Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 30.01.2001, Az.: 11 B 844/04

Betreuungsbedarf; Duldung; Erziehungsbeitrag; familiäre Lebensgemeinschaft; länderübergreifende Verteilung; rechtliches Abschiebungshindernis; Vater-Kind-Beziehung; Verbundenheit

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
30.01.2001
Aktenzeichen
11 B 844/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 40232
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Duldung zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft (insbesondere Vater-Kind-Beziehung) und zur möglichen Geltendmachung von abgeleiteten Aufenthaltsrechten bei der Ausländerbehörde eines anderen Bundeslandes.

Tenor:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den weiteren Aufenthalt der Antragsteller bis zum 10. Juni 2004 zu dulden.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

1

I. Die Antragsteller sind türkische Staatsangehörige und begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes ihren vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.

2

Die Antragstellerin zu 1) reiste am 28. Februar 2003 als Asylbewerberin in das Bundesgebiet ein. Ihr Asylantrag wurde rechtskräftig als offensichtlich unbegründet abgelehnt (vgl. Urteil des Gerichts vom 4. September 2003 - 5 A 1280/03 -). Am 20. Juni 2003 schloss sie die Ehe mit dem in Hamburg-Harburg lebenden türkischen Staatsangehörigen T.... Dieser lebt seit vielen Jahren im Bundesgebiet und besitzt - infolge einer mittlerweile geschiedenen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen - eine bis zum 8. September 2005 befristete Aufenthaltserlaubnis (vgl. Eintrag des Bezirksamts Hamburg-Harburg vom 9. September 2003 in dessen Nationalpass). Der am 2. August 2003 in Hamburg geborene Antragsteller zu 2) ist das gemeinsame Kind der Antragstellerin zu 1) und ihres Ehemannes. Er leidet unter einer angeborenen Citrullinämie (Aminosäurestoffwechselstörung), die unbehandelt zu Krampfanfällen, Koma, Erbrechen, Muskelschwäche sowie Lebervergrößerung führt und eine geistige Behinderung zur Folge haben kann (Bescheinigungen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf - UKE - vom 18. November 2003 und 12. Februar 2004; Stellungnahme des Gesundheitsamtes der Freien und Hansestadt Hamburg vom 13. November 2003). Die Behandlung der Krankheit erfordert eine eiweißarme Diät (derzeit erhält der Antragsteller das Eiweißgemisch „Minus 1“ vor den 5 Stillmahlzeiten) und die regelmäßige Kontrolle der Citrullin- und Ammoniak-Spiegel im Blut (vgl. Bescheinigung des UKE vom 12. Februar 2004). Der Aufenthalt der Antragsteller im Bundesgebiet wurde bislang lediglich gestattet bzw. - im Hinblick auf die Geburt und später die Behandlungsbedürftigkeit des Antragstellers zu 2) - geduldet.

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Die Antragsteller sind durch Auflagen verpflichtet, in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Oldenburg zu wohnen, erhalten aber seit längerem fortlaufende Erlaubnisse der Antragsgegnerin zum vorübergehenden Verlassen des Bereichs der Aufenthaltsgestattung/Duldung, so dass sie mit dem Ehemann/Vater in Hamburg/Harburg zusammenleben. Trotz mehrfacher Anfragen der Antragsgegnerin weigerte sich die Freie und Hansestadt Hamburg einem Zuzug der Antragsteller zuzustimmen. Dementsprechend lehnte die Antragsgegnerin durch (nicht mit Rechtsmittelbelehrung versehenen) Bescheid vom 22. Januar 2004 eine Aufhebung oder Änderung der Wohnsitzauflage in der Duldung ab und wies die Antragsteller auf die (lediglich die Antragstellerin zu 1) betreffende) Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) vom 28. März 2003 hin. Auch in der Grenzübertrittsbescheinigung vom 10. Februar 2004 betonte sie die Verpflichtung der Antragsteller, die Bundesrepublik Deutschland bis spätestens 2. März 2004 zu verlassen.

4

Die Antragsteller haben am 23. Februar 2004 um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht, mit dem sie unter Hinweis auf unzureichende Behandlungsmöglichkeiten des Antragstellers zu 2) in ihrem osttürkischen Heimatort und die familiäre Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann/Vater die vorläufige Unterlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen begehren.

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II. Bei verständiger Würdigung ihres Begehrens (§§ 88, 122 VwGO) erstreben die Antragsteller im Wege einer einstweiligen (Sicherungs-) Anordnung eine weitere Duldung für Niedersachsen und den ihnen zugewiesenen Aufenthaltsort, die ihnen den weiteren vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet und - mit auch weiterhin erteilten Erlaubnissen zum vorübergehenden Verlassen des Bereichs der Duldung - den Aufenthalt beim Ehemann/Vater ermöglicht. Für eine (weitergehende) Duldung, die ihnen einen dauerhaften Zuzug nach Hamburg ermöglichen soll, ist nichts vorgetragen. Eine solche der „länderübergreifenden Umverteilung“ dienende Duldung könnte aller Voraussicht nach auch nicht mit Erfolg gegen die Antragsgegnerin gestellt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. Oktober 2002 - 8 ME 142/02 - AuAS 2002, 256; Thüringer OVG, Beschluss vom 2. Juli 2003 - 3 EO 166/03 - DÖV 2000, 909). Dementsprechend wenden sich die Antragsteller nicht unmittelbar gegen die Versagung einer Aufhebung oder Änderung der Wohnsitzbeschränkung ihrer Duldung in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2004, sondern machen im vorliegenden Verfahren nun Duldungsgründe nach § 55 Abs. 2 AuslG gegen die bevorstehende Abschiebung geltend.

6

Ihr derart verstandener Antrag ist gemäß § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO statthaft, zulässig und auch begründet. Die zeitliche Beschränkung der gerichtlichen Verpflichtung zur Duldung ist geboten, um die Antragsteller zu ernsthaften Bemühungen zur Erlangung einer Duldung im Vorgriff auf ein Aufenthaltsrecht bei der Ausländerbehörde am Aufenthaltsort ihres Ehemanns/Vaters anzuhalten und diese zu ermöglichen.

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Die Antragsteller haben neben einem Anordnungsgrund (durch die von der Antragsgegnerin seit Anfang Februar 2004 ernsthaft betriebenen Aufenthaltsbeendigung) auch glaubhaft gemacht, dass ihnen ein durch einstweilige Anordnung zu sichernder Anspruch auf zeitweise Aussetzung ihrer Abschiebung (Duldung) zusteht (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 254 ZPO). Eine solche Duldung steht ihnen gemäß § 55 Abs. 2 AuslG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG zumindest für den im Tenor genannten Zeitraum zu, weil insbesondere die familiäre Lebensbeziehung des minderjährigen Antragstellers zu 2) zu seinem (ehelichen) Vater unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles einer Aufenthaltsbeendigung entgegensteht und sich dieser Schutz wegen der besonderen Mutter-Kind-Beziehung auch auf die Antragstellerin zu 1) erstreckt. Die Duldung sichert insbesondere dem im Bundesgebiet geborenen Antragsteller zu 2), dem kein Vorwurf eines Verstoßes gegen Visumsvorschriften (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) gemacht werden kann, ferner die Möglichkeit, ein nicht von vornherein ausgeschlossenes Aufenthaltsrecht abgeleitet von seinem mit befristeter Aufenthaltserlaubnis in Hamburg lebenden Vater bei der dortigen Ausländerbehörde geltend zu machen. Außerdem ist der Aufenthalt des Antragstellers zu 2) weiterhin zu dulden, weil ihm - soweit ersichtlich - in eigener Person noch nicht die Abschiebung gemäß § 50 Abs. 1 AuslG angedroht worden ist, da sich der Bescheid des Bundesamts vom 28. März 2003 nur auf die Antragstellerin zu 1) bezieht.

8

Nach § 55 Abs. 2 AuslG wird einem Ausländer eine Duldung erteilt, solange seine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist oder nach § 53 Abs. 6 oder § 54 AuslG ausgesetzt werden soll. Es mag dahinstehen, ob die Abschiebung wegen eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG - über das hier mangels eines Asylverfahrens des Antragstellers zu 2) die Antragsgegnerin oder eine ansonsten örtlich zuständige Ausländerbehörde und das sie zu überprüfende Gericht zu entscheiden hätten - ausgesetzt werden müsste. Denn wegen des besonderen Schutzes der familiären Beziehung zwischen insbesondere dem minderjährigen Antragsteller zu 2) und seinem Vater aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK - der über die besondere Mutter-Kind-Beziehung auch als Rechtsreflex auf die Antragstellerin zu 1) ausstrahlt - erweist sich eine Abschiebung jedenfalls aus rechtlichen Gründen als unmöglich.

9

In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (s. u. a. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats v. 30. Januar 2001 - 2 BvR 231/00 - InfAuslR 2002, 171, 173f.) geklärt, dass die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde verpflichtet, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1, 49 ff., 80, 81, 93). Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG freilich nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. BVerfGE 76, 1, 42 f.), wobei grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, 67). Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG gilt zunächst und zuvörderst der Familie als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft; in der Familie und der elterlichen Erziehung findet die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes eine wesentliche Grundlage (vgl. BVerfGE 80, 81, 90). Besteht eine solche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind und kann diese Gemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Oktober 1992 - 2 BvR 1365/92 -, InfAuslR 1993, 10, 11 und vom 10. August 1994 - 2 BvR 1542/94 -, InfAuslR 1994, 394, 395; vgl. auch BVerfGE 80, 81, 95 [BVerfG 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84] zur Erwachsenenadoption). Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. August 1994 - 2 BvR 1542/94 -, InfAuslR 1994, 394, 395; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, 67, 68 f.).

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Vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass zwischen dem minderjährigen Antragsteller zu 2) und seinem Vater eine derart intensive Beziehung besteht, dass von einem rechtlichen Abschiebungshindernis im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG auszugehen ist. Der Antragsteller zu 2) ist nicht nur ehelich geboren, sondern stammt nach übereinstimmenden Erklärungen der Antragstellerin zu 1) und ihres Ehemannes in der Anhörung vor dem Bundesamt biologisch von letzterem ab. Sein Vater ist mitsorgeberechtigt und nimmt sein Sorgerecht auch tatsächlich wahr. Er lebt mit den Antragstellern seit der Geburt des Sohnes - soweit aus den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin ersichtlich - durchgängig in häuslicher Gemeinschaft in Hamburg, was den Antragstellern durch laufende Erteilung von Erlaubnissen zum vorübergehenden Verlassen des Ortes der Aufenthaltsgestattung/Duldung ermöglicht worden ist. Folglich nimmt er - auch mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - aufgrund der ständigen Nähe und Gemeinsamkeit elterliche Erziehungs- und Betreuungsaufgaben wahr. Zudem wird aus den Schriftsätzen des Bevollmächtigten der Antragsteller im Verwaltungsverfahren die Bereitschaft des erwerbstätigen Vaters deutlich, seine Familienangehörigen finanziell zu unterstützen.

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Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass gerade bei einem kleinen Kind - der Antragsteller zu 2) ist etwa 7 Monate alt - die Entwicklung sehr schnell voranschreitet, so dass hier auch eine verhältnismäßig kurze Trennungszeit im Lichte von Art. 6 Abs. 2 GG schon unzumutbar lang erscheint (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, 67, 69). In diesem Zusammenhang spricht für ein besonderes Aufeinander-Angewiesen-Sein von Vater und Sohn insbesondere auch der Umstand, dass der Antragsteller zu 2) unter einer angeborenen Citrullinämie (Aminosäurestoffwechselstörung) leidet, die einen besonderen Betreuungsbedarf wegen der gebotenen eiweißarmen Diät und regelmäßige medizinische Kontrolluntersuchungen erfordert. Dieser Umstand bleibt auch dann zugunsten der Antragsteller berücksichtigungsfähig, wenn hier - wie die Antragsgegnerin meint - die erforderliche Gefahrenschwelle für ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nicht erreicht sein sollte, weil die erforderlichen Diätprodukte und Kontrolluntersuchungen jedenfalls in der Westtürkei erhältlich sind (Stellungnahme der Deutschen Botschaft in Ankara vom 8. März 2001 an das VG Düsseldorf), die Antragsteller zumindest die „Grüne Karte“ (Jesil Kart) oder Unterstützung durch Angehörige für die medizinische Versorgung erhalten könnten und ihnen auch längere Anfahrten zum Behandlungsort zumutbar seien. In diesem Zusammenhang ist ferner bedeutsam, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht schon durch Betreuungsleistungen der Mutter (oder anderer Personen) entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2001 - 2 BvR 231/00 - InfAuslR 2002, 171, 173). Den Antragstellern ist es auch nicht zumutbar, ihre besonderes geschützte familiäre Lebensgemeinschaft durch eine Ausreise zu beenden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der Ehemann/Vater infolge einer - zwischenzeitlich beendeten - Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis ist und einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine gemeinsame Ausreise mit Frau und Kind in die Türkei scheidet deshalb aus. Dies gilt umso mehr, als wegen der Haltung des Ausländeramtes der Freien und Hansestadt Hamburg, die in den mehrfach betriebenen Verfahren auf Zuzug der Antragsteller dorthin wenig Wohlwollen und Entgegenkommen demonstriert hat, eine bloß kurze Trennungszeit durch ein nachzuholendes Visumverfahren nicht sehr wahrscheinlich erscheint.

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Der hier zu berücksichtigende besondere Schutz der familiären Lebensgemeinschaft zwischen den Antragstellern und Ehemann/Vater dürfte sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch zu ihren Gunsten bei der Prüfung der Erteilung von Aufenthaltsrechten (durch die zuständige Ausländerbehörde der Stadt Hamburg) auswirken. Die für Niedersachsen und den zugewiesenen Aufenthaltsort geltende Duldung vermag den Antragstellern die Verfolgung derartiger Rechte zu sichern. In einem ernsthaft von den Antragstellern zu betreibenden Verfahren könnte etwa der Frage nachgegangen werden, ob § 21 Abs. 1 S. 1 AuslG einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich ist, wonach es ausreicht, dass (nur) der Vater eine Aufenthaltserlaubnis besitzt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2001 - 13 S 894/00 - InfAuslR 2001, 330, 331; ablehnend VG Hamburg, Urteil vom 17. Juni 2003 - 22 VG 4324/00 -) oder dem Schutz aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG im Rahmen der anderen Vorschriften über den Familiennachzug (etwa § 20 Abs. 4 Nr. 2 oder § 30 Abs. 3 AuslG) Rechnung zu tragen wäre (in diese Richtung wohl BVerwG, Urteil vom 29. März 1996 - 1 C 28.94 - InfAuslR 1997, 24, 28). Hinsichtlich der Antragstellerin zu 1), die sich den Visumsverstoß bei ihrer Einreise (Regelversagungsgrund nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) entgegenhalten lassen muss, könnte die Erteilung zumindest einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 und 5 AuslG, für den der Regelversagungsgrund nicht gilt, erwogen werden. Vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung derartiger Daueraufenthaltsrechte wäre allerdings nicht vor dem erkennenden Gericht, sondern vor dem für den begehrten Aufenthaltsort zuständigen Verwaltungsgericht Hamburg zu suchen. Im Übrigen wird vertreten, dass Ausländern in Härtefällen zum Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsbereichs eine zusätzliche Duldung durch die zuständige Ausländerbehörde des anderen Bundeslandes erteilt werden kann (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. Oktober 2002 - 8 ME 142/02 - AuAS 2002, 256 m.w.N.; kritisch: Thüringer OVG, Beschluss vom 2. Juli 2003 - 3 EU 166/03 - DÖV 2003, 909, 910).

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Diesen rechtlichen Gegebenheiten wird die Kammerentscheidung aus dem nach der Tenorierung ersichtlichen Umfang gerecht, weil den Antragstellern damit hinreichend Zeit und Gelegenheit eingeräumt wird, um ihre Rechte gegenüber den zuständigen Behörden und Gerichten nachzusuchen.