Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 21.02.2001, Az.: 11 A 3775/99
Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses ; Beurteilungsspielraum über die Notwendigkeit von anzufertigenden Fotokopien ; Erstattungsfähigkeit von Schreibauslagen und Fotokopien ; Vergütung von Kopien
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 21.02.2001
- Aktenzeichen
- 11 A 3775/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 19481
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2001:0221.11A3775.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 10.01.2001 - AZ: 11 A 3775/99
Rechtsgrundlagen
- § 128 Abs. 3 BRAGO
- § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO
Fundstellen
- NVwZ-RR 2002, 78-79 (Volltext mit red. LS)
- NdsVBl 2002, 26-27
Verfahrensgegenstand
Streitgegenstand: Ausweisung
Kostenfestsetzung
Prozessführer
der Herr B.
Proz.-Bev.:Rechtsanwälte Brüntrup und andere, Besselstraße 21, 32427 Minden, - 559/00 -
Prozessgegner
den Landkreis Vechta,
der Oberkreisdirektor, Ravensberger Straße 20, 49377 Vechta, - 32-336131-013927/02 -
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 11. Kammer -
am 21. Februar 2001 beschlossen:
Tenor:
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts vom 10. Januar 2001 - 11 A 3775/99 - wird dahin abgeändert, dass zusätzlich Auslagen für 95 Fotokopien aus der Landeskasse zu vergüten sind.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich dagegen, dass der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Januar 2001 Auslagen für 161 Fotokopien abgesetzt hat.
Die gemäß § 128 Abs. 3 BRAGO i. V. m. § 151 VwGO zulässige Erinnerung ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet. Der durch Prozesskostenhilfebeschluss beiordnete Bevollmächtigte des Klägers erhält nach§ 121 BRAGO die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse, zu der auch Auslagen zählen, die zur sachgemäßen Wahrung der Interessen der Partei erforderlich waren (§ 126 Abs. 1 Satz 1 BRAGO). Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO hat der Rechtsanwalt Anspruch auf Ersatz der Schreibauslagen, Abschriften und Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung des Rechtssache geboten war. Dabei darf kein engherziger Maßstab angelegt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. August 1970 - III C 70.68 - NJW 1971, 209 f; BayVGH, Beschl. v. 29. August 2000 - 8 C 99.2099 -). Der Rechtsanwalt kann einen Beurteilungsspielraum über die Notwendigkeit der anzufertigenden Fotokopien beanspruchen, denn er und nicht das Gericht, das nachträglich über die Erstattbarkeit der Schreibauslagen zu entscheiden hat, ist für die Führung der Rechtssache verantwortlich und einem Haftungsrisiko ausgesetzt. Er muss sich auf Eventualitäten im Rahmen des Vernünftigen vorbereiten; deswegen kann auch ein abgelichtetes Schriftstück, das sich im weiteren Verlauf des Verfahrens als nicht erforderlich erwiesen hat, durchaus erstattungsfähig im Sinne von§ 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO sein (vgl. BayVGH a.a.O.; von Eicken, in: Gerold/Schmidt, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 14. Auflage, 1999, § 27 RdNr. 15 und§ 126 RdNr. 7). Eine solche Betrachtungsweise entspricht zudem der Verfahrenökonomie. Sie verhindert oder vermindert wiederholte Akteneinsichten, die zu Verfahrensverzögerungen und erheblichen Kosten für alle Beteiligten, auch für die Gerichtsverwaltung, führen können. Eine kleinliche Behandlung bei der Kostenerstattung ist hier deshalb verfehlt (vgl. Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, § 162 RdNr. 4), auch wenn sich durch die im Kostenverzeichnis bestimmte Höhe der Schreibauslagen (vgl. Anlage 1 z. GKG, Nr. 9000) häufig - im Vergleich zu den übrigen Kosten - beachtliche Beträge ergeben mögen. Allein die (mögliche) Höhe von Schreibauslagen rechtfertigt es nicht, die Erforderlichkeit dessen, was der Anwalt zur sachgemäßen Wahrung der Interessen seiner Partei veranlassen darf, übertrieben restriktiv zu beurteilen; eher könnte der Gesetzgeber erwägen, ob er angesichts moderner und günstiger Vervielfältigungstechniken die einschlägigen Kostensätze senkt.
Eine Grenze wird dort zu ziehen sein, wo mit dem Fertigen von Ablichtungen Missbrauch getrieben wird (Sammlung "Sammlung von Material für alle Fälle"), sowie bei einer gedankenlosen Ablichtung kurzer Hand der gesamten Behördenakte, ohne dass ihre Notwendigkeit für das streitige Verfahren irgendwie ins Auge gefasst wird (vgl. BayVGH a.a.O.). Auf die Möglichkeit, Rückgriff auf Unterlagen seines Mandanten zu nehmen, darf der Rechtsanwalt allenfalls insoweit verwiesen werden, als diese unmittelbar das schwebende Verfahren betreffen und dem Mandanten zeitnah zugegangen sein müssten.
Hiervon ausgehend und nach überschlägiger Durchsicht der vorgelegten Fotokopien des Bevollmächtigten des Klägers ist der Maßstab gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO jedenfalls bei Ablichtung der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Band I und II der gefertigten Ablichtungen) in weiten Teilen eingehalten worden. Diese Fotokopien betreffen überwiegend Vorgänge, die nach dem seinerzeit noch nicht abschätzbaren Gang des Verfahrens durchaus für die Prozessführung nach der damals möglichen Beurteilung von Bedeutung sein konnten (u.a. strafrechtliche Auffälligkeiten, Verurteilungen, Stellungnahmen von Justizbehörden, Schriftverkehr der Behörden untereinander, interne Vermerke). Von diesen Vorgängen und ihrer Chronologie nebst internen Vermerken durfte der Bevollmächtigte des Klägers bereits aus Gründen der"Waffengleichheit" Ablichtungen fertigen lassen, um erkennen zu können, von welchem Kenntnisstand der Beklagte jeweils ausgegangen ist.
Von den (insoweit) gefertigten 121 Ablichtungen waren lediglich 26 abzusetzen, weil der Bevollmächtigte diese unmittelbar vom Kläger hätte verlangen können. Dies sind die Ablichtungen des Anhörungsschreibens des Beklagten, der entsprechenden Stellungnahme des früheren Bevollmächtigten des Klägers, des angefochtenen Bescheides, der anwaltlichen Widerspruchsbegründung und des Widerspruchsbescheides (einschließlich Zuleitungsmitteilung). Während bei den genannten Unterlagen (noch) davon ausgegangen werden kann, dass sie ein "gut vorbereiteter Mandant" als eigene Handakte des unmittelbar schwebenden Verfahrens zur Verfügung hat, lässt sich das auf die übrigen Unterlagen nicht übertragen. Dies gilt selbst hinsichtlich der Dokumente, die dem Kläger zu einem früheren Zeitpunkt zugegangen sein müssen, wie etwa dessen strafrechtliche Verurteilungen. Um eine sachgemäße Interessenvertretung wahrzunehmen, wird sich ein Anwalt nicht darauf verlassen dürfen, ob sein Mandant auch die Unterlagen aus früheren anderen Verfahren vollständig besitzt. Ebenso wenig wird er sich darauf verlassen dürfen, dass dieser ein so weitreichende Handakte von einem früheren Anwalt übermittelt bekommen hat. Dies gilt hier um so mehr, als der Bevollmächtigte das Verfahren in einem fortgeschrittenen Stadiumübernommen hat. Angesichts der sich abzeichnenden mündlichen Verhandlung musste er zügig Klarheit darüber erhalten, von welchem Sach- und Streitstand auszugehen ist. Folglich erscheint die Fertigung von 95 Ablichtungen aus den Verwaltungsvorgängen der Beklagten zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen des Klägers geboten.
Im vollen Umfang abzusetzen waren hingegen die Ablichtungen der Gerichtsakte (Band III der gefertigten Fotokopien). Diese Kopien betreffen im Wesentlichen die vom früheren Bevollmächtigten gefertigte Klage und Klagebegründung (nebst der angefochtenen Bescheide) sowie weitere Auszüge des gerichtlichen Schriftwechsels, ohne dass Besonderheiten des gerichtlichen Verfahrens dokumentiert werden. Nach den oben ausgeführten Maßstäben muss sich der Bevollmächtigte darauf verweisen lassen, dass diese unmittelbar verfahrensrelevanten Vorgänge bereits vom Kläger zu erlangen waren, der insoweit von seinem früheren Bevollmächtigten entsprechende Abschriften erhalten haben musste.
Folglich war die Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses hinsichtlich der Kosten für 95 Fotokopien zu veranlassen und die Erinnerung im Übrigen zurückzuweisen. Die Nebenentscheidungen über Verfahrensgebühren und Kosten beruhen auf§ 128 Abs. 5 Satz 1 und 2 BRAGO.
Braatz
Keiser