Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.12.2020, Az.: 3 K 152/17

Anspruch auf Kindergeld wegen Absolvierung der Erstausbildung bei Teilnahme am Lehrgang "geprüfter Technischer Betriebswirt" des Sohnes

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.12.2020
Aktenzeichen
3 K 152/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 70531
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand

Streitig ist, ob die Teilnahme des Sohnes der Klägerin am Lehrgang "Geprüfter Technischer Betriebswirt" noch zu seiner Erstausbildung gehört und zu einem Anspruch auf Kindergeld führt.

Der im August 1992 Sohn der Klägerin beendete im Jahr 2009 seine Schulausbildung mit einem Hauptschulabschluss. Nach eigenen Angaben strebt er seitdem in drei Schritten im Ergebnis den Beruf des "Geprüften Technischen Betriebswirts" an.

Im ersten Schritt absolvierte er in den Jahren 2009 bis 2012 eine Ausbildung als "Industriemechaniker" bei der Fa. A. Für diese Zeit erhielt die Klägerin Kindergeld vom Beklagten. Das Unternehmen übernahm den Sohn anschließend ab Februar 2012 als Vollzeitmitarbeiter in seinem erlernten Beruf (40-Stunden-Woche).

In einem zweiten Schritt begann der Sohn unmittelbar ab März 2012 seine Meisterausbildung mit dem angestrebten Abschluss "Geprüfter Industriemeister - Fachrichtung Metall". Den Abschluss erreichte der Sohn im Juni 2015. Der Beklagte gewährte später (nach Erhebung einer Klage) Kindergeld für diese Meisterausbildung. Der Sohn blieb nach seinem Abschluss als Meister weiterhin Mitarbeiter seines früheren Ausbildungsbetriebes in Vollzeit (40-Stunden-Woche).

Der Sohn informierte sich im Anschluss an die Meisterausbildung bei einem örtlichen Bildungsträger über den nächsten möglichen Lehrgang für den Abschluss "Geprüfter Technischer Betriebswirt". Diese Ausbildung sollte nach Angaben der Klägerin der dritte Schritt zur Erreichung des Berufszieles des Sohnes sein. Ein entsprechender Lehrgang, der im Übrigen die vorgenannte abgeschlossene Meisterausbildung voraussetzte, wurde aber unmittelbar anschließend nicht angeboten. Zum nächsten erreichbaren Termin meldete sich der Sohn für diesen Lehrgang. Während dieser Übergangszeit (Juli 2015 bis März 2016) war er weiterhin vollschichtig bei der Fa. A in seinem erlernten Beruf als "Industriemechaniker" tätig.

Der Lehrgang zum "Geprüften Technischen Betriebswirt" begann im April 2016 und sollte voraussichtlich bis Mai 2018 andauern. Die Jahresunterrichtsstunden - jeweils von April bis Februar - betrugen ca. 310 Unterrichtsstunden à 45 Minuten. Diese wurden einmal jährlich als Bildungsurlaubswoche und im Übrigen 2-mal wöchentlich außerhalb der betrieblichen Arbeitszeiten angeboten. Für die Zulassung zur Abschlussprüfung musste der Sohn keine Berufspraxis, sondern nur seinen Abschluss als "Industriemeister" nachweisen (vgl. Seite 2 des Schulungsvertrages am Ende).

Der Sohn der Klägerin wechselte 3 Monate nach Beginn dieses Lehrgangs das erste Mal seinen Arbeitsplatz. Ab Juni 2016 war der in Vollzeit (40-Stunden-Woche) bei der Fa. B in seinem erlernten Beruf als "Zerspannungsmechaniker" tätig. Ab September 2016 wechselte er abermals den Arbeitsplatz. Bei der Fa. C war er ebenfalls als "Zerspannungsmechaniker" - hier mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden (Vollzeit laut Tarifvertrag) - tätig. Der Arbeitsvertrag war auf 2 Jahre, also bis Ende August 2018, befristet. Ein Zusammenhang dieses Befristungsgrundes mit der Ausbildung zum "Geprüften Technischen Betriebswirt" ließ der Arbeitsvertrag nicht erkennen. Der Sohn wechselte ein drittes Mal und zwar (vorzeitig) bereits nach 14 Monaten erneut den Arbeitsplatz nunmehr zur Fa. D. Auch dort war er ab Dezember 2017 in Vollzeit (40-Stunden-Woche) nunmehr aber als "Mitarbeiter Einkauf" erstmals mit einem eher kaufmännischen Schwerpunkt beruflich tätig.

Die Klägerin beantragte Kindergeld für diesen letzten Lehrgang ab April 2016. Die Familienkasse lehnte dies ab, da der Sohn seine (Erst-) Ausbildung bereits im Jahr 2012 abgeschlossen habe. Dagegen richtete sich nach erfolglosem Einspruch zunächst die Klage. Das Gericht gab der Klage im Gerichtsbescheid vom 4. April 2018 unter dem Aktenzeichen 3 K 152/17 statt und ließ die Revision zu. Der Bundesfinanzhof hob den als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid durch Urteil vom 21. März 2019 im Verfahren III R 18/18 auf und verwies die Sache für weitere Sachverhaltsermittlungen aufgrund einer präzisierten Rechtsprechung zu den Anspruchsvoraussetzungen an den erkennenden Senat zurück.

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren auf Gewährung von Kindergeld für die streitgegenständliche Zeitspanne des Lehrgangs "Geprüfter Technischer Betriebswirt" des Sohnes und zwar für den Zeitraum ab April 2016 bis Mai 2017 (Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2017) weiter.

Sie hält daran fest, dass der weitere Lehrgang ihres Sohnes zum "Geprüften Technischen Betriebswirt" stets Teil seines einheitlichen Ausbildungszieles gewesen sei. Er habe sich wegen seines Hauptschulabschlusses nur so hocharbeiten können. Deshalb habe er stets den nächsten erreichbaren Ausbildungsschritt konsequent und zielstrebig angetreten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihr Kindergeld in gesetzlicher Höhe für ihren Sohn für den Zeitraum von April 2016 bis Mai 2017 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass die Erstausbildung des Sohnes bereits im Jahr 2012 mit dem Abschluss als "Industriemechaniker" beendet gewesen sei. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH komme es dafür nunmehr darauf an, ob eine Ausbildungsmaßnahme neben einer Berufstätigkeit als Haupt- oder die Nebensache einzuordnen sei. Im Streitfall sei bei einer durchgängig vollschichtigen Berufstätigkeit im erlernten Beruf die Lehrgangsteilnahme mit im Wesentlichen 2-mal wöchentlichem Unterricht außerhalb der Arbeitszeiten als Nebensache einzuordnen. Für eine solche Weiterbildung im Beruf bestehe kein Anspruch auf Kindergeld.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Bei der Gesamtwürdigung der Verhältnisse ist im Streitfall eine einheitliche Erstausbildung nicht mehr anzunehmen, weil die von dem Sohn der Klägerin aufgenommene Erwerbstätigkeit bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildete und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen. Es handelt sich um eine berufsbegleitend durchgeführte Weiterbildung (Zweitausbildung), für die kein Anspruch auf Kindergeld besteht.

1. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird. In den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind insoweit unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

a) Hinsichtlich der Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale erstmalige Berufsausbildung und Erststudium hat der BFH in seiner Rechtsprechung bis Anfang 2019 im Wesentlichen entschieden, dass das Erststudium nur einen Unterfall des Oberbegriffes erstmalige Berufsausbildung darstellt (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 19 ff.) und der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger auszulegen ist als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete Tatbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird" (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 22 ff.). Die den Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG begrenzenden Kriterien hat der BFH dabei vor allem in folgenden Punkten gesehen: Es muss sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Dieser muss auf einen Abschluss ausgerichtet sein, der in Form einer Prüfung erfolgt (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme muss das Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen, wodurch insbesondere eine Abgrenzung gegenüber dem Besuch einer allgemein bildenden Schule erfolgen soll (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Liegen mehrere Ausbildungsabschnitte vor, können diese dann eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 27). In einem solchen Fall muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30). Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinanderstehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30). An einer Ausbildungseinheit fehlt es dagegen, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient (BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BFHE 253, 145, BStBl II 2016, 615, Rz 15).

b) Diese Rechtsprechungsgrundsätze zur Abgrenzung einer einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) hat der BFH sodann in zahlreichen Urteilen ab Dezember 2018 fortentwickelt und präzisiert (vgl. etwa BFH-Urteile vom 11. Dezember 2018 III R 26/18, BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765, und vom 21. März 2019 III R 18/18, BFH/NV 2019, 1087; jeweils mit weiteren Nachweisen.)

Danach kann es an einer einheitlichen Erstausbildung auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufsfeld gerichtete Nebensache darstellen, ist dabei anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden, für die der BFH - insbesondere in dem dieser Entscheidung vorangegangenen Revisionsentscheidung im Verfahren III R 18/18 - die nachfolgenden Kriterien herangezogen:

aa) Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht. Ist das Beschäftigungsverhältnis dagegen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die 20-Stundengrenze allenfalls geringfügig, kann dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen, die noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist. Für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung kommt es vor allem darauf an, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinanderstehen. Da die Summe aus Arbeits- und Ausbildungszeit nicht selten über 40 Wochenstunden liegen wird, kann allein eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von über 20 Stunden noch nicht den Ausschlag geben. Führt das Kind etwa neben einer 22 Wochenstunden umfassenden Arbeitstätigkeit ein Vollzeitstudium an der Universität durch, kann auch weiter der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen (s. hierzu etwa BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166).

bb) Weiter ist von Bedeutung, ob das Kind mit der nach Erlangung des ersten Abschlusses aufgenommenen Berufstätigkeit bereits die durch den Abschluss erlangte Qualifikation nutzt, um eine durch diese eröffnete Berufstätigkeit auszuüben. Wird z.B. ein Geselle oder Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf übernommen oder nimmt ein Bachelor eine durch diesen Abschluss eröffnete Stelle an, kann dies Indiz dafür sein, dass die Berufstätigkeit in den Vordergrund getreten ist. Denn ein solcher Sachverhalt spricht dafür, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der beruflichen Weiterbildung oder Höherqualifizierung in einem bereits aufgenommenen und ausgeübten Beruf dienen. Nimmt das Kind dagegen eine Berufstätigkeit auf, die ihm auch ohne den erlangten Abschluss eröffnet wäre (z.B. Aushilfstätigkeit in der Gastronomie oder im Handel) oder handelt es sich bei der Erwerbstätigkeit typischerweise um keine dauerhafte Berufstätigkeit (z.B. bei einem Bachelor, der während des nachfolgenden Masterstudiums mit 19 Stunden als wissenschaftliche Hilfskraft tätig ist und daneben 3 Nachhilfestunden pro Woche gibt), kann das für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen.

cc) Darüber hinaus ist in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild "neben der Ausbildung" durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Gleiches gilt, wenn das Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt. Arbeitet das Kind dagegen annähernd vollzeitig und werden die Ausbildungsmaßnahmen nur am Abend und am Wochenende durchgeführt, deutet dies darauf hin, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur "neben der Berufstätigkeit" durchgeführt werden. Schließlich kann auch von Bedeutung sein, ob und inwieweit die Berufstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen über den zeitlichen Aspekt hinaus auch inhaltlich aufeinander abgestimmt sind.

b) Im Streitfall handelt es sich bei dem Lehrgang, den der Sohn der Klägerin besucht hat, bei wertender Gesamtwürdigung um die Nebensache während seine Berufstätigkeit im erlernten Beruf die Hauptsache bildete. Dies schließt nach dieser neueren Rechtsprechung den Anspruch auf Kindergeld aus.

aa) Die Arbeitstätigkeiten des Sohnes der Klägerin seit dem Abschluss seiner Ausbildung im Sommer 2012 sprechen für die Aufnahme der Berufstätigkeit(en) als Hauptsache. Der Sohn war unmittelbar nach Abschluss seiner Berufsausbildung durchgängig bis November 2017 in Vollzeit in seinem erlernten Beruf als Geselle bei verschiedenen Unternehmen tätig. Die (tariflichen) Arbeitszeiten lagen zwischen 35 und 40 Wochenstunden. Die Arbeitsverträge waren jeweils nicht im Hinblick auf die parallel von ihm besuchten Aus- bzw. Weiterbildungslehrgänge befristet oder hinsichtlich der Arbeitszeiten an diesen Lehrgängen orientiert. Der hier streitige Lehrgang war insbesondere ausdrücklich so angelegt, dass der Unterricht außerhalb der üblichen Arbeitszeiten stattfand. Als der Sohn den Lehrgang begann, arbeitete er in einem Betrieb mit einer persönlichen Arbeitsverpflichtung von 40 Wochenstunden. Diese Tätigkeit bildete danach für den Sohn die Hauptsache. Der Lehrgang hatte von der zeitlichen Beanspruchung ein deutlich niedrigeres Niveau von etwa 9 Unterrichtsstunden pro Woche, wenn man von den Jahresunterrichtsstunden (ca. 310) die Bildungsurlaubswoche (mind. 40 Unterrichtsstunden) abzieht und die restlichen Stunden auf ca. 30 Unterrichtswochen verteilt. Dies entsprich 6 3/4 Zeitstunden oder nur 17% der Summe seiner Wochenarbeitsstunden (40). Damit stehen die Berufstätigkeiten und nicht die hier streitige Ausbildung insoweit im Vordergrund.

bb) Ebenso spricht die langjährige Tätigkeit des Sohnes in seinem zuerst erlernten Beruf als "Industriemechaniker" für diese Berufstätigkeit als Hauptsache. Er hat gerade nicht eine evtl. berufsfremde Tätigkeit aufgenommen, um die Ausbildung ermöglichen zu können. Diese Tätigkeiten hat er generell auch unbefristet aufgenommen, auch wenn einer seiner Arbeitgeber ihm letztlich einen nur aus anderen Gründen befristeten Arbeitsvertrag angeboten hatte. Alle Ausbildungsmaßnahmen hat der Sohn stets neben seiner Vollzeittätigkeit betrieben und sich dazu offenbar Angebote herausgesucht, die neben dem Beruf zu bewältigen waren. Dies spricht auch für die Ausbildungsmaßnahme als Nebensache. Soweit er ab Dezember 2017 - also 1 3/4 Jahre nach dem Beginn dieses Lehrgangs - erstmals für eine Tätigkeit außerhalb seines erlernten Berufes im eher kaufmännischen Bereich angestellt worden ist, spricht dies aber auch nicht für die Ausbildung als Hauptsache. Im Zeitpunkt dieser Anstellung hatte der Sohn den etwa 2-jährigen Lehrgang als "Geprüfter Technischer Betriebswirt" nahezu abgeschlossen und der neue Arbeitgeber dürfte ihn wegen seiner Weiterbildung und kurz vor dem Abschluss für eine solche Position ausgewählt haben. Dies spricht für eine berufsbegleitend durchgeführte Weiterbildung mit der sich eröffnenden Chance eines Aufstiegs und damit für eine Bildungsmaßnahme nach der abgeschlossenen Erstausbildung.

cc) Da der Sohn den Lehrgang nur außerhalb seiner Arbeitszeit und wohl an Wochenende besucht hat, spricht dies ebenfalls dafür, dass der Lehrgang nur "neben der Berufsausübung" durchgeführt worden ist. Außerdem war eine berufspraktische Tätigkeit für die Zulassung zu dieser Prüfung für diesen Lehrgang keine Voraussetzung, denn nach dem Schulungsvertrag (am Ende) reichte für die Zulassung die mit Erfolg abgelegte Prüfung zum Industriemeister bereits aus. Deshalb musste der Sohn nicht in seinem Beruf arbeiten, um den Lehrgang mit Erfolg absolvieren zu können.

dd) Insgesamt ist nachvollziehbar, dass der Sohn der Klägerin tatsächlich diesen dritten Abschluss von Anfang an als sein persönliches berufliches Ziel angestrebt hat und diesen Weg konsequent gegangen ist. Dies ist ein achtenswerter beruflicher Werdegang. Dies reicht trotzdem nach der neueren Rechtsprechung allein für einen Anspruch auf Kindergeld nicht aus, denn der Sohn hat für seinen beruflichen Aufstieg ausschließlich typisch nebenberuflich zu absolvierende Angebote ausgewählt und wahrgenommen. Seine Berufstätigkeit stand stets (auch wirtschaftlich) im Vordergrund. Zu keinem Zeitpunkt stellte er seine Berufstätigkeit auch nur teilweise zurück, um sein Berufsziel zu erreichen. Seine Ausbildungsbemühungen blieben stets eine - wenn auch für ihn persönlich wichtige - Nebensache. Gerade für solche Fallkonstellationen besteht nach der neuen Rechtsprechung kein Anspruch auf Kindergeld. Kindergeld sollen diejenigen erhalten, die ihre Ausbildung als Hauptsache in den Vordergrund stellen und sich dafür beruflich zurücknehmen. Das ist hier nicht der Fall.

2. Im Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gemäß § 79a Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch den Berichterstatter anstelle des Senats entscheiden. Das Gericht konnte im Übrigen nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auch auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, § 143 Abs. 2 FGO.