnehmer, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, mit Ausnahme derjenigen Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt, unter die Vorschriften über die Freizügigkeit (EuGH, Urteile vom 23. März 1982 - C-53/81 -, juris; vom 26. Februar 1992 - C-357/89 -, juris; vom 23. März 2004 - C-138/02 -, juris; vom 18. Juli 2007 - C-213/05; vom 04. Juni 2009 - C-22/08, C-23/08 -, juris, und vom 04. Februar 2010 - C-14/09 -, juris). Den Entscheidungen des EuGH lässt sich allerdings keine bestimmte Grenze in Bezug auf Einkommen und Arbeitszeit entnehmen, unterhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft verneint werden muss. Der EuGH hat stets deutlich gemacht, dass eine vorzunehmende Würdigung der Gesamtumstände letztlich den Gerichten der Mitgliedstaaten vorbehalten bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 04. Februar 2010, a.a.O.). Er selbst hat die unionsrechtlich autonom zu definierende Arbeitnehmereigenschaft eines Musiklehrers mit zwölf Wochenstunden Unterricht (Urteil vom 3. Juni 1986 - C-139/85 -, juris) sowie die einer Studienreferendarin mit bis zu 11 Wochenstunden (Urteil vom 3. Juli 1986 - C-66/85 -, juris) bejaht. In weiteren Verfahren widersprach der Gerichtshof bei Feststellung einer wöchentlichen Arbeitszeit, die zwischen 10 und 25 Stunden lag, nicht der Annahme, dass die Ausübung solcher - in zeitlicher Hinsicht eingeschränkter - Tätigkeiten die Arbeitnehmereigenschaft rechtfertigt (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - C-294/06 -, juris; Urteil vom 14. Dezember 1995 - C-444/93 -, juris; Urteil vom 13. Juli 1989 - 171/88 -, juris).

Auch in der nationalen Rechtsprechung finden sich einzelne Entscheidungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des die Freizügigkeit begründenden Unionsrechts begründet wird. So wurden beispielsweise eine Tätigkeit von 5,5 Wochenstunden und später 36 Monatsstunden, sowie ein Entgelt von 154,00 € und danach 252,00 € (OVG Bremen, Urteil vom 28. September 2010 - 1 A 116/09 -, juris), eine Wochenarbeitszeit von 7,5 Stunden und ein Lohn von 650 DM in 1997 (VG München, Urteil vom 2. Februar 1999 - M 21 K 98.750 -, InfAuslR 1999, 223 [BSG 15.10.1998 - B 14 KG 19/97 R]) bzw. eine Wochenarbeitszeit von 7,5 Stunden und ein Lohn von 100,00 € (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R -, juris) sowie eine Wochenarbeitszeit von 5,5 Stunden und ein Lohn von 175,00 € (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. März 2011 - OVG 12 B 15.10) als (gerade noch) ausreichend, dagegen eine Arbeitszeit von drei bis vier Stunden an einem Arbeitstag pro Woche „zu einem völlig belanglosen Entgelt“ (VG München, Urteil vom 2. Februar 1999 - M 21 K 98.750 -, juris) als völlig unwesentlich angesehen.

Weder den Entscheidungen des EuGH, noch den - auf das Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des die Freizügigkeit begründenden Unionsrechts eingehenden - Urteilen des Bundessozialgerichts oder der anderen nationalen Gerichte lässt sich folglich eine bestimmte Grenze in Bezug auf Einkommen oder Arbeitszeit entnehmen, oberhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft bejaht bzw. unterhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft verneint werden muss. Letztlich besteht das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Aufgabe der innerstaatlichen Gerichte ist es, die Tatsachen zu ermitteln, die für die Feststellung erforderlich sind, ob der Betroffene als Arbeitnehmer im Sinne dieser Rechtsprechung angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1992 - C-357/89 -, juris). Dabei ist die Dauer der verrichteten Tätigkeit ein Gesichtspunkt, der bei der Beurteilung, ob es sich um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt, berücksichtigt werden kann (EuGH Urteil vom 26. Februar1992, a.a.O.).

Bei der Höhe des Verdienstes ist unbeachtlich, ob der Verdienst zur Deckung des Existenzminimums im jeweiligen Mitgliedsstaat ausreicht oder ob der Arbeitnehmer die Einkünfte durch andere Einkünfte - auch durch aus öffentlichen Mitteln gezahlte finanzielle Unterstützung - bis zu diesem ergänzt (vgl. EuGH, Urteil vom 04. Juni 2009 - C-22/08, C-23/08 -, juris).

Allerdings sind bei der Gesamtbewertung nicht nur Aspekte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung eines Tarifvertrages sowie der Umstand, dass ein Arbeitsverhältnis für längere Zeit mit einem Unternehmen bestanden hat (vgl. EuGH, Urteil vom 04. Februar 2010 - C-14/09 -, juris).

An diesen Vorgaben gemessen handelt es sich bei der ab dem 10. Juli 2014 bei der G. erfolgten Beschäftigung der Klägerin um eine solche, die die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 45 AEUV, auf dessen Anforderungen nach Art. 24 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38/EG abzustellen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Februar 2013, a.a.O.), begründet. Im Rahmen der Gesamtbewertung spricht maßgeblich für die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft, dass der von der Klägerin vorgelegte Arbeitsvertrag vom Juli/August 2014, den sie mit der H. geschlossen hatte, nicht nur eine konkrete Arbeitszeit, nämlich eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von circa 11 Stunden, sondern darüber hinaus auch die Vergütung - in Höhe von 8,00 € brutto pro Stunde zuzüglich Nachtzuschlag - regelte. Bei einer Zusammenschau aller Umstände sprechen weitere Regelungen des von der Klägerin geschlossenen Arbeitsvertrages maßgeblich für die Bejahung einer Arbeitnehmereigenschaft. Der Arbeitsvertrag enthielt nämlich die ein Arbeitsverhältnis in besonderer Weise prägende Regelung, wonach der Klägerin ein Urlaubsanspruch einräumt wurde (§ 7 des Arbeitsvertrages). Diese vertragliche Bestimmung sah vor, dass die Klägerin auf der Grundlage einer fünf-Tage-Woche bei Vollzeit in Höhe des gesetzlichen Urlaubsanspruchs (20 Tage) Urlaub erhält. Darüber hinaus wurde im Arbeitsvertrag auch die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geregelt. Nach § 8 des Vertrages hatte die Klägerin einen Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung bis zu einer Dauer von sechs Wochen, sofern sie infolge unverschuldeter Krankheit arbeitsunfähig geworden ist. Schließlich wird die für ein Arbeitnehmerverhältnis prägende Weisungsabhängigkeit durch die weitere Klausel im Arbeitsvertrag (§ 10 des Vertrages) dokumentiert, dass die Klägerin jede Nebentätigkeit der Arbeitgeberin schriftlich anzuzeigen hatte und dass diese vor ihrer Aufnahme der schriftlichen Zustimmung der Arbeitgeberin bedurfte, soweit sie geeignet ist, die Interessen der Arbeitgeberin zu beeinträchtigen.

Bei einer Gesamtbewertung aller genannten Umstände geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin in dem - hier zunächst in den Blick genommenen - Zeitraum vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2014 als Arbeitnehmerin im Sinne der der Richtlinie 2004/38/EG anzusehen ist und angesichts ihrer persönlichen Anspruchsberechtigung gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem BAföG in gesetzlicher Höhe hat.

2) Die Bejahung der Anspruchsberechtigung der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Januar bis zum 30. September 2015 lässt sich auf § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I Seite 1952; 2012 I Seite 197), mit zu berücksichtigender Änderung durch das fünfundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des BAföG (25. BAföGÄndG) vom 23. Dezember 2014 (BGBl I 2014, 2475) und für die Zeit ab 1. August 2015 mit letzter zu berücksichtigender Änderung durch Gesetz vom 27. Juli 2015 (BGBl I 2015, 1386) stützen. Nach dieser Vorschrift wird Ausbildungsförderung Unionsbürgern geleistet, die nach § 2 Abs. 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU als Arbeitnehmer oder Selbständige unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind, sowie deren Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern, die unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und 4 FreizügG/EU unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind oder denen diese Rechte als Kinder nur deshalb nicht zustehen, weil sie 21 Jahre oder älter sind und von ihren Eltern oder deren Ehegatten oder Lebenspartnern keinen Unterhalt erhalten.

Hieran gemessen liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Ausbildungsförderung für den Zeitraum vom 01. Januar 2015 bis zum 30. September 2015 vor.

Der Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für diesen Zeitraum steht nicht maßgeblich entgegen, dass die anspruchsbegründenden Voraussetzungen erst durch eine Gesetzesänderung während des Bewilligungszeitraums - dem fünfundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des BAföG (25. BAföGÄndG) vom 23. Dezember 2014 - entstanden sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der gesamten Sach- und Rechtslage ist nämlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da es sich um eine Verpflichtungsklage handelt (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 22. September 2015 - Au 3 K 15.1008 -, juris). Aus materiell-rechtlichen Bestimmungen ergibt sich vorliegend nichts Abweichendes. Das bedeutet, dass das Gericht bei der Entscheidungsfindung insbesondere alle Gesetzesänderungen, die nach Bescheiderlass erfolgt sind, sowie nachfolgende Veränderungen in der Sachlage zu berücksichtigen hat. Eine - zu Gunsten eines Auszubildenden erfolgte - Gesetzesänderung muss im Ergebnis nicht in jedem Fall zu Lasten der Beklagten gehen. Es besteht nämlich für die Beklagte die Möglichkeit, auf die neue Gesetzeslage zu reagieren und diese in einem etwaigen Änderungsbescheid zu berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht würde in diesem Falle gegebenenfalls eine Kostenentscheidung nach Hauptsacheerledigung treffen und diese Entscheidung danach ausrichten, wer von den Beteiligten ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses - Gesetzesänderung - voraussichtlich im Verfahren unterlegen wäre.

Für den Zeitraum von Januar 2015 bis Februar 2015 liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem BAföG in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung vor, da sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des 25. BAföGÄndG und damit in den Monaten Januar 2015 und Februar 2015 angesichts ihres Arbeitsverhältnisses bei der H. (a) und vom März 2015 bis zum September 2015 wegen des Betreibens eines Fitnessstudios und Einzelhandels (b) jeweils die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.

a) Für den zuerst genannten Zeitraum hat die Klägerin gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG einen Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung, weil sie in diesem Zeitraum nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU als Arbeitnehmerin unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt war.

Entgegen der sinngemäß geäußerten, auf einen Erlass des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 09. Januar 2015 gestützten Auffassung der Beklagten kommt es für die Bejahung eines BAföG-Anspruches nicht darauf an, dass die EU- Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG bereits „bei der erstmaligen BAföG -Antragstellung“ - hier also am 08. September 2014 - vorliegen musste. Gegen diese Auffassung lässt sich maßgeblich einwenden, dass sich der Regelung des § 8 Abs. 1 BAföG in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung eine solche Einschränkung nicht entnehmen lässt. Dort wird in Ziffer 3 der Vorschrift ohne jeden Vorbehalt vorgegeben, dass Unionsbürger, die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU als Arbeitnehmer oder Selbständige unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind, einen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben. Der Wortlaut dieser Vorschrift legt die Annahme nahe, dass es letztlich allein auf die Beantwortung der Frage ankommt, ob ein Auszubildender im Sinne von § 2 Abs. 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt ist. Der Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass die Beantwortung dieser Frage für den Zeitpunkt der sogenannten erstmaligen BAföG-Antragstellung zu klären ist.

Die von der Beklagten vertretene Auffassung widerspricht zudem der Intention des Gesetzgebers, die er mit der Schaffung des 25. Änderungsgesetzes zum Bundesausbildungsförderungsgesetz verfolgen wollte. Letztlich geht es bei der Einfügung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG für den Zeitraum ab 1. Januar 2015 um die Umsetzung einer Forderung des Gerichtshofs der europäischen Union im Urteil vom 21. Februar 2013 in der Rechtssache C-46/12. Im Rahmen der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 18/2663) heißt es in diesem Zusammenhang:

Nach bisheriger Rechtslage waren Unionsbürger unter anderem zwar dann anspruchsberechtigt, wenn sie vor dem Beginn ihrer Ausbildung in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden haben, dessen Gegenstand mit der Ausbildung in inhaltlichem Zusammenhang stand (Absatz 1 Nr. 4) sowie wenn sie Kinder, Ehegatten oder Lebenspartner von EU-Arbeitnehmern sind (Absatz 1 Nr. 3), aber nicht auch dann, wenn nur sie selbst während der Ausbildung „aktive“ EU-Arbeitnehmer sind. Durch die Neuregelung wird die Anspruchsberechtigung nun auch auf Auszubildende aus den EU-Mitgliedstaaten ausgedehnt, die neben ihrer Ausbildung gleichzeitig als Arbeitnehmer oder Selbständige unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind.

Die Neuregelung erfolgt im Lichte des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Februar 2013 in der Rechtssache C-46/12 „L. N.“, das nun eindeutig klargestellt hat, dass einem Unionsbürger für eine Ausbildung im Aufnahmestaat dann die gleichen Rechte auf Gewährung von Ausbildungsförderung wie Inländern zustehen, wenn er einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachgeht, die ihm die Eigenschaft eines Arbeitnehmers im Sinne von Art. 45 AEUV verleiht, selbst wenn er in dem Aufnahmemitgliedstaat parallel zu seinem Beschäftigungsverhältnis auch oder sogar hauptsächlich eine Ausbildung absolviert und damit gleichzeitig einen Studierendenstatus innehat. Trotz Studierendenstatus ist er in diesem Fall, wie der Gerichtshof der Europäischen Union in o. g. Urteil klargestellt hat, als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG anzusehen und hat somit auch bereits vor Erhalt des Daueraufenthaltsrechts Anspruch auf Ausbildungsförderung. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dabei hervorgehoben, dass dies auch dann gilt, wenn der Auszubildende in den betreffenden Mitgliedstaat zunächst hauptsächlich zu dem Zweck eingereist ist, dort eine Ausbildung zu absolvieren. Nach der in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entwickelten Definition der unionsrechtlichen Arbeitnehmereigenschaft muss es sich aber nach einer Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handeln, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt. Diese Gleichbehandlungsrechte für EU-Arbeitnehmer sind nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG, der nunmehr nach der Maßgabe des Gerichtshofs auch auf Arbeitnehmer anwendbar ist, die hauptsächlich Studierende sind, auch auf Selbständige im unionsrechtlichen Sinne zu erstrecken. Damit haben neben freizügigkeitsberechtigten Arbeitnehmern auch niedergelassene selbständige Erwerbstätige gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU, die eine auf Kontinuität angelegte wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer. Auch bei Selbständigen ist davon auszugehen, dass eine völlig unwesentliche Tätigkeit nicht genügt und dass die Tätigkeit als Teilnahme am Wirtschaftsleben auch tatsächlich ausgeübt wird und die Niederlassung auf Dauer angelegt sein muss. Mit der nun erfolgten Einbeziehung auch von freizügigkeitsberechtigten Arbeitnehmern und Selbständigen selbst, über die von Nummer 3 in Umsetzung von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG bereits derzeit erfassten Personengruppen hinaus, geht die Neuregelung gleichzeitig nicht über das hinaus, wozu Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet.

Insbesondere der Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass durch die Neuregelung die Anspruchsberechtigung auch auf Auszubildende aus den EU-Mitgliedstaaten ausgedehnt werden soll, die neben ihrer Ausbildung (Hervorhebung durch das erkennende Gericht) gleichzeitig als Arbeitnehmer oder Selbständige unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind, zeigt deutlich auf, dass es gerade nicht auf das Bestehen der Arbeitnehmereigenschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt - wie z.B. auf den Zeitpunkt der erstmaligen BAföG-Antragstellung - ankommen soll. Die Ausführungen des Gesetzgebers in der Begründung des 25. Änderungsgesetzes zum BAföG machen vielmehr deutlich, dass für die Bejahung der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 1 Ziffer 3 BAföG allein maßgeblich sein soll, ob ein Auszubildender neben seiner Ausbildung bzw. seinem Studium als Arbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 2 FreizügG/EU beschäftigt ist. Die Anspruchsberechtigung eines Unionsbürgers, der nicht ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des FreizügG/EU besitzt, knüpft demnach in den jeweiligen Monaten eines Bewilligungszeitraumes - mit Blick auf die Grundsätze des § 8 Abs. 1 Ziffer 3 BAföG - an das Bestehen einer Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU an.

Neben den Hinweisen in der Begründung des Gesetzentwurfes zum 25. BAföGÄndG spricht auch für die von der erkennenden Kammer vertretene Auffassung der Gesichtspunkt, dass § 8 Abs. 1 Ziffer 3 BAföG im Lichte des Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG auszulegen ist. Diese Bestimmung der Richtlinie gibt - wie der EuGH in seinem Urteil vom 21. Februar 2013 (a.a.O.) klargestellt hat - vor, dass einem Unionsbürger, der in einem Aufnahmemitgliedstaat (hier: Deutschland) eine Ausbildung absolviert und dort daneben (Hervorhebung durch erkennende Kammer) einer Beschäftigung nachgeht, die geeignet ist, ihm die Eigenschaft eines „Arbeitnehmers“ im Sinne von Art. 45 AEUV zu verleihen, eine Ausbildungsförderung, wie einem deutschen Staatsangehörigen, zu gewähren sei. Durch die Einfügung des Begriffs „daneben“ macht der EuGH zumindest der Sache nach deutlich, dass es gerade nicht auf die Verhältnisse zu einem bestimmten (fixen) Zeitpunkt - wie z.B. auf den Moment der BAföG-Antragstellung - ankommen soll, sondern dass bei der Überprüfung der persönlichen Anspruchsberechtigung auch die gesamte Ausbildungszeit in den Blick zu nehmen ist.

Hiervon ausgehend ist die Klägerin für den Zeitraum von Januar 2015 bis Februar 2015 nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG persönlich anspruchsberechtigt, da sie in hinreichendem Umfang dargelegt hat, gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU als Unionsbürgerin unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt zu sein. Wie in den Monaten Oktober 2014 bis Dezember 2014 war sie auch in den beiden ersten Monaten des Jahres 2015 neben ihrem Studium als Arbeitnehmerin beschäftigt. Aus den oben genannten Gründen, insbesondere angesichts der oben im Einzelnen dargelegten Vorgaben des von der Klägerin mit der H. geschlossenen Arbeitsvertrages handelt es sich auch bei der im Januar 2015 und Februar 2015 bei der G. erfolgten Beschäftigung der Klägerin um eine solche, die die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU begründet.

Das Gericht folgt bei der Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft, die hier nach § 8 Abs. 1 Ziffer 3 BAföG zur Bejahung der persönlichen Anspruchsberechtigung erforderlich ist, nicht der zumindest sinngemäß geäußerten Auffassung der Beklagten, die Arbeitsnehmereigenschaft nach § 8 Abs. 1 Ziffer 3 BAföG sei mit Blick auf den Erlass des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 9. Januar 2015 deswegen zu verneinen, weil bei der erstmaligen BAföG-Antragstellung das Arbeitsverhältnis noch keine 10 Wochen bestanden und die Klägerin keine Tätigkeit mit einer Mindestwochenarbeitszeit von 12 Stunden im Monatsdurchschnitt ausgeübt hat. Auch wenn die Klägerin nach ihrem Arbeitsvertrag lediglich ca. 11 Stunden in der Woche arbeiten musste und das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der BAföG-Antragstellung noch keine 8 Wochen andauerte, greift der Hinweis der Beklagten nicht durch. Bei den dargelegten Vorgaben des Ministeriums handelt sich nämlich allenfalls um norminterpretierende und daher die Verwaltungsgerichte nicht bindende Vorgaben. Bei der Auslegung des § 8 Abs. 1 Ziffer 3 BAföG kommt jedoch in besonderer Weise der Umstand zur Geltung, dass diese neue Regelung - wie der Gesetzgeber in der Begründung des Gesetzentwurfs hervorgehoben hat - im Lichte des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Februar 2013 in der Rechtssache C-46/12 erfolgt ist. Damit ist klargestellt, dass es bei der Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Regelung des BAföG nicht darauf ankommen darf, wie das für den Bereich der Ausbildungsförderung zuständige Bundesministerium den Begriff der Arbeitnehmereigenschaft auffasst, sondern allein darauf, wie dieser Begriff aus der Sicht der - in das nationale Recht - umgesetzten Richtlinie 2004/38/EG zu verstehen ist. Aus diesen Gründen ist die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin auch für den hier zu prüfenden Zeitraum in gleicher Weise anzunehmen wie für den Zeitraum vom Oktober 2014 bis Dezember 2014.

b) Die persönliche Anspruchsberechtigung für einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Ausbildungsförderung liegt auch für den Zeitraum vom 01. März 2015 bis zum 30. September 2015 nach den Grundsätzen des § 8 Abs. 1 Ziffer 3 BAföG vor.

Insoweit kann sich die Klägerin erfolgreich darauf berufen, nach § 2 Abs. 2 des FreizügG/EU als Selbständige unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt zu sein. Was die Selbständigkeit in diesem Zusammenhang angeht, ist in der Rechtsprechung hinreichend geklärt, dass die Freizügigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU allen Personen zugutekommt, die von ihrer Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV Gebrauch machen. Eine Niederlassung liegt vor, wenn eine wirtschaftliche Tätigkeit auf unbestimmte Zeit mittels einer festen Einrichtung tatsächlich ausgeübt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 1991 - Rs. C-221/89 -, juris). Das Merkmal der tatsächlichen Ausübung bedeutet zunächst nur, dass die bloße Registrierung einer Betriebsstätte oder eines Gewerbes allein nicht ausreicht, um den Schutz der Niederlassungsfreiheit zu begründen. Die Sicherung des Lebensunterhalts aus dem erzielten Gewinn ist - zumindest am Beginn der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit - nicht Voraussetzung für die Annahme, dass die wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 21. Juni 2010 - 1 B 137/10 -, juris).

Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 des FreizügG/EU, als Selbständige unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt zu sein, für den gesamten Zeitraum vom 1. März 2015 bis zum 30. September 2015 vor. Die Klägerin betreibt - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - seit dem 01. Mai 2015 ein Tanzstudio und einen Einzelhandel mit Poledancezubehör. Dieses Gewerbe hat sie bei der Stadt A-Stadt - wie der von ihr vorgelegten Gewerbeanmeldung vom 02. März 2015 zu entnehmen ist - zum 1. März 2015 angemeldet. Hierbei handelt es sich nicht um die bloße Registrierung einer Betriebsstätte oder eines Gewerbes. Vielmehr lässt sich aus den Gesamtumständen die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin eine wirtschaftliche Tätigkeit auf unbestimmte Zeit mittels einer festen Einrichtung tatsächlich ausübt bzw. ausüben wird. Hierfür lässt sich zunächst anführen, dass die Klägerin mit einem Vertrag vom 16. April 2015 ein Ladenlokal angemietet und sich verpflichtet hat, monatlich einen Betrag in Höhe von 1.232,20 € (Miete inkl. Nebenkosten) - in den ersten 6 Monaten vertraglich auf einen Betrag in Höhe von 756,24 € begrenzt - zu entrichten. Darüber hinaus hat die Klägerin - was die Annahme der tatsächlichen und echten Aufnahme der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit weiter bekräftigt - hinreichend dargelegt, zur Existenzgründung, insbesondere zur Finanzierung der Renovierungsarbeiten an den Betriebsräumen ein Darlehen im Umfang von 5.000,00 € aufgenommen zu haben. Dieser Gesichtspunkt sowie die von ihr vorgelegten Umsatzzahlen und die Aufstellung der Betriebskosten belegen, dass die Klägerin echt und tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit auf unbestimmte Zeit mittels einer festen Einrichtung anstrebt und dass insoweit keine Scheinselbständigkeit anzunehmen ist, die der Annahme einer EU-Selbständigeneigenschaft entgegenstünde (vgl. insoweit auch den Hinweis in dem Erlass des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 9. Januar 2015). Denn die Klägerin hat mit der Vorlage der „Anlage zur vorläufigen oder abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft im Bewilligungszeitraum“ vom 01. August 2015 dargelegt, bereits im Mai 2015 Betriebseinnahmen in Höhe von 540,00 € erzielt zu haben. Diese Einnahmen haben sich bis zum Juli 2015 auf einen Betrag von 1.012,00 € erhöht. Alle diese Umstände begründen die Annahme, dass die Klägerin als Selbständige unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt.

Dem steht nicht maßgeblich entgegen, dass die Klägerin mit ihrer Selbständigkeit offenbar in den ersten Monaten noch keinen Gewinn erzielt hat. Denn dieser Gesichtspunkt ist - zumindest am Beginn der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit - nicht Voraussetzung für die Annahme, dass die wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 21. Juni 2010 a.a.O.). Außerdem zeigen die von ihr vorgelegten Zahlen von Einnahmen und Betriebsausgaben, dass der hohe Verlust im Mai 2015 - -9.296,80 € - im Wesentlichen auf Wareneinkäufe im Wert von 8.000,00 € beruht. Der Verlust in den Monaten Juni und Juli 2015 fiel dagegen mit -506,80 € (Juni 2015) und -274,56 € (Juli 2015) deutlich geringer aus und lässt zudem die Tendenz erkennen, dass eine rentable selbständige Tätigkeit in Reichweite ist.

Die erkennende Kammer sieht die EU- Selbständigeneigenschaft der Klägerin auch in der Zeit vom 1. März bis 30. April 2015 als gegeben an. Hiergegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, dass die Klägerin den Betrieb ihres Studios und Einzelhandels offensichtlich erst im Mai 2015 aufgenommen hat. Die Selbständigeneigenschaft muss auch im Vorfeld der Ausübung der selbständigen Tätigkeit jedenfalls dann bejaht werden, wenn ein entsprechendes Gewerbe angemeldet wurde, die tatsächliche Aufnahme des Betriebs wenige Monate nach der Anmeldung erfolgt und der Selbständige den Zeitraum von der Anmeldung des Gewerbes bis zur Eröffnung des Betriebs zur Vorbereitung der selbständigen Tätigkeit genutzt hat. So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat ihr Gewerbe zum 01. März 2015 angemeldet. Sie hat - nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen - umgehend mit der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für den Betrieb eines Tanzstudios angefangen und hat dann nach Übernahme des Ladenlokals vom Vermieter sofort mit umfangreichen Renovierungsarbeiten und der Einrichtung des Studios mit einem Gesamtaufwand von mindestens 5.000,00 € begonnen. Die Kammer muss nicht entscheiden, bei welchem Zeitraum - von der Anmeldung eines Gewerbes bis zur Aufnahme des Betriebs - genau eine Selbständigeneigenschaft im Falle solcher Vorbereitungsmaßnahmen noch anzunehmen ist. Jedenfalls ist eine achtwöchige Vorbereitung - wie hier - für die Eröffnung eines Gewerbes mit einer festen Einrichtung durchaus angemessen und rechtfertigt auch insoweit die Bejahung einer EU- Selbständigeneigenschaft der Klägerin.

Nach alledem ist die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Bescheides vom 19. November 2014 zu verpflichten, der Klägerin für die Zeit vom 01. Oktober 2014 bis zum 30. September 2015 Ausbildungsförderung nach dem BAföG in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Kammer insbesondere der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beimisst, ob eine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von § 8 Abs. 1 Ziffer 3 BAföG - wie der Erlass des Bundesministerium für Bildung und Forschung vom 09. Januar 2015 vorgibt - im Zeitpunkt der erstmaligen BAföG-Antragstellung vorliegen muss.