Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 11.12.2014, Az.: 1 B 189/14

Pächter; Rinderbestand; Tierhaltungsverbot; Zwangsweise Auflösung des Tierbestandes

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
11.12.2014
Aktenzeichen
1 B 189/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42598
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die mit einem Tierhaltungsverbot nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG verbundene Androhung zur Auflösung eines Tierbestandes kann auch gegenüber einem Pächter des Tierbestandes ergehen.

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen ein Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot, gegen die Anordnung, ihren Rinderbestand aufzulösen, und die Androhung unmittelbaren Zwangs.

Sie lebt mit ihrem Ehemann J. B., dem Antragsteller und Kläger in den Verfahren 1 A 186/14 und 1 B 187/14, auf einem Hofgrundstück in D., und hält dort im Durchschnitt 100 Rinder zur Milcherzeugung. Die tatsächliche Betreuung der Tiere obliegt hauptsächlich ihrem Ehemann. Bei einer Überprüfung der Rinderhaltung am 22.05.2014 im Beisein der Antragstellerin und ihres Ehemanns stellte die Amtstierärztin des Antragsgegners Dr. K. lt. Überprüfungsprotokoll vom 22.05.2014 (Bl. 1 ff. Vg.) folgende Mängel fest:

·Mindestens (soweit Ohrmarken ablesbar) acht Jungrinder in Anbindehaltung im „Alten Kälberstall“ hätten kein Raufutter zur freien Verfügung gehabt. Die Selbsttränken der Tiere seien abgestellt gewesen (an diesem Tag betrug die Außentemperatur 30 Grad Celsius). Als der Ehemann der Antragstellerin die Tiere getränkt habe, hätten alle acht Jungrinder gierig gesoffen. Die Tiere hätten in ihren Exkrementen gestanden und seien massiv mit Kot verdreckt gewesen.Im Bereich des eingestreuten Laufstalls sei die Einstreu so hoch angewachsen gewesen, dass zwei Jungrinder mit der Rückenlinie bereits die Deckenbalken berührt hätten.
·Mindestens (soweit Ohrmarken ablesbar) drei Kälber hätten kein ausreichendes Tageslicht gehabt.
·Mindestens (soweit Ohrenmarken ablesbar) neun Kühe und drei Jungrinder seien in unterschiedlichem Ausmaß abgemagert gewesen.
·Insgesamt seien mindestens (soweit Ohrmarken ablesbar) 24 Jungrinder  massiv mit Kot verdreckt gewesen.
·Mindestens (soweit Ohrmarken ablesbar) neun Kälber und 12 Jungrinder hätten kein Wasser zur freien Verfügung gehabt.
·Fünf Kühe hätten Technopathien (Hyperplasien) im dorsalen Halsbereich (verursacht durch die Nackenstange) aufgewiesen, zwei Kühe hätten im Bereich der Technopathien offene unversorgte Wunden gehabt.

Im Überprüfungsprotokoll heißt es weiter, die Antragstellerin und ihr Ehemann seien mit der Rinderhaltung überfordert, zumal die Antragstellerin nach einer Operation des rechten Unterarms mit Plattenversorgung auch gesundheitlich beeinträchtigt sei. Der Ehemann der Antragstellerin habe wiederholt erklärt, dass seine Tochter, die „Landwirtschaft“ gelernt habe, mit ihrem Ehemann den elterlichen Hof übernehmen solle. Einen Zeitpunkt für die Übernahme habe er nicht angegeben. Dr. K. ordnete zur Beseitigung der festgestellten Missstände mündlich sechs Maßnahmen mit Fristsetzung an, u. a. die Vorlage eines Konzepts zur Weiterführung des Betriebs mit deutlicher Bestandsreduzierung (wegen der Einzelheiten s. Bl. 2 Rücks. Vg.).

Bei der Nachkontrolle am 28.05.2014 war lt. Überprüfungsprotokoll vom 28.05.2014 (Bl. 19 ff. Vg.) von den am 22.05.2014 angeordneten sechs Maßnahmen nur eine umgesetzt. Die anordnungsgemäß aus dem Offenstall „Jungvieh“ auf die Weide gebrachten 10 Jungrinder hätten allerdings massive Kotanhaftungen an Beinen, Unterbauch und der seitlichen Bauchwand aufgewiesen. Im Übrigen hätten sämtliche am 22.05.2014 festgestellten Mängel fortbestanden, wobei inzwischen mindestens fünf Kälber kein ausreichendes Tageslicht gehabt hätten. Dr. K. ordnete gegenüber der Antragstellerin und ihrem Ehemann mündlich acht Maßnahmen mit Fristsetzung zur Beseitigung der Mängel an (wegen der Einzelheiten s. Bl. 20 Rücks. Vg.).

Bei der Nachkontrolle am 20.06.2014 stellte Dr. K. lt. Überprüfungsprotokoll vom 20.06.2014 (Bl. 30 ff. Vg.) fest, dass von den acht am 28.05.2014 angeordneten Maßnahmen lediglich die zu Nr. 3 angeordnete Maßnahme teilweise umgesetzt worden sei. Die Jungrinder aus dem „Alten Kälberstall“ seien zwar in den Offenstall „Jungvieh“, jedoch nicht, wie angeordnet, ab 12.06.2014 auf die Weide gebracht worden. Alle Jungrinder seien massiv mit Kot verdreckt, ihr Ernährungszustand und die Einstreu mäßig gewesen. Darüber hinaus hätten inzwischen sechs Tiere kein ausreichendes Tageslicht gehabt. Immer noch acht Kühe und sieben Jungrinder seien in unterschiedlichem Ausmaß abgemagert gewesen. 11 Tiere hätten kein Wasser zur freien Verfügung gehabt. Immer noch vier Kühe hätten Technopathien aufgewiesen, zwei davon mit offenen Wunden. Dr. K. ordnete gegenüber der Antragstellerin und ihrem Ehemann zur Beseitigung der festgestellten Mängel mündlich sieben Maßnahmen mit Fristsetzung an (s. Bl. 32 Vg.).

Mit Bescheid vom 15.07.2014 bestätigte und ergänzte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die am 22.05, 28.05. und 20.06.2014 mündlich getroffenen Anordnungen und ordnete schriftlich an:

1. Der „Alte Kälberstall“ ist für die Rinder- und Pferdehaltung gesperrt, solange dort keine tierschutzkonforme Haltung (Licht, Entmistung, Selbsttränken) möglich ist und keine amtliche Freigabe erfolgt. Frist: 24.07.2014.

2. Die Kühe sind mindestens fünf Stunden täglich auf einen Laufhof oder eine Weide zu bringen, damit ihr Bewegungsbedürfnis erfüllt wird. Frist: 24.07.2014,

3. Für jedes Tier sind trockene und saubere Liegeflächen herzurichten. Frist: 24.07.2014,

4. Im Bereich der Anbindehaltung im Kuhstall sind die Nackenstangen zu entfernen. Frist: 24.07.2014,

5. Alle Rinder sind einer antiparasitären Behandlung zu unterziehen; hierüber ist ein Nachweis zu erbringen (Rechnung oder Arzneimittelabgabebeleg). Frist: 24.07.2014.

6. Allen Tieren muss ab sofort Wasser jederzeit uneingeschränkt zur freien Aufnahme zur Verfügung stehen.

7. Alle Rinder sind ab sofort über den Bedarf und ergänzend mit Kraft- und Mineralfutter zu füttern, bis eine Körpermassezunahme erreicht wird. Die Kraft- und Mineralfutterzugabe ist durch Vorlage von z.B. Rechnung nachzuweisen,

8. Mit Hilfe eines Tierarztes oder des Rindergesundheitsdienstes ist eine schriftliche Futteranalyse/Energiebilanz (Istzustand) und ein schriftlicher Futterplan (Sollzustand) zu erstellen. Frist: 24.07.2014,

9. Es ist ein schriftliches Konzept zu erstellen, wie ein den tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen genügender Betrieb des Hofs weiterhin gewährleistet werden soll. Frist: 24.07.2014.

Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung der Maßnahmen an. Er kündigte an, für die Antragstellerin ein Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot zu erlassen und den Tierbestand aufzulösen, falls sie den getroffenen Anordnungen nicht fristgemäß nachkomme.

Bei der Nachkontrolle am 29.07.2014 stellte Dr. K. lt. Überprüfungsprotokoll vom 29.07.2014 (Bl. 55 ff. Vg.) fest, dass die mit Bescheid vom 15.07.2014 angeordneten Maßnahmen entweder gar nicht - Nr. 1 (Sperrung des „Alten Kälberstalls“), Nr. 2 (Kühe täglich fünf Stunden auf Laufhof oder Weide), Nr. 8 (Energie-Futterbilanz), Nr. 9 (Konzept Betriebsführung) - oder nur zum Teil - Nr. 3 (nur z.T. trockene und saubere Liegeflächen), Nr. 4 (nur 2 Nackenstangen entfernt), Nr. 6 (zwei Kälbern steht immer noch nicht jederzeit Wasser uneingeschränkt zur Verfügung) , Nr. 5 (schriftlicher Nachweis für antiparasitäre Behandlung fehlt), Nr. 7 (Rechnungen für Kraft- und Mineralfutterkauf fehlen) - umgesetzt worden seien.

Mit Schreiben jeweils vom 01.08.2014 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin und ihren Ehemann zum Erlass eines Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbots für Rinder und zu der beabsichtigten Auflösung der Rinderhaltung an. Daraufhin wurden dem Antragsgegner Rechnungskopien über den Kauf von Kraft- und Mineralfutter und ein schriftlicher Nachweis über die antiparasitäre Behandlung von 43 Kühen vorgelegt. Am 15.08.2014 fand eine persönliche Anhörung der Antragstellerin und ihres Ehemanns statt. Die Antragstellerin und ihr Ehemann erklärten, dass sie den getroffenen Anordnungen inzwischen nachgekommen seien bzw. gaben Gründe an, warum einige Maßnahmen nur schwer, nicht fristgerecht oder gar nicht umgesetzt werden könnten. Insoweit wird auf die handschriftliche Niederschrift des Antragsgegners vom 15.08.2014 verwiesen (Bl. 73 ff. Vg.).

Bei Nachkontrollen am 18., 20. und 22.08.2014 stellte der Tierarzt des Antragsgegners Dr. L. bei sämtlichen Kontrollen fest, dass die angeordneten Maßnahmen nach wie vor überwiegend nicht umgesetzt worden seien. Bei der Überprüfung am 18.08.2014 habe der Ehemann der Antragstellerin offenbart, dass er keinerlei Kenntnisse zum notwendigen Umfang der ergänzenden Mineral- und Kraftfutterzufütterung habe (s. Bl. 79 Rücks. Vg.). Am 22.08. habe beim Eintreffen auf dem Hof den Kühen im Kuhstall kein Futter vorgelegen. Mehrere Rinder hätten versucht, spärliche Reste von Grünfutter vom Futtertischboden mit der Zunge zu greifen und hätten den Futtertisch abgeleckt. Der Ehemann der Antragstellerin habe sich von Dr. L. zunächst nicht davon abhalten lassen, einen von außen massiv verschimmelten Silage-Rundballen an die Kühe zu verfüttern. Auch als die Kühe die ihnen vorgelegte Silage gar nicht oder nur zögerlich gefressen hätten, habe Herr B. den Rundballen weiter verfüttern wollen. Erst als Dr. L. ihm den Schimmel auf der vorgelegten Silage gezeigt habe, habe er nach und nach und auf nochmalige Aufforderung die verschimmelte Silage vom Futtertisch genommen. Die Einstreu im Jungviehstall sei auf der einen Seite hochgradig verkotet und nass gewesen. Die Jungrinder hätten Kotverschmutzungen (angetrocknete Kotbeläge) an Unterbauch, unteren Gliedmaßen und Keulen aufgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die drei Überprüfungsprotokolle zu den Nachkontrollen verwiesen (Bl. 78 ff. Vg.).

Mit Bescheid vom 28.08.2014 ordnete der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin an, ihren Rinderbestand bis zum 15.10.2014 aufzulösen (Nr. 2) und untersagte ihr ab diesem Zeitpunkt die Haltung und Betreuung von Rindern (Nr. 1). Er ordnete die sofortige Vollziehung der zu Ziffern 1 und 2 getroffenen Maßnahmen an (Nr. 3). Für den Fall, dass die Antragstellerin der Anordnung zu Ziffer 2 nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachkomme, drohte er an, die Tiere auf ihre Kosten unter Anwendung unmittelbaren Zwangs fortzunehmen, sicherzustellen und zu verwerten. Die hierdurch entstehenden Kosten veranschlagte er vorläufig mit 6.000,00 Euro, der Betrag könne ggfs. auch deutlich höher liegen (Nr. 4). Die zu Ziffern 1 und 2 getroffenen Anordnungen stützte er auf § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 2 TierSchG und begründete sie mit den hier dargestellten Zuständen bei der Tierhaltung der Antragstellerin. Als direkte Folge des Haltungs- und Betreuungsverbots müsse die Tierhaltung bis zum 15.10.2014 aufgelöst werden. Die Anordnungen seien auch ermessensgerecht, insbesondere angemessen. Die Antragstellerin habe über einen langen Zeitraum anhaltend gegen das Tierschutzgesetz verstoßen und die Missstände in der Tierhaltung trotz Kontrollen und entsprechender Anordnungen überwiegend nicht abgestellt. Dies rechtfertige die Annahme, dass sie allgemein ungeeignet sei, Rinder tierschutzgerecht zu halten und zu betreuen. Ihr eigenes Interesse an der Weiterführung ihres Betriebs habe demgegenüber zurückzutreten.

Mit weiterem Bescheid vom 28.08.2014 erließ der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auch gegenüber dem Ehemann der Antragstellerin ein Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot für Rinder ab dem Zeitpunkt der vollständigen Auflösung des Rinderbestandes der Antragstellerin. Mit Bescheid vom 10.12.2014 setzte er die sofortige Vollziehung dieses Bescheids aus.

Die Antragstellerin hat am 29.09.2014 Klage (1 A 188/14) erhoben, über die noch nicht entschieden ist, und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

Sie hält das Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot für unverhältnismäßig, da hierdurch ihre berufliche Existenz vernichtet werde. Selbst wenn die Tierhaltung in ihrem jetzigen Betrieb tierschutzrechtlichen Bedenken begegne, könne hieraus keinesfalls geschlossen werden, dass sie grundsätzlich ungeeignet sei, Rinder zu halten und zu betreuen. Der Anordnung, den Rinderbestand aufzulösen, könne sie aus rechtlichen Gründen nicht nachkommen. Sie habe ihren Betrieb einschließlich der Rinder lediglich von ihrem Ehemann gepachtet und sei nicht Eigentümerin der Rinder. Insoweit verweist sie auf einen Pachtvertrag vom 18.12.2012. Dass sie nicht Eigentümerin der Rinder sei, ergebe sich auch aus den Unterlagen, mit denen sie die Übernahme des Betriebs von ihrem Ehemann gegenüber den zuständigen Behörden angezeigt habe. Ungeachtet dessen sei auch die Frist für die Auflösung ihres Rinderbestandes zu kurz bemessen.

Der Antragsgegner bestreitet, dass die Antragstellerin nicht Eigentümerin der Rinder sei. Sie trete überall als Betriebsinhaberin auf und melde ihre Rinder regelmäßig an die Datenbank HI-Tier. Sie habe gegenüber dem Antragsgegner zu keiner Zeit deutlich gemacht, dass sie vertraglichen Bindungen als Pächterin unterliege. Im Gegenteil habe sie mehrfach erwähnt, dass sie ihren Betrieb in Zukunft an ihre Tochter übergeben bzw. verpachten wolle. Ungeachtet dessen könne sie auch als Tierhalterin ihren Rinderbestand auflösen, indem sie das angebliche Pachtverhältnis kündige und die Haltereigenschaft auf den angeblichen Verpächter zurückübertrage. Ihr Einwand, durch das Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot werde ihre wirtschaftliche Existenz vernichtet, sei bereits deshalb unerheblich, weil der Betrieb auch derzeit ihre wirtschaftliche Existenz nicht sichern könne. Dies folge daraus, dass sie im vorliegenden Verfahren Prozesskostenhilfe beantragt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung der Klage 1 A 188/14 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28.08.2014 hinsichtlich der in Ziffern 1 und 2 getroffenen Anordnungen wiederherzustellen und hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 4 anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Er ist hinsichtlich der zu Ziffern 1 und 2 getroffenen Anordnungen nach § 80 Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz i. V. m. Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 erster Halbsatz i. V. m. Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. §§ 70 Abs. 1 NVwVG, 64 Abs. 4 Nds. SOG statthaft. Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Anordnungen in Ziffern 1 und 2 in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet. Er hat ausgeführt, angesichts des Verhaltens der Antragstellerin seien weitere Leiden, Schmerzen und Schäden für die Rinder zu befürchten, weshalb zum Schutz der Tiere schnellstmöglich ein Tierhaltungsverbot und eine Bestandsauflösung notwendig seien. Diese Begründung lässt erkennen, dass er sich mit dem vorliegenden Einzelfall ausreichend auseinandergesetzt hat. Daran ändert nichts, dass sich seine Begründung (teilweise) mit der Begründung für den Erlass der streitbefangenen Anordnungen zu Ziffern 1 und 2 deckt. Dies ist unschädlich, wenn es wie im vorliegenden Fall um die Abwendung unmittelbarer Gefahren für wichtige Rechtsgüter wie hier den Tierschutz geht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 80 Rn. 86, 87).

Der Antrag ist unbegründet.

Die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, einstweilen von dem Vollzug der angegriffenen Verfügung verschont zu bleiben, und dem vom Antragsgegner vertretenen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Entscheidung geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung wird sich der angegriffene Bescheid im Klageverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.

Rechtsgrundlage für das ausgesprochene Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot ist   § 16 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 Nr. 3 TierSchG. Nach § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann nach Satz 2 Nr. 3 insbesondere demjenigen, der den Vorschriften des § 2, einer Anordnung nach Nr. 1 oder einer Rechtsverordnung nach § 2 a wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen oder es von der Erlangung eines entsprechenden Sachkundenachweises abhängig machen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Nach § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Nach Nr. 2 darf er die Möglichkeit des Tieres zur artgemäßen Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Nach Nr. 3 muss der Tierhalter oder – betreuer über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragstellerin hinsichtlich der von ihr gehaltenen Rinder nicht. Der Antragsgegner hat deshalb ermessensfehlerfrei ein Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot für Rinder für sie angeordnet. Das Gericht folgt insoweit der zutreffenden und sehr ausführlichen Darstellung des Antragsgegners im Bescheid vom 28.08.2014 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§§ 122 i.V.m. 117 Abs. 5 VwGO). Der Antragsgegner begründet das Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot mit den Feststellungen und Bewertungen seines Veterinäramtes. Dies ist nicht zu beanstanden. Den beamteten Tierärzten ist bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz einräumt (OVG Lüneburg, Urteil vom 18.06.2013 – 11 LC 206/12 -, Rn. 28, zitiert nach juris, ständige Rechtsprechung des Senats, Hinweise auf weitere Rechtsprechung). Die fachlichen Beurteilungen der Amtstierärzte Dr. K. und Dr. L. stützen sich auf ausführlich dokumentierte Feststellungen, die bei den Vorortkontrollen getroffen wurden und zum Teil durch Fotos belegt sind (Bl. 9 – 18 Vg.). Soweit die Ohrmarken der Rinder ablesbar waren, sind in den Überprüfungsprotokollen die bereits geschädigten Rinder mit ihren Nummern im Einzelnen benannt. Die Antragstellerin hat die unter I. dargestellten Zustände bei ihrer Rinderhaltung zudem weder bei den Vorortkontrollen, bei ihrer persönlichen Anhörung noch im gerichtlichen Verfahren bestritten. Soweit sie bei ihrer Anhörung am 15.08.2014 Gründe genannt hat, warum jedenfalls einem Teil der Kühe nicht wie in Ziffer 2 der Verfügung vom 15.07.2014 angeordnet, täglich fünf Stunden Auslauf gewährt werden könne, hat der Antragsgegner diesen Gesichtspunkt bei der Anordnung des Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbots nicht berücksichtigt (s. S. 7 des angefochtenen Bescheids).

Die in Ziffer 2 getroffene Anordnung, den Rinderbestand bis zum 15.10.2014 aufzulösen, ist nach summarischer Prüfung ebenfalls rechtmäßig. Sie durfte als Annex zum Haltungs- und Betreuungsverbot auf Grundlage des § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG verfügt werden. Denn ohne die gleichzeitige Anordnung der Auflösung des Tierbestandes entstünde durch das Haltungs- und Betreuungsverbot ein mit dem Wohl des Tiere unvereinbarer betreuungsloser Zustand (vgl. BayVGH, Beschluss vom 07.11.2006 – 25 CS 06.2619 -, Rn. 6; VG München, Urteil vom 10.09.2014 – M 18 K 14.2089 -, Rn. 91, jeweils zitiert nach juris).

Die Antragstellerin ist auch die geeignete Adressatin für die Anordnung. Dabei geht das Gericht davon aus, dass sie lediglich Pächterin und nicht Eigentümerin der Rinder ist. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem vorgelegten, zwischen ihr und ihrem Ehemann geschlossenen Pachtvertrag vom 18.12.2014, denn dieser Vertrag ist insoweit unverständlich. Dort heißt es in § 1 - „Gegenstand der Pacht“ -, die Pacht beziehe sich (auch) auf den „Viehbestand (siehe Anlage)“. In einer Anlage 1 f (Bewertung Viehvermögen) sind 98 Rinder mit einem Gesamtwert von „50.000,00“ aufgeführt. Demnach hätte die Antragstellerin ihren Rinderbestand gepachtet. Dagegen heißt es in § 2          - „Übergabe des lebenden und toten Inventars (Beschreibung in Anlage 2)“, das lebende und tote Inventar sei Eigentum des Pächters, sofern nicht ausdrücklich einzelne Stücke in der Beschreibung (gemeint ist die Anlage 2, Anmerkung des Gerichts) als „eisern“ verpachtet aufgeführt seien. Eine Anlage 2 enthält der vorgelegte Pachtvertrag  nicht und konnte von der Antragstellerin auch nach entsprechender Aufforderung des Gerichts nicht vorgelegt werden. Nach § 2 Abs. 1 wäre die Antragstellerin - mangels anderer Erkenntnisse aus einer Anlage 2 - somit als Eigentümerin ihres Rinderbestandes anzusehen. Hierfür spricht auch § 6 - „Rückgabe“, denn danach erfolgt für die zur Verfügung gestellten Wirtschaftsgüter Maschinen/Vieh und Feldinventar bei Pachtrückgabe ein Wertausgleich von 61.873 Euro (entspricht dem Gesamtwert der „Pachtgegenstände“). Wegen seines widersprüchlichen Inhalts ist der Pachtvertrag für die Klärung der Eigentumsverhältnisse an den Rindern somit ungeeignet. Auch die durch entsprechende Unterlagen belegte Betriebsübernahme der Antragstellerin von ihrem Ehemann sagt nichts darüber aus, ob sie – oder ihr Ehemann – Eigentümerin der Rinder ist (Bl. 47 ff. GA). Da die Antragstellerin und ihr Ehemann jedoch übereinstimmend erklärt haben, dass sie lediglich Pächterin des Rinderbestandes sei, legt das Gericht mangels gegenteiliger Erkenntnisse diesen Vortrag als richtig zugrunde. Demnach kann die Antragstellerin den Rinderbestand nur in ihrer Eigenschaft als Pächterin auflösen. Dies hat dadurch zu geschehen, dass sie die Rinder an den Verpächter, und damit an ihren Ehemann, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage für den Pachtvertrag zurückgibt. Die Rückgabe der Rinder an ihren Ehemann ist rechtlich auch möglich, nachdem der Antragsgegner mit Bescheid vom 10.12.2014 die sofortige Vollziehung für das mit Bescheid vom 28.08.2014 für den Ehemann angeordnete Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot für Rinder ausgesetzt hat.

Die der Antragstellerin gesetzte Frist zur Auflösung ihres Rinderbestandes bis zum 15.10.2014 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 28.08.2014 wurde ihr am 30.08.2014 zugestellt. Innerhalb der ihr danach verbleibenden Zeit von 6 Wochen wäre es ihr ohne weiteres möglich gewesen, die Rinder an ihren Ehemann zurückzugeben, zumal hierfür noch nicht einmal ein Ortswechsel der Tiere notwendig war.

Die in Ziffer 4 des Bescheids vom 28.08.2014 angedrohte Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Fortnahme, Sicherstellung und Verwertung der Rinder hat ihre Rechtsgrundlage in § 70 Abs. 1 NVwVG i. V. m. §§ 64, 65, 69 und 70 Nds. SOG und ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die zur Auflösung des Tierbestandes erforderliche Besitzaufgabe, Herausgabe und ggfs. Veräußerung der Tiere kann nur von dem zivilrechtlich Berechtigten vorgenommen werden. Gegenstand der Vollstreckung ist deshalb eine unvertretbare Handlung; eine Ersatzvornahme nach § 66 Nds. SOG scheidet folglich aus (Bay. VGH, Beschluss vom 07.11.2006, a.a.O., Rn. 8; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28.03.2011 – 11 ME 96/11 -, Rn. 5, jeweils zitiert nach juris). Die Androhung unmittelbaren Zwangs genügt auch den Anforderungen des § 69 Abs. 6 Nds. SOG. Das mildere Mittel des Zwangsgeldes wäre unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens der Antragstellerin nicht erfolgversprechend gewesen. Die angedrohte Fortnahme, Sicherstellung und Verwertung der Rinder sind auch im engeren Sinne verhältnismäßig. Sie sind die einzigen in Betracht kommenden Maßnahmen, um die Auflösung des Rinderbestands zu vollziehen. Unschädlich ist deshalb, dass der Antragsgegner kein Ermessen ausgeübt hat, denn insoweit liegt eine Ermessensreduzierung auf Null vor.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war ebenfalls abzulehnen, da der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aus den dargelegten Gründen keine Erfolgsaussicht hat (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffern 35.2 und 54.2.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 18.07.2013). Danach ist bei einem Streit um die Anordnung gegen einen Tierhalter, die wie im vorliegenden Fall der Anordnung einer Gewerbeuntersagung gleichkommt, im Hauptsacheverfahren ein Streitwert von mindestens 15.000 Euro anzusetzen. Dieser Betrag ist nach 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges a.a.O. im vorläufigen Rechtschutzverfahren auf die Hälfte herabzusetzen.