Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 22.09.2008, Az.: 1 B 3901/08

Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis; Bedeutung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache i.R.v. einstweiligen Anordnungen

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
22.09.2008
Aktenzeichen
1 B 3901/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 38001
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2008:0922.1B3901.08.0A

Verfahrensgegenstand

Fußballplatz für Punktspielbetrieb

- Antrag nach §123 VwGO -

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 1. Kammer -
am 22. September 2008
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller bleibt mit seinem am 15.08.2008 bei Gericht gestellten Antrag,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm für den Punktspielbetrieb von einer Herren- und einer Jugendmannschaft in der Saison 2008/2009 für den Fußballsport eine Spielstätte nebst entsprechender Umkleidemöglichkeiten zur Verfügung zu stellen,

2

ohne Erfolg.

3

Der Antragsteller ist neben dem SV Bockenem 07 aus dem SV Bockenem 1919 hervorgegangen, welcher im Jahr 2007 Insolvenz angemeldet hatte. Die Mitglieder des Antragstellers und des SV Bockenem 07 sind zum Teil heftig zerstritten. Dies beruht auf Unstimmigkeiten über den Umstand und den Ablauf der Insolvenz des SV Bockenem 1919. Die Antragsgegnerin schloss mit dem SV Bockenem 07 im Mai 2008 einen Mietvertrag über das Karl-Binder-Stadion und das dazu gehörende Sporthaus. Beide nutzte vorher der SV Bockenem 1919. Nach seiner Gründung im Juni 2008 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin mit dem Begehren, ihm eine Spielstätte für die Heim-Punktspiele zur Verfügung zu stellen. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Ratsbeschluss vom 14.08.2008 ab. Sie stellt dem Antragsteller jedoch den sog. "B-Platz" zweimal wöchentlich zu Trainingszwecken zur Verfügung.

4

Der Antrag ist zwar gem. §123 Abs. 1 VwGO statthaft und zulässig, jedoch unbegründet.

5

Gemäß §123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint.

6

Das Gericht erlässt eine einstweilige Anordnung, wenn der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht. Der Antragsteller hat bereits einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

7

Ein Anordnungsgrund für die begehrte Regelungsanordnung liegt nur dann vor, wenn eine (vorläufige) Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes darf allerdings grundsätzlich die Entscheidung der Hauptsache weder rechtlich noch faktisch vorweg genommen werden.

8

Durch den Erlass der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung würde eine weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache vorliegen. Denn die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm eine Spielstätte zur Verfügung zu stellen, wäre eine Regelung, durch die dem Antragsteller eine uneingeschränkte und nicht entziehbare Rechtsposition eingeräumt würde, die bis zur Hauptsacheentscheidung nur endgültig getroffen werden könnte. Es würde daher nicht eine bloße Sicherung der Rechte des Antragstellers, sondern im Wesentlichen eine Befriedigung eintreten. Diese Vorwegnahme der Hauptsache ist nicht zulässig.

9

Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache ergibt sich aus dem Wesen und dem Zweck des einstweiligen Anordnungsverfahrens als Verfahren der vorläufigen Regelung. Die einstweilige Anordnung dient nur zur Sicherung von Rechten eines Antragstellers, nicht hingegen zu ihrer Befriedigung. Von dem grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung kann lediglich dann abgesehen werden, wenn der nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive Rechtschutz ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht ermöglicht werden könnte, das heißt, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines wirkungsvollen Rechtschutzes schlechterdings notwendig ist, weil die ansonsten zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären. Hierfür ist zugleich ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache notwendig. Inwieweit dabei die Entscheidung in der Hauptsache vorweg genommen werden darf, hängt vom Ergebnis der in jedem Einzelfall gesondert vorzunehmenden Interessenabwägung ab. Gegenüberzustellen sind die Belange des Antragstellers und der Allgemeinheit, wobei Bedeutung und Dringlichkeit des geltend gemachten Anspruchs besonders zu beachten sind. Dementsprechend ist anerkannt, dass in Fällen existenznotwendiger Ansprüche, wie z.B. im Bereich der Sozialhilfe, eine Ausnahme von dem Verbot der Vorwegnahme gerechtfertigt ist. Ein Antragsteller kann daher nur dann einstweiligen Rechtschutz gem. §123 Abs. 1 VwGO erlangen, wenn der Rechtschutz in der Hauptsache für ihn zu schlechthin unzumutbaren Nachteilen führt. Damit sind solche Nachteile gemeint, die über das hinausgehen, was die einstweilige Anordnung als solche nötig erscheinen lassen könnte, das heißt, es müssen solche Gründe vorliegen, die die Regelung so dringlich erscheinen lassen, dass die Vorwegnahme der Hauptsache geboten ist (vgl.: VG Gießen, Beschl. v. 25.07.2005 - 8 G 1560/05 -; Hessischer VGH, Beschl. v. 28.10.2005 - 8 TG 2172/05 -; beides zitiert nach [...]). Solche unzumutbaren Nachteile sind vorliegend nicht zu erkennen.

10

Der Antragsteller hat vom Niedersächsischen Fußballverband (NFV) eine vorläufige Spielgenehmigung erhalten und nimmt bereits mit seinen beiden Mannschaften am regulären Spielbetrieb teil. Die Heimspiele werden zurzeit auf dem Platz des TSV Gronau abgehalten. Zur Teilnahme am Punktspielbetrieb ist daher die begehrte einstweilige Anordnung entgegen dem zunächst erhobenen Vortrag des Antragstellers nicht erforderlich.

11

Alleine der Umstand, dass die "Heimspiele" des Antragstellers zurzeit im 32 km entfernten Gronau stattfinden müssen, stellt keinen unzumutbaren Nachteil im o.a. Sinn dar. Eine Existenzgefährdung des Antragstellers durch diese Tatsache ist nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zweimal wöchentlich Trainingszeiten sowohl auf dem B-Platz als auch in Sporthallen eingeräumt. Eine Beeinträchtigung besteht daher ausschließlich für die Heimspiele im regulären Punktspielbetrieb. Da hierbei für die Auswärtsspiele ähnliche Strecken gefahren werden müssen, erscheint es nicht unzumutbar, auch für die "Heimspiele" eine gewisse Fahrtstrecke in Kauf zu nehmen. Zu berücksichtigen ist hierbei ebenfalls, dass die Herrenmannschaft des Antragstellers in diesem Jahr noch sechs "Heimspiele" und die Jugendmannschaft lediglich noch ein "Heimspiel" zu absolvieren hat. Auch dies spricht gegen eine Unzumutbarkeit des Abwartens auf die Hauptsacheentscheidung.

12

Insgesamt besteht damit kein derartig gravierender Anordnungsgrund, der eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würde.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §52 Abs. 2 GKG.

Makus
Niewisch-Lennartz
Döpp