Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 29.07.2021, Az.: 7 B 2440/21

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
29.07.2021
Aktenzeichen
7 B 2440/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70899
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur verfassungsrechtlich gebotenen Konkretisierung des Begriffs des Inverkehrbringers in behördlichen Informationen nach § 40 Abs. 1a LFGB

Tenor:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, die von ihm unter seinem Geschäftszeichen 41.34-63311-04/2021 gegenüber den Antragstellern angekündigte Veröffentlichung vorzunehmen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin zu 2. betreibt ein Mischfutterwerk. Zu den von ihr angebotenen Leistungen gehört unter anderem das Pelletieren, Krümeln und Abpacken von Futtermitteln. Die mit der Antragstellerin zu 2. verbundene Antragstellerin zu 1. erhielt hierzu einen Auftrag von der E. GmbH. Zur Ausführung des Auftrags kaufte die Antragstellerin zu 1. von der E. GmbH Ergänzungsfuttermittel für Ferkel der Sorte „FK Piggi“. Die Antragstellerin zu 2. pelletierte sowie krümelte das gelieferte Futter und füllte es in sog. Big Bags ab. Die Antragstellerin zu 1. verkaufte das Futter anschließend zurück an die E. GmbH, über die der weitere Vertrieb des Futtermittels erfolgt. Weder der Name der Antragstellerin zu 1. noch der Antragstellerin zu 2. sind im weiteren Vertrieb des Futtermittels für die Kunden bzw. die Öffentlichkeit ersichtlich. Sie werden weder auf Etiketten noch auf Rechnungen, Lieferscheinen oder Ähnlichem benannt.

Am 21. April 2021 entnahm der Antragsgegner bei einer Kontrolle im Betrieb der Antragstellerin zu 2. Proben des Futtermittels „FK Piggi“. Das Futtermittelinstitut F. untersuchte die Proben und stellte im hierzu angefertigten Untersuchungsbefund vom 9. Juni 2021 fest, dass der zulässige Höchstgehalt für den Zusatzstoff Benzoesäure von 5000 mg/kg im Alleinfuttermittel um 1250 mg/kg überschritten wurde. Das Ergebnis wurde durch mindestens zwei Untersuchungen ermittelt (vgl. Bl. 4 f. der Beiakte).

Mit Schreiben vom 15. Juni 2021 gab der Antragsgegner unter dem Zeichen 41.34-63311-04/2021 der Antragstellerin zu 2. Gelegenheit, zu dem festgestellten überschrittenen Höchstgehalt an Benzoesäure Stellung zu nehmen, und kündigte an, die Öffentlichkeit über diesen Befund gemäß § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB informieren zu wollen, weil die Überschreitung des Höchstgehaltes einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 lit. b VO (EG) 1831/2003 darstelle. Im Wortlaut der für den 29. Juni 2021 geplanten und im Anhörungsschreiben abgedruckten Veröffentlichung wurde die Antragstellerin zu 1. als „Inverkehrbringer o. Hersteller“ bezeichnet (vgl. Bl. 19 der Gerichtsakte).

Der Geschäftsführer der Antragstellerin zu 2. teilte mit Schreiben vom 21. Juni 2021 mit, dass die Antragstellerinnen das Futtermittel nicht hergestellt, sondern lediglich pelletiert, gekrümelt und abgepackt hätten. Eine Zugabe von Benzoesäure sei in diesem Prozess ausgeschlossen. Das Futter sei bereits zuvor bei der E. GmbH gemischt worden. Zur weiteren Klärung verwies die Antragstellerin zu 2. den Antragsgegner an die E. GmbH, die vorab über den Sachverhalt unterrichtet worden war.

Daraufhin erklärte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin zu 2. mit Schreiben vom 22. Juni 2021, dass die Eigenschaft des Inverkehrbringers unabhängig von der Herstellung des Futtermittels vorliege, und kündigte eine Veröffentlichung auf der Internetseite www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de an. In der beigefügten Darstellung der Veröffentlichung war die Antragstellerin zu 1. nunmehr als „Inverkehrbringer“ aufgeführt (vgl. Bl. 21 der Gerichtsakte).

Mit Schreiben an die Antragstellerin zu 1. vom 2. Juli 2021 gab der Antragsgegner schließlich dieser Gelegenheit, zur beabsichtigten Veröffentlichung, in welcher sie als „Inverkehrbringer“ des Futtermittels genannt wird, Stellung zu nehmen und informierte sie, dass die Veröffentlichung ab dem 16. Juli 2021 geplant sei.

Hiergegen wenden sich die Antragstellerinnen mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

II.

Die Anträge der beiden Antragstellerinnen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind zulässig und begründet.

1. Der Antrag nach § 123 VwGO ist statthaft, denn das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerinnen richtet sich auf eine Unterlassung der geplanten Information der Öffentlichkeit, bei der es sich mangels Regelungscharakters nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG, sondern um einen Realakt handelt (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO).

Die Antragstellerinnen sind auch antragsbefugt, § 42 Abs. 2 VwGO analog. Zwar soll nur die Antragstellerin zu 1. in der Veröffentlichung genannt werden. Gleichwohl greift die Öffentlichkeitsinformation entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin zu 2. nach Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG ein (vgl. zur Eingriffsqualität der Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGBBVerfG, Beschl. v. 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 25 ff.).

Die Antragstellerinnen sind sie zu einem erheblichen Teil namensidentisch, sodass die informierte Öffentlichkeit aller Voraussicht nach bereits nicht zwischen ihnen unterscheiden wird. Dieser formalen Betrachtungsweise entspricht auch die enge wirtschaftliche Verbindung der Antragstellerinnen. Während die Antragstellerin zu 1. das Futtermittel kauft und verkauft, ist die Antragstellerin zu 2. für den eigentlich wertschöpfenden Vorgang, nämlich das Pelletieren, Krümeln und Abpacken verantwortlich. Vor diesem Hintergrund stellt die streitgegenständliche Öffentlichkeitsinformation, die direkt auf eine Veränderung der Marktbedingungen der konkret adressierten Antragstellerin zu 1. zielt, auch für die Antragstellerin zu 2. mehr als einen bloßen Reflex dar.

2. Die Anträge der beiden Antragstellerinnen sind auch begründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Zum Erlass einer solchen Sicherungsanordnung ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen, dass ein Anordnungsgrund besteht, d. h. die Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, und ein Anordnungsanspruch gegeben ist, also die tatsächlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch erfüllt sind.

Hier liegt zudem die Besonderheit vor, dass die Antragstellerinnen mit der einstweiligen Anordnung vorläufig das Gleiche begehren, was sie auch im Hauptsacheverfahren begehren würden, nämlich die Untersagung der vom Antragsgegner angekündigten Veröffentlichung der festgestellten Überschreitung des Höchstgehaltes an Benzoesäure. Die Antragstellerinnen begehren mithin eine (zeitweilige) Vorwegnahme der Hauptsache, was grundsätzlich dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung widerspricht (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/ders., VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 14). Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Im Hinblick auf das in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG statuierte Gebot effektiven Rechtsschutzes ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren jedoch ausnahmsweise dann zulässig, wenn diese im Interesse des Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist. Dies ist dann der Fall, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den einzelnen Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/ders., VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 14). So liegt der Fall hier:

Durch die Veränderung des bestehenden Zustands in Gestalt der angekündigten Veröffentlichung der festgestellten Überschreitung des Höchstgehaltes an Benzoesäure im Internet wird die Verwirklichung von Rechten der Antragstellerinnen vereitelt oder jedenfalls wesentlich erschwert. Die weithin einsehbare und leicht zugängliche Veröffentlichung der futtermittelrechtlichen Verstöße nach § 40 Abs. 1a LFGB kann zu einem erheblichen Verlust des Ansehens des Unternehmens und zu Umsatzeinbußen führen, was im Einzelfall bis hin zur Existenzvernichtung reichen kann (BVerfG, Beschl. v. 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 34). Auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen im Falle eines späteren Obsiegens in der Hauptsache ändern nichts daran, dass die faktische Wirkung, die von einer solchen Information der Öffentlichkeit ausgeht, durch die jeweils handelnde Behörde regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden kann (vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 28. August 2019 – 7 B 2221/19 –, juris, Rn. 12).

Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs, der als alleinige Rechtgrundlage in Betracht kommt, sind gegeben. Ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht bevorsteht oder noch andauert. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil der durch die angekündigte Veröffentlichung der festgestellten Überschreitung gesetzlicher Höchstgehalte drohende Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerinnen nach vorläufiger rechtlicher Würdigung rechtswidrig ist.

Als Rechtsgrundlage für die grundrechtsrelevante Veröffentlichung der futtermittelrechtlichen Verstöße kommt allein der von dem Antragsgegner genannte § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB in Betracht. Danach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Abs. 1 Satz 2 LFGB auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Art. 12 Abs. 2 VO (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden.

Die beabsichtigte Öffentlichkeitsinformation ist zwar formell rechtmäßig. Insbesondere wurde die Antragstellerin zu 1. durch das an sie adressierte Schreiben vom 2. Juli 2021 ordnungsgemäß nach § 40 Abs. 3 LFGB angehört. Ihr wurde Gelegenheit gegeben, auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens dadurch Einfluss zu nehmen, dass der Antragsgegner bei seiner Entscheidung die im Rahmen der Anhörung abgegebenen Stellungnahmen ernsthaft in Erwägung zieht. Dies zeigt sich nicht zuletzt in dem Umstand, dass der Antragsgegner eine verlängerte Frist zur Stellungnahme gewährte und die zunächst für den 29. Juni 2021 beabsichtigte Veröffentlichung entsprechend auf den 16. Juli 2021 vertagte. Da die Anhörung vor der – auch weiterhin ausstehenden – Veröffentlichung erfolgte, handelt es sich auch nicht um die Nachholung einer zunächst möglicherweise rechtsfehlerhaft unterbliebenen, weil nur an die Antragstellerin zu 2. gerichteten, Anhörung, die nur unter bestimmten Voraussetzungen entsprechend § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG den Verfahrensfehler heilen kann (vgl. zu den Anforderungen an die Nachholung einer unterbliebenen Anhörung im gerichtlichen Verfahren VG Oldenburg, Urt. v. 14. Januar 2011 – 7 A 1212/09 –, juris, Rn. 41).

Die Veröffentlichung dürfte jedoch materiell rechtswidrig, weil unverhältnismäßig sein.

Die von dem Antragsgegner geplante Veröffentlichung ist nach § 40 Abs. 1a LFGB zwar grundsätzlich zulässig, weil ein hinreichend durch Tatsachen begründeter Verdacht dafür besteht, dass in Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB festgelegte Höchstgehalte überschritten wurden. Mindestens zwei Untersuchungen der bei der Antragstellerin zu 2. entnommenen Probe haben ergeben, dass darin der zulässige Höchstwert an Benzoesäure gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b VO (EG) Nr. 1831/2003 überschritten wurde.

Keiner weiteren Klärung bedarf insoweit die Frage, ob das Futtermittel bereits vor der Behandlung durch die Antragstellerin zu 2. den zulässigen Höchstgehalt an Benzoesäure überschritten hat und daher allein die E. GmbH, die das Futtermittel gemischt hat, als Verursacherin des Verstoßes in Betracht kommt. Durch die Untersuchungen der bei der Antragstellerin zu 2. entnommenen Probe ist der Antragsgegner der gesetzgeberischen Verpflichtung zur Ermittlung der Tatsachen nach § 40 Abs. 1a LFGB hinreichend nachgekommen. Die Probe entstammt unzweifelhaft einer abgepackten Charge, die von der Antragstellerin zu 2. behandelt worden ist (vgl. Bl. 1 der Beiakte), sodass jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Höchstgehaltsüberschreitung durch das Pelletieren, Krümeln und Abpacken verursacht worden ist. Weiterer Aufklärungsmaßnahmen bedurfte es nicht, weil andernfalls die Erreichung der Zwecke der Informationsregelung (dazu näher sogleich) gefährdet worden wäre. Dürfte eine Veröffentlichung nämlich erst dann erfolgen, wenn ein Verstoß und die entsprechende Verantwortlichkeit bestands- oder rechtskräftig festgestellt wären, würde die Information der Öffentlichkeit durch die vielfach zu erwartende Einlegung von Rechtsbehelfen voraussichtlich häufig herausgezögert und die Informationsregelung damit um ihre Effektivität gebracht. Um eigenverantwortliche Konsumentscheidungen treffen zu können, benötigen Verbraucherinnen und Verbraucher aktuelle Informationen. Eine möglicherweise um Jahre verzögerte Mitteilung über Rechtsverstöße ist zur Verbraucherinformation kaum noch geeignet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 43).

Allerdings ist die geplante Information ohne weitere Ergänzungen unzureichend. Die bloße Bezeichnung der Antragstellerin zu 1. als „Inverkehrbringer“ genügt nicht, um die Anforderungen an eine verfassungskonforme Anwendung des § 40 Abs. 1a LFGB, die die Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung im Einzelfall gewährleistet, zu erfüllen.

Die Öffentlichkeitsinformation nach § 40 Abs. 1a LFGB dient – anders als die Information nach § 40 Abs. 1 Satz 1 LFGB – nicht unmittelbar der Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lebensmittel oder Futtermittel (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 20). Vielmehr soll die Information in erster Linie eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher schaffen sowie – nachrangig (vgl. OVG Münster, Beschl. 15. Januar 2019 – 13 B 1587/18 –, juris, Rn. 20) – generalpräventiv zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts beitragen. Der drohende Nachteil der Informationsverbreitung soll das einzelne Unternehmen dazu veranlassen, den Betrieb im Einklang mit den lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Bestimmungen zu betreiben (vgl. BT-Drs. 17/7374, Seite 2; BT-Drs. 17/12299, Seite 7; BVerfG, Beschl. v. 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 29, 32).

§ 40 Abs. 1a LFGB ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform auszulegen und anzuwenden, um die Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung im Einzelfall zu gewährleisten. Die zuständigen Behörden haben bei der Rechtsanwendung von Verfassungs wegen Vorkehrungen zu treffen, um die Richtigkeit der Information zu sichern und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 39).

Insoweit erweist sich die von dem Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung als unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit der Antragsstellerinnen, weil die vorgesehenen Informationen nicht geeignet sind, die Erfüllung des gesetzlichen Informationszwecks zu gewährleisten und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden. Die beabsichtigten Angaben sind nicht hinreichend bestimmt.

Zwar handelt es sich bei der Antragstellerin zu 1., die das Futtermittel zurück an die E. GmbH verkauft hat, ausgehend von dem weiten Begriffsverständnis des „Inverkehrbringens“ in Art. 3 Nr. 8 VO (EG) Nr. 178/2002, wonach hierunter das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie der Verkauf, der Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst zu verstehen sind, um einen Inverkehrbringer im Sinne des § 40 Abs. 1a LFGB.

Allein die Bezeichnung der Antragstellerin zu 1. als „Inverkehrbringer“ genügt jedoch nicht, um den primären Zweck des § 40 Abs. 1a LFGB, nämlich die Lenkung der Konsumentenentscheidung, zu erreichen, weil die Rolle der Antragstellerin zu 1. in der Herstellungs- und Vertriebskette nicht hinreichend bestimmt beschrieben wird und daher nicht auszuschließen ist, dass bei den Kunden des Futtermittels Fehlvorstellungen über das betroffene Produkt hervorgerufen werden.

Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass der Verkauf des Futtermittels durch die Antragstellerin zu 1. ausschließlich an die E. GmbH erfolgt, die das Futtermittel zuvor selbst hergestellt und an die Antragstellerin zu 1. verkauft hat. Der weitere Vertrieb gegenüber Endkunden obliegt allein der E. GmbH. Weder die Antragstellerin zu 1. noch die Antragstellerin zu 2., die das Futtermittel zwischenzeitlich durch Pelletieren, Krümeln und Abpacken behandelt hat, sind für potentielle Endkunden ersichtlich. Sie werden weder auf Etiketten noch auf Rechnungen, Lieferscheinen oder ähnlichem benannt.

Der primäre Zweck des § 40 Abs. 1a LFGB, Konsumentscheidungen zu lenken, scheidet hinsichtlich der das Futtermittel von der Antragstellerin zu 1. zurückkaufenden E. GmbH schon deshalb aus, weil diese bereits umfassend durch die Antragstellerinnen über den Sachverhalt und die überschrittenen Höchstgehalte informiert wurde, sodass eine Veröffentlichung für sie keinen weiteren Wert hat.

Ebenso wenig werden jedoch die potentiellen Endkunden durch die bloße Bezeichnung der Antragstellerin zu 1. als „Inverkehrbringer“ zu einer besseren Kaufentscheidung ermächtigt. Da die Antragstellerin zu 1. nicht nach außen hin auftritt, würden Endkunden den Namen der Antragstellerin zu 1. vielmehr vergeblich auf dem Produkt suchen und in ihrer Kaufentscheidung möglicherweise fehlgeleitet werden, weil sie das betroffene Produkt gar nicht erkennen. Ohne eines zusätzlichen Hinweises in der Veröffentlichung, der die Eigenschaft der Antragstellerin zu 1. als Inverkehrbringer hinsichtlich der besonderen Umstände der vorliegenden Herstellungs- und Vertriebskette näher konkretisiert und die Endkunden insbesondere über den Umstand aufklärt, dass das betroffene Produkt ausschließlich unter dem Namen des Herstellers vertrieben wird, kann das Ziel des § 40 Abs. 1a LFGB, potentiellen Kunden eine bessere Kaufentscheidung zu ermöglichen, daher nicht erreicht werden. Die Veröffentlichung in der hier beabsichtigten Form erweist sich daher im Ergebnis als unverhältnismäßig.

Nichts anderes ergibt sich aufgrund des nachrangigen generalpräventiven Zwecks des § 40 Abs. 1a LFGB. Zunächst dürfte die mit der Veröffentlichung neben der Entscheidungsgrundlage für die Verbraucher beabsichtigte erzieherische Wirkung für die Antragstellerin zu 1. durch den behördlichen Nachweis der Höchstgehaltsüberschreitung und das Anhörungsverfahren bereits weitgehend eingetreten sein. Die Antragstellerinnen haben sich mit der E. GmbH als Hersteller der belasteten Charge in Verbindung gesetzt, um die Ursache aufzuklären und diesen auf die Belastung und die Notwendigkeit, eine solche künftig zu vermeiden, hinzuweisen. Eine darüberhinausgehende erzieherische Wirkung durch die Veröffentlichung wäre daher allenfalls als gering anzusehen. Sie dürfte zudem auch ohne Information der Öffentlichkeit mit Hilfe paralleler Beanstandungs- und ggf. auch Bußgeldverfahren zu erreichen sein (vgl. Teufer, in: ZLR 2019, S. 293 [OVG Nordrhein-Westfalen 15.01.2019 - 13 B 1587/18] [297]). Demgegenüber wiegt der für die Antragstellerinnen mit der Veröffentlichung verbundene Eingriff schwerer. Die weithin einsehbare und leicht zugängliche Veröffentlichung des Missstands im Internet kann zu einem erheblichen Reputationsverlust der Unternehmen und zu Umsatzeinbußen führen. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als dass die bloße Bezeichnung der Antragstellerin zu 1. als Inverkehrbringer ohne ergänzende Erläuterungen nach dem oben Gesagten zu Fehlvorstellungen bei den Endkunden über die Verantwortlichkeit der Antragstellerin zu 1. im Rahmen des Herstellungs- und Vertriebsprozesses führen kann. Angesichts dieser Eingriffsintensität vermag das auch mit Blick auf den generalpräventiven Zweck lediglich geringe öffentliche Interesse an der Information der Öffentlichkeit diese nicht zu rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG. In Anlehnung an Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NordÖR 2014, 11) ist der Auffangwert anzusetzen und von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren abzusehen, weil aufgrund der Vorwegnahme der Hauptsache die Bedeutung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens dem Hauptsacheverfahren entspricht. Eine Addition der Werte der beiden Anträge scheidet in Anlehnung an Nr. 1.1.3 des Streitwertkatalogs aus, weil die Antragstellerinnen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verbundenheit ein einheitliches Interesse verfolgen und daher als Rechtsgemeinschaft anzusehen sind.