Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.10.1998, Az.: 3 K 4454/97

Anhebung eines Jagdsteuersatzes aufgrund einer allgemein schlechten Haushaltslage; Erhebung einer von Inhabern von Jagdrevieren oder Eigenjagden zu entrichtenden Jagdsteuer; Vereinbarkeit einer Besteuerung der Jagd als Freizeitaktivität mit dem allgemeinen Gleichheitssatz i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.10.1998
Aktenzeichen
3 K 4454/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 32890
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1998:1008.3K4454.97.0A

Der 3. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 1998
durch
den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Eichhorn,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Gehrmann und Meyer-Lang sowie
die ehrenamtlichen Richter Sxxx und Oxxx
erkannt:

Tenor:

Art. 2 der 3. Satzung zur Änderung der Jagdsteuersatzung für den Landkreis Hildesheim vom 30. Juni 1997 (Amtsblatt für den Landkreis Hildesheim Nr. 27) ist unwirksam.

Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 9/10, der Antragsgegner zu 1/10. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller zu 1) ist seit 1995 Pächter der xxx Waldjagd in einer Größe von 289 ha. Der jährliche Pachtpreis beträgt 10.000,-- DM. Der Antragsteller hat nach seinen Angaben neben der Pacht Wildschäden von durchschnittlich jährlich 2.000,-- DM zu tragen, dem stehen jährlich Wildbreterlöse von 2.000,-- bis 3.000,-- DM gegenüber. Seine jährlichen Unkosten einschließlich der Aufwendungen für Hundehaltung und Zahlungen an die Berufsgenossenschaft sowie die Jagdsteuer beziffert der Antragsteller auf durchschnittlich 15.250,-- DM.

2

Der Antragsteller zu 2) ist Inhaber einer Eigenjagd von 83 ha, davon 1 ha Wald. Jährlich werden nach seinen Angaben ein Stück Rehwild erlegt, weitere zwei Stück werden Straßenverkehrsopfer, außerdem bejagd er Wildkaninchen.

3

Der Antragsgegner erhob aufgrund der Jagdsteuersatzung vom 16. März 1978 bis zum 31. März 1988 eine Jagdsteuer von 10 v.H. des Jagdwertes, bis zum 31. März 1985 von 12 v.H. und bis zum 31. März 1997 von 14 v.H. Durch eine dritte Satzung zur Änderung der Jagdsteuersatzung für den Landkreis Hildesheim vom 30. Juni 1997 wurde der Jagdsteuerprozentsatz mit Wirkung von 1. April 1997 auf 20 v.H. erhöht. Daraus errechnet sich für den Antragsteller zu 1) ab 1. April 1997 eine Jagdsteuer von 2.000,-- DM, für den Antragsteller zu 2) von 81,08 DM.

4

Der Antragsgegner begründet die Erhöhung der Jagdsteuer auf 20 v.H. mit der allgemeinen schlechten Haushaltslage. Der Landkreis habe Ende 1996 Schulden von 28 Mio. DM und Ende 1997 von 34 Mio. DM gehabt. Die Anhebung der Jagdsteuer von 14 auf 20 v.H. sei zur Konsolidierung der Haushaltslage beschlossen worden. Den Einwendungen des Kreisjägermeisters vom 8. März 1997, der sich gegen eine Anhebung ausgesprochen habe, sei er nicht gefolgt. Bei der Anhebung habe er das in Art. 20a GG niedergelegte Ziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen ausreichend berücksichtigt. Umweltschutz sei jedoch nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu beachten und im Einklang mit anderen verfassungsrechtlichen Grundsätzen zu sehen. Die Abwägung zwischen Umweltschutz und Finanzhoheit habe ergeben, dass das dringende Bedürfnis nach Finanzmitteln zur Erfüllung seiner allgemeinen Aufgaben höher zu bewerten gewesen sei als eine nur geringfügige Erschwerung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen durch die wirtschaftliche Beschränkung von naturschutzrechtlichen Aktivitäten der Jägerschaft im Landkreis. Eine Einschränkung des Naturschutzes durch die vorgenommene Steuererhöhung sei nicht zu befürchten.

5

Die Antragsteller haben am 17. September 1997 Antrag auf Normenkontrolle gestellt und beantragt,

die 3. Satzung zur Änderung der Jagdsteuersatzung für den Landkreis xxx vom 30. Juni 1997 für nichtig zu erklären,

6

hilfsweise,

die gemäß Art. 2 beschlossene Rückwirkung der Jagdsteuererhöhung auf den 1. April 1997 für nichtig, zu erklären.

7

Zur Begründung führen sie aus: Eine Jagdsteuer als sogenannte Aufwandsteuer sei nach den Ausführungen im Schrifttum (u.a. Tipke DÖV 1995 S. 1027 ff., 1033) nicht sachgerecht. Die jagdliche Betätigung als eine durch öffentlich-rechtliche Vorschriften und Kontrollen intensiv geregelte Freizeitaktivität rechtfertige keine steuerlichen Sonderbelastungen. Auch sei die einseitige Belastung von Revierinhabern und von Eigenjagdinhabern durch die Jagdsteuer nicht gerechtfertigt, wenn der Jäger ohne Revier und Eigenjagd steuerlich unbelastet bleibe. Die Jagdsteuererhöhung um 6 v.H. sei vom Antragsgegner nicht besonders begründet worden, was angesichts der erheblichen Erhöhung seit 1988 (d.h. um 100 v.H.) erforderlich gewesen wäre. In der Steuererhöhung sei zugleich ein Verstoß gegen Art. 20a GG zu sehen. Jedenfalls sei die rückwirkende Inkraftsetzung der Satzungsänderung fehlerhaft.

8

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

9

Er hält die Anhebung der Steuer von 14 auf 20 v.H. unter Berücksichtigung der angespannten Finanzsituation des Landkreises für rechtmäßig und meint, auch die Inkraftsetzung zum Beginn des Jagdjahres 1997/98 sei rechtmäßig gewesen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

11

II.

Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Die Antragsteller machen geltend, durch die Erhöhung der Jagdsteuer von 14 auf 20 v.H. des Jagdwertes mit Beginn des Jagdjahres 1997/98 in ihren Rechten im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO verletzt zu sein.

12

1.

Der Normenkontrollantrag, ist mit dem Hauptantrag, § 7 der Jagdsteuersatzung vom 15. Dezember 1994 in der Fassung der 3. Änderungssatzung zur Jagdsteuersatzung für den Landkreis Hildesheim vom 30. Juni 1997 für unwirksam zu erklären, unbegründet. Die Regelung lautet:

13

Die Jagdsteuersatzung für den Landkreis xxx vom 16. März 1978, geändert durch die 1. Satzung zur Änderung der Jagdsteuersatzung vom 20. Dezember 1988 und die 2. Satzung zur Änderung der Jagdsteuersatzung vom 15. Dezember 1994 wird wie folgt geändert:

14

In § 7 wird die Zahl 14 durch die Zahl 20 ersetzt. Diese Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

15

Die von dem Antragsgegner erhobene Jagdsteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG, die bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist. Aufwandsteuern sind Steuern auf die in der Vermögen oder Einkommensverwendung für den persönlichen Bedarf zum Ausdruck kommende besondere Konsumfähigkeit des Steuerpflichtigen. Aufwandsteuern sollen damit einen besonderen Aufwand, eine über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehende Verwendung von Einkommen oder Vermögen erfassen. Nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung erfüllt die Besteuerung des Jagdrechts diese Voraussetzung. Die Jagdsteuer wird als traditionelle Aufwandsteuer angesehen, denn die Ausübung des Jagdrechts erfordert in aller Regel nach wie vor die Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel, so z.B. Pachtzins zum Erwerb der Jagdausübungsberechtigung, für die Hege und Pflege des Wildbestands, für Wildschadensverhütungsmaßnahmen und Wildschadensersatz; die Jagdausübung bringt damit zugleich eine (besondere) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck (BVerfG, Beschl. v. 10.8.1989, NVwZ 1989, 1152 [BVerfG 10.08.1989 - 2 BvR 1532/88]; BVerwG, Beschl. v. 30.9.1986, Buchholz 401.66 Jagdsteuer Nr. 4; OVG NRW, Urt. v. 17.5.1995 - 22 A 2968/93-; OVG Lüneburg, Urt. v. 14.12.1995, Jagdrechtliche, Entscheidungen, Sammelband XVI Nr. 69).

16

Der Einordnung der Jagdsteuer als Aufwandsteuer steht auch nicht entgegen, dass mit dem Jagdrecht und dessen Ausübung weitgehende (öffentlich-rechtliche) Pflichten verbunden sind, zu denen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BJagdG die "Pflicht zur Hege" als eine mit dem Jagdrecht verbundene gesetzliche Pflicht gehört. Hierdurch wird das Jagdrecht bzw. dessen Ausübung in seinem Kern weder gemeinnützig noch Teil der Daseinsvorsorge, sondern dient weiterhin der Verwirklichung von Eigeninteressen der Jagdausübungsberechtigten, Jagdpächter oder Eigenjagdbesitzer.

17

Auch bei einem Eigenjagdbesitzer, wie dem Antragsteller zu 2), fällt ein steuerpflichtiger Aufwand im o.g. Sinne an, der sich als Verzicht auf mögliche Pachterlöse und in Eigenleistungen, die den Nebenleistungen eines Pächters entsprechen, äußert. Neben den anfallenden Kosten für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Hegeverpflichtung betreibt auch er im Allgemeinen den äußeren Aufwand, wie beispielsweise das Ausrichten von Jagdgesellschaften, das Präparieren und Sammeln von Jagdtrophäen und anderes, der typischerweise Ausdruck der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist. Insoweit ist es auch systemgerecht, für die Ermittlung des Steuermaßstabes für die nichtverpachteten Jagden auf die durchschnittlich gezahlten Pachtpreise und Nebenleistungen abzustellen.

18

Das der Antragsteller zu 2) die Ausübung der Jagd möglicherweise als Betätigungen im Rahmen seiner Tätigkeit als Landwirt empfindet, ist rechtlich nicht relevant. Für die Zuordnung der Jagdsteuer zur Aufwandsteuer, mit der die in der Einkommens- oder Vermögensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungs- und Konsumfähigkeit erfasst werden soll, ist es ohne rechtliche Bedeutung, auf welche Beweggründe der Entschluss zur Jagdausübung letztlich zurückgeht (BVerwG, Beschl. v. 31.10.1990, Buchholz 11 Art. 105 GG Nr. 16).

19

Der Erlass bzw. die Anhebung der Jagdsteuer durch den Antragsgegner verstößt auch nicht, wie die Antragsteller meinen, gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil Freizeitaktivitäten anderer gesellschaftlicher Gruppen keiner Aufwandsteuer unterliegen. Bei der Erschließung von Steuerquellen ist dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Hat der Gesetzgeber eine bestimmte Steuerquelle erschlossen, andere Steuerquellen dagegen nicht ausgeschöpft, so ist der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verletzt, wenn finanzpolitische, volkswirtschaftliche oder steuerliche Erwägungen die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. In diesem Zusammenhang ist durch die Gerichte lediglich zu prüfen, ob der Gesetzgeber die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten oder überschritten hat (BVerfG, Beschl. v.6.12.1983, BVerwGE 65, 325, 354). Danach fehlt es an einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Satzungsgeber in Anknüpfung an traditionelle Besteuerungsarten die Jagdausübung der Besteuerung unterwirft und sich nicht (auch) für die Besteuerung anderer Freizeitaktivitäten entscheidet. Der Satzungsgeber überschreitet die ihm eingeräumte Gestaltungsfreiheit nicht schon deshalb, weil im Einzelfall auch andere Freizeitaktivitäten einen erhöhten finanziellen Aufwand erfordern. Die traditionelle Besteuerung eines besonderen Aufwands darf ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz jedenfalls so lange aufrechterhalten werden, als sich nicht ein entsprechender Aufwand bei der Mehrzahl der übrigen Freizeitaktivitäten für eine Besteuerung aufdrängt (BVerfG, Beschl. v. 10.8.1989, Bundessteuerblatt II 1989 S. 867), was ersichtlich nicht der Fall ist.

20

Die mit der 3. Satzung zur Änderung der Jagdsteuersatzung für den Landkreis xxx vom 30. Juni 1997 verbundene Anhebung des Steuersatzes von 14 auf 20 v.H. unterliegt gleichfalls keinen rechtlichen Bedenken. Dem für die Steuererhebung zuständigen Satzungsgeber kommt eine weitgehende Gestaltungsfreiheit darin zu, bestehende Steuervorschriften oder Steuersätze zu ändern, insbesondere auch zu erhöhen. Verfassungsrechtliche Grenzen für eine Steuererhöhung ergeben sich erst dann, wenn das Steuergesetz dem ihm begrifflich innewohnende Zweck, Steuereinnahmen zu erzielen, zuwider handelt und darauf abzielt, die Erfüllung des Steuertatbestandes praktisch unmöglich zu machen, mithin "erdrosselnde Wirkung" ausübt (BVerfG, Urt. v. 22.5.1963, BVerfGE 16, 147, 161 [BVerfG 22.05.1963 - 1 BvR 78.56]). Für das Vorliegen einer derartigen Möglichkeit ist bei einer Anhebung in dem hier vorgenommenen Umfange nichts ersichtlich.

21

Die Anhebung des Steuersatzes ist auch mit dem Landesrecht vereinbar. Nach niedersächsischem Kommunalabgabenrecht können Jagdsteuern von Landkreisen und kreisfreien Städten erhoben werden, soweit die sonstigen Einnahmen zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 NKAG v. 8.2.1973, GVBl. S. 41 i.d.F. des Gesetzes v. 23.7.1997, GVBl. S. 374). Steuern sollen von Landkreisen nur erhoben werden, soweit ihre sonstigen Einnahmen zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichen (§ 3 Abs. 4 Satz 1 NKAG). Von der Jagdsteuer ausgenommen bleibt die Ausübung der Jagd in nicht verpachteten Eigenjagdbezirken des Bundes und des Landes sowie auf Grundstücken, die diesen Bezirken angegliedert worden sind (§ 3 Abs. 2 Satz 2 NKAG).

22

Zunächst begegnet die Ausnahme für die zuletzt genannten Tatbestände keinen rechtlichen Bedenken. Sie hat einleuchtende Gründe, denn Jagdausübung in nicht verpachteten Jagden des Bundes und der Länder ist mit derjenigen der Jagdpächter/Eigenjagdinhaber unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nicht vergleichbar. Der Staat treibt im Gegensatz zum privaten Pächter/Eigenjagdinhaber keinen "Aufwand", der "über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs" hinausgeht; der Staat nützt seine nicht verpachteten Eigenjagdbezirke vielmehr als Produktionsstätten der Forstwirtschaft. So ist der Wald des Landes Niedersachsen zum Nutzen für die Allgemeinheit zu bewirtschaften, die Forstbehörden haben die günstigen Wirkungen des Waldes für die Umwelt, insbesondere die allgemeine Erholung im Wald zu fördern, sie haben einen angemessenen Holzbestand zu erhalten, ihn nachhaltig zu bewirtschaften und die Erzeugnisse des Waldes wirtschaftlich zu verwerten (§ 7 des Landeswaldgesetzes i.d.F. v. 19.7.1978, GVBl. S. 595). Darüber hinaus hat der Staatswald die Aufgabe, als Grundlage für die Ausbildung des Nachwuchses forstlicher Fachkräfte sowie forstlicher Forschungs- und Versuchsaufgaben zu dienen. Die Jagdausübung im Staatswald ist bei alledem nur eine Teilerscheinung der forstlichen Bewirtschaftung im Übrigen, sie dient der Erhaltung eines artenreichen und angemessenen Wildbestandes, der für die Entwicklung des Waldes tragbar ist. Nach alledem bestehen sachliche Unterschiede zwischen der Jagdausübung in Staatswäldern und in gepachteten Feld-, Wiesen- und Waldflächen. Das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet sonach im Blick auf den Befreiungstatbestand für Staatswälder nicht auch zu einer Freistellung des Jagdrechts privater Pächter und Eigenjagdinhaber (OVG Lüneburg, Urt. v. 9.2.1989 - 3 L 26/89 -).

23

Auch die Empfehlung der Mustersatzung über die Erhebung einer Jagdsteuer, die vom Innenminister des Landes mit den kommunalen Spitzenverbänden Niedersachsens erarbeitet worden ist (RdErl. des MI v. 3.10.1974, Nds. MBl 1974 S. 1776), stand der Anhebung des Steuersatzes von 14 auf 20 v.H. nicht entgegen. Das Satzungsmuster enthält zu § 7 folgende Erläuterung:

24

Der bisherige Regelsatz von 10 v.H. des Jagdwertes ist beibehalten worden... Der erhöhte Steuersatz von 15 v.H. sollte nur gewählt werden, wenn die besonderen Verhältnisse der Jagd in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt dies rechtfertigen oder erhöhte Steuereinnahmen aus der Jagdsteuer für die kommunale Gebietskörperschaft dringend erforderlich sind.

25

Diese Empfehlung ist offenbar darauf zurückzuführen, dass die Festsetzung des Jagdsteuersatzes in Abhängigkeit zur Hegepflicht der Jagdausübungsberechtigten (§ 1 Abs. 2 BJagdG) gesehen wird. Ziele der Hege sind ein artenreicher Wildbestand, der an landwirtschaftliche und landeskulturelle Verhältnisse angepasst ist, die Pflege und Sicherung der Lebensgrundlagen des Wildes und die Vermeidung von Wildschäden. Diese nach öffentlichem Recht bestehenden Pflichten und Lasten der Jagdberechtigten "sollen" bei der Festsetzung und Anhebung eines Steuersatzes mit in Erwägung gezogen werden. Eine rechtliche Verbindlichkeit kommt dieser Empfehlung nicht, zu. Sie schränkt insbesondere nicht die in § 3 Abs. 2 Satz 1 und § 3 Abs. 4 Satz 1 NKAG bestehenden Befugnisse der Landkreise und kreisfreien Städte ein. Hinzu kommt, dass die Empfehlung mehr als 20 Jahre zurückliegt, was die in ihr genannten Sätze weiter relativiert.

26

Soweit die Antragsteller meinen, der Antragsgegner habe bei seiner Entscheidung über die Festsetzung eines höheren Hebesatzes nicht hinreichend dem - ab 15. November 1994 geltenden - Art. 20a GG Rechnung getragen, folgt der Senat dem nicht. Wenn diese Vorschrift bestimmt:

27

Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung so handelt es sich um einen Programmsatz, der primär als Handlungsauftrag für den Normengeber, also den Gesetz-, Verordnungs- und kommunalen Satzungsgeber zu verstehen ist (BT-Drucksache 12/7109, 1994, Anlagen Bd. 494). Der Normengeber wird durch diese Vorschrift verpflichtet, nicht nur eingetretene Umweltschäden zu beseitigen, sondern die Erhaltung und Pflege der natürlichen Lebensgrundlagen zu fördern (im Einzelnen Peters NVwZ.1995, 555, 556; Hennecke, NUR 1996, 325, 330; Waechter, NUR 1996, 321, 323; Murswiek, NVwZ 1996, 221, 225). Die Wirkung des Art. 20a GG soll sich künftig bei der Gesetz- und Satzungsgebung entfalten und zur Umsetzung auf Verwaltungsebene anspornen (Hennecke NUR 1995, 334; Bekker, DVBl. 1995, 713). Das hätte in der Weise geschehen können, dass zusammen mit der Festsetzung eines höheren Hebesatzes zugleich Anreize für effektive Maßnahmen des Landschaftsschutzes durch die Jagdpächter und die Eigenjagdinhaber verbunden worden wären. Wenn ein Jagdpächter und Eigenjagdinhaber Kostenaufwendungen für Maßnahmen der Hege, des Landschafts- und des Naturschutzes vornimmt, könnte dies möglicherweise bei der Jagdsteuerfestsetzung Berücksichtigung finden (vgl. OVG NRW, Urt. v. 11.11.1992 - 22 A 1230/92 -, ZKF 1993, 132 f.). Rechtsgründe für die Verpflichtung des Antragsgegners zu einer derartigen Kombination der Erhöhung des Steuersatzes und der Ausgestaltung der Besteuerungsgrundlagen bestehen indessen nicht. Die Rechtsprechung hat lediglich die Möglichkeit, die Einhaltung der Grenzen des gesetzgeberischen, verwaltungseigenen Auslegungs- und Ermessensspielraums zu kontrollieren (Murswiek NVwZ 1996, 222, 229; derselbe in Sachs GG Art. 20a Rdnr. 57, 63; Hennecke NUR 1995, 325, 334). Für eine Verletzung dieser Grenzen ist, auch unter Berücksichtigung der Höhe der vorgenommenen Festsetzung, nichts ersichtlich.

28

Nach alledem ist der Normenkontrollantrag mit dem Hauptantrag abzuweisen.

29

2.

Er hat indessen mit dem Hilfsantrag Erfolg. Art. 2 der 3. Satzung zur Änderung der Jagdsteuersatzung vom 30. Juni 1997 ist nichtig im Sinne von § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

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Die Vorschrift übet die rückwirkende Steuererhöhung verstößt gegen das auch für Jagdsteuern geltende Verbot der Schlechterstellung gemäß § 2 Abs. 2 - NKAG -, der folgendermaßen lautet:

31

Satzungen können nur innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkend erlassen werden. Eine Satzung kann insbesondere rückwirkend erlassen werden... Die Rückwirkung kann bis zu dem Zeitpunkt ausgedehnt werden, zu dem die zu ersetzende Satzung in Kraft getreten war oder in Kraft treten sollte. Durch die rückwirkend erlassene Satzung darf die Gesamtheit der Abgabepflichtigen nicht ungünstiger gestellt werden als nach der ersetzten Satzung.

32

Die am 30. Juni 1997 mit Wirkung auf den 1. April 1997 beschlossenen Steuerfestsetzung statt bisher 14 v.H. nunmehr mit 20 v.H. stellt eine rückwirkende Erhöhung der Jagdsteuer dar. Die Steuerschuld war bereits am 1. April 1997 mit dem Steuersatz von 14 v.H. entstanden, wie sich aus § 8 der Jagdsteuersatzung vom 16. März 1978 ergibt. Die Erhöhung führt auch zu einer Schlechterstellung der "Gesamtheit der Abgabepflichtigen" im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 4 NKAG im Vergleich zu dem Steuersatz von 14% auf Grund der bisher geltenden Jagdsteuersatzung. Damit hält sich die 3. Änderungssatzung nicht in den Grenzen der zwingenden Regelung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 NKAG, die verhindern soll, dass sich Gebietskörperschaften durch eine neue, mit Rückwirkung geänderte Satzung Mehreinnahmen verschaffen; eine rückwirkende Regelung soll "aufkommensneutral" sein (NdsLT, Drs. Nr. 7/975 Anl. .2, Drs. 7/1663 § 2; 58. Sitzung v. 25.1.1973, stenografische Berichte S. 5986, hierzu auch Beschlüsse des Senats v. 5.6.1997 - 3 L 1385/96 - und v. 24.11.1997 - 3 L 4120/97 -).

33

Die 3. Änderungssatzung ist nach allem nichtig, soweit sie sich Rückwirkung beimisst. Ein Verstoß gegen das landesrechtliche Schlechterstellungsverbot würde nur dann ausscheiden, wenn durch die Satzung selbst sichergestellt wäre, dass es im Rückwirkungszeitraum nicht zu Mehreinnahmen gegenüber der früheren Satzungslage kommen kann. An einer solchen Regelung für das Jagdjahr 1997/98 fehlt es jedoch in der 3. Änderungssatzung. Es gilt sonach gemäß § 8 Jagdsteuersatzung die Regelung, dass die Steuerschuld mit Beginn des Steuerjahres, d.h. zum 1. April 1997, in Höhe von 14 v. H. entstanden war. In dieser Höhe haben die Antragsteller auch bereits ihre Steuerschuld beglichen. Hinsichtlich des Differenzbetrages von 6 v.H. fehlt es für dieses Jagdjahr nach allem an einer jagdsteuerlichen Rechtsgrundlage.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

35

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 132 Abs. 2 VwGO.

36

Rechtsmittelbelehrung

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...

Eichhorn
Dr. Gehrmann
Meyer-Lang