Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 21.05.2001, Az.: 1 B 14/01

Abwägung; Aufhebung; Suspensivinteresse; Vollzugsanordnung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
21.05.2001
Aktenzeichen
1 B 14/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 40235
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Für die gerichtliche Ermessensentscheidung, ob die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederherzustellen ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung an.

2. Bei der Abwägung von Vollzugs- und Suspensivinteresse sind sämtliche abwägungserheblichen Einzelumstände zu berücksichtigen, u.a. auch eine Veränderung medizinischer Einschätzungen.

Gründe

1

I. Der Antragsteller erstrebt die Aussetzung der Vollziehbarkeit einer Verfügung, mit der ihm aufgegeben wurde, (1.) als Erkrankungsnachweise nur noch amtsärztliche Atteste beizubringen und (2.) seinen Dienst mit zunächst der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit am 17. April 2001 wieder anzutreten.

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Er ist als Justizoberinspektor beim A. tätig. Nachdem er seit November 1999 und vor allem seit Beginn des Jahres 2000 wiederholt - auch für längere Zeit - erkrankt war und hierfür stets privatärztliche Atteste eingereicht hatte, teilte ihm der Präsident A. zunächst mit, dass er amtsärztlich untersucht werden solle, womit sich der Antragsteller einverstanden erklärte, und ordnete sodann mit Verfügung vom 26. Juni 2000 eine entsprechende Untersuchung an. Da vom zuständigen Gesundheitsamt neben den Untersuchungsbefunden und verschiedenen Arztberichten eine fachärztliche Zusatzuntersuchung für erforderlich gehalten wurde, wurde der Antragsteller am 11. September 2000 vom Facharzt Dr. med. A. neurologisch-psychiatrisch untersucht, der hierüber ein Gutachten vom 4. Oktober 2000 erstattete (Bl. 548 ff. Verwaltungsvorgänge). In der amtsärztlichen Beurteilung vom 25. Oktober 2000 gelangte der Amtsarzt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass „die Dienstfähigkeit zwar eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben“ sei. Im Verwaltungsbereich mit der Möglichkeit häufigen Wechsels von Sitzen, Stehen und Gehen sei dem Antragsteller eine halb- bis untervollschichtige Tätigkeit (50 bis 70 % der früheren Berufsbelastung) zumutbar.

3

Nach einem Gespräch beim Antragsgegner am 10. November 2000 beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 20. November 2000 ergänzend die Einholung einer ausführlichen fachärztlichen Stellungnahme sowie die Einholung eines orthopädischen Gutachtens. Beides hielt der Amtsarzt jedoch für entbehrlich (Schreiben v. 12. Dezember 2000). Nachdem der Antragsteller seinen Antrag mit Schreiben vom 6. Januar 2001 präzisiert hatte, erklärte sich der Antragsgegner zur „Abrundung der Entscheidung“ bereit, ein orthopädisches Gutachten unter Einbeziehung des behandelnden Arztes für Orthopädie A. einzuholen. Mit seinem Schreiben vom 5. Februar 2001 stellte der Antragsgegner sodann dem Amtsarzt gegenüber klar, dass die Aufgaben des Antragstellers weit überwiegend im Sitzen und dabei zu 40 % am PC zu verrichten seien, und bat um Mitteilung, ob dadurch der Umfang der Dienstfähigkeit anders zu beurteilen sei. Hierzu führte der Amtsarzt mit Schreiben vom 6. März 2001 aus, dass seine Stellungnahme eine Aussage zur Bildschirmtauglichkeit nicht enthalte, eine entsprechende Untersuchung nicht stattgefunden habe und von ihm auch nicht durchgeführt werden könne.

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In einem Gespräch vom 13. März 2001 wurde der Antragsteller sodann gebeten, Vorschläge zur Aufgaben- und Arbeitsplatzgestaltung unter der Voraussetzung zu machen, dass er nach den vorliegenden Gutachten doch grundsätzlich - halb- bis untervollschichtig (50 bis 70 %) - dienstfähig sei. Mit Schreiben vom 22. März 2001 teilte der Antragsteller mit, dass er an einem Arbeitsversuch nicht teilnehmen könne, weil andernfalls der „erreichte Therapieerfolg gefährdet sei“.

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Durch Verfügung des Antragsgegners vom 11. April 2001, die zuvor angekündigt worden war (Verfügung v. 3. April 2001), wurde der Antragsteller aufgefordert, seinen Dienst zunächst mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit am 17. April 2001 auf einem Arbeitsplatz wieder anzutreten, der einen häufigen Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ermögliche. Zugleich wurde in der Verfügung festgestellt, dass vom 17. April 2001 an als Erkrankungsnachweise nur noch amtsärztliche Atteste anerkannt würden. Die Verfügung wurde mit der Begründung für sofort vollziehbar erklärt, die Koordination, Schulung und Einweisung der Serviceeinheiten, die hohe Priorität genieße, sei im Rahmen der Umorganisation dringend erforderlich, wenn diese nicht Schaden nehmen solle. Dabei komme hinzu, dass die personelle Situation des gehobenen Dienstes sich beim A. in den letzten Wochen aus verschiedenen Gründen gravierend verschärft habe. Es liege im öffentlichen Interesse, die „beschleunigte Wahrnehmung der Aufgaben des neuen Dienstpostens“ durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sicherzustellen.

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Gegen diese Verfügung - wegen Abwesenheit des Antragstellers am 11. April 2001 zugestellt durch Niederlegung bei der Gemeinde A. - erhob der Antragsteller durch Schreiben vom 17. April mit der Begründung Widerspruch, sein Gesundheitszustand habe sich seit der amtsärztlichen Untersuchung erheblich verschlechtert. Es sei zu befürchten, dass ein Arbeitsversuch seinen Zustand „radikal negativ“ verändern werde. Zugleich beantragte er die Aussetzung der Vollziehung. Am 18. April 2001 trat der Antragsteller seinen Dienst an und erklärte, er sei auf ärztliche Empfehlung 2 Wochen in A. gewesen, er werde sich auflagengemäß dem Amtsarzt vorstellen. Nach Vereinbarung eines Untersuchungstermins für den 19. April 2001 wurde der Antragsteller nach Hause entlassen. Der Amtsarzt teilte mit Schreiben vom 19. April 2001 mit, es seien noch Zusatzuntersuchungen erforderlich. Nachdem der Antragsteller am 20. April 2001 vom Lungenfacharzt A. für dienstunfähig krank befunden worden war, bestätigte die Amtsärztin diese Feststellung aufgrund ihrer Untersuchung vom 24. April 2001 bis zum 27. April 2001. Auf seinen Antrag vom 24. April 2001 wurde dem Antragsteller vom Antragsgegner vom 30. April bis zum 15. Juni 2001 restlicher Jahresurlaub aus dem Urlaubsjahr 2000 gewährt. Schließlich stellte sich der Antragsteller im Mai 2001 erneut dem Amtsarzt vor, der mit seiner Stellungnahme vom 15. Mai 2001 die Dienstunfähigkeit des Antragstellers mindestens bis zu einem fachorthopädischen Zusatzgutachten feststellte und zugleich zum Ausdruck brachte, wahrscheinlich sei darüber hinaus eine erneute nervenfachärztliche Begutachtung erforderlich.

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Mit seinem Antrag vom 23. April 2001 begehrt der Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 VwGO mit der Begründung, er habe stets auf die Unvollständigkeit des amtsärztlichen Gutachtens und seine schwerwiegenden Krankheitssymptome hingewiesen, was jedoch nicht Beachtung gefunden habe. Am 19. April sei er beim Lungenfacharzt A. zusammengebrochen und so unglücklich gestürzt, dass er Schmerzen im Kiefergelenk habe, was seine andauernden Schmerzen im Halswirbel-Bereich verstärkt und sein Wirbelgleiten im LWS-Bereich habe erneut entstehen lassen. Er halte die angegriffene Verfügung vom 11. April 2001 für überzogen, zumal sie seine Gesundheitsgefährdungen und die Gefährdung des Therapieerfolges nicht berücksichtige. Der Antragsgegner selbst gehe - wie seine Verfügung vom 12. Januar 2001 zeige - von einer Unvollständigkeit des bisher eingeholten Gutachtens aus, so dass jedenfalls die sofortige Vollziehung der Verfügung vom 11. April 2001 nicht mehr angeordnet werden könne. Vielmehr dränge sich eine gesonderte Überprüfung der Bildschirmverträglichkeit - vom Amtsarzt bisher nicht vorgenommen - auf, abgesehen von weiteren Zusatzbegutachtungen. Jedenfalls seit dem 20. April 2001, also seit dem Eingang der amtsärztlichen Stellungnahme und der erneuten Beauftragung des Amtsarztes, sei die medizinische wie rechtliche Einschätzung als völlig offen zu betrachten, so dass für einen Sofortvollzug kein Raum mehr sei. Gestützt werde das durch die Gewährung von Urlaub bis Mitte Juni. Er beantragt,

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die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 VwGO der Verfügung des A. vom 11. April 2001, Pers A., bis über den Widerspruch gegen die Verfügung rechtskräftig entschieden ist.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

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Er ist der Ansicht, das Einfordern von Krankheitsnachweisen (Pkt. 1 der angegriffenen Verfügung) sei eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbar sei. Auf der Grundlage der ärztlichen Untersuchungen und Gutachten sei die Verfügung vom 11. April 2001 zu Recht ergangen, zumal amtsärztliche Äußerungen bei der Beurteilung der Dienstunfähigkeit gegenüber privatärztlichen Attesten grundsätzlich einen größeren Beweiswert besäßen. Auch die in Pkt 2 enthaltene Aufforderung, seinen Dienst am 17. April 2001 anzutreten, sei rechtmäßig, da alle bislang vorliegenden Untersuchungen ergeben hätten, dass der angesonnene Arbeitsplatz dem Antragsteller, wozu er sich habe äußern können, zumutbar sei. Das gelte besonders angesichts dessen, dass der Antragsteller im März 2001 eine Flugreise nach A. mit all ihren Strapazen (zwei 10-stündige Flüge) unternommen habe, von der er am 17. April 2001 zurückgekehrt sei. Die Aufforderung zur Wiederaufnahme des Dienstes als solche sei auch nicht deshalb fehlerhaft, weil der Antragsteller am 19. April beim Lungenfacharzt A. zusammengebrochen sei. Diese Tatsache sowie die im April 2001 erstmals für erforderlich gehaltenen Zusatzbegutachtungen zur Frage der akuten Dienstfähigkeit berührten nicht die begrenzte Dienstfähigkeit gemäß § 54 a NBG, die hierdurch nicht ausgeschlossen werde. Auch die Notwendigkeit der Anordnung des Sofortvollzuges werde davon nicht berührt, da die dienstlichen Gründe, die in der Verfügung dargelegt worden seien, fortbestünden. Die Aufforderung, den Dienst anzutreten, sei allerdings auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt dahin zu verstehen, dass der Antragsteller davon bei amtsärztlicher Krankschreibung wie auch bei Urlaubsgewährung suspendiert sei. Das amtsärztliche Attest vom 15. Mai 2001, durch das die Dienstunfähigkeit des Antragstellers bis zum Vorliegen eines fachorthopädischen Zusatzgutachtens und wahrscheinlich darüberhinaus bis zu einer erneuten nervenfachärztlichen Begutachtung festgestellt worden sei, bestätige und unterstreiche die Notwendigkeit der ergangenen Verfügung.

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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

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II. Der zulässige Antrag hat Erfolg.

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Da die behördliche Vollzugsanordnung unbegrenzt - auch bei nachträglicher Änderung der sie einmal rechtfertigenden Sachlage - erhalten bleibt, sofern sie nicht widerrufen oder durch das Gericht die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird (Finkelnburg/Jank, NJW-Schriften Bd. 12, 4. Auflage, Rdn. 772), ist hier ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an dem eingebrachten Antrag anzuerkennen, u.zw. gerade auch deshalb, weil sich der Antragsgegner weiterhin - trotz der inzwischen deutlich veränderten Sachlage - der sofortigen Vollziehbarkeit seiner Verfügung vom 11. April 2001 „berühmt“ (Schriftsatz v. 16.5.2001). Unter diesen Umständen ist der Antragsteller gezwungen, die Veränderung der Sachlage durch einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO geltend zu machen.

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Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung im Aussetzungsverfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist „die eigenständig und losgelöst von der vorangegangenen behördlichen Vollzugsanordnung zu beurteilende Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage wiederherzustellen ist“ (Finkelnburg/Jank, aaO., Rdn. 855). Nur als „Reflex dieser Entscheidung“ wird mittelbar dann auch Rechtsschutz gegenüber der behördlichen Vollzugsanordnung gewährt, die z.B. schon dann beseitigt wird, wenn sie sich - ursprünglich möglicherweise rechtmäßig - jedenfalls „im Ergebnis als nicht gerechtfertigt erweist“ (Finkelnburg/Jank, aaO.). Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung im Aussetzungsverfahren des § 80 Abs. 5 VwGO ist also nicht die für sofort vollziehbar erklärte (Grund-) Verfügung und deren Rechtmäßigkeit. Dieser Streitgegenstand gehört in das Verfahren der Hauptsache. Gegenstand der gerichtlichen Aussetzungsentscheidung ist auch nicht die Rechtmäßigkeit der behördlichen Vollzugsanordnung (Finkelnburg/Jank, aaO., Rdn. 855 m.w.N.).

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Für diese eigenständige gerichtliche Entscheidung kommt es im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO allein auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an, nicht mehr auf den der Vollzugsanordnung (Finkelnburg/Jank, aaO, Rdn. 870). In diesem Zeitpunkt nun - am 21. Mai 2001 - erscheint die Vollzugsanordnung des Antragsgegners nicht mehr gerechtfertigt.

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Denn die Aufforderung, seinen Dienst mit zunächst der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit am 17.04.2001 wieder anzutreten (Pkt. 2 der angegriffenen Verfügung), ist inzwischen durch Zeitablauf überholt und auch unter der Voraussetzung, damit sei der Antragsteller fortlaufend verpflichtet, in begrenztem Maße (§ 54 a NBG), so wie in der Verfügung umrissen, künftig - für die Zeit nach dem 17. April 2001 - Dienst zu leisten, im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (s.o.) nicht mehr zu rechtfertigen. Denn auch eine begrenzte Dienstleistung kann dem Antragsteller aufgrund der veränderten Umstände derzeit nicht mehr abverlangt werden: Das ergibt sich zunächst daraus, dass dem Antragsteller antragsgemäß mit Verfügung vom 26. April 2001 restlicher Jahresurlaub bis zum 15. Juni 2001 gewährt wurde. Diese Urlaubsgewährung steht im Widerspruch zu der Aufforderung, seinen Dienst anzutreten. Wollte man die Aufforderung vom 11. April 2001 (konkludent) als für die Urlaubszeit suspendiert ansehen, so wäre von einer ständig zunehmenden Verminderung des Vollzugsinteresses auszugehen, das sich jedoch am 16. Juni 2001 aus den nachfolgenden (medizinischen) Gründen nicht mehr gegenüber dem Suspensivinteresse durchzusetzen vermag: Durch das amtsärztliche Attest vom 15. Mai 2001 ist eindeutig die Dienstunfähigkeit des Antragstellers festgestellt worden, u.zw. mindestens solange, „bis ein fachorthopädisches Zusatzgutachten vorliegt“. Über den Zeitpunkt der Vorlage dieses Gutachtens hinausreichend ist vom Amtsarzt jedoch auch noch die Wahrscheinlichkeit ausgesprochen worden, dass eine „erneute nervenfachärztliche Begutachtung erforderlich“ sein werde. Auch für diesen Abklärungszeitraum besteht - so ist das Attest zu verstehen - weiterhin die attestierte Dienstunfähigkeit des Antragstellers, die ja ohnehin „mindestens“ schon bis zur Vorlage des fachorthopädischen Gutachtens besteht. Unter diesen Umständen besteht dann aber auch schon wegen der Unwägbarkeiten und Unsicherheiten des Ergebnisses der genannten Gutachten für die nächste überschaubare Zeit kein unmittelbar durchsetzbares Interesse mehr an einer Dienstleistung des Antragstellers - u.zw. gleichgültig, in welchem Maße (50 %) und in welchem Rahmen (mit häufigem Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen) von ihm Dienst geleistet werden soll. Dieses Interesse lässt sich vor allem nicht damit begründen, dass Schulungsmaßnahmen mit hoher Priorität durchzuführen seien und sich die Personalsituation beim Antragsgegner „gravierend verschärft“ habe (vgl. II der Begründung der Verfügung vom 11. April 2001). Erkrankungen und amtsärztlich festgestellte Dienstunfähigkeiten grenzen den Kreis der Mitarbeiter, die für die genannten Maßnahmen zur Verfügung stehen, notwendigerweise ein, so dass mit der hier gegebenen Begründung der Vollzugsanordnung (§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO) nur dienstfähige oder begrenzt dienstfähige Mitarbeiter erfasst werden, jedoch nicht mehr dienstunfähige Bedienstete wie der Antragsteller. Diese stehen auch bei einem Personalengpass nicht mehr zur Verfügung. Angesichts der aufgezeigten Ungewissheit, wie sich die gesundheitliche Lage des Antragstellers in Zukunft - nach Vorliegen der gen. Gutachten - darstellen wird, kann die Vollzugsanordnung mit der gegebenen Begründung auch nicht für jeden nur denkbaren Fall medizinischer Erkenntnis in den Gutachten aufrecht erhalten werden. Denn damit würde jede auf den Einzelfall abgestellte Ermessensbetätigung verlassen und ohne Rücksicht auf das Ergebnis der Gutachten, die ja nicht wieder zu dem Ergebnis führen müssen, der Antragsteller sei „halb- bis untervollschichtig (50 -70 %)“ belastbar und dienstfähig, eine Vollzugsanordnung aufrecht erhalten, die inhaltlich ja doch eine Einzelfallabwägung unter Heranziehung konkreter Umstände zu sein hat (Finkelnburg/Jank, aaO, Rdn. 755 m.w.N.). Eine verlässliche Prognose zum Ausgang der anstehenden medizinischen Zusatzbegutachten, deren Erforderlichkeit schon durch das amtsärztliche Attest vom 19. April 2001 attestiert wurde, lässt sich nicht treffen, so dass es an einem Vollzugsinteresse für die Aufforderung, seinen Dienst anzutreten, fehlt.

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Ein solches Vollzugsinteresse fehlt auch für Forderung, als Nachweis einer Erkrankung „nur noch Atteste des Amtsarztes“ beizubringen (Pkt. 1 der Verfügung vom 11. April 2001). Abgesehen davon, dass der Teil der Verfügung, mit welcher die Vollzugsanordnung (Pkt 3) begründet worden ist (vgl. insoweit II), dazu keinerlei Ausführungen enthält, die Anordnung also schon deshalb rechtswidrig ist (Finkelnburg/Jank, aaO, Rdn. 759 m.w.N.), wird sie aber auch im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht mehr von den sonstigen Begründungselementen der angegriffenen Verfügung getragen. Denn Anfang April 2001 mögen noch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür bestanden haben, dass eine Tätigkeit mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit den Antragsteller unzumutbar belasten könnte, weil der grundsätzliche Vorrang amtsärztlicher Atteste gegenüber privatärztlichen Attesten damals noch für eine (eingeschränkte) Belastbarkeit sprach und eine Divergenz dieser Atteste zu konstatieren war. Inzwischen jedoch beurteilt auch der zuständige Amtsarzt die Dinge so, dass der Antragsteller eindeutig dienstunfähig ist und noch Zusatzbegutachtungen einzuholen sind (vgl. das Attest v. 15. Mai 2001). „Substantiierte Gründe“ für eine Dienstunfähigkeit des Antragstellers (vgl. S. 3 der Verfügung v. 11.4.01) liegen damit inzwischen ohne Zweifel vor. Eine „Divergenz der Feststellungen“ zwischen den ärztlichen Attesten ist nicht mehr gegeben, Gründe der Rechtssicherheit gebieten es nicht mehr, die Art des Nachweises einer Erkrankung eindeutig zu regeln. Dabei mag dahinstehen, ob es ein solches Regelungsbedürfnis unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Finkelnburg/Jank, aaO, Rdn. 859 ) überhaupt angesichts dessen gegeben hat, dass der Antragsteller sich stets mit amtsärztlichen Untersuchungen einverstanden erklärt hat (vgl. sein Schreiben v. 22. Juni 2000) und entsprechenden Aufforderungen ohne Zögern Folge geleistet hat (schriftliche Erklärung v. 16. Januar 2001, mündliche Erklärung vom 18. April 2001/ Untersuchung am 19. April 2001, Einverständnis für die Untersuchung am 24. April 2001, Vorstellung „auf Veranlassung“ des Antragsgegners im Mai 2001/Attest v. 15. Mai 2001).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.