Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.03.2019, Az.: 7 K 92/17

Streit über die Anwendung des richtigen Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuerfestsetzung im Zusammenhang mit einem Flurbereinigungsverfahren

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
20.03.2019
Aktenzeichen
7 K 92/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69200
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 12.10.2022 - AZ: II R 7/20

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Grunderwerbsteuerfestsetzung im Zusammenhang mit einem Flurbereinigungsverfahren der richtige Steuersatz angewendet wurde.

Der Kläger war Beteiligter eines Flurbereinigungsverfahrens in A. Das Amt für Agrarstruktur B informierte den Kläger am 15. Januar 2003 im Rahmen eines Informationsgesprächs über ein geplantes Flurbereinigungsverfahren in A. Der Kläger äußerte hierbei den Wunsch, an dem Flurbereinigungsverfahren teilzunehmen und benannte verschiedene Flächen für die Abfindung. Ihm wurden im Rahmen der vorläufigen Besitzeinweisung Flurstücke zugewiesen.

Unter dem 17. Januar 2008 hörte das Amt für Landesentwicklung B den Kläger gemäß § 57 des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) persönlich an. Im Rahmen der Anhörung konkretisierte er seinen Abfindungswunsch näher.

Am 15. Dezember 2008, 25. März 2009 und 7. November 2012 nahm das Amt für Landesentwicklung B Verhandlungsniederschriften gemäß §§ 129 ff. FlurbG über Änderungen der Besitzeinweisung auf. Der Kläger erhielt hierbei verschiedene Teilflurstücke, die wertmäßig der bisherigen Besitzzuweisung entsprachen.

In einer weiteren Verhandlungsniederschrift vom 22. April 2009 über den Verkauf von Masseland gemäß § 54 Abs. 2 FlurbG nahm das Amt für Landesentwicklung B auf, dass der Kläger im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens eine Mehrabfindung von 167,14 Wertverhältnis (WV) erhalten hatte. Kapitalisiert ergab dies einen Betrag in Höhe von 33.428 €. Diese Summe errechnete sich aus einem Wert von 200 € pro WV und war am 1. November 2009 zu bezahlen. Die Besitzeinweisung bzw. deren teilweise Änderung erfolgte im November 2008. Die Eigentumsumschreibung sollte nach der Ausführungsanordnung im Flurneuordnungsverfahren A erfolgen.

Die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans wurde am 29. Juli 2016 mit Wirkung zum 29. August 2016 angeordnet. Das Amt für regionale Landesentwicklung C teilte dies dem Beklagten mit Schreiben vom 30. August 2016 mit und bat um Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung. Auf das Schreiben sowie dem Auszug aus dem Flurbereinigungsplan, in dem die Flurstücke näher bezeichnet werden, wird verwiesen.

Der Beklagte setzte daraufhin die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 in Höhe von 1.671 € (5 % auf die Bemessungsgrundlage von 33.428 €) fest.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 12. Januar 2017. Der obligatorische Vertrag zwischen dem Amt für regionale Landschaftsentwicklung und dem Kläger sei bereits im Jahr 2009 geschlossen worden. Er habe keinen Einfluss auf die Eintragung im Grundbuch gehabt. Im Jahr 2009 habe noch ein Steuersatz in Höhe von 3,5 % gegolten, der vorliegend anzuwenden sei. Die Verhandlungsniederschrift ersetze den notariellen Vertrag. Besitz, Nutzen und Lasten seien nach Zahlung des Kaufpreises übergegangen. Es sei somit ein Rechtsgeschäft abgeschlossen worden, das den Anspruch auf Übereignung begründe. Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer sei daher auf diesen Zeitpunkt vorzunehmen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 4. April 2017 als unbegründet zurück.

Mit dem Eintritt des neuen Rechtszustands am 29. August 2016 gemäß der vorzeitigen Ausführungsanordnung des Amts für regionale Landesentwicklung C sei ein steuerpflichtiger Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) verwirklicht worden.

Nach dieser Bestimmung unterliege der Grunderwerbsteuer der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen sei und es auch keiner Auflassung bedürfe. Diese Voraussetzungen seien für die genannten Grundstücksflächen gegeben.

Mit dem Eintritt des neuen Rechtszustandes am 29. August 2016 sei der Kläger Eigentümer der Grundstücksflächen gemäß § 61 Satz 2 FlurbG geworden. Das Grundbuch sei gemäß § 79 Abs. 1 FlurbG nur entsprechend zu berichtigen gewesen. Einer Auflassung habe es nicht mehr bedurft.

Es sei auch kein Rechtsgeschäft vorausgegangen, das einen Anspruch des Klägers auf Übereignung der Grundstücke begründet oder ihm bereits eine Verwertungsbefugnis an den Grundstücksflächen nach § 1 Abs. 2 GrEStG verschafft hätte. Ein solcher Übereignungsanspruch bzw. eine Verwertungsbefugnis des Klägers ergebe sich insbesondere nicht aus der Besitzeinweisung zum 30. August 2009.

Die Besitzeinweisung bewirke noch nicht den Eigentumsübergang hinsichtlich der Grundstücke. Ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang sei durch den Kläger erst mit dem Erwerb des Eigentums durch die vorzeitige Ausführungsanordnung zum 29. August 2016 verwirklicht worden.

Der obligatorische Vertrag sei für den Zeitpunkt der Verwirklichung und die Anwendung des Steuersatzes unmaßgeblich. Entscheidend sei hierfür das Datum laut Ausführungsanordnung. Die Besteuerung des Erwerbsvorgangs mit einem Steuersatz in Höhe von 5 % sei daher zutreffend erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger am 3. Mai 2017 Klage erhoben.

Er ist der Ansicht, dass die Verhandlungsniederschrift vom 22. April 2009 den notariellen Vertrag ersetzen würde. Besitz, Nutzen und Lasten seien nach Zahlung des Kaufpreises übergegangen. Es sei gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEStG ein Rechtsgeschäft abgeschlossen worden, das den Anspruch auf Übereignung begründet habe. Der im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens verwirklichte Eigentumserwerb sei zwar keine rechtsgeschäftliche Erklärung, die unter einer Bedingung stehe oder bei dem das zustande kommende Erwerbsverhältnis einer Genehmigung bedürfe. Die rechtliche Situation sei jedoch mit der eines bedingten Kaufvertrags vergleichbar. Bei einem bedingten oder genehmigungsbedürftigen Kaufvertrag entstehe die Steuer nach § 14 GrEStG erst mit Eintritt der Bedingung bzw. mit dem Wirksamwerden der Genehmigung. Der Verwirklichungszeitpunkt im Sinne von § 23 GrEStG liege in diesen Fällen allerdings schon dann vor, wenn eine Bedingung durch Rechtsgeschäfte eingetreten sei und die Steuerentstehung nur noch vom Eintritt der Bedingung als ungewissem künftigen Ereignis abhänge. Ebenso verhalte es sich bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften.

In § 23 GrEStG werde nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer abgestellt, sondern vielmehr werde der Begriff "Verwirklichung des Erwerbsvorgangs" verwendet. Ein Erwerbsvorgang sei dann verwirklicht, wenn die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden seien und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöse oder nicht. Nach § 52 Abs. 2 FlurbG könne eine Zustimmung zur Abfindung in Land oder Geld nicht mehr widerrufen werden, wenn sie in einer Verhandlungsniederschrift nach den §§ 129-131 FlurbG aufgenommen worden sei. Somit seien die Vertragspartner mit der Verhandlungsniederschrift im Verhältnis zueinander unwiderruflich gebunden.

Vorliegend sei die Verhandlungsniederschrift am 22. April 2009 erfolgt. Die Zustimmung des Klägers sei damit unwiderruflich gewesen. Die verfahrensrechtlichen Erklärungen des Klägers sowie der übrigen Beteiligten seien zu diesem Zeitpunkt bindend geworden. Somit sei der grunderwerbsteuerrelevante Vorgang im diesem Zeitpunkt verwirklicht worden. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs habe ein Grunderwerbsteuersatz von 3,5 % gegolten, so dass dieser Satz zugrunde zu legen sei.

Letztendlich stelle das Abstellen des Gesetzgebers auf einen vom Entstehungstatbestand abweichenden Verwirklichungsbegriff einen Vertrauenstatbestand dar. Der Kläger habe seine Erklärung zu einem Zeitpunkt abgegeben, als noch die Rahmenbedingungen mit einem Grunderwerbsteuersatz von 3,5 % vorgelegen hätten. Aufgrund der rechtlichen Bindung hätten die Beteiligten nicht mehr auf eine Erhöhung des Steuersatzes reagieren können. Daher müsse Vertrauensschutz gewährt werden.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Bescheides über Grunderwerbsteuer vom 23. Dezember 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. April 2017 die Grunderwerbsteuer auf 1.169 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist hierzu auf die Einspruchsentscheidung vom 4. April 2017. Zudem weist er darauf hin, dass die Verhandlungsniederschrift vom 22. April 2009 den notariellen Vertrag nicht ersetze. Die Grunderwerbsteuer entstehe mit dem in der Ausführungsanordnung bestimmten Zeitpunkt am 29. August 2016.

Der Erwerbsvorgang sei im Wege eines Flurbereinigungsverfahrens nach dem Flurbereinigungsgesetz erfolgt. Wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen sei und es auch keiner Auflassung bedurft habe, unterliege der Übergang des Eigentums nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Diese entstehe in diesem Fall in dem in der Ausführungsanordnung bestimmten Zeitpunkt, zu dem der im Flurbereinigungsplan vorgesehene Rechtszustand an die Stelle des bisherigen getreten sei. Mit dem früheren Datum der Verhandlungsniederschrift vom 22. April 2009 sei lediglich die Besitzeinweisung, jedoch gerade nicht der tatsächliche Eigentumsübergang an dem Grundbesitz erfolgt. Erst mit Wirkung vom 29. August 2016 sei das Eigentum bezüglich der erworbenen Flächen übergegangen.

In § 23 GrEStG sei lediglich geregelt, dass das Gesetz auf Erwerbsvorgänge anzuwenden sei, die nach dem er 31. Dezember 1982 verwirklicht worden seien.

Das Gericht hat die Teilnehmerakte des Klägers zur Flurbereinigung A des Amts für regionale Landesentwicklung C beigezogen.

Der Senat hat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 23. Dezember 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Beklagte hat bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer zu Recht den Grunderwerbsteuersatz in Höhe von 5 % angewendet.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Ausgenommen sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstabe a GrEStG der Übergang des Eigentums durch die Abfindung in Land und die unentgeltliche Zuteilung von Land für gemeinschaftliche Anlagen im Flurbereinigungsverfahren sowie durch die entsprechenden Rechtsvorgänge im beschleunigten Zusammenlegungsverfahren und im Landtauschverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung.

Flurbereinigung ist nach § 1 FlurbG die Neuordnung des ländlichen Grundbesitzes zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landesentwicklung.

Die Flurbereinigungsbehörde ordnet gemäß § 61 FlurbG die Ausführung des Flurbereinigungsplans an, wenn dieser unanfechtbar geworden ist (Ausführungsanordnung). Zu dem in der Ausführungsanordnung zu bestimmenden Zeitpunkt tritt der im Flurbereinigungsplan vorgesehene neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen. Gemäß § 62 FlurbG sind die Ausführungsanordnung und der Zeitpunkt des Eintritts des neuen Rechtszustandes (§ 61 Satz 2 FlurbG) öffentlich bekanntzumachen. Nach § 63 Abs. 1 FlurbG kann die Ausführung des Flurbereinigungsplanes vor seiner Unanfechtbarkeit angeordnet werden, wenn die Flurbereinigungsbehörde verbliebene Widersprüche gemäß § 60 Abs. 2 FlurbG der oberen Flurbereinigungsbehörde vorgelegt hat und aus einem längeren Aufschub der Ausführung voraussichtlich erhebliche Nachteile erwachsen würden (vorzeitige Ausführungsanordnung).

Mit Eintritt des neuen Rechtszustandes gemäß der vorzeitigen Ausführungsanordnung des Amts für regionale Landesentwicklung C am 29. August 2016 ist das Eigentum an dem Grundstück auf den Kläger kraft behördlichen Ausspruchs übergegangen. Dem Eigentumsübergang ging kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft voraus und es bedurfte keiner Auflassung. Das Grundbuch war nur gemäß § 79 Abs. 1 FlurbG entsprechend zu berichtigen. Durch die Ausführungsanordnung wurde ein steuerpflichtiger Erwerb gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG verwirklicht, soweit der Kläger eine Mehrabfindung von Flächen erhalten hat, für die er eine Gegenleistung von 33.428 € zu zahlen hatte.

Der Erwerbsvorgang ist hinsichtlich der im Rahmen der Mehrabfindung gemäß § 54 Abs. 2 FlurbG erworbenen Grundstücks nicht von der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe a GrEStG von der Besteuerung ausgenommen.

Der Steuerbefreiung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe a GrEStG unterfallen zunächst die Landabfindungen nach § 44 Abs. 1, Abs. 6 und Abs. 7, § 48, § 49 Abs. 1, § 50 Abs. 7 und § 73 FlurbG. Nicht steuerbar sind auch die entsprechenden Rechtsvorgänge im beschleunigten Zusammenlegungsverfahren gemäß §§ 91 ff. FlurbG und im Landtauschverfahren gemäß § 103b FlurbG. Ebenso sind auch unvermeidbare Mehrausweisungen nach § 44 Abs. 3 FlurbG bzw. - im Landtauschverfahren - nach § 103b Abs. 1 FlurbG grunderwerbsteuerfrei, da auch die Mehrausweisung Teil der Landabfindung ist und der klare Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe a GrEStG eine Differenzierung nach dem Maß der Zuteilung verbietet (Pahlke, GrEStG § 1 Rn. 186).

Der Erwerb des Eigentums durch den Kläger an den betreffenden Flurstücken ist keine Abfindung in Land, an die die Grunderwerbsteuerbefreiung geknüpft ist. Der Erwerb erfolgte auch nicht aus einer Mehrzuteilung im Sinne von § 44 Abs. 3 FlurbG oder auf dem Tauschverfahren einer Flurbereinigung, wonach gemäß § 44 FlurbG ein Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens entsprechend der Wertrelation seines Altbesitzes andere Grundstücke von gleichem Wert erhält. Dies impliziert der Begriff der "Abfindung". Er bedeutet die Hingabe einer Entschädigung. Eine Entschädigung setzt ihrerseits einen Schaden bzw. einen Verlust voraus. Nach der Systematik des FlurbG besteht dieser Verlust für den jeweiligen Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens in dem Wegfall seines Eigentums an den Flächen, die er in das Verfahren eingebracht hat.

Die Landzuteilung an den Kläger erfolgte nicht aufgrund eines solchen Eigentumsverlustes an den von dem Kläger in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Flächen. Er hat die im Wege der Mehrabfindung erhaltenen Flurstücke nicht als Ersatz für von ihm in die Flurbereinigung eingebrachten Flächen erhalten. Der Übergang des Eigentums an den erhaltenen Flächen hat seine Grundlage in der Vorschrift des § 54 Abs. 2 FlurbG. Es handelte sich hierbei um Land, das nicht mehr zur Abfindung benötigt wurde, weil ein anderer Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens auf eine Landabfindung verzichtet hat. Die Zuteilung solcher Flächen an den Kläger diente damit nicht der Landabfindung, sondern bedeutet einen Erwerb von zusätzlichem Land (FG Nürnberg, Urteil vom 19. Juli 2001, IV 233/2000, EFG 2001, 1515).

Die Grunderwerbsteuer ist gemäß § 38 der Abgabenordnung (AO) mit dem Eigentumsübergang am 29. August 2016 entstanden. Gemäß § 38 AO entsteht der Steueranspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Abweichend hiervon entsteht die Steuer gemäß § 14 GrEStG wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist, mit dem Eintritt der Bedingung oder wenn ein Erwerbsvorgang einer Genehmigung bedarf, mit der Genehmigung. Die Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs war im Streitfall weder von einer Bedingung abhängig noch genehmigungspflichtig. Die Steuer ist deshalb am 29. August 2016 entstanden.

Die Grunderwerbsteuer auf einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang beträgt gemäß § 11 Abs. 1 GrEStG 3,5 vom Hundert. Aufgrund Art. 105 Abs. 2a Satz 2 Grundgesetz (GG) haben die Länder jedoch die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer. Von dieser Befugnis hat das Land Niedersachsen Gebrauch gemacht. Gemäß dem Gesetz über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer in Niedersachsen vom 17. Dezember 2010 (Nds. GVBl. 2010, 631) betrug der Steuersatz für die Grunderwerbsteuer für Rechtsvorgänge, die sich auf in Niedersachsen liegende Grundstücke beziehen und in dem Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2013 verwirklicht werden, 4,5 Prozent. Gemäß Abs. 2 des Gesetzes beträgt der Steuersatz für die Grunderwerbsteuer für Rechtsvorgänge, die sich auf in Niedersachsen liegende Grundstücke beziehen und ab dem 1. Januar 2014 verwirklicht werden, 5 Prozent. Gemäß Abs. 3 des Gesetzes ersetzen die Absätze 1 und 2 in Niedersachsen § 11 Abs. 1 des GrEStG. § 11 GrEStG ist gemäß § 23 Abs. 4 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 verwirklicht werden.

Der Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer ist zu unterscheiden von dem der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs, an den die Höhe des Steuersatzes anknüpft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ein Erwerbsvorgang verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer i.S.d. § 14 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) auslöst oder nicht (BFH-Urteil vom 28. März 2007 II R 57/05, BFH/NV 2007, 1537 m.w.N.). Daher ist es für die Frage der Anwendung des Steuersatzes nicht entscheidend, wann die Steuer nach § 14 GrEStG entstanden ist. Entscheidend ist, ob die Beteiligten - im entschiedenen Fall: des Grundstückskaufvertrages durch Unterzeichnung des notariellen Vertrages - bereits zivilrechtlich gebunden sind.

Entgegen der Ansicht des Klägers führte die vorläufige Besitzeinweisung im November 2008 aufgrund der Verhandlungsniederschrift vom 22. April 2009 über den Mehrerwerb des Grundstücks gem. § 54 Abs. 2 FlurbG nicht dazu, dass der Erwerbsvorgang bereits zu diesem früheren Zeitpunkt verwirklicht wurde.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, der Grunderwerbsteuer. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG knüpft allein an das schuldrechtliche Rechtsgeschäft an (BFH-Urteil vom 24. April 2013, II R 53/10, BStBl II 13, 755). Die schuldrechtliche Verpflichtung muss selbst rechtlich wirksam geworden sein (BFH-Urteil vom 18. November 2009, II R 11/08, BStBl II 10, 498; und vom 24. April 2013, II R 53/10, BStBl II 13, 755). Dem Erwerber muss in Bezug auf ein Grundstück ein Eigentumsverschaffungsanspruch zustehen. Ein bloßer Anspruch auf Abschluss eines Vorvertrags genügt nicht, es sei denn, dass aus dem Vorvertrag selbst ausnahmsweise auf Erklärung der Auflassung geklagt werden kann (BFH-Urteil vom 27. November 2013, II R 11/12, BFH/NV 14, 579). Vorausgesetzt wird also ein Vertrag, aus dem die Auflassung verlangt werden kann (Boruttau/Meßbacher-Hönsch, 19. Aufl. 2018, GrESt § 1 Rn. 243).

Die vorläufige Besitzeinweisung war kein zivilrechtliches Rechtsgeschäft, das einen Anspruch auf Übereignung begründete. Entgegen der Ansicht des Klägers ersetzt die vorläufige Besitzeinweisung dieses auch nicht. Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG wurde durch die vorläufige Besitzeinweisung nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift unterliegen Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, der Grunderwerbsteuer. Erfasst werden davon solche Rechtsvorgänge, die den in § 1 Abs. 1 GrEStG beschriebenen Tatbeständen so nahe kommen, dass sie wie diese es ermöglichen, sich den Wert des Grundstücks auf eigene Rechnung nutzbar zu machen (BFH-Urteil vom 27. Juli 1994, II R 67/91, BFH/NV 1995, 269).

Die Beteiligten des Flurbereinigungsverfahrens können gemäß § 65 Abs. 1 FlurbG in den Besitz der neuen Grundstücke vorläufig eingewiesen werden, wenn deren Grenzen in die Örtlichkeit übertragen worden sind und endgültige Nachweise für Fläche und Wert der neuen Grundstücke vorliegen sowie das Verhältnis der Abfindung zu dem von jedem Beteiligten Eingebrachten feststeht. Mit dem in den Überleitungsbestimmungen bestimmten Zeitpunkt gehen gemäß § 66 Abs. 1 FlurbG der Besitz, die Verwaltung und die Nutzung der neuen Grundstücke auf den in der neuen Feldeinteilung benannten Empfänger über.

Dem Kläger wurde durch die vorläufige Besitzeinweisung lediglich das Recht zur Nutzung der Flurstücke übertragen, nicht aber die rechtliche Möglichkeit zu einer Verfügung (Verwertung) über diese selbst, noch erhielt er eine dem wirtschaftlich gleichstehende Rechtsposition. Er erhielt lediglich eine Rechtsposition, nach der er (aller Voraussicht nach) mit der Ausführung des Flurbereinigungsplans rechtlicher Eigentümer der bisher nur in seinem Besitz befindlichen Flächen werden sollte.

Diese Rechtsposition war jedoch so ungesichert, dass sie den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllte. Der Flurbereinigungsplan konnte zu diesem Zeitpunkt noch gemäß § 60 FlurbG geändert werden. Das Flurbereinigungsverfahren muss auch nicht notwendigerweise mit der Rechtskraft des Flurbereinigungsplans enden. Es kann z.B. nach § 9 FlurbG mit einer Einstellung des Verfahrens enden mit der Folge, dass die im Flurbereinigungsplan vorgesehenen Rechtsänderungen endgültig nicht eintreten. Die Übertragung des Anspruchs auf Abfindung in Land verbunden mit der vorläufigen Besitzeinweisung an den neuen Flurstücken ist insgesamt eine Rechtsposition, die zwar auf Übertragung des Eigentums an diesen Grundstücken zielt und diese vorbereitet, diese aber rechtlich noch nicht gewährleistet. Die Erklärung vom 22. April 2009 sollte mithin zwar zu einem Erwerb des Eigentums des Klägers an den betreffenden Grundstücken führen, diesen jedoch erst mit Eintritt der Rechtsänderung durch Ausführungsanordnung des Flurbereinigungsplans bewirken. Erst dann tritt Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG ein. Ein Entstehen der Steuer bereits mit Übertragung des Besitzes wäre eine unzulässige Vorverlegung der Steuerpflicht. Die im Streitfall vorliegende Übertragung des Besitzes an den neuen Grundstücksflächen verbunden mit der rechtlich ungesicherten Aussicht auf den späteren Erwerb des Eigentums an diesen erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht (BFH, Urteil vom 17. Mai 2000, II R 47/99, BStBl II 2000, 627).

Die vorläufige Besitzeinweisung begründet nicht wie im Fall eines notariellen Grundstückskaufvertrages zivilrechtlich verbindliche Ansprüche auf Eigentumsübertragung. Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine Bindung auch nicht aufgrund des § 52 Abs. 2 FlurbG eingetreten. Gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 2 FlurbG kann ein Teilnehmer mit seiner Zustimmung statt in Land ganz oder teilweise in Geld abgefunden werden. Die Zustimmung bedarf zu ihrer Wirksamkeit schriftlicher Form. Sie kann nicht mehr widerrufen werden, wenn sie der Flurbereinigungsbehörde zugegangen oder in eine Verhandlungsniederschrift aufgenommen worden ist.

Eine Erklärung im Sinne des § 52 FlurbG hat der Kläger nicht abgegeben. Diese Vorschrift betrifft die Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens, die auf eine Abfindung in Land verzichtet haben. Der Kläger hat jedoch nach § 54 Abs. 2 FlurbG solche Flächen erworben, auf die ein anderer Teilnehmer verzichtet hat.

Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen. Zunächst hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt die Anwendung eines bestimmten Steuersatzes zugesichert oder sich anderweitig derart verhalten, dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass ein bestimmter Steuersatz anzuwenden sei. Vielmehr wurde der Beklagte erst im Jahr 2016 von dem Amt für Landesentwicklung B - und nicht von dem Kläger selbst - über den Vorgang informiert.

Darüber hinaus hat das Amt für Landesentwicklung B in der Verhandlungsniederschrift vom 22. April 2009 über den Verkauf von Massenland darauf hingewiesen, dass die Eigentumsumschreibung erst nach der Ausführungsanordnung im Flurneuordnungsverfahren erfolgen würde. Der Kläger wurde somit darauf hingewiesen, dass der Erwerbsvorgang noch nicht endgültig abgeschlossen war.

Ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang wurde durch den Kläger somit erst mit dem Erwerb des Eigentums durch die vorzeitige Ausführungsanordnung zum 29. August 2016 verwirklicht. Mithin beträgt der Grunderwerbsteuersatz gemäß Abs. 2 des Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer in Niedersachsen 5 Prozent.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).