Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 15.01.2013, Az.: 2 U 49/12

Darlegungsansforderungen und Nachweispflichten im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches des Bauherrn wegen fehlerhafter Kostenermittlung oder sonst falscher Beratung des Architekten zur Kostenentwicklung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
15.01.2013
Aktenzeichen
2 U 49/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 32662
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2013:0115.2U49.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 25.04.2012 - AZ: 6 O 3880/04

Fundstellen

  • BauR 2013, 1001
  • BauR 2013, 1712-1713
  • IBR 2013, 287

In dem Rechtsstreit
1. S. .... H ..., .....L
2. J. ....H,.....L
Kläger, Widerbeklagte und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:
Rechtsanwälte v ... A ...& Partner ..., ....,....O....,
Geschäftszeichen: .......
gegen
1. W ....... P.........,.....D....,
2. F ...-J ... T..., ................, ....D.....,
Beklagte, Widerkläger und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte N...& Partner, ............
..... Q...,
Geschäftszeichen:...................
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den ...................., die .................................... und den,.................. auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2012
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 25. April 2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug beträgt 161.645,88 Euro.

Gründe

1

I.

Die Kläger nehmen die Beklagten aus einem Architektenvertrag auf Schadensersatz in Anspruch. Sie behaupten, aufgrund einer fehlerhaften Kostenschätzung zum Ankauf einer Gewerbeimmobilie und deren Sanierung veranlasst worden zu sein. Zumindest habe eine fehlende rechtzeitige Kostenkontrolle sie daran gehindert, Kosten einzusparen. Die Beklagten haben widerklagend restliches Architektenhonorar geltend gemacht. Gegen diese Forderung haben sich die Kläger im Wege der hilfsweisen Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Bauplanungs- und Bauüberwachungsfehlern verteidigt.

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Mit Teilversäumnisurteil vom 09.03.2005 war die Klage abgewiesen worden.

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Durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen verwiesen wird, hat das Landgericht das Teilversäumnisurteil vom 09.03.2005 aufrechterhalten und auf die Widerklage die Kläger verurteilt, an die Beklagten 23.632,88 Euro nebst Zinsen zu zahlen und die weitergehende Widerklage abgewiesen.

4

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Kostenschätzung vom 15.02.2003 wenigstens rund 108.000,00 Euro zu niedrig gewesen sei. Es hat sich jedoch davon überzeugt gezeigt, dass die Kläger das Objekt auch dann gekauft und saniert hätten, wenn ihnen vor dem Beurkundungstermin ein Betrag von 513.000,00 Euro genannt worden wäre. Die Kläger hätten nämlich die Differenz zwischen 405.000,00 Euro aus der Kostenschätzung und ca. 520.000,00 Euro (vom Landgericht ermittelten) bereinigten tatsächlichen Kosten nach Überzeugung des Landgerichts schon ursprünglich mitfinanziert. Hinsichtlich der unterlassenen Kosteneinsparungen hat sich das Landgericht nicht ohne vernünftigen Zweifel davon überzeugen können, dass die Kläger die von ihnen dargelegten Maßnahmen im Umfang von brutto 164.763,41 Euro nicht beauftragt hätten. Den Klägern sei es nämlich um die Erneuerung der Grundsubstanz gegangen. Darüber hinaus sei die Verfugung erst in Auftrag gegeben worden, nachdem sie erfahren hätten, dass eine Kostenkontrolle nicht erfolgt sei. Darüber hinaus hätten die von den Klägern aufgezeigten Einsparmöglichkeiten tatsächlich zu einer

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Werterhöhung des fertigen Gebäudes um rund 112.500,00 Euro geführt. Der restliche Honoraranspruch der Beklagten betrage 31.424,40 Euro brutto, der durch die erklärte Hilfsaufrechnung mit Schadensersatzansprüchen in Höhe von 7.791,52 Euro erloschen sei.

6

Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung.

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Sie wiederholen ihren Vortrag, dass sie den Vertrag bei Kenntnis der tatsächlichen Kosten nicht geschlossen hätten, zumindest bei Kenntnis der Kosten, diese in Höhe von mindestens 138.013,00 Euro reduziert hätten. Die Beklagten hätten ihre Vertragspflichten verletzt, indem sie falsche Kostenermittlungen erstellt und weiterhin notwendige Kostenermittlungen sowie Kostenfortschreibungen nicht durchgeführt hätten. Die Kostenaufstellung vom 25.06.2003 sei den Klägern erst Anfang August 2003 zur Kenntnis gelangt. Ein Toleranzrahmen von maximal 10 % sei weit überschritten. Ausgehend von Erwerbskosten in Höhe von 80.000,00 Euro und Bau- und Sanierungskosten in Höhe von 572.942,00 Euro ergebe sich ein Gesamtaufwand in Höhe von 662.942,00 Euro. Unter Berücksichtigung eines Ertragswertes von 559.795,00 Euro belaufe sich der Schaden der Kläger auf mindestens 183.147,00 Euro. Steuervorteile seien niedriger als die jährlichen Finanzierungskosten. Dass der Bruder des Klägers den einzubauenden Kiosk betreiben sollte und Abrissarbeiten durchgeführt hat, sei unbeachtlich. Außerdem habe der Zeuge R.......... bestätigt, dass die Kläger bei Kenntnis der Kosten vom Erwerb Abstand genommen hätten. Dass die Kläger bei Kenntnis der Kosten - im Einzelnen genannte- Einsparungen vorgenommen hätten, ergebe sich aus dem Umstand, dass sie nach Kenntnis der Kostenaufstellung über 515.000,00 Euro Einsparungen vorgenommen hätten. Mehrkosten in Höhe von 138.013,00 Euro hätten wegen verspäteter Baukostenermittlungen nicht mehr verhindert werden können. Der Auftrag an den Fuger S..... sei vor dem 25.06.2003 erteilt worden. Außerdem habe der Bruder des Klägers bereits erhebliche Teile der alten Fugen entfernt gehabt.

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Von dem entstandenen Schadensersatzanspruch in Höhe von 183.147,00 Euro machen die Kläger einen erstrangigen Anspruch in Höhe von 138.013,00 Euro mit der Klageforderung geltend. Mit dem verbleibenden Schadensersatzanspruch in Höhe von 45.134,00 Euro werde die Aufrechnung gegenüber dem Honoraranspruch erklärt.

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Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Oldenburg vom 25.04.2012 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 138.013,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2003 zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.

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Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

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II.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

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Das Landgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger beweispflichtig dafür sind, dass sie bei rechtzeitiger Aufklärung über die Baukosten das Objekt entweder gar nicht erworben hätten bzw. bei rechtzeitiger Information über die Steigerung der Baukosten während der Bauphase Einsparungen vorgenommen hätten.

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Bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches des Bauherrn wegen fehlerhafter Kostenermittlung oder sonst falscher Beratung des Architekten zur Kostenentwicklung muss der Kläger neben der Pflichtwidrigkeit und neben dem Schaden auch die Ursächlichkeit der einen für den anderen dartun und nachweisen. Dabei kann ein Kläger aus der Rechtsprechung des BGH zu Beweiserleichterungen für denjenigen, der einen anderen wegen dessen besonderer Sachkunde um Rat fragt, nichts für sich herleiten. Diese Rechtsprechung greift nämlich auf ein nach der Lebenserfahrung typisches Verhalten zurück. Die vom Architekten geschuldete Aufklärung sollte und konnte nur der Information zur selbständigen Entscheidung des Bauherrn dienen. Wie sich ein Bauherr, der von seinem Architekten pflichtgemäß über die Höhe der zu erwartenden Baukosten aufgeklärt wird, verhält, entzieht sich aber jeder typisierenden Betrachtung. Seine Entscheidung hängt so weitgehend von seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen einerseits sowie seinen finanziellen Möglichkeiten und sonstigen Umständen andererseits ab, dass kein Erfahrungsurteil als Grundlage einer Vermutung möglich ist (BGH BauR 97, 494 f, vgl. auch OLG Braunschweig OLG-Report 2003, 227 f).

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Gemessen hieran ist die Beweiswürdigung des Landgerichts dahingehend, dass den Klägern nicht der Beweis dafür gelungen ist, dass sie das Objekt bei Kenntnis der tatsächlichen Kosten nicht erworben hätten, nicht zu beanstanden.

16

Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die überzeugenden und zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen werden.

17

Das Landgericht hat sich entsprechend der Forderung des BGH insbesondere mit der familiären und geschäftlichen Situation der Kläger auseinandergesetzt.

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Im Übrigen fehlt jeglicher Vortrag der Kläger dazu, welche Alternative sich ihnen statt des Erwerbes des Bahnhofsgebäudes geboten hätte. Der Kläger zu 1) hat in einem Schreiben an die Stadt L... vom 31.01.2002 darauf hingewiesen, dass die jetzigen (also: damaligen) Geschäftsräume in einem sehr schlechten Zustand seien, so dass ein Abriss in greifbarer Nähe rücke. Darüber hinaus sei die Aufteilung der Geschäftsräume nicht besonders vorteilhaft für das Sortiment.

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Zudem laufe der Mietvertrag in diesem (also: 2002) Jahr aus. Eine Verlängerung des Mietvertrages würden sie nur ungern eingehen, da sie dann wieder drei Jahre am jetzigen Standort gebunden wären.

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So haben die Kläger dann auch nicht vom Ankauf des Objektes Abstand genommen, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt -vom Landgericht in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt- Kenntnis davon hatten, dass sich die Baukosten im Vergleich zur Schätzung vom 10.9.2002 um ca. 46.000 € netto erhöhen würden.

21

Darüber hinaus ist über die finanziellen Möglichkeiten der Kläger, soweit es ihr Vermögen anbelangt, nichts Näheres bekannt. Aus den Anmerkungen zum Beschluss vom 19.03.2003 der Sparkasse zu Oldenburg ergibt sich allerdings, dass Lebensversicherungen vorhanden waren, die fällig wurden. Darüber hinaus hat der Ehemann der Klägerin der "P...H... GmbH & Co. KG" 2002 ein Darlehen über 100.000,00 Euro gewährt. Das bedeutet, dass dem Familienbetrieb nicht nur Mittel der Kläger, sondern auch zumindest Mittel des Ehemannes der Klägerin zugeflossen sind.

22

Insofern kommt dem Umstand, dass der vom Landgericht, ohne dass insoweit Einwendungen seitens der Berufung erhoben worden wären, ermittelte erforderliche Kostenmehraufwand bei korrekter Ermittlung der Sanierungskosten jährlich rund 9.500 € betragen hätte und damit, ausgehend von den Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb, nur noch rund 26.000,00 Euro jährlich für den Lebensunterhalt der Familie verblieben wäre, keine entscheidende Bedeutung zu. Soweit die Kläger sich zum Beweis der Tatsache, dass sie bei Kenntnis der realistischen Baukosten vom Erwerb Abstand genommen hätten, in zweiter Instanz erstmalig auf die Zeugin S... H... berufen, ist dieser Beweisantritt zum einen neu und damit unbeachtlich, zum anderen läuft eine Beweisaufnahme auf eine reine Ausforschung der Zeugin hinaus.

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Soweit das Landgericht sich ebenfalls nicht davon überzeugt gezeigt hat, dass die Kläger bei entsprechender Unterrichtung über die Kostensteigerung Einsparungen in der von ihnen angegebenen Höhe vorgenommen hätten, ist dies im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden. Lediglich das Argument des Landgerichts, dem Zeugen S... habe der Auftrag für die Verfugung gekündigt werden können, ohne dass dieser entgangenen Gewinn hätte geltend machen können, begegnet rechtlichen Bedenken. Entsprechendes könnte allenfalls gelten, wenn der Arbeitsumfang nicht von vornherein festgestanden hätte, so dass die Dauer des Einsatzes völlig unbestimmt gewesen wäre. Vorliegend ging es jedoch um die Verfugung des Hauses, somit um eine auch für den Zeugen S.... kalkulierbare Größe.

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Die Kläger machen zwar geltend, dass sie, nachdem sie erfahren hatten, dass die Baukosten steigen würden, Einsparungen in erheblichem Umfange vorgenommen haben. Hinsichtlich der Positionen, für die sie Schadensersatz mit der Behauptung geltend machen, sie hätten auch diese einsparen können, tragen sie jedoch ganz überwiegend schon nicht vor, ob und inwieweit sie sich bemüht haben, Einsparmöglichkeiten zu realisieren. Auch hinsichtlich der Positionen, von denen sie behaupten, dass die Verträge bereits geschlossen gewesen seien, besagt letzteres alleine nicht, dass die entsprechenden Vertragspartner nicht möglicherweise bereit gewesen wären, einen Vertrag aufzuheben. Hinzu kommt, dass die Kläger ausweislich der "Anmerkung zum Beschluss vom 19.03.2003" den Erwerb des Bahnhofsgebäudes auch aus repräsentativen Gründen beabsichtigt hatten. Ausweislich der Stellungnahme des Kreditbüros vom 15.09.2003 entspricht die hochwertige Bauausführung quasi einem Neubau. Mit einem derartigen repräsentativen Anspruch lässt sich allerdings beispielsweise nicht in Übereinstimmung bringen, dass die Kläger vortragen, dass im Badbereich die Spülkästen auch auf der Wand angebracht hätten werden können. Hinsichtlich der neuen Klinker am Kiosk hat der Sachverständige B..... in seinem Gutachten vom 28.10.2008 ausgeführt, dass sich dadurch das Erscheinungsbild des Gebäudes erheblich verbessert habe. Die Verfugung des Gebäudes erhöhe den Geltungswert der Immobilie. Mit den eingebauten Innenschalen im Laden und im Obergeschoss sei eine Betriebskostensenkung verbunden. Insoweit hat der Sachverständige eine Werterhöhung um ca. 90 % der Kosten ermittelt.

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Das Landgericht verweist in diesem Zusammenhang zu Recht auf die vom Zeugen E.....bekundete Aussage der Klägerin, dass es wichtig sei, dass die Grundsubstanz des Gebäudes vernünftig hergestellt werde. Dass die finanziellen Mittel der Kläger nicht komplett erschöpft sein konnten, ergibt sich auch aus ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 29.01.2009, wonach sie "noch einige Umbauten vorgenommen" hätten.

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Vor dem Hintergrund dieser Umstände ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Kläger die Einsparungen tatsächlich vorgenommen hätten.

27

Der Senat weicht mit dieser Entscheidung auch nicht von seiner Rechtsprechung ab. Der Sachverhalt in der von den Klägern im Senatstermin angesprochenen Entscheidung 2 U 19/10 unterscheidet sich vom vorliegenden Sachverhalt schon dadurch, dass der Senat dort davon ausgegangen ist, dass eine feste Budgetobergrenze vereinbart war, was hier nicht der Fall ist. Auch in der zitierten Entscheidung hat der Senat jedoch die Rechtsprechung des BGH zugrunde gelegt, wonach die Bauherren die Darlegungslast dafür haben, dass sie nicht oder anders gebaut hätten.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.