Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 20.02.2001, Az.: 12 A 3725/99

fehlende Kontrollmöglichkeiten; Kälberfrühvermarktungsprämie; Nachweis; Prämie; Rückforderung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
20.02.2001
Aktenzeichen
12 A 3725/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40184
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Folgen bei fehlender Kontrollmöglichkeit im Schlachtbetrieb

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme des Bescheides über die Gewährung einer Kälberfrühvermarktungsprämie nebst Rückforderung der gewährten Beihilfe.

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Der Kläger brachte am 3. Dezember 1996 vier Kälber zur Schlachtung zum Schlachtbetrieb W., I., der unter dem 5. Dezember 1996 bei der Bezirksregierung W.-E. anzeigte, dass er beabsichtige, Kälber im Rahmen der Frühvermarktungsprämie zu schlachten. Am 18. Dezember 1996 beantragte der Kläger die Gewährung einer Frühvermarktungsprämie für die vorgenannten Kälber. Dem Antrag fügte er eine Schlachtbescheinigung des Tierarztes Dr. P. vom 19. Dezember 1996, einen Auszug aus dem Bestandsregister für Rinder, für das jeweilige Kalb eine Schlachtbescheinigung der Landschlachterei W. vom 3. Dezember 1996 (mit den Angaben: Schlachtdatum, Ohrmarken-Nr., Schlacht-Nr., Erzeuger und Schlachtkörpergewicht) sowie die Original-Begleitpapiere für Rinder mit den Ohrmarkennummern DE ..., DE ..., DE ... und DE ... bei.

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Mit Bescheid vom 14. April 1997 bewilligte der Beklagte dem Kläger eine Kälberfrühvermarktungsprämie in Höhe von 495,60 DM.

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Die Bezirksregierung W.-E. überprüfte am 20. Januar 1998 den Schlachtbetrieb W.. Hierbei wurden keinerlei Unterlagen zu den geschlachteten Kälbern des Klägers gefunden. Der im Veterinäramt in A. befindliche Gebührenbescheid für die Fleischbeschau, ausgestellt am 5. Dezember 1996, enthält Angaben des Fleischbeschautierarztes Dr. P. über die Lieferanten mit Kategorie und Stückzahl der Tiere.

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Der Beklagte überprüfte am 27. Januar 1998 den Betrieb des Klägers. Es gab keine Beanstandungen.

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Nachdem der Beklagte den Kläger unter dem 30. November 1998 zu der beabsichtigten Rückforderung anhörte, nahm er mit Bescheid vom 20. Januar 1999 den Bescheid über die Bewilligung der Kälberfrühvermarktungsprämie vom 14. April 1997 zurück, forderte den Kläger auf, die gewährte Prämie in Höhe von 495,60 DM zurückzuzahlen, und setzte Zinsen in Höhe von 48,76 DM sowie Kosten in Höhe von 49,56 DM fest. Zur Begründung führte er an, dass gemäß Art. 50 Abs. 2 der VO (EG) 2311/96 dem Antrag detaillierte Unterlagen beizulegen seien, anhand derer die Förderfähigkeit des jeweiligen Tieres geprüft werden könne, u. a. sei eine Bescheinigung des Schlachthofes vorzulegen. Anhand der Angaben werde geprüft, ob die Förderfähigkeit der Tiere gegeben sei. Eine spätere Kontrolle diene dazu, die mit der Schlachtbescheinigung gemachten Angaben zu überprüfen. Bei einer Kontrolle des Schlachtbetriebes seien keine Unterlagen vorgefunden worden, die die Schlachtung der von dem Kläger beantragten Tiere bestätigten. Ein Nachweis über die tatsächliche Schlachtung der Tiere im Schlachtbetrieb sei damit nicht erbracht worden, so dass die Voraussetzungen für die Prämiengewährung nicht vorlägen. Der Bewilligungsbescheid sei folglich rechtswidrig ergangen und daher zurückzunehmen.

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Der Kläger erhob am 29. Januar 1999 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass er den Antrag ordnungsgemäß gestellt und alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt habe. Der Umstand, dass der Schlachtbetrieb keine Unterlagen vorweisen könne, liege nicht in seinem Verantwortungsbereich. Er habe eine entsprechende Bescheinigung vorgelegt, aus der sich die Schlachtung der Tiere ergebe, einschließlich Kennzeichen, Daten usw.. Damit sei sehr wohl der Nachweis erbracht, dass die Tiere in einem Betrieb geschlachtet worden seien, der gemäß Art. 50 Abs. 1 2. Unterabsatz der EG-Verordnung hierzu berechtigt gewesen sei. Die Verpflichtung des Schlachtbetriebes, bestimmte Unterlagen aufzubewahren, erfolge nicht gegenüber den jeweiligen Eigentümern der Tiere, sondern gegenüber der Behörde. Wenn die Behörde eine entsprechende Bescheinigung für den Schlachthof ausstelle, könne er davon ausgehen, dass die Zuverlässigkeit des betreffenden Schlachtbetriebes geprüft worden sei. Da ein Dritter gegen Verpflichtungen verstoßen habe, könne sich hieraus keine Haftung für ihn ergeben.

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Die Bezirksregierung W.-E. wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 1999 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, dass der Bewilligungsbescheid rechtswidrig sei, da die Voraussetzungen für eine Gewährung der Vermarktungsprämie im Nachhinein nicht hätten bestätigt werden können. Bei der Prüfung des Schlachtbetriebes hätten die erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt werden können. Es sei richtig, dass der Kläger auf die tatsächliche Einhaltung der Verpflichtung des Schlachtbetriebes gegenüber der Behörde keinen Einfluss habe. Jedoch sei dem entgegenzuhalten, dass er sehr wohl für die Erfüllung der prämienerheblichen Voraussetzungen verantwortlich sei, da er bei der Auswahl seiner Vertragspartner größere Sorgfalt hätte walten lassen müssen. Durch die Beauftragung mit der Schlachtung sei der Schlachtbetrieb Vertragspartner des Klägers geworden. Wenn der Schlachtbetrieb seiner Verpflichtung, die Unterlagen über die Erfassung der Schlachtdaten aufzubewahren, nicht nachkomme, so sei dieses ein privatrechtliches Problem zwischen dem Kläger und dem Schlachtbetrieb. Der Kläger habe sich des Schlachtbetriebes zur Erfüllung der Prämienvoraussetzungen bedient. Somit müsse er dessen Fehlverhalten gegen sich gelten lassen. Es sei nicht möglich, trotz des fehlenden Nachweises der Richtigkeit der Schlachtbescheinigung, von einer Rückforderung abzusehen. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Er sei seiner Verpflichtung zur Einhaltung der Prämienbedingungen nicht nachgekommen. Auch in Abwägung mit dem öffentlichen Interesse, das auch das allgemeine fiskalische Interesse an der Vermeidung nicht gerechtfertigter öffentlicher Ausgaben und Aufwendungen beinhalte, sei die Rückforderung geboten.

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Der Kläger hat am 13. Oktober 1999 Klage erhoben. Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens trägt er weiter vor, er sei nur verpflichtet, einen zugelassenen Schlachtbetrieb auszuwählen. Die Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen des Schlachtbetriebes sei in jeder Hinsicht Aufgabe der Behörden selbst. Auch könne er sich auf Vertrauensschutz berufen, da er seine Pflichten eingehalten und keine unrichtigen Angaben gemacht habe.

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Der Kläger beantragt,

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den Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 20. Januar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung W.-E. vom 14. September 1999 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt zur Begründung ergänzend vor: Da bei der Überprüfung des Schlachtbetriebes keinerlei Unterlagen hätten vorgelegt werden können, habe er die mit Antragstellung vorgelegten Schlachtbescheinigungen des Klägers nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen können. Eine Überprüfung und Feststellung der Richtigkeit sei allerdings die Voraussetzung für ein Belassen der Prämie. Der vom Kläger ausgewählte Schlachtbetrieb sei der von ihm abgegebenen Verpflichtungserklärung, zur ordnungsgemäßen Anwendung der Prämienregelung beizutragen, nicht nachgekommen. Der Kläger könne auch nicht darauf verweisen, dass es nicht in seinen Verantwortungsbereich falle, dass der Schlachtbetrieb seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Der Kläger habe gerade den Schlachthof zur Schlachtung der Kälber gewählt, weil dieser der Behörde gegenüber die Erklärung abgegeben habe, die prämienrelevanten Unterlagen für eine bestimmte Zeit aufzubewahren. Die Tatsache, dass der Schlachtbetrieb dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, könne ihm nicht angelastet werden. Es liege in der Risikosphäre des Klägers, dass die Prämienvoraussetzungen im Schlachtbetrieb eingehalten werden.

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Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

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Die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 14. April 1997 ist rechtswidrig und verletzt die Rechte des Klägers (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

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Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation (MOG) vom 31. August 1972 (BGBl. I S. 1617), in der Fassung des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2. Mai 1996 (BGBl. I S. 656) liegen nicht vor. Hiernach ist eine Rücknahme des den Kläger begünstigenden Bewilligungsbescheides nur möglich, wenn dieser rechtswidrig ergangen ist. Indes erweist sich dieser Bescheid als rechtmäßig.

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Rechtsgrundlage für die Gewährung der Kälberfrühvermarktungsprämie ist § 16 a Rinder- und Schlachtprämien-Verordnung (RSP-VO) in der Fassung der 8. Verordnung zur Änderung der RSP-VO vom 12. Februar 1997 in Verbindung mit Art. 4 i Abs. 2 Verordnung (EG) 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 (ABl. L Nr. 48, S. 24) in der Fassung der Verordnung (EG) 2222/96 des Rates vom 18. November 1996 (ABl. Nr. L 296, S. 50). Hiernach wurde bis zum 30. November 1998 eine Prämie für die Frühvermarktung von Kälbern gewährt, die ein näher bestimmtes Schlachtgewicht nicht überschritten und einen bestimmten Zeitraum gehalten wurden.

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Die Beteiligten streiten im vorliegenden Fall allein um die Frage, ob die fehlende Kontrollmöglichkeit aufgrund fehlender Unterlagen beim Schlachtbetrieb zum Prämienverlust führt.

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Im übrigen gehen sie - auch nch den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung - davon aus, dass die einzelnen Voraussetzungen für die Prämiengewährung nach §§ 16 a ff. RSP-VO, Art. 4 i VO (EG) 805/68 des Rates, Art. 46 ff. VO (EG) 3886/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl. L 391 S. 20) in der Fassung der VO (EG) 2311/96 der Kommission vom 02. Dezember 1996 (ABl. L 313 S. 9) vorliegen.

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Entgegen der Auffassung des Beklagten führt allein der Umstand, dass eine Kontrolle der Schlachtbescheinigung bei dem Schlachtbetrieb nicht mehr möglich ist, da dieser über keine Unterlagen mehr verfügt, nicht zum Verlust der Prämie und damit zur Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Kälberfrühvermarktungsprämie sind in § 16 a ff. RSP-VO in Verbindung mit Art. 46 ff. VO (EG) 3886/92 abschließend bestimmt. Hiernach ist u.a. erforderlich, dass die Schlachtung in einem Kälberschlachtbetrieb erfolgt, der sich gegenüber der zuständigen Behörde verpflichtete, bestimmte Dokumentationspflichten zu erfüllen. Dies hat der Kläger unstreitig beachtet. Er ließ seine Kälber in dem Schlachtbetrieb W. schlachten, der bei der Bezirksregierung W.-E. anzeigte, als Kälberschlachtbetrieb tätig zu werden und die entsprechenden Dokumentationspflichten zu beachten.

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Dass ihrerseits die Erfüllung der Dokumentationspflichten des Schlachtbetriebes Prämienvoraussetzung ist, lässt sich dieser Vorschrift nicht entnehmen. Dies kann auch nicht aus § 16 c RSP-VO i.V.m. § 19 RSP-VO abgeleitet werden, da hierin allein die näheren Verpflichtungen des Schlachtbetriebes selbst bestimmt werden. Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Erfüllung dieser Dokumentationspflichten selbst Voraussetzung der Prämiengewährung ist. Auch §§ 16 c Abs. 2, 13 Abs. 4 S. 1 RSP-VO kann dies nicht entnommen werden, da hiernach dem Prämienantrag u.a. eine Schlachtbescheinigung beizufügen ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger unstreitig.

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Eine Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides folgt auch nicht der VO (EG) 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl. Nr. L 391, S. 36). Die fehlende Kontrollmöglichkeit führt hiernach nur dann zum Verlust der Prämien und damit zur Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides, wenn die Kontrolle aus Gründen, die dem Antragsteller anzulasten sind, nicht durchgeführt werden konnte (Art. 13 VO (EG) 3887/92). Der Umstand, dass der Schlachtbetrieb seine Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten missachtete, ist im vorliegenden Fall nicht dem Kläger anzulasten. Diese Pflichten stehen nicht in seinem Verantwortungsbereich. Er hat die Kontrolle der eingereichten Antragsunterlagen nicht in zurechenbarer Weise verhindert. Vielmehr oblag ihm lediglich, die materiellen Prämienvoraussetzungen hinreichend nachzuweisen; dies ist ihm gelungen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Angaben auf der Schlachtbescheinigung des Schlachtbetriebes unzutreffend sind. Vielmehr wird die Schlachtung der Tiere durch weitere Unterlagen (Schlachtbescheinigung des Fleischbeschautierarztes sowie der Gebührenbescheid des Veterinäramtes A.) bestätigt.

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Im Hinblick hierauf bedarf es daher keiner Entscheidung, ob die VO (EG) 3887/92 auch in Fällen der Gewährung der Kälberfrühvermarktungsprämie anwendbar ist. Gegen eine Anwendung der Verordnung könnte sprechen, dass diese Verordnung Durchführungsvorschriften zu dem in der VO (EG) 3508/92 vorgesehenen integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (integriertes System) enthält (vgl. Art. 1 VO (EG) 3887/92). Die VO (EG) 3508/92 ihrerseits sieht das integrierte System gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b aber lediglich für Prämienregelungen zugunsten Rindfleischerzeuger gemäß Art. 4 Buchstaben a bis h der VO (EG) 805/68 vor. Die vorliegend streitige Kälberfrühvermarktungsprämie hat ihre Grundlage indes in Art. 4 Buchstabe i VO (EG) 805/68.

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Infolge der Rechtswidrigkeit der Rücknahme des Bewilligungsbescheides haben die Rückforderung der Prämie nebst Zinsforderung sowie die Kostenentscheidung keinen Bestand und sind ebenfalls aufzuheben.